Auron blieb die Luft weg. Sein Gesicht verlor jegliche Farbe. Was hatte Jekkt gerade gesagt? Hatte er richtig verstanden? Es musste ein böser Traum sein. So etwas konnte doch nicht in Wirklichkeit geschehen!" Seine Gedanken überschlugen sich. Er versuchte den Kloß in seinem Hals hinunterzuschlucken. Noch immer konnte er nicht glauben, was er gerade gehört hatte. Es waren nur zwei unbedeutende Worte. Und doch lösten sie in Aurons Gefühlswelt ein Chaos aus. Sollte er lügen, es bestreiten, sollte er es zugeben. Was würde dann geschehen?

Er nahm all seinen Mut zusammen und blickte in das Gesicht seines Freundes. Er versuchte eine Erwiderung zu formulieren, doch es gelang ihm nicht. Seine Stimmbänder waren wie gelähmt. Er blickte Jekkt stumm und ein wenig hilflos an.

Jekkt lachte laut auf und warf seinen Kopf nach hinten. "Hast du wirklich gedacht, ich wäre so ein Dummkopf und würde nicht merken, wie du mich in den letzten zwei Wochen angesehen hast." Wieder ein belustigtes Lachen aus seiner Kehle. Auron konnte nicht erkennen ob er verärgert, angewidert oder nur belustigt über ihn war. Am liebsten wäre er in diesem Moment einfach von dem Felsvorsprung gesprungen, doch nicht einmal dazu war sein Körper momentan in der Lage.

"Was ist, hat es dir die Sprache verschlagen?" Jekkt sah in Aurons braun- grüne Augen. Er richtete sich auf und war plötzlich dem Gesicht seines Gegenübers nur Zentimeter entfernt. "Was ist, traust du dich nur mich zu küssen, wenn ich schlafe?" Er öffnete verführerisch die Lippen und glitt mit seiner Zunge darüber. Seine Zähne blitzten weiß auf. Auron spürt wie das Blut in sein Gesicht schoss und seine heißen Wangen sich röteten.

Es lief wie ein automatischer Prozess ab. Auron beugte sich leicht nach vorne und umschloss mit seinen Lippen die seines Freundes. Dieser Kuss unterschied sich wesentlich von dem in der Stillen Ebene. Dieser Kuss war fordernder, ausgehungerter, wilder. Jekkt legte seine Hand in den Nacken von Auron, und begann diesen leicht zu massieren. Langsam ließ sich Auron entspannt zurücksinken. Jekkt folgte ihm ohne den Kuss zu unterbrechen.

Sie trennten sich erst, als beide schon fast zu ersticken drohten. Der Jüngere sah dem Mann über sich tief in die Augen. Nach einem schier unendlichen Moment beugte sich Jekkt hinab und seine Lippen nahmen die seines Freundes abermals in Besitz. Aurons Hände suchten an Jekkts Rücken Halt, und die Welt um sie herum versank wie die rotleuchtende Sonne am Horizont.

Langsam wurde es dunkel und kühl. Braska machte sich langsam Sorgen um seine beiden Kameraden. Seit Stunden hatte er nun keinen der beiden mehr gesehen. Was machten die beiden bloß so lange?

Da sie auch nicht zum Abendessen erschienen waren, hatte er bereits ohne sie gespeist. Es war schon eine Stunde nach Sonnenuntergang, und die Temperatur draußen sank rapide.

Plötzlich flog die Tür auf und die beiden Vermissten stürmten herein. Sofort gingen sie zum Feuer um sich zu wärmen. Braska betrachtete sie argwöhnisch. "Wo wart ihr denn so lange? Alle haben schon auf euch gewartet." Seine Stimme klang etwas zorniger, als es beabsichtigt war.

Die beiden warfen sich einen verschwörerischen Blick zu. Jekkt setzte ein breites Grinsen auf. Auron dagegen wurde lediglich rot. "Entschuldige, wir haben einfach die Zeit übersehen." Betroffen senkte er seinen Blick.

Einige Ronso traten ein, und breiteten Unmengen von Speisen auf dem Tisch aus. Genauso schweigsam, wie sie erschienen waren, verschwanden sie auch wieder. Hungrig stürzte sich das Trio auf die Speisen. Es tat so gut, nach so langer Zeit wieder an einem Tisch zu sitzen und Speisen zu verzehren, die sie nicht über einem Lagerfeuer erwärmt hatten. Nach dem Essen saßen sie noch einige Stunden beisammen und redeten. Sie wussten, dass dies der letzte Abend sein würde, an dem sie so friedlich beisammen sitzen konnten. Am nächsten Tag würden sie die letzte Etappe ihrer Reise beginnen. Und somit war der Tod von Braska in greifbare Nähe gerückt. So ausgelassen ihre Stimmung auch zu sein schien, diese Tatsache trübte dennoch ihr Beisammensein.

Weit nach Mitternacht verabschiedete sich Braska mit einem Gähnen. Er wünschte ihnen eine gute Nacht und begab sich dann in sein Zimmer. Jekkt und Braska blieben noch einige Zeit. Doch sie wichen den Geschehnissen auf dem Felsvorsprung aus. Schließlich war die Nacht so weit vorangeschritten, dass auch sie beschlossen auf ihre Zimmer zu gehen.

Auron war enttäuscht. Er hatte wenigstens den Versuch erwartet, dass Jekkt mit ihm mitgehen wollte. Doch dieser hatte ihm nur eine gute Nacht gewünscht, und war dann schnell in seinem eigenen Zimmer verschwunden. War es falsch? Hätten sie sich nicht küssen dürfen? Quälende Fragen marterten Aurons Gehirn. Sollte er zu ihm gehen? Er entschied sich dagegen, aus Angst vor einer Ablehnung. Doch sein ganzer Körper sehnte sich nach einer Berührung von Jekkt. Er schloss die Augen.

Er entledigte sich seiner Kleider und kuschelte sich in die warme Decke auf seinem Bett. Leise hörte er wie sich die Tür zu seinem Zimmer öffnete. Sein Herz schlug schneller. Konnte es möglich sein, dass Jekkt doch noch zu ihm kam?

Langsam drehte er sich um und konnte eine dunkle Gestalt erkennen, die noch immer bei der Tür stand. "Jekkt?" Unsicherheit ließ seine Stimme vibrieren. Er erhielt keine Antwort. Stattdessen kam die Gestalt auf ihn zu. Er spürte warme Hände, die sein Gesicht fest umklammerten. Der Schatten beugte sich zu ihm hinab und küsste ihn leidenschaftlich. Nun wusste Auron, dass die mysteriöse Gestalt kein anderer sein konnte als der sehnlich Erwartete.

Auron zog ihn drängend zu sich ins Bett. Willig folgte Jekkt seinem Begehr. Wilde Küsse, Hände die über nackte Haut strichen. Die Welt um sie herum versank in Farben. Würde dieser Moment doch niemals enden. Könnten sie doch ewig hier zusammen bleiben.

Auron lag mit dem Kopf auf Jekkts Brust. Er konnte jeden Herzschlag hören. Jekkt fuhr im währenddessen durch seine schwarze Mähne. "Wir hätte es nicht tun dürfen." Brach es aus Auron heraus. Die Hand die seine Haare streichelte stoppte. "Wieso nicht?" erklang Jekkts dumpfe Stimme. "Du hast Frau und Kind. Und wenn du die Möglichkeit hast, kehrst du zu ihnen zurück." Jekkt nahm seinen Geliebten fester in die Arme. "Das ist ein anderes Leben. Nur das Jetzt und Hier zählt im Moment." Er küsste Auron, als ob er seine Aussage damit untermauern wollte.

Sie schliefen erschöpft, jedoch glücklich aneinandergekuschelt ein. Als Auron von den ersten Sonnenstrahlen geweckt wurde, war der Platz neben ihm bereits verlassen. Jekkt schien schon vor einiger Zeit aufgestanden zu sein. Auron zog sich an und begab sich dann in den Gemeinschaftsraum. Braska und Jekkt saßen am Tisch und stärkten sich an den aufgetischten Speisen. Er setzte sich zu ihnen und goss sich eine riesige Tasse Kaffee ein. Sie saßen sich schweigend gegenüber. Jekkt versuchte mit Auron in Blickkontakt zu treten, doch dieser wich seinen Blicken kontinuierlich aus.

Nach dem Frühstück packten sie ihre Sachen und verstauten die Vorräte, die von den Ronso bereitgestellt wurden. Schweren Herzen verließen sie die Siedlung der Ronso und machten sich wieder auf den Weg zum Bergtor. Der Abstieg gestaltete sich um einige einfacher als der Aufstieg, sodass sie nach nur kurzer Zeit dort angelangten. Von dort ging es Richtung Norden den Berg Gagazet hinauf. Je weiter sie kamen umso klirrender wurde die Kälte. Der Weg war vollkommen mit Schnee bedeckt und sie musste sehr vorsichtig sein, dass sie nicht an engen Passagen ausrutschten und in die Tiefe stürzten. Am schlimmsten waren jedoch die Nächte. Sie waren klirrend kalt und eisiger Wind schnitt messerscharf in ihre unbedeckte Haut. Nach drei Tagen erreichten sie einen Vorsprung. Laut Aurons Karte mussten sie nur noch wenige hundert Meter außerhalb des Berges gehen. Danach verlief der Weg im Inneren des Berges weiter.

Als sie um eine Kurve kamen, bot sich ihnen ein überwältigender Anblick. Überall an den Wänden waren Ornamente eingemeißelt. Um diese waren menschliche Körper aus Stein zu erkennen. Es schien von einer längst vergangenen Zivilisation zu zeugen. Doch das atemberaubenste waren nicht die Fresken an den Wänden, sonder die riesige Säule die sich in der Mitte befand. Sie bestand aus einer schimmernden Masse die sich in den Himmel streckte. Keiner der drei hatte jemals zuvor ein ähnliches Gebilde gesehen. Mit offenen Mündern starrten sie auf die Farben die sich über die Oberfläche der Säule kräuselten.

"Heiliger Yevon. Das ist eine Asthra-Masse!" ließ Braska beeindruckt verlauten. Asthra, diese heiligen Wesen, die Medien erst ihre Kraft verliehen. Sie waren Geister, die in Tempeln ihr Dasein fristeten, und würdige Media ihre Unterstützung zusagen. Erst durch diese Wesen war es den Medien möglich, Bestia zu beschwören.

Jekkt taumelte. "Auron! Mir wird so anders." Hilfesuchend streckte er eine Hand nach seinen Freund aus. Ihm wurde schwarz vor Augen und er kippte nach hinten.

Als er die Augen wieder öffnete, befand er sich in Zarnakand. In seinem Zarnakand, das intakt war, dass normalerweise vor Leben strotzte. Er konnte Stimmen von fröhlichen Lachen hören, Stimmengewirr umgab ihn. Doch nirgendwo war eine Menschenseele zu erkennen. Er sah sich um, und erkannte, dass er sich vor seinem Haus befand. Unsicher ginge er darauf zu. Er öffnete die Vordertür und trat ein. Doch niemand war hier. Alles war noch genauso, wie an dem Tag, an dem er das Haus verlassen hatte, um mit dem Boot auf hohe See zu fahren. Die Erinnerungen erdrückten ihn fast. Er konnte sich an den Sturm erinnern, er wusste noch, wie er von einer unsichtbaren Kraft hochgezogen wurde. Was genau geschehen war, konnte er nicht sagen. Er hatte das Bewusstsein verloren. Als er wieder aufgewacht war, hatte er sich in Spira befunden.

War er wieder in seine Heimat zurückgekehrt? Hatte er einen Weg in sein Zarnakand gefunden?

So sehr diese Welt auch seiner glich, sie schien doch unwirklich. Ein ungutes Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit. "Was soll das? Das ist nicht mein Zarnakand!" rief er trotzig ins Nichts.

"Du irrst dich. Dies ist dein Zarnakand." Vor ihm materialisierte sich ein kleiner Junge, der die Kapuze seines blauen Umhangs tief in das Gesicht gezogen hatte. "Das ist die Welt in die du hineingeboren wurdest bzw. hineingeträumt wurdest."

"Hineingeträumt? Was soll das heißen. Ich verstehe nicht ganz." Ungläubig blickte er den Jungen an.

"Vor fast 1000 Jahren führten wir Krieg gegen Bevelle. Wir hatten keine Chance. Yevon, der Führer von Zarnakand vernichtete sein Land, damit dies nicht die Gegner tun konnten. Fast alle starben an diesem Tag. Die wenigen Überlebenden wurden zu Asthras, so wie ich. Wir wurden zu Stein und schufen gemeinsam in unseren Träumen ein neues Zarnakand. Es ist das Zarnakand, in dem du gelebt hast. Du bist nur ein Traum von uns gewesen." Bedrückende Stille herrschte in dem kleinen Raum. Leise fuhr das kindliche Wesen fort "Yevon wurde zu einem Wesen höherer Macht und hüllte sich in eine Asthra. Dies war die Geburt von Sin. Der als Strafe für die Zerstörung Zarnakands fungieren sollte. Und seit 1000 Jahren erfüllt er nun schon seine Aufgabe. Er sucht Spira heim, bis ein Medium die hohe Beschwörung erhält und damit die Stille Zeit einleitet. Doch dieser Zustand hält lediglich 10 Jahre an, dann erscheint Sin von neuem. Es ist die Spirale des Todes."

"Und warum wurde ich nach Spira gebracht?" Tränen sammelten sich in Jekkts Augen.

"Du hast eine Aufgabe zu erfüllen. Für dich gibt es keinen Weg mehr zurück. Du wirst nie wieder in dein Zarnakand zurückkehren können. Wir sind es leid, zu träumen, und du sollst uns helfen." Der Junge verblasste allmählich.

Seine letzte Hoffnung seinen Sohn und seine Frau je wieder zusehen zerbrach in tausend Scherben. Die Worte der Asthra klangen noch in seinen Ohren. Keinen Weg zurück? Sollst uns helfen? "Und wie soll ich euch helfen. Ich habe ja keine Ahnung wie ich das anstellen soll." Schrie er in die Leere des Raumes.

Ein Meer aus Stimmen antwortete ihm. "Begleite Braska nach Zarnakand. Dort wirst du wissen, was du zu tun hast." Die Konturen des Raumes verschwammen, und Dunkelheit hüllte ihn ein.

"Jekkt? Bitte, so wach doch auf." Aurons zittrige Stimme drang dumpf an sein Ohr. Jekkt schlug die Augen auf, und blickte in die verschwommenen Augen seines Freundes. "Yevon sei Dank, du bist wieder aufgewacht." Auron umarmte den Älteren ungestüm, und begann lauthals zu schluchzen.