Sehnsucht öffnet alle Türen
Teil 3
"Du bist ein guter Pilot", sagte Lunch und lockerte ihren Griff um den Haltering, an den sie sich beim Start geklammert hatte.
"Wir hätten auch ohne das Teil zum Nordpol fliegen können", sagte C17 grinsend. "Du bist doch beim Herflug auch nicht luftkrank geworden, oder?"
Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. "Viel Spaß hat es nicht gemacht, mussest du mich unter den Arm klemmen wie einen Mehlsack?"
"Ich hätte auch beide Arme um deine Taille legen können, oder noch weiter oben..." Schon hatte er einen Gewehrlauf vor der Nase. "Sonst noch Wünsche, du Perversling....?" Statt einer Antwort senkte der Hubschrauber auf einmal die Nase und legte sich leicht zur Seite.
"Pass doch auf!" Das Gewehr entfiel ihren Händen und schepperte irgendwo zu Boden, während sich ihrem Finger um den Haltegriff klammerten.
"Ts, ts", sagte C17 tadelnd. "Man spricht nicht mit dem Piloten während des Fluges und schon gar nicht bedroht man ihn mit einer Waffe, oder willst du uns beide umbringen. Außerdem habe ich nur einen dummen Witz gemacht, hast du denn gar keinen Humor?" "Jedenfalls keinen so abartigen wie du!", fauchte Lunch ohne den Griff loszulassen. "Das hast du gerade eben mit Absicht gemacht, oder?"
"Wer weiß", grinste C17 zwinkernd. "Schnapp dir den Radar und sag mir, ob ich richtig fliege oder mich mehr nordwestlich halten muss."
Lunch atmete ein paar Mal tief durch, dann ließ sie den Griff los, bücke sich und fischte den Radar aus ihrem Rucksack. Eins, zwei, dreimal gedrückt, da war der Punkt wieder hoch im Norden. "Nein, die Richtung stimmt. Werden wir lange brauchen?"
"Länger auf jeden Fall als wenn ich selbst geflogen wäre", gab C17 zurück. "Genieße die Landschaft, es wird ziemlich bald eintönig werden."
Er hatte recht. Nach gut drei Stunden Flugzeit wurde das Grün unter ihnen langsam bräunlich-gelb, dann grau und wenig später schmutzig weiß. Jetzt genügte nur noch ein Klick, um den blinkenden Punkt auf den Radar zu bringen. "Wir müssten ihm jetzt ziemlich nahe sein", sagte Lunch. "Kannst du hier irgendwo landen?"
"Ich versuche es!"
Die Decke aus altem Eis sah nicht sonderlich zuverlässig aus, aber da sie schon seit Jahrzehnten Bestand hatte, riskierte C17 eine Landung.
Knirschend setzten die Kufen auf dem rissigen Eis auf. Die beiden Insassen hielten den Atem an. Es hielt. Keine Kluft tat sich auf, um den Hubschrauber zu verschlucken.
"Am besten ziehen wir etwas von Marons warmem Zeug an", schlug Lunch vor. "Da draußen hat es bestimmt zwanzig Grad minus."
Sie öffneten den Sack und jeder fand eine warme Hose und mehrere wollig- weiche Pullover darin. Sie schlüpften in die passenden Kleider, zogen sich die Thermostiefel und Anzüge an, die weiter hinten in einer Kiste lagen und so eingepackt wie Weihnachstschinken stiefelten sie hinaus in die Kälte. Der Radar war mit den dicken Fäustlingen kaum zu halten. In der eisigen Luft hing jeder Atemzug gleich als gefrorene Nebelwolke vor ihren Gesicht. Sie kniff die Augen zusammen, um in dem schwachen Licht der einsetzenden Dämmerung überhaupt etwas erkennen zu können. "Etwas mehr nach links, denke ich."
"Zeig her!", er beugte sich von hinten über ihre Schulter und hielt einen Leuchtstab hoch, den er im Hubschrauber gefunden hatte über den Radar. "Ja, stimmt."
Er wandte sich in diese Richtung, doch da gab es nichts, nicht einmal Felsen oder Erhebungen. "Zuletzt müssen wir das Ding noch ausbuddeln", seufzte er.
Sie tasteten sich Schritt um Schritt an die betreffenden Stelle heran. "Hier... ja hier ungefähr müsste es sein", meinte C17, kniete hin und schwenkte den Leuchtstab über der Eisoberfläche.
"Vielleicht sollten wir einfach auf Tageslicht warten", schlug Lunch vor und rieb ihre Hände. "Wenn wir noch lange hier herum stehen, friert meine Nase noch ab und ich bekomme einen, ha.... haaaa.... nicht jetzt... haatschiiiii!"
C17 sprang auf und tatsächlich blickte er in das sanfte Gesicht der zahmen Lunch. "Was mache ich denn hier?", fragte sie verwundert. "Weißt du es?"
C17 rieb sich die Nase. "Ähhmm ... ich suche etwas und du, das heißt die blonde Lunch war so nett, mir dabei zu helfen."
"Ach, ist es etwa das da?", fragte sie und hielt ihm den Radar hin. "Mit so technischen Dingen kann ich nämlich nichts anfangen."
"Nicht ganz, es ist ein Hilfsmittel für die Suche", erklärte er und nahm ihr den Radar ab. "Heute ist es zu spät, um weiter zu machen. Wir holen das Zelt und die Wärmezelle aus dem Hubschrauber und warten auf morgen. Einverstanden?"
Es dauerte nicht lange und das äußerst praktische Zelt stand. Die Wärmezelle erwies sich als Lebensretter und sie konnten sich aus den Thermoanzügen schälen, ehe sie in die Schlafsäcke krochen. "Sollte ich nicht noch etwas kochen?", fragte Lunch zweifelnd. "Du hast doch sicher Hunger."
"Das geht schon. Wir sollten soviel Energie wie möglich sparen und am besten gleich schlafen", sagte er bestimmt. "Sobald wir wieder in einer wärmeren Gegend sind, kannst du uns ein Festmahl kochen, okay?"
"Wie du meinst...", Lunch klang nicht sonderlich überzeugt, wahrscheinlich weil auch ihr Magen leer war. Er schaltete den Leuchtstab aus und es wurde völlig finster im Zelt. Die Augen fest geschlossen, lauschte er auf Lunchs Atemzüge. Zuerst noch ungleichmäßig, wurden sie bald tiefer und ruhiger. Sie war eingeschlafen. Draußen pfiff der kalte Wind um das Zelt, doch innen hatte es erträgliche 15 Grad. Die Energieanzeige der Würfelförmigen Wärmezelle leuchtete grün und beruhigt glitt auch C17 in den Schlaf.
Am nächsten Morgen weckte ihn der Duft nach heißem Kaffee. Lunch hatte eine Kanne Wasser mit Instantkaffeepulver auf das glühend heiße Zentrum der Wärmezelle gestellt. "Wie schön, du bist auch schon wach", lachte sie ihn an und goss den Becher voll. "Hier, das macht warm und munter."
"Woher hast du das Wasser und den Kaffee?", wunderte er sich.
"Alles aus dem Flugzeug", sagte sie und hielt ihm einen Korb mit Zwieback und getrockneten Äpfeln hin. "Es ist zwar nichts Besonderes, aber besser als ein Loch im Magen."
Etwas erstaunt über ihre Selbständigkeit und dankbar nahm C17 den Becher mit dem Kaffee entgegen und trank ihn in kleinen Schlucken. Ahh... nichts war besser be der Kälte als ein heißes Getränk.
"Falls du dich frisch machen willst, im Hubschrauber hat Bulma extra einen kleinen Waschraum eingerichtet. Das ist wirklich eine Luxusausführung von einem Heli!"
"Später", sagte C17 und hielt ihr den Becher hin. "Kann ich noch mehr haben?"
Drei Tassen Kaffee und zahlreiche Zwiebacks später baute C17 das Zelt ab. Sie beide trugen nun Spezialbrillen, denn das gleißende Sonnenlicht wäre in dieser Umgebung sonst nicht auszuhalten gewesen.
Nachdem der Hubschrauber für den Abflug bereit war, setzte C17 die Suche nach dem Dragonball fort. Trotz des hellen Lichtes war das Eis undurchsichtig und von der orangen Kugel gab es keine Spur. Blieb nur eines.
Er bat Lunch, in sicherer Entfernung zu warten und schickte dann ein paar Energieladungen auf die betreffende Stelle im Eis. Es krachte und knirsche, zischte und dampfte und dann blitzte es orange in der Sonne. Unbeeindruckt von seiner Energie lag der orange Ball in einem Schmelzwassertümel auf dem Grund des Eiskraters. Zufrieden fischte ihn C17 heraus, ehe das Wasser wieder gefrieren konnte.
"C17!"
Er drehte sich um. Vor seinen entsetzt aufgerissenen Augen tat sich genau unterhalb des Hubschraubers eine Kluft im Eis auf. Die eine Kufe hatte noch Halt, die andere hing bereits im Nichts. Doch am schlimmsten war, dass Lunch an eben dieser Kufe hing. Der Hubschrauber neigte sich der Kluft zu und drohte, endgültig hinein zu kippen. Lunch schrie aus Leibeskräften und klammerte sich in Todesangst ausgerechnet an jenes Gerät, das sie beim Aufprall unter sich begraben und zermalmen würde...
