### Vielen Dank für die netten Reviews. Hat uns wirklich angespornt! Ist schon ein geniales Gefühl.
Nun also weiter mit den beiden Jungs...
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Kreuzwege
von: ManuKu
und: Salara
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Einen Atemzug lang starrte Aragorn auf den reglosen Elben hinab, dann platzierte er vorsichtig die waffenlose Hand auf dessen Brustkorb, der sich gleichmäßig im Rhythmus des Atmens hob und senkte.
Er lebte noch!
Aragorn zog seine Hand zurück, legte sein Schwert zur Seite und begann mit
äußerster Behutsamkeit nach etwaigen Verletzungen zu suchen. Dank Elronds früherer Unterweisung auf diesem Gebiet stellte er
rasch fast, dass der Fremde neben einer ziemlich bösen Beule am Hinterkopf und
ein paar Abschürfungen im Gesicht und an den Händen auch die Spuren von
Misshandlungen am ganzen Körper aufwies: tiefe Schnitt- und Brandwunden und
möglicherweise – doch dessen war er sich in dem herrschenden Dunkel nicht
sicher – einige Knochenbrüche.
Wer auch immer der Fremde war – man war in den letzten Tagen gewiss nicht
zimperlich mit ihm umgangen. Aragorn vermutete, dass er wahrscheinlich in einen
Hinterhalt geraten, gefangen genommen und schließlich – und wohl mit viel Glück
– geflohen war.
Wer auch immer die Peiniger dieses Elben gewesen waren – Aragorn hoffte, dass
sie nicht in der Nähe waren. Das letzte, was er jetzt brauchte, war ein Kampf!
Sein Blick glitt über die Gestalt des jungen Mannes. Ob sich in der Nähe
vielleicht noch weitere Verletzte befanden?
Unschlüssig musterte er die Umgebung, doch er konnte in der Finsternis nicht
viel erkennen. Wenn es weitere Verletzte gab, rettete er sie gewiss nicht,
indem er in völliger Dunkelheit in einer fremden, womöglich von unbekannten
Feinden besetzten, Umgebung herumstolperte! Ihm fehlte in solchen Augenblicken
die scharfe Sicht der Elben. Es gab in Moment nur noch eines für ihn zu tun:
dem verletzten jungen Elben helfen!
Etwas in Aragorns Gedanken protestierte gegen diesen Entschluß
und erinnerte ihn an die Worte, deren Ohrenzeuge er unfreiwillig geworden war,
doch er brachte jene kleine Stimme in sich schnell zum Verstummen. Wer auch
immer das hier war – er konnte nichts dafür! Und dieser Elbe wusste auch nicht,
dass er nicht nur irgendein Mensch war, sondern Isildurs...
Nein! Aragorn schüttelte mit dem
Kopf. Es brachte jetzt gar nichts, sich
immer und immer wieder damit zu quälen.
Er griff wieder nach seinem Schwert und steckte es zurück in die Scheide. Dann hob
er den ohnmächtigen jungen Mann so behutsam wie möglich auf seine Arme und trug
ihn zurück zu der Stelle, an der er sein Pferd festgebunden hatte. Der Platz
dort war gut für ein Nachtlager geeignet und würde ihnen vermutlich genug
Schutz und Holz für ein kleines Feuer bieten.
Er bettete den bewusstlosen Elben auf eine hastig am Boden ausgebreitete Decke,
suchte einen Armvoll herumliegendes Bruchholz zusammen und entfachte ein
kleines Feuer, das er mit Steinen so weit verdeckte, dass der Lichtschein nur
schwach zwischen den Lücken hervordrang. Danach nahm er seinen Bogen und den
Köcher mit Pfeilen vom Rücken und legte ihn neben seine anderen Sachen zu
Boden. Er würde schneller und geräuschloser durchs Dickicht zum Fluss kommen,
wenn er den langen Bogen im Lager lassen würde. Außerdem bevorzugte er das
Schwert für den Fall eines Kampfes.
Vorhin hatte er das schwache Murmeln eines Baches in der Nähe vernommen. Er
brauchte Wasser, um die Verletzungen des Elben zu säubern, und es mochten nicht
mehr als zwei Dutzend Schritte bis zu diesem kleinen Gewässer sein. Das war nur
ein kurzer Weg. Außerdem war er bewaffnet und von Elronds
besten Kämpfern ausgebildet worden. Selbst, wenn sich die Feinde des jungen
Fremden noch in der Nähe befinden mochten – er würde es ihnen nicht leicht
machen.
Er nahm zwei leere Wasserschläuche aus dem Gepäck und zog seine Waffe.
Entschlossen, sich allen Gefahren zu stellen, machte Aragorn sich auf den Weg,
um Wasser zu holen.