Der Cyborg ließ den Dragonball los und fegte schneller als ein Windstoß herbei, er tauchte in die Kluft hinab, schoss wieder empor und seine Hände fassten die Kufen von unten. Nur zwei Schritte neben ihm hing die zitternde Lunch.
"Lunch!" Die Eindringlichkeit seiner Stimme zwang sie, die Augen zu öffnen. "Lunch, ich hebe den Hubschrauber und schiebe ihn auf das sichere Eis weiter drüben. Wenn ich "Jetzt!" rufe, lässt du los, verstanden? Es wird dir nichts passieren, das verspreche ich."
"Ich ... weiß nicht, wie lange ich mich noch halten kann!" Ihre Stimme zitterte wie ihr ganzer Körper. "Ich habe zuwenig Kraft."
"Du kannst es!" Trotz dieses aufmunternden Satzes fluchte C17 im Stillen. Er konnte nicht sie und den Hubschrauber gleichzeitig halten.
In diesem Moment begann auch noch Lunchs Nase zu jucken. "Nicht jetzt ... haa... haatschi!" In der ersten Schrecksekunde dachte C17 schon, sie hätte durch den Nieser den letzten Halt verloren, doch statt dessen hatte die blonde Lunch das Regiment übernommen und zog sich mit einem Klimmzug in die Höhe, sodass sie sich mit dem Bauch auf den oberen Rand der Kufe legen konnte. "Wir haben nicht den ganzen Tag, C17! Auf gehts!"
Erleichtert legte C17 seine gewaltige Kraft in seine Arme und hob den Hubschrauber aus der Kluft. Er hob ihn etwas stärker an, sodass er ihn auf der anderen Kufe, welche noch auf dem Eis oberhalb der Kluft augelegen hatte, seitwärts von der Kluft wegschieben konnte. Es gab ein ekelhaft kratzendes Geräusch, aber es klappte. Als der Abstand zur Kluft groß genug war, rief er: "Jetzt!"
Lunch ließ sich von der Kufe fallen und rollte mit angezogenen Armen ein paar Meter zurück. C17 ließ die Kufe vorsichtig los und drehte sich zu Lunch um. "Geht es dir gut?"
"Nur ein, zwei blaue Flecken", sagte sie wegwerfend, stand auf und klopfte sich das Eis vom Anzug."Hoffentlich ist innerhalb nichts zu Bruch gegangen. Wie steht es mit dem Dragonball?"
"Ach, du liebe Güte!" C17 flog zurück zu der Stelle, wo er den Dragonball zurück gelassen hatte. Natürlich war die Pfütze wieder gefroren und er musste sie erst wieder aufschmelzen, ehe er den Dragonball heraus fischen konnte.
Mittlerweile hatte Lunch das Innere der Maschine inspiziert und die zerbrechlichen Güter überprüft. "Alles okay!", rief sie ihm von der Maschine her zu. "Ich habe den Radar gecheckt, der nächste Punkt ist im Südosten."
"Wenigstens können wir raus aus der Kälte", sagte C17, rieb den Dragonball trocken und zählte die Sterne. Es waren drei. "Hier bitte", sagte er und gab ihn ihr.
Sie nahm ihn schweigend entgegen und steckte ihn in den dafür frei gehaltenen Rucksack.
"C17", sie drehte ihm immer noch den Rücken zu.
"Ja?"
"Danke."
"Schon okay. War sogar richtig spannend." Er setzte sich auf den Pilotensitz, schnallte sich an und begann mit den Startvorbereitungen. "Mit etwas Glück übernachten wir heute Abend an einem Südseestrand."
Weit gefehlt...
Gute zehn Stunden später waren sie beide vollauf damit beschäftigt, sich die überaus hungrigen Moskitos vom Leib zu halten. "Ihhh" Lunch klatschte sich mit der flachen Hand auf den Oberarm und pickte den zerquetschen Blutsauger mit spitzen Fingern von ihrer Haut. "Das war Nummer dreiundzwanzig. Wenn das so weitergeht, bin ich bald eine blutleere Mumie."
"Bis dahin sind wir weg", verspracht C17 grinsend. "Wenn ich damit gerechnet hätte, dass der zweite Dragonball ausgerechnet in einem Sumpf liegt, hätte ich uns die passende Ausrüstung gekauft."
"Hast du mittlerweile das passende Loch gefunden?", fragte Lunch ungeduldig. Sie war wirklich nicht in der Stimmung für "was wäre gewesen wenn"- Sprüche. Damit würde sie die Stiche, die langsam wie die Hölle juckten, auch nicht wieder los.
"Doch, habe ich", überraschte sie C17. "Es muss das da hinten sein. Die Anzeige ist eindeutig."
"Ich nehme nicht an, dass der Dragonball sichtbar ist, oder?", fragte Lunch seufzend.
"Du hast es erfasst", gab C7 ihr recht. "Ich werde mal die Tiefe ausloten und dann versuchen wir es mit einem Netz. Vielleicht haben wir Glück und fischen den Ball."
Es blieb bei dem Versuch. Das Loch war zwar nur etwa drei Meter tief, aber in diesen drei Metern steckten so viele halb verfaulte Pflanzen, dass sie zwar jede Menge Grünzeugs, in ihrem groben Netz ans fahle Tageslicht zogen, aber eben keinen Dragonball. "Ich werde das Loch austrocknen", entschied C17 nachdem sie beide über und über mit Schlamm und Schleim bedeckt waren.
"Einen Versuch ist es wert", sagte Lunch und trat zurück. Ein Gutes hatten die unfreiwilligen Schlammpackungen, sie kühlten die Mückenstiche.
C17 sammelte seine Energie und schoss einen blendend hellen Strahl in das betreffende Loch. Eine Wolke aus stinkendem Wasserdampf stieg zischend hoch und nahm Lunch den Atem. "Ich ... kann ... nichts mehr sehen", keuchte sie.
"Ich auch nicht", der Dampf brannte in C17s Augen. "Wir müssen warten bis er sich verzieht."
Das taten sie denn auch. Nach einer guten halben Stunde kam ein leichter Wind auf, der die feinen Tröpfchen auseinander trieb. C17 trat an das ausgekochte Sumpfloch heran. Der Schlamm am Grund war durch die Hitze des Strahls hart gebacken worden. Irgendwo in dem rissigen, graugrünbraunen Zeug steckte der Dragonball.
"Haben wir eine Schaufel dabei?", fragte er Lunch.
"Kommt schon!" Lunch warf ihm die Schaufel ins Loch. C17 packte sie und begann den Boden Brocken für Brocken aufzubrechen. Nach der dritten Ladung, die er schwungvoll aus dem Loch beförderte, drängte von unten das Grundwasser nach und der Boden wurde mehr und mehr durchfeuchtet.
"Wo steckt nur diese verdammte Kugel?" C17 war durch die Metallanteile seines Körpers deutlich schwerer als ein Mensch seiner Größe und sank nach und nach bis über die Knie in den immer weicher werdenden Boden ein.
Endlich stieß die Schaufel auf Widerstand. C17 packte sie fester und schob sie unter den harten Brocken, den er durch all den Schlamm nicht richtig sehen konnte. Er hob die Schaufel vorsichtig heraus und rüttelte sie sacht bis der Schlamm den Blick auf eine orange Kugel freigab. "Ich habe ihn!", rief er Lunch zu.
Sie kniete sich an den Rand des Loches und streckte die Hände zu ihm herab. "Prima. Ich nehme ihn!"
Jetzt erst bemerkt C17, dass er mittlerweile bis zu den Hüften im Schlamm versunken war. "Verflucht!" Er sah nach oben. "Fang ihn auf!" und warf den Dragonball Lunch zu.
Ihre Reaktion war nicht von schlechten Eltern und sie bekam die Kugel mit den fünf Sternen zu fassen. "Geschafft, aber was ist mit dir?", rief sie ihm zu.
"Keine Sorge, es braucht mehr als ein bisschen Schlamm, um mich zu halten!" Er nahm seine Kraft zusammen und versuchte, aus dem Loch herauszufliegen. Doch das klappte nicht, da er nichts hatte, wo er sich abstoßen konnte, der Schlamm gab nach und wich seiner Kraft aus. Langsam stieg Panik in ihm hoch. "ich will nicht in einem Sumpfloch enden, verflucht noch einmal!" War er wirklich dazu verdammt, hier im Dreck zu ersticken?
Lunch überlegte nicht lange, legte den Dragonball zur Seite und rannte zum Hubschrauber, der auf einem Felsigen Hügel gut dreißig Meter entfernt stand. Ein Seil war rasch gefunden. Sie machte es an einer der Kufen fest und rannte mit dem losen Ende zum Loch zurück. Verdammt! Es war gerade ein bisschen zu kurz, es fehlte etwa ein Meter bis zu ihm hinab. Für lange Überlegungen war keine Zeit, denn er sank Zentimeter für Zentimeter weiter ein. Lunch band das Seilende um ihr rechtes Hangelenk und ließ sich dann in das Loch hinab. "C17, zieh dich an mir hoch!" Das ließ sich der Cyborg nicht zweimal sagen. Ihre Fußgelenke waren gerade noch in seiner Reichweite. Sein Gewicht zerrte sehr an ihr und vor allem an dem Handgelenk. Mit der freien Hand hatte sie das Seil oberhalb der Knotens gepackt und versuchte, ihr Handgelenk zu entlasten. "Geht es?", fragte C17 von unten.
"Es muss", quetsche sie zwischen den Zähnen hervor. "Also trödle nicht herum, es sei denn, du bist insgeheim scharf auf ein Schlammbad..."
C17 griff feste zu und zog sich in die Höhe. Lunch schloss die Augen und biss die Zähne zusammen. Stück um Stück hangelte sich C17 an ihr hoch, an ihren Knien, und schließlich an ihrer Taille. Sie biss noch fester auf die Zähne. Als er weiter nach oben griff und auf etwas sehr weiches kam, zischte sie ihn wütend an, dass er vor Schreck fast wieder in das Loch zurück gefallen wäre. Endlich war er vollständig aus dem Schlamm draußen. Er stieß sich von dem noch immer festgebackenen Rand ab und flog aus dem Loch hinaus. Ein Ruck, noch einer und er hatte Lunch herausgezogen. Auf den Knien hockend schnaufte sie erst einmal fest durch, dann versuchte sie den Knoten um ihr Handgelenk zu lösen, was ihr aber mit der linken Hand nicht so recht gelingen wollte.
"Lass mich das machen!" C17 kniete neben ihr nieder und seine geschickten Finger hatten den Knoten rasch gelöst. Er stockte, als er das Blut auf dem Seil bemerkte. Lunch bemerkte nicht, wie sich seine Augen betroffen weiteten, als sie ihr blutig gescheuertes Handgelenk schüttelte und aufstand, um im Hubschrauber den Erstehilfekoffer zu finden. C17 starrte ihr nach, hilflos nach Worten suchend, um ihr begreiflich zu machen, wie er sich fühlte... "Der Dragonball liegt da drüben!" rief sie ihm zu. Bring ihn gleich mit, dann können wir weiter fliegen", rief sie ihm über die Schulter zu und war drin verschwunden.
C17 schüttelte seine Erstarrung ab, schnappte sich den Dragonball und folgte ihr.
Im Halbdunkel des Hubschraubers konnte er erkennen, dass Lunch auf dem Kopilotensitz kauerte und sich eine desinfizierende Lösung auf das Handgelenk pinselte, wobei sie ab mit zusammengebissenen Zähnen ab und zu zischend die Luft einsog, wenn es an einer Stelle besonders brannte.
"Tu den Dragonball bitte in den Rucksack", sagte sie, ohne aufzusehen. "Der Radar liegt da drüben."
C17 warf den fünfsternigen Dragonball zum anderen und sah vom Radar zu ihr und wieder zurück.
Lunch riss mit den Zähnen eine Verbandspackung auf und überlegte, wie unhandlich es doch war, nur die Linke einsetzen zu können, weil sie die Rechte still halten musste, um die Wundsalbe, die sie vorhin aufgetragen hatte. Im Hingergrund hörte sie wie C17 im Waschabteil das Wasser laufen ließ. Irgendwie war diese dämliche Hülle verdammt zäh, sie riss etwas fester daran.
"Das übernehme ich", hörte sie C17 sagen, er nahm ihr die Verbandspackung ab und riss sie auf. Eine lange, schmale Wundauflage als Polster auf die Salbenschicht gedrückt und mit behutsamen, aber sicheren Griffen wickelte er den Verband um ihr Handgelenk, Ihre Hand zitterte ein wenig in seiner. Er lächelte sie ermutigend an. So schwach und doch so stark, es musste irre weh getan haben, als er mit dem ganzen Gewicht an ihr gehangen hatte. "Weißt du", sagte er leichthin, "du bist eine erstaunliche Frau, Lunch. Ich hoffe wirklich, der Typ weiß zu schätzen, was er an dir hat."
Sie sah ihn erstaunt an und ihre Wangen färbten sich ein wenig rot. "Meinst du?", murmelte sie unsicher. Ihr Blick ging an ihm vorbei zur Wand, als sähe sie den dort stehen, für den sie das alles auf sich nahm. Bei dem weichen Schimmer, der in ihre Augen trat, zog sich C17s Herz schmerzhaft zusammen. *Warum nur?*, wunderte er sich stumm und kämpfte das Gefühl nieder.
"Wie ist das?", fragte er, sicherte den Verband mit zwei Klebestreifen und trat zurück. Sie bewegte vorsichtig das Handgelenk. "Gut, tut kaum noch weh." Sie sog die Luft durch die Nase und schüttelte den Kopf. "Die Hände hast du ja gründlich geschrubbt, aber der Rest könnte es auch noch brauchen..."
"Dasselbe gilt dir", gab C17 zurück. "Wir stinken beide auf hundert Meter nach fauligem Sumpf."
"Dann geh ich zuerst." Sie fischte sich frische Kleider aus ihrem Haufen und verschwand im Badeabteil.
Eine gute Stunde später waren sie beide wieder herzeigbar und C17 warf den Motor an. "Was sagt der Radar?", fragte er.
"Weiter nach Westen", stellte Lunch nach zweimaligem Drücken fest. "Hoffentlich nicht wieder ein Sumpf."
"Diesmal ist es sicher ein lauschiger Strand", versprach C17 und der Hubschrauber hob ab.
...........
Drei Stunden später...
"Ein Strand ist es", sagte Lunch nicht ohne Sarkasmus in der Stimme. "Aber lauschig ...?"
C17 legte die Hand hinter ein Ohr. "Was hast du gesagt? Ich verstehe dich nicht!"
Lunch formte mit den Händen ein Sprachrohr. "Ich sagte, dass ...!" Der Rest ging im Geschrei der Küstentaucher unter. Einige Tausend dieser recht großen Seevögel hatten sich hier in dieser felsigen Bucht einen Nistplatz in der Felswand gesichert und hockten nun entweder auf ihren Eiern oder stritt sich mit den Nachbarn um jeden Millimeter Raum.
C17 befragte den Radar wohl zum fünften Mal in Folge. Das Ergebnis blieb dasselbe. Der Dragonball befand sich in der Felswand, in einem der tausenden Nester. Doch in welchem? Der Cybrog trat dicht an Lunch heran, die mit einem Fernglas die Nestreihen absuchte. "Siehst du etwas?", fragte er laut.
Sie schüttelte den Kopf. "Dann muss ich wohl persönlich suchen!", meinte er. "Solange die auf ihren Eiern hocken, sieht man sowieso nicht, ob da ein Dragonball mit dabei ist, oder nicht."
Ohne Lunchs Zustimmung abzuwarten flog er los, direkt auf die Felswand zu. Für die Vögel war er in etwa so willkommen wie ein Seeadler. Man unterschätze nie die Wucht der Masse. Kaum kam er ihren Nestern zu nahe, stürzte sich ein ganzer Schwarm opferungsbereiter Väter auf ihn und hackte mit den Schäbeln nach seinem Gesicht.
"Halt! Weg da! Hört auf, oder ich röste euch!" er ruderte mit den Armen wild herum, aber es nützte nichts. Für jeden Vogel, der er zur Seite wischte, kamen zwei neue hinzu. Plötzlich knallte es laut und die Vögell ließen von ihm ab. Direkt unter den Nestern stand Lunch, das Gewehr schussbereit in den Händen und feuerte mal hier, mal dort eine Kugel knapp an der Felswand vorbei. Der Lärm übertönte das Vogelgeschrei und das Tosen der Brandung und schreckte auch die brütenden Mütter auf. Die Vögel entschieden sich, ihre Nester lieber gegen das Raubtier auf dem Boden zu verteidigen. Lunch schien darauf gewartet zu haben, denn sie lud rasch nach und schoss erneut, ehe die mutigsten Vogeleltern auf sie losging.
"Los, mach schon!", rief sie hinauf zu C17, der das natürlich in dem Krach nicht hören konnte, aber ihr energisches Winken in Richtung Felswand war Zeichen genug. Er flog in Windeseile im Zickzack die Wand hinauf und hinunter, und endlich entdeckte er in einem Nest mit zwei grauschaligen Eiern die orange Kugel. Ein Griff und er schoss wieder hinab, wo sich Lunch hinter einen Felsen kauerte und mit dem Gewehr wild um sich schlug. C17 feuerte ein paar Energieladungen ab, die über dem Vogelschwarm mit lautem Knallen explodierten. Sogleich stoben die Vögel auseinander. C17 landete neben der zerrauften Lunch, die aus mehreren kleinen Wunden an Armen und Händen blutete. "Rasch zurück zum Hubschrauber", sagte er, reichte ihr den einsternigen Dragonball und zog sie hinter sich her auf den Hubschrauber zu, der ein ganzes Stück entfernt auf einem Felsvorsprung nahe der Wasseroberfläche stand.
Je weite sie sich vom der Felswand entfernten, desto ruhiger wurde es. Die Vögel waren offenbar damit zufrieden die vermeintlichen Eierdiebe vertrieben zu haben. Im Hubschrauber half C17 Lunch dabei, ihre Wunden zu verarzten.
"Langsam sehe ich einfach schrecklich aus", seufzte sie und betrachtete sich im Spiegel des Waschabteils. "Mehr Pflaster wie Haut."
"He, Kopf hoch!", grinste C17, "das sind alles heroisch erworbene Wunden, im Kampf im deinen großen Trau, oder?"
"So heroisch komme ich mir aber nicht vor", sagte Lunch und schnitt eine Grimasse. "Wohin geht es als nächstes?"
"Nach Südwesten", sagte er und setzte sich auf den Pilotensitz.
"Nanu? Keine Sprüche vom Südseestrand mehr?", fragte sie ironisch und ließ sich neben ihm auf dem Kopilotensitz nieder.
"Sagen wir mal so, wenn es einer ist, dann haben wir Glück.", lächelte er und schnallte sich fest.
"Ein bisschen Glück wäre zur Abwechslung mal nett", murmelte Lunch und griff nach ihrem Gurt. "Ein Dragonball, der wie auf dem Präsentierteller vor uns liegt ..."
..............
"Jetzt hättest du recht", grinste sie als der Hubschrauber vier Stunden später auf dem weißen Sand aufsetzte. "Da haben wir den Strand. Es sind sogar Palmen dabei. Lust auf Kokosmilch?"
"Vielleicht später, wenn wir den Dragonball gefunden haben. Was meint der Radar?"
Lunch kontrollierte die Position des blinkenden, grünen Punktes. "Dort drüben", sie wies mit der Hand auf die südliche Hälfte. "Etwa noch dreißig Meter vom Strand weg im Meer."
"Auch noch tauchen..." C17 zog eine Grimasse. "Ich hasse Salzwasser."
"Rostest du etwa?", fragte Lunch erstaunt.
"Keine dummen Witze", gab C17 zurück und strich sich durch die Haare. "Ich bin aus Titanium, aber bei meinem Gewicht zieht es mich immer runter wie ein Stein."
"Schon gut, dieses Mal geh ich für dich tauchen", sagte Lunch. "Mir macht so etwas Spaß. Da hinten habe ich ein Schlauchboot entdeckt. Wenn du es nach draußen bringst und aufpumpst, schau ich mal, ob ich einen Taucheranzug oder so etwas finde..."
Wenig später stand C17 neben dem fertig aufgeblasenen Gummiboot und wartete ungeduldig auf Lunch. "Hast du nun einen Taucheranzug gefunden oder nicht? Wenn wir erst noch einen kaufen müssen, sollten wir los, denn die nächste Stadt ist eine gute halbe Stunde Flugzeit von hier."
"Ist nicht nötig!" Lunch trat ins Freie und C17 spürte, wie sein Mund auf einmal trocken wurde. Der Taucheranzug saß wie eine zweite Haut und verbarg nichts von ihren immer noch straffen Rundungen. Ihre Haare waren unter dem Kopfteil verschwunden. Die Flossen hielt sie in der einen Hand und die Pressluftflaschen in der anderen. "Ein Glück, dass ich auf der Insel von Muten Roshi ab und zu tauchen gegangen bin. Dort hat es ein sehr nettes Riff mit wunderbaren rosa Federkorallen. und ein paar Schiffswracks mit interessantem Plunder, den ich recht gut habe los schlagen können."
"Das sieht dir ähnlich", grinste C17 und schob das Boot ins Wasser. "Soll ich mit?" "Damit ich dich raus fischen muss, wenn das Boot kentert?" Lunch schüttelte den Kopf. "Danke, aber ich glaube, das schaffe ich allein."
"Okay", sagte C17, der gleichzeitig erleichtert und enttäuscht war, "sei bitte vorsichtig." "Bin ich doch immer." Mit kräftigen Schlägen ruderte Lunch etwa dreißig Meter aus der Bucht hinaus und warf den Anker. Sie kontrollierte die Anzeige des Radar und nickte zufrieden. Ja, hier musste die Stelle sein. Nachdem sie den Radar in der wasserdichten Tasche verstaut hatte, warf sie den Anker und setze die Taucherbrille auf. Die Flossen angezogen, die Sauerstoffflaschen auf den Rücken geschnallt, das Mundstück zwischen die Zähne geklemmt und schon kippte sie rücklings ins Wasser.
Vor ihr eröffnete sich eine wunderbare Unterwasserwelt, bunte Fischschwärme, Korallen aller Arten und Farben, doch sie hatte für diese Schönheiten keinen Blick. Die Farbe Orange war das einzige, was sie zu erhaschen versuchte, während sie langsam auf den Meeresgrund sank. Zwischen den einzelnen Korallenbänken fand sich weißer Sand und dorthin setzte sie auch ihre Flossen. Besonders bemerkenswert war eine riesige Muschel mit bestimmt drei Meter Durchmesser, eine von den großen Mördermuscheln, wie es sie überall in den warmen Meeren gab. Es war mehr Zufall als gewollt, dass Lunch einen Blick in das Innere der Muschel warf, die gut eine Handbreit offen stand, um frisches Atemwasser anzusaugen. Zunächst war sich Lunch nicht ganz sicher, aber als sie direkt vor der Muschel stand, gab es keinen Irrtum mehr. Der Dragonball befand sich genau dort, innerhalb der gebogenen Schalen, wie eine große, orange Perle.
*Da habe ich aber Glück!*, dachte Lunch, streckte den Arm zwischen die Schalen und ihre Finger schlossen sich um die Glaskugel. Im gleichen Moment schlossen sich aber auch die Schalen. Lunch versuchte noch, ihren Arm heraus zu ziehen, aber die Muschel hatte ihn bereits eingeklemmt. Zu ihrem Glück erwischte Lunch mit der freien Hand einen Stein, den sie als Keil über ihrem Arm zwischen die Schalen drücken konnte, sodass sie sich nicht weiter schlossen. Für den Moment war ihr Arm ein wenig gequetscht, aber sonst noch heil. Herausziehen ließ er sich jedoch nicht. Siedendheiß fielen ihr Geschichten von Tauchern ein, die ein Glied von einer solchen Muschen buchstäblich abgequetscht bekommen hatten. Sie hatte für etwa drei Stunden Luft. Aber was dann?
C17 wanderte unruhig am Strand auf und ab. Es war nun schon eine Stunde her, seitdem sie ins Wasser gegangen war. Wenn der Dragonball nicht zu finden war, wäre sie doch längst wieder aufgetaucht. Okay, bei den vielen Spalten und Ritzen eines Korallenriffs, konnte es lange dauern bis man ganz sicher war, aber trotzdem ... irgendwie hatte er ein verdammt ungutes Gefühl. Egal was er sich auch vorsagte, es wollte nicht weichen und so fasste er einen Entschluss. Mit einer Schwimmweste am Leib und zwei Schwimmflügeln an den Armen, sowie einer Taucherbrille auf der Nase, stiefelte er ins Wasser, auf die Stelle zu, wo das Bot in den Wellen dümpelte. Als das Wasser ihn trotz seiner Schwimmhilfen nicht tragen wollte und die Wellen bereits um seine Lippen plätscherten, paddelte er mit aller Kraft wie ein Torpedo durchs Wasser bis zum Boot, an dem er sich mit beiden Händen fest klammerte. Einmal, zweimal tief Luft geholt, dann ließ er den Bootsrand los und sank in die Tiefe. Er musste nicht lange suchen, bis er Lunch entdeckte, die mit einem Stein wie eine auf eine risige Muschel einschlug. Er paddelte zu ihr hinüber und klopfte ihr auf die Schulter. Lunch drehte den Kopf, erkannte C17 und atmete auf. Sie deutete in die Muschel und C17 erkannte, warum sie so leichtsinnig gewesen war, ihren Arm da hinein zu stecken.
Er packte die Muschelschalen mit beiden Händen und zwang sie auseinander. Lunch zog ihren Arm heraus und betastet ihn vorsichtig. Der Knochen war noch heil und außer einer leichten Taubheit war nichts zurückgelbieben. Rasch griff sie nochmals rein und holte sich den Dragonball mit den zwei Sternen.
Sie zeigte ihn stolz C17, der mittlerweile bereits bläulich anlief. Erschrocken nahm Lunch einen tiefen Zug aus dem Mundstück und reichte es dann C17, der erleichtert die Muschel los ließ. Da er auch mit kräftigen Zügen und den Schwimmhilfen einfach nicht nach oben kam, packte ihn Lunch unter den Achseln und half mit. Mit einiger Mühe schafften sie es nach drei Versuchen bis zum Boot. C17 keuchte und zog kletterte ins Boot. "Uff", ich dachte schon, ich komme da nie wieder raus", ächzte er.
"Ach was", schnaufte Lunch und fischte den Dragonball aus der Tasche, um ihn bei Sonnenlicht zu betrachten. "Notfalls hättest du dich ja mit einem gegen den Meeresgrund gerichteten Energiestrahl hinaus katapultieren können oder?"
C17 sah sie erstaunt an, griff sich an die Stirn und grinste verlegen.
"Sag bloß, dir ist das nicht in den Sinn gekommen, ehe du mir nachgeschwommen bist?", wunderte sich Lunch. "Wie hast du denn gedacht, dass du wieder heraus kommst?"
"Darüber habe ich mir, glaube ich, keine Gedanken gemacht", gab C17 leicht zerknirscht zu. "Alles was ich im Sinn hatte, war herauszfinden, warum du so lange brauchst."
Lunch griff nach den Rudern und schüttelte den Kopf. "Du bist mir ein verrückter Cyborg", lachte sie. "Aber danke, dass du mich aus der Muschel befreit hast. Jetzt fehlen uns nur noch drei Kugeln."
"Erst einmal übernachten wir hier, denn in zwei Stunden wird es dunkel. Morgen dann fliegen wir zur nächsten Kugel..."
Ende des dritten Teils
Teil 3
"Du bist ein guter Pilot", sagte Lunch und lockerte ihren Griff um den Haltering, an den sie sich beim Start geklammert hatte.
"Wir hätten auch ohne das Teil zum Nordpol fliegen können", sagte C17 grinsend. "Du bist doch beim Herflug auch nicht luftkrank geworden, oder?"
Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. "Viel Spaß hat es nicht gemacht, mussest du mich unter den Arm klemmen wie einen Mehlsack?"
"Ich hätte auch beide Arme um deine Taille legen können, oder noch weiter oben..." Schon hatte er einen Gewehrlauf vor der Nase. "Sonst noch Wünsche, du Perversling....?" Statt einer Antwort senkte der Hubschrauber auf einmal die Nase und legte sich leicht zur Seite.
"Pass doch auf!" Das Gewehr entfiel ihren Händen und schepperte irgendwo zu Boden, während sich ihrem Finger um den Haltegriff klammerten.
"Ts, ts", sagte C17 tadelnd. "Man spricht nicht mit dem Piloten während des Fluges und schon gar nicht bedroht man ihn mit einer Waffe, oder willst du uns beide umbringen. Außerdem habe ich nur einen dummen Witz gemacht, hast du denn gar keinen Humor?" "Jedenfalls keinen so abartigen wie du!", fauchte Lunch ohne den Griff loszulassen. "Das hast du gerade eben mit Absicht gemacht, oder?"
"Wer weiß", grinste C17 zwinkernd. "Schnapp dir den Radar und sag mir, ob ich richtig fliege oder mich mehr nordwestlich halten muss."
Lunch atmete ein paar Mal tief durch, dann ließ sie den Griff los, bücke sich und fischte den Radar aus ihrem Rucksack. Eins, zwei, dreimal gedrückt, da war der Punkt wieder hoch im Norden. "Nein, die Richtung stimmt. Werden wir lange brauchen?"
"Länger auf jeden Fall als wenn ich selbst geflogen wäre", gab C17 zurück. "Genieße die Landschaft, es wird ziemlich bald eintönig werden."
Er hatte recht. Nach gut drei Stunden Flugzeit wurde das Grün unter ihnen langsam bräunlich-gelb, dann grau und wenig später schmutzig weiß. Jetzt genügte nur noch ein Klick, um den blinkenden Punkt auf den Radar zu bringen. "Wir müssten ihm jetzt ziemlich nahe sein", sagte Lunch. "Kannst du hier irgendwo landen?"
"Ich versuche es!"
Die Decke aus altem Eis sah nicht sonderlich zuverlässig aus, aber da sie schon seit Jahrzehnten Bestand hatte, riskierte C17 eine Landung.
Knirschend setzten die Kufen auf dem rissigen Eis auf. Die beiden Insassen hielten den Atem an. Es hielt. Keine Kluft tat sich auf, um den Hubschrauber zu verschlucken.
"Am besten ziehen wir etwas von Marons warmem Zeug an", schlug Lunch vor. "Da draußen hat es bestimmt zwanzig Grad minus."
Sie öffneten den Sack und jeder fand eine warme Hose und mehrere wollig- weiche Pullover darin. Sie schlüpften in die passenden Kleider, zogen sich die Thermostiefel und Anzüge an, die weiter hinten in einer Kiste lagen und so eingepackt wie Weihnachstschinken stiefelten sie hinaus in die Kälte. Der Radar war mit den dicken Fäustlingen kaum zu halten. In der eisigen Luft hing jeder Atemzug gleich als gefrorene Nebelwolke vor ihren Gesicht. Sie kniff die Augen zusammen, um in dem schwachen Licht der einsetzenden Dämmerung überhaupt etwas erkennen zu können. "Etwas mehr nach links, denke ich."
"Zeig her!", er beugte sich von hinten über ihre Schulter und hielt einen Leuchtstab hoch, den er im Hubschrauber gefunden hatte über den Radar. "Ja, stimmt."
Er wandte sich in diese Richtung, doch da gab es nichts, nicht einmal Felsen oder Erhebungen. "Zuletzt müssen wir das Ding noch ausbuddeln", seufzte er.
Sie tasteten sich Schritt um Schritt an die betreffenden Stelle heran. "Hier... ja hier ungefähr müsste es sein", meinte C17, kniete hin und schwenkte den Leuchtstab über der Eisoberfläche.
"Vielleicht sollten wir einfach auf Tageslicht warten", schlug Lunch vor und rieb ihre Hände. "Wenn wir noch lange hier herum stehen, friert meine Nase noch ab und ich bekomme einen, ha.... haaaa.... nicht jetzt... haatschiiiii!"
C17 sprang auf und tatsächlich blickte er in das sanfte Gesicht der zahmen Lunch. "Was mache ich denn hier?", fragte sie verwundert. "Weißt du es?"
C17 rieb sich die Nase. "Ähhmm ... ich suche etwas und du, das heißt die blonde Lunch war so nett, mir dabei zu helfen."
"Ach, ist es etwa das da?", fragte sie und hielt ihm den Radar hin. "Mit so technischen Dingen kann ich nämlich nichts anfangen."
"Nicht ganz, es ist ein Hilfsmittel für die Suche", erklärte er und nahm ihr den Radar ab. "Heute ist es zu spät, um weiter zu machen. Wir holen das Zelt und die Wärmezelle aus dem Hubschrauber und warten auf morgen. Einverstanden?"
Es dauerte nicht lange und das äußerst praktische Zelt stand. Die Wärmezelle erwies sich als Lebensretter und sie konnten sich aus den Thermoanzügen schälen, ehe sie in die Schlafsäcke krochen. "Sollte ich nicht noch etwas kochen?", fragte Lunch zweifelnd. "Du hast doch sicher Hunger."
"Das geht schon. Wir sollten soviel Energie wie möglich sparen und am besten gleich schlafen", sagte er bestimmt. "Sobald wir wieder in einer wärmeren Gegend sind, kannst du uns ein Festmahl kochen, okay?"
"Wie du meinst...", Lunch klang nicht sonderlich überzeugt, wahrscheinlich weil auch ihr Magen leer war. Er schaltete den Leuchtstab aus und es wurde völlig finster im Zelt. Die Augen fest geschlossen, lauschte er auf Lunchs Atemzüge. Zuerst noch ungleichmäßig, wurden sie bald tiefer und ruhiger. Sie war eingeschlafen. Draußen pfiff der kalte Wind um das Zelt, doch innen hatte es erträgliche 15 Grad. Die Energieanzeige der Würfelförmigen Wärmezelle leuchtete grün und beruhigt glitt auch C17 in den Schlaf.
Am nächsten Morgen weckte ihn der Duft nach heißem Kaffee. Lunch hatte eine Kanne Wasser mit Instantkaffeepulver auf das glühend heiße Zentrum der Wärmezelle gestellt. "Wie schön, du bist auch schon wach", lachte sie ihn an und goss den Becher voll. "Hier, das macht warm und munter."
"Woher hast du das Wasser und den Kaffee?", wunderte er sich.
"Alles aus dem Flugzeug", sagte sie und hielt ihm einen Korb mit Zwieback und getrockneten Äpfeln hin. "Es ist zwar nichts Besonderes, aber besser als ein Loch im Magen."
Etwas erstaunt über ihre Selbständigkeit und dankbar nahm C17 den Becher mit dem Kaffee entgegen und trank ihn in kleinen Schlucken. Ahh... nichts war besser be der Kälte als ein heißes Getränk.
"Falls du dich frisch machen willst, im Hubschrauber hat Bulma extra einen kleinen Waschraum eingerichtet. Das ist wirklich eine Luxusausführung von einem Heli!"
"Später", sagte C17 und hielt ihr den Becher hin. "Kann ich noch mehr haben?"
Drei Tassen Kaffee und zahlreiche Zwiebacks später baute C17 das Zelt ab. Sie beide trugen nun Spezialbrillen, denn das gleißende Sonnenlicht wäre in dieser Umgebung sonst nicht auszuhalten gewesen.
Nachdem der Hubschrauber für den Abflug bereit war, setzte C17 die Suche nach dem Dragonball fort. Trotz des hellen Lichtes war das Eis undurchsichtig und von der orangen Kugel gab es keine Spur. Blieb nur eines.
Er bat Lunch, in sicherer Entfernung zu warten und schickte dann ein paar Energieladungen auf die betreffende Stelle im Eis. Es krachte und knirsche, zischte und dampfte und dann blitzte es orange in der Sonne. Unbeeindruckt von seiner Energie lag der orange Ball in einem Schmelzwassertümel auf dem Grund des Eiskraters. Zufrieden fischte ihn C17 heraus, ehe das Wasser wieder gefrieren konnte.
"C17!"
Er drehte sich um. Vor seinen entsetzt aufgerissenen Augen tat sich genau unterhalb des Hubschraubers eine Kluft im Eis auf. Die eine Kufe hatte noch Halt, die andere hing bereits im Nichts. Doch am schlimmsten war, dass Lunch an eben dieser Kufe hing. Der Hubschrauber neigte sich der Kluft zu und drohte, endgültig hinein zu kippen. Lunch schrie aus Leibeskräften und klammerte sich in Todesangst ausgerechnet an jenes Gerät, das sie beim Aufprall unter sich begraben und zermalmen würde...
Der Cyborg ließ den Dragonball los und fegte schneller als ein Windstoß herbei, er tauchte in die Kluft hinab, schoss wieder empor und seine Hände fassten die Kufen von unten. Nur zwei Schritte neben ihm hing die zitternde Lunch.
"Lunch!" Die Eindringlichkeit seiner Stimme zwang sie, die Augen zu öffnen. "Lunch, ich hebe den Hubschrauber und schiebe ihn auf das sichere Eis weiter drüben. Wenn ich "Jetzt!" rufe, lässt du los, verstanden? Es wird dir nichts passieren, das verspreche ich."
"Ich ... weiß nicht, wie lange ich mich noch halten kann!" Ihre Stimme zitterte wie ihr ganzer Körper. "Ich habe zuwenig Kraft."
"Du kannst es!" Trotz dieses aufmunternden Satzes fluchte C17 im Stillen. Er konnte nicht sie und den Hubschrauber gleichzeitig halten.
In diesem Moment begann auch noch Lunchs Nase zu jucken. "Nicht jetzt ... haa... haatschi!" In der ersten Schrecksekunde dachte C17 schon, sie hätte durch den Nieser den letzten Halt verloren, doch statt dessen hatte die blonde Lunch das Regiment übernommen und zog sich mit einem Klimmzug in die Höhe, sodass sie sich mit dem Bauch auf den oberen Rand der Kufe legen konnte. "Wir haben nicht den ganzen Tag, C17! Auf gehts!"
Erleichtert legte C17 seine gewaltige Kraft in seine Arme und hob den Hubschrauber aus der Kluft. Er hob ihn etwas stärker an, sodass er ihn auf der anderen Kufe, welche noch auf dem Eis oberhalb der Kluft augelegen hatte, seitwärts von der Kluft wegschieben konnte. Es gab ein ekelhaft kratzendes Geräusch, aber es klappte. Als der Abstand zur Kluft groß genug war, rief er: "Jetzt!"
Lunch ließ sich von der Kufe fallen und rollte mit angezogenen Armen ein paar Meter zurück. C17 ließ die Kufe vorsichtig los und drehte sich zu Lunch um. "Geht es dir gut?"
"Nur ein, zwei blaue Flecken", sagte sie wegwerfend, stand auf und klopfte sich das Eis vom Anzug."Hoffentlich ist innerhalb nichts zu Bruch gegangen. Wie steht es mit dem Dragonball?"
"Ach, du liebe Güte!" C17 flog zurück zu der Stelle, wo er den Dragonball zurück gelassen hatte. Natürlich war die Pfütze wieder gefroren und er musste sie erst wieder aufschmelzen, ehe er den Dragonball heraus fischen konnte.
Mittlerweile hatte Lunch das Innere der Maschine inspiziert und die zerbrechlichen Güter überprüft. "Alles okay!", rief sie ihm von der Maschine her zu. "Ich habe den Radar gecheckt, der nächste Punkt ist im Südosten."
"Wenigstens können wir raus aus der Kälte", sagte C17, rieb den Dragonball trocken und zählte die Sterne. Es waren drei. "Hier bitte", sagte er und gab ihn ihr.
Sie nahm ihn schweigend entgegen und steckte ihn in den dafür frei gehaltenen Rucksack.
"C17", sie drehte ihm immer noch den Rücken zu.
"Ja?"
"Danke."
"Schon okay. War sogar richtig spannend." Er setzte sich auf den Pilotensitz, schnallte sich an und begann mit den Startvorbereitungen. "Mit etwas Glück übernachten wir heute Abend an einem Südseestrand."
Weit gefehlt...
Gute zehn Stunden später waren sie beide vollauf damit beschäftigt, sich die überaus hungrigen Moskitos vom Leib zu halten. "Ihhh" Lunch klatschte sich mit der flachen Hand auf den Oberarm und pickte den zerquetschen Blutsauger mit spitzen Fingern von ihrer Haut. "Das war Nummer dreiundzwanzig. Wenn das so weitergeht, bin ich bald eine blutleere Mumie."
"Bis dahin sind wir weg", verspracht C17 grinsend. "Wenn ich damit gerechnet hätte, dass der zweite Dragonball ausgerechnet in einem Sumpf liegt, hätte ich uns die passende Ausrüstung gekauft."
"Hast du mittlerweile das passende Loch gefunden?", fragte Lunch ungeduldig. Sie war wirklich nicht in der Stimmung für "was wäre gewesen wenn"- Sprüche. Damit würde sie die Stiche, die langsam wie die Hölle juckten, auch nicht wieder los.
"Doch, habe ich", überraschte sie C17. "Es muss das da hinten sein. Die Anzeige ist eindeutig."
"Ich nehme nicht an, dass der Dragonball sichtbar ist, oder?", fragte Lunch seufzend.
"Du hast es erfasst", gab C7 ihr recht. "Ich werde mal die Tiefe ausloten und dann versuchen wir es mit einem Netz. Vielleicht haben wir Glück und fischen den Ball."
Es blieb bei dem Versuch. Das Loch war zwar nur etwa drei Meter tief, aber in diesen drei Metern steckten so viele halb verfaulte Pflanzen, dass sie zwar jede Menge Grünzeugs, in ihrem groben Netz ans fahle Tageslicht zogen, aber eben keinen Dragonball. "Ich werde das Loch austrocknen", entschied C17 nachdem sie beide über und über mit Schlamm und Schleim bedeckt waren.
"Einen Versuch ist es wert", sagte Lunch und trat zurück. Ein Gutes hatten die unfreiwilligen Schlammpackungen, sie kühlten die Mückenstiche.
C17 sammelte seine Energie und schoss einen blendend hellen Strahl in das betreffende Loch. Eine Wolke aus stinkendem Wasserdampf stieg zischend hoch und nahm Lunch den Atem. "Ich ... kann ... nichts mehr sehen", keuchte sie.
"Ich auch nicht", der Dampf brannte in C17s Augen. "Wir müssen warten bis er sich verzieht."
Das taten sie denn auch. Nach einer guten halben Stunde kam ein leichter Wind auf, der die feinen Tröpfchen auseinander trieb. C17 trat an das ausgekochte Sumpfloch heran. Der Schlamm am Grund war durch die Hitze des Strahls hart gebacken worden. Irgendwo in dem rissigen, graugrünbraunen Zeug steckte der Dragonball.
"Haben wir eine Schaufel dabei?", fragte er Lunch.
"Kommt schon!" Lunch warf ihm die Schaufel ins Loch. C17 packte sie und begann den Boden Brocken für Brocken aufzubrechen. Nach der dritten Ladung, die er schwungvoll aus dem Loch beförderte, drängte von unten das Grundwasser nach und der Boden wurde mehr und mehr durchfeuchtet.
"Wo steckt nur diese verdammte Kugel?" C17 war durch die Metallanteile seines Körpers deutlich schwerer als ein Mensch seiner Größe und sank nach und nach bis über die Knie in den immer weicher werdenden Boden ein.
Endlich stieß die Schaufel auf Widerstand. C17 packte sie fester und schob sie unter den harten Brocken, den er durch all den Schlamm nicht richtig sehen konnte. Er hob die Schaufel vorsichtig heraus und rüttelte sie sacht bis der Schlamm den Blick auf eine orange Kugel freigab. "Ich habe ihn!", rief er Lunch zu.
Sie kniete sich an den Rand des Loches und streckte die Hände zu ihm herab. "Prima. Ich nehme ihn!"
Jetzt erst bemerkt C17, dass er mittlerweile bis zu den Hüften im Schlamm versunken war. "Verflucht!" Er sah nach oben. "Fang ihn auf!" und warf den Dragonball Lunch zu.
Ihre Reaktion war nicht von schlechten Eltern und sie bekam die Kugel mit den fünf Sternen zu fassen. "Geschafft, aber was ist mit dir?", rief sie ihm zu.
"Keine Sorge, es braucht mehr als ein bisschen Schlamm, um mich zu halten!" Er nahm seine Kraft zusammen und versuchte, aus dem Loch herauszufliegen. Doch das klappte nicht, da er nichts hatte, wo er sich abstoßen konnte, der Schlamm gab nach und wich seiner Kraft aus. Langsam stieg Panik in ihm hoch. "ich will nicht in einem Sumpfloch enden, verflucht noch einmal!" War er wirklich dazu verdammt, hier im Dreck zu ersticken?
Lunch überlegte nicht lange, legte den Dragonball zur Seite und rannte zum Hubschrauber, der auf einem Felsigen Hügel gut dreißig Meter entfernt stand. Ein Seil war rasch gefunden. Sie machte es an einer der Kufen fest und rannte mit dem losen Ende zum Loch zurück. Verdammt! Es war gerade ein bisschen zu kurz, es fehlte etwa ein Meter bis zu ihm hinab. Für lange Überlegungen war keine Zeit, denn er sank Zentimeter für Zentimeter weiter ein. Lunch band das Seilende um ihr rechtes Hangelenk und ließ sich dann in das Loch hinab. "C17, zieh dich an mir hoch!" Das ließ sich der Cyborg nicht zweimal sagen. Ihre Fußgelenke waren gerade noch in seiner Reichweite. Sein Gewicht zerrte sehr an ihr und vor allem an dem Handgelenk. Mit der freien Hand hatte sie das Seil oberhalb der Knotens gepackt und versuchte, ihr Handgelenk zu entlasten. "Geht es?", fragte C17 von unten.
"Es muss", quetsche sie zwischen den Zähnen hervor. "Also trödle nicht herum, es sei denn, du bist insgeheim scharf auf ein Schlammbad..."
C17 griff feste zu und zog sich in die Höhe. Lunch schloss die Augen und biss die Zähne zusammen. Stück um Stück hangelte sich C17 an ihr hoch, an ihren Knien, und schließlich an ihrer Taille. Sie biss noch fester auf die Zähne. Als er weiter nach oben griff und auf etwas sehr weiches kam, zischte sie ihn wütend an, dass er vor Schreck fast wieder in das Loch zurück gefallen wäre. Endlich war er vollständig aus dem Schlamm draußen. Er stieß sich von dem noch immer festgebackenen Rand ab und flog aus dem Loch hinaus. Ein Ruck, noch einer und er hatte Lunch herausgezogen. Auf den Knien hockend schnaufte sie erst einmal fest durch, dann versuchte sie den Knoten um ihr Handgelenk zu lösen, was ihr aber mit der linken Hand nicht so recht gelingen wollte.
"Lass mich das machen!" C17 kniete neben ihr nieder und seine geschickten Finger hatten den Knoten rasch gelöst. Er stockte, als er das Blut auf dem Seil bemerkte. Lunch bemerkte nicht, wie sich seine Augen betroffen weiteten, als sie ihr blutig gescheuertes Handgelenk schüttelte und aufstand, um im Hubschrauber den Erstehilfekoffer zu finden. C17 starrte ihr nach, hilflos nach Worten suchend, um ihr begreiflich zu machen, wie er sich fühlte... "Der Dragonball liegt da drüben!" rief sie ihm zu. Bring ihn gleich mit, dann können wir weiter fliegen", rief sie ihm über die Schulter zu und war drin verschwunden.
C17 schüttelte seine Erstarrung ab, schnappte sich den Dragonball und folgte ihr.
Im Halbdunkel des Hubschraubers konnte er erkennen, dass Lunch auf dem Kopilotensitz kauerte und sich eine desinfizierende Lösung auf das Handgelenk pinselte, wobei sie ab mit zusammengebissenen Zähnen ab und zu zischend die Luft einsog, wenn es an einer Stelle besonders brannte.
"Tu den Dragonball bitte in den Rucksack", sagte sie, ohne aufzusehen. "Der Radar liegt da drüben."
C17 warf den fünfsternigen Dragonball zum anderen und sah vom Radar zu ihr und wieder zurück.
Lunch riss mit den Zähnen eine Verbandspackung auf und überlegte, wie unhandlich es doch war, nur die Linke einsetzen zu können, weil sie die Rechte still halten musste, um die Wundsalbe, die sie vorhin aufgetragen hatte. Im Hingergrund hörte sie wie C17 im Waschabteil das Wasser laufen ließ. Irgendwie war diese dämliche Hülle verdammt zäh, sie riss etwas fester daran.
"Das übernehme ich", hörte sie C17 sagen, er nahm ihr die Verbandspackung ab und riss sie auf. Eine lange, schmale Wundauflage als Polster auf die Salbenschicht gedrückt und mit behutsamen, aber sicheren Griffen wickelte er den Verband um ihr Handgelenk, Ihre Hand zitterte ein wenig in seiner. Er lächelte sie ermutigend an. So schwach und doch so stark, es musste irre weh getan haben, als er mit dem ganzen Gewicht an ihr gehangen hatte. "Weißt du", sagte er leichthin, "du bist eine erstaunliche Frau, Lunch. Ich hoffe wirklich, der Typ weiß zu schätzen, was er an dir hat."
Sie sah ihn erstaunt an und ihre Wangen färbten sich ein wenig rot. "Meinst du?", murmelte sie unsicher. Ihr Blick ging an ihm vorbei zur Wand, als sähe sie den dort stehen, für den sie das alles auf sich nahm. Bei dem weichen Schimmer, der in ihre Augen trat, zog sich C17s Herz schmerzhaft zusammen. *Warum nur?*, wunderte er sich stumm und kämpfte das Gefühl nieder.
"Wie ist das?", fragte er, sicherte den Verband mit zwei Klebestreifen und trat zurück. Sie bewegte vorsichtig das Handgelenk. "Gut, tut kaum noch weh." Sie sog die Luft durch die Nase und schüttelte den Kopf. "Die Hände hast du ja gründlich geschrubbt, aber der Rest könnte es auch noch brauchen..."
"Dasselbe gilt dir", gab C17 zurück. "Wir stinken beide auf hundert Meter nach fauligem Sumpf."
"Dann geh ich zuerst." Sie fischte sich frische Kleider aus ihrem Haufen und verschwand im Badeabteil.
Eine gute Stunde später waren sie beide wieder herzeigbar und C17 warf den Motor an. "Was sagt der Radar?", fragte er.
"Weiter nach Westen", stellte Lunch nach zweimaligem Drücken fest. "Hoffentlich nicht wieder ein Sumpf."
"Diesmal ist es sicher ein lauschiger Strand", versprach C17 und der Hubschrauber hob ab.
...........
Drei Stunden später...
"Ein Strand ist es", sagte Lunch nicht ohne Sarkasmus in der Stimme. "Aber lauschig ...?"
C17 legte die Hand hinter ein Ohr. "Was hast du gesagt? Ich verstehe dich nicht!"
Lunch formte mit den Händen ein Sprachrohr. "Ich sagte, dass ...!" Der Rest ging im Geschrei der Küstentaucher unter. Einige Tausend dieser recht großen Seevögel hatten sich hier in dieser felsigen Bucht einen Nistplatz in der Felswand gesichert und hockten nun entweder auf ihren Eiern oder stritt sich mit den Nachbarn um jeden Millimeter Raum.
C17 befragte den Radar wohl zum fünften Mal in Folge. Das Ergebnis blieb dasselbe. Der Dragonball befand sich in der Felswand, in einem der tausenden Nester. Doch in welchem? Der Cybrog trat dicht an Lunch heran, die mit einem Fernglas die Nestreihen absuchte. "Siehst du etwas?", fragte er laut.
Sie schüttelte den Kopf. "Dann muss ich wohl persönlich suchen!", meinte er. "Solange die auf ihren Eiern hocken, sieht man sowieso nicht, ob da ein Dragonball mit dabei ist, oder nicht."
Ohne Lunchs Zustimmung abzuwarten flog er los, direkt auf die Felswand zu. Für die Vögel war er in etwa so willkommen wie ein Seeadler. Man unterschätze nie die Wucht der Masse. Kaum kam er ihren Nestern zu nahe, stürzte sich ein ganzer Schwarm opferungsbereiter Väter auf ihn und hackte mit den Schäbeln nach seinem Gesicht.
"Halt! Weg da! Hört auf, oder ich röste euch!" er ruderte mit den Armen wild herum, aber es nützte nichts. Für jeden Vogel, der er zur Seite wischte, kamen zwei neue hinzu. Plötzlich knallte es laut und die Vögell ließen von ihm ab. Direkt unter den Nestern stand Lunch, das Gewehr schussbereit in den Händen und feuerte mal hier, mal dort eine Kugel knapp an der Felswand vorbei. Der Lärm übertönte das Vogelgeschrei und das Tosen der Brandung und schreckte auch die brütenden Mütter auf. Die Vögel entschieden sich, ihre Nester lieber gegen das Raubtier auf dem Boden zu verteidigen. Lunch schien darauf gewartet zu haben, denn sie lud rasch nach und schoss erneut, ehe die mutigsten Vogeleltern auf sie losging.
"Los, mach schon!", rief sie hinauf zu C17, der das natürlich in dem Krach nicht hören konnte, aber ihr energisches Winken in Richtung Felswand war Zeichen genug. Er flog in Windeseile im Zickzack die Wand hinauf und hinunter, und endlich entdeckte er in einem Nest mit zwei grauschaligen Eiern die orange Kugel. Ein Griff und er schoss wieder hinab, wo sich Lunch hinter einen Felsen kauerte und mit dem Gewehr wild um sich schlug. C17 feuerte ein paar Energieladungen ab, die über dem Vogelschwarm mit lautem Knallen explodierten. Sogleich stoben die Vögel auseinander. C17 landete neben der zerrauften Lunch, die aus mehreren kleinen Wunden an Armen und Händen blutete. "Rasch zurück zum Hubschrauber", sagte er, reichte ihr den einsternigen Dragonball und zog sie hinter sich her auf den Hubschrauber zu, der ein ganzes Stück entfernt auf einem Felsvorsprung nahe der Wasseroberfläche stand.
Je weite sie sich vom der Felswand entfernten, desto ruhiger wurde es. Die Vögel waren offenbar damit zufrieden die vermeintlichen Eierdiebe vertrieben zu haben. Im Hubschrauber half C17 Lunch dabei, ihre Wunden zu verarzten.
"Langsam sehe ich einfach schrecklich aus", seufzte sie und betrachtete sich im Spiegel des Waschabteils. "Mehr Pflaster wie Haut."
"He, Kopf hoch!", grinste C17, "das sind alles heroisch erworbene Wunden, im Kampf im deinen großen Trau, oder?"
"So heroisch komme ich mir aber nicht vor", sagte Lunch und schnitt eine Grimasse. "Wohin geht es als nächstes?"
"Nach Südwesten", sagte er und setzte sich auf den Pilotensitz.
"Nanu? Keine Sprüche vom Südseestrand mehr?", fragte sie ironisch und ließ sich neben ihm auf dem Kopilotensitz nieder.
"Sagen wir mal so, wenn es einer ist, dann haben wir Glück.", lächelte er und schnallte sich fest.
"Ein bisschen Glück wäre zur Abwechslung mal nett", murmelte Lunch und griff nach ihrem Gurt. "Ein Dragonball, der wie auf dem Präsentierteller vor uns liegt ..."
..............
"Jetzt hättest du recht", grinste sie als der Hubschrauber vier Stunden später auf dem weißen Sand aufsetzte. "Da haben wir den Strand. Es sind sogar Palmen dabei. Lust auf Kokosmilch?"
"Vielleicht später, wenn wir den Dragonball gefunden haben. Was meint der Radar?"
Lunch kontrollierte die Position des blinkenden, grünen Punktes. "Dort drüben", sie wies mit der Hand auf die südliche Hälfte. "Etwa noch dreißig Meter vom Strand weg im Meer."
"Auch noch tauchen..." C17 zog eine Grimasse. "Ich hasse Salzwasser."
"Rostest du etwa?", fragte Lunch erstaunt.
"Keine dummen Witze", gab C17 zurück und strich sich durch die Haare. "Ich bin aus Titanium, aber bei meinem Gewicht zieht es mich immer runter wie ein Stein."
"Schon gut, dieses Mal geh ich für dich tauchen", sagte Lunch. "Mir macht so etwas Spaß. Da hinten habe ich ein Schlauchboot entdeckt. Wenn du es nach draußen bringst und aufpumpst, schau ich mal, ob ich einen Taucheranzug oder so etwas finde..."
Wenig später stand C17 neben dem fertig aufgeblasenen Gummiboot und wartete ungeduldig auf Lunch. "Hast du nun einen Taucheranzug gefunden oder nicht? Wenn wir erst noch einen kaufen müssen, sollten wir los, denn die nächste Stadt ist eine gute halbe Stunde Flugzeit von hier."
"Ist nicht nötig!" Lunch trat ins Freie und C17 spürte, wie sein Mund auf einmal trocken wurde. Der Taucheranzug saß wie eine zweite Haut und verbarg nichts von ihren immer noch straffen Rundungen. Ihre Haare waren unter dem Kopfteil verschwunden. Die Flossen hielt sie in der einen Hand und die Pressluftflaschen in der anderen. "Ein Glück, dass ich auf der Insel von Muten Roshi ab und zu tauchen gegangen bin. Dort hat es ein sehr nettes Riff mit wunderbaren rosa Federkorallen. und ein paar Schiffswracks mit interessantem Plunder, den ich recht gut habe los schlagen können."
"Das sieht dir ähnlich", grinste C17 und schob das Boot ins Wasser. "Soll ich mit?" "Damit ich dich raus fischen muss, wenn das Boot kentert?" Lunch schüttelte den Kopf. "Danke, aber ich glaube, das schaffe ich allein."
"Okay", sagte C17, der gleichzeitig erleichtert und enttäuscht war, "sei bitte vorsichtig." "Bin ich doch immer." Mit kräftigen Schlägen ruderte Lunch etwa dreißig Meter aus der Bucht hinaus und warf den Anker. Sie kontrollierte die Anzeige des Radar und nickte zufrieden. Ja, hier musste die Stelle sein. Nachdem sie den Radar in der wasserdichten Tasche verstaut hatte, warf sie den Anker und setze die Taucherbrille auf. Die Flossen angezogen, die Sauerstoffflaschen auf den Rücken geschnallt, das Mundstück zwischen die Zähne geklemmt und schon kippte sie rücklings ins Wasser.
Vor ihr eröffnete sich eine wunderbare Unterwasserwelt, bunte Fischschwärme, Korallen aller Arten und Farben, doch sie hatte für diese Schönheiten keinen Blick. Die Farbe Orange war das einzige, was sie zu erhaschen versuchte, während sie langsam auf den Meeresgrund sank. Zwischen den einzelnen Korallenbänken fand sich weißer Sand und dorthin setzte sie auch ihre Flossen. Besonders bemerkenswert war eine riesige Muschel mit bestimmt drei Meter Durchmesser, eine von den großen Mördermuscheln, wie es sie überall in den warmen Meeren gab. Es war mehr Zufall als gewollt, dass Lunch einen Blick in das Innere der Muschel warf, die gut eine Handbreit offen stand, um frisches Atemwasser anzusaugen. Zunächst war sich Lunch nicht ganz sicher, aber als sie direkt vor der Muschel stand, gab es keinen Irrtum mehr. Der Dragonball befand sich genau dort, innerhalb der gebogenen Schalen, wie eine große, orange Perle.
*Da habe ich aber Glück!*, dachte Lunch, streckte den Arm zwischen die Schalen und ihre Finger schlossen sich um die Glaskugel. Im gleichen Moment schlossen sich aber auch die Schalen. Lunch versuchte noch, ihren Arm heraus zu ziehen, aber die Muschel hatte ihn bereits eingeklemmt. Zu ihrem Glück erwischte Lunch mit der freien Hand einen Stein, den sie als Keil über ihrem Arm zwischen die Schalen drücken konnte, sodass sie sich nicht weiter schlossen. Für den Moment war ihr Arm ein wenig gequetscht, aber sonst noch heil. Herausziehen ließ er sich jedoch nicht. Siedendheiß fielen ihr Geschichten von Tauchern ein, die ein Glied von einer solchen Muschen buchstäblich abgequetscht bekommen hatten. Sie hatte für etwa drei Stunden Luft. Aber was dann?
C17 wanderte unruhig am Strand auf und ab. Es war nun schon eine Stunde her, seitdem sie ins Wasser gegangen war. Wenn der Dragonball nicht zu finden war, wäre sie doch längst wieder aufgetaucht. Okay, bei den vielen Spalten und Ritzen eines Korallenriffs, konnte es lange dauern bis man ganz sicher war, aber trotzdem ... irgendwie hatte er ein verdammt ungutes Gefühl. Egal was er sich auch vorsagte, es wollte nicht weichen und so fasste er einen Entschluss. Mit einer Schwimmweste am Leib und zwei Schwimmflügeln an den Armen, sowie einer Taucherbrille auf der Nase, stiefelte er ins Wasser, auf die Stelle zu, wo das Bot in den Wellen dümpelte. Als das Wasser ihn trotz seiner Schwimmhilfen nicht tragen wollte und die Wellen bereits um seine Lippen plätscherten, paddelte er mit aller Kraft wie ein Torpedo durchs Wasser bis zum Boot, an dem er sich mit beiden Händen fest klammerte. Einmal, zweimal tief Luft geholt, dann ließ er den Bootsrand los und sank in die Tiefe. Er musste nicht lange suchen, bis er Lunch entdeckte, die mit einem Stein wie eine auf eine risige Muschel einschlug. Er paddelte zu ihr hinüber und klopfte ihr auf die Schulter. Lunch drehte den Kopf, erkannte C17 und atmete auf. Sie deutete in die Muschel und C17 erkannte, warum sie so leichtsinnig gewesen war, ihren Arm da hinein zu stecken.
Er packte die Muschelschalen mit beiden Händen und zwang sie auseinander. Lunch zog ihren Arm heraus und betastet ihn vorsichtig. Der Knochen war noch heil und außer einer leichten Taubheit war nichts zurückgelbieben. Rasch griff sie nochmals rein und holte sich den Dragonball mit den zwei Sternen.
Sie zeigte ihn stolz C17, der mittlerweile bereits bläulich anlief. Erschrocken nahm Lunch einen tiefen Zug aus dem Mundstück und reichte es dann C17, der erleichtert die Muschel los ließ. Da er auch mit kräftigen Zügen und den Schwimmhilfen einfach nicht nach oben kam, packte ihn Lunch unter den Achseln und half mit. Mit einiger Mühe schafften sie es nach drei Versuchen bis zum Boot. C17 keuchte und zog kletterte ins Boot. "Uff", ich dachte schon, ich komme da nie wieder raus", ächzte er.
"Ach was", schnaufte Lunch und fischte den Dragonball aus der Tasche, um ihn bei Sonnenlicht zu betrachten. "Notfalls hättest du dich ja mit einem gegen den Meeresgrund gerichteten Energiestrahl hinaus katapultieren können oder?"
C17 sah sie erstaunt an, griff sich an die Stirn und grinste verlegen.
"Sag bloß, dir ist das nicht in den Sinn gekommen, ehe du mir nachgeschwommen bist?", wunderte sich Lunch. "Wie hast du denn gedacht, dass du wieder heraus kommst?"
"Darüber habe ich mir, glaube ich, keine Gedanken gemacht", gab C17 leicht zerknirscht zu. "Alles was ich im Sinn hatte, war herauszfinden, warum du so lange brauchst."
Lunch griff nach den Rudern und schüttelte den Kopf. "Du bist mir ein verrückter Cyborg", lachte sie. "Aber danke, dass du mich aus der Muschel befreit hast. Jetzt fehlen uns nur noch drei Kugeln."
"Erst einmal übernachten wir hier, denn in zwei Stunden wird es dunkel. Morgen dann fliegen wir zur nächsten Kugel..."
Ende des dritten Teils