***
Es waren nicht die Schmerzen seiner Verletzungen, sondern das Gefühl, warm und
geborgen zu sein, das Legolas aus der Bewusstlosigkeit zurückholte. Er brauchte
einige Augenblicke, bis er begriff, dass er an einem kleinen Lagerfeuer lag.
Etwas mühsam richtete er sich auf und sah sich um. Es war niemand in der Nähe,
doch um das kleine, gut geschützte Feuer lagen ein paar Sachen und in der Nähe
an einem Baum stand ein Pferd. Legolas betrachtete das Rüstzeug und die anderen
Sachen des Fremden, der ihn offensichtlich gefunden hatte. Alle Zeichen
deuteten auf elbisches Kunsthandwerk hin – das
Zaumzeug des Pferdes, die Decke, auf der
er lag und schließlich sah er einen elbischen Bogen
mit Pfeilen neben sich liegen.
Erleichtert atmete er auf. Ein Elbe hatte ihn gefunden!
Wahrscheinlich hatte sein Vater König Thranduil einen Suchtrupp losgeschickt,
als er nicht wie vereinbart nach drei Tagen von seinem Streifzug zurückgekehrt
war.
Legolas legte sich wieder zurück und schloss für einen Augenblick die Augen.
Plötzlich hörte er Schritte, schwere Schritte! Es waren nicht die leisen und
kaum hörbaren Bewegungen eines Elben. Legolas sprang auf und griff nach Pfeil
und Bogen an seiner Seite. Mit der Schnelligkeit jahrtausendelanger Erfahrung
zog er einen Pfeil aus dem Köcher, legte ihn in der gleichen Sekunde an die
Sehne und spannte den Bogen. Er zielte in die Richtung, aus der die Schritte
kamen und wartete atemlos.
***
Aragorn hatte seine zwei Wasserschläuche gefüllt und sich auf den Rückweg zum
Rastplatz gemacht. Als er das Lagerfeuer erreichte, erwartete ihn eine
Überraschung. Als er den Elben sah, der eigentlich noch viel zu erschöpft sein
musste, um aufzustehen und mit Aragorns eigenem Bogen auf ihn zu zielen, ließ
er die Wasserschläuche fallen und berührte instinktiv den Griff seines
Schwertes. Wenn er Glück hatte, könnte er den Pfeil mit seinem Schwert abwehren
oder sich ducken. In den freundschaftlichen Kämpfen mit seinen Brüdern Elladan
und Elrohir hatte er diese Aktion oft mit
gepolsterten Pfeilspitzen trainiert und war so manches Mal erfolgreich gewesen.
Doch genauso oft hatte er sich blaue Flecke von den schnellen Geschossen
geholt.
Doch Aragorn zog sein Schwert nicht aus der Scheide. Er wollte den Elben nicht
provozieren. Sein Gegenüber schien verwirrt. Der Bogen in seiner Hand zitterte
und die Spannung der Sehne ließ mit jeder Sekunde mehr nach.
„Manke nae lle?" [Wer bist du?] fragte Legolas und musterte den
Fremden misstrauisch. Er sah, dass sein Gegenüber ein Mensch war und die Hand
am Schwert hatte. Er versuchte, wachsam zu bleiben. Doch der kleine
Adrenalinschub, der ihm die Kraft gegeben hatte, aufzuspringen und nach dem
Bogen zu greifen, war schnell verflogen. Legolas spürte, wie sich alles um ihn
herum zu drehen begann. Er konnte den Bogen nicht mehr gespannt halten und gab
nach. Pfeil und Bogen rutschten ihm aus den Händen und er suchte in der sich
drehenden Welt nach einem Halt... und fand ihn. Der Fremde war an seine Seite
gesprungen, hatte ihn gestützt und vorsichtig wieder auf die Decke zurückgesetzt.
„Diola alle," [Danke.]
murmelte Legolas benommen, ohne zu wissen, ob der Mensch ihn verstand.
"Lle creoso," [Gern geschehen.] antwortete Aragorn leise und ein kurzes
Lächeln huschte über sein Gesicht. Elben
waren eine wirklich stolze Rasse.
„Lle anta yulna en alu?" [Möchtest du etwas Wasser trinken ?] fragte er und zog einen der Wasserschläuche,
die er beim Anblick des bewaffneten Elben fallen gelassen hatte, näher zu sich
heran.
Legolas sah überrascht auf. Der Mensch sprach fließend Elbisch
und zeigte kaum die Spur eines Akzentes. Es war mehr an diesem Menschen, als
man auf den ersten Blick vermutete.
„Danke, das würde ich sehr gern."
Legolas hatte in die Sprache des Menschen gewechselt. Es war ein Zeichen von
Höflichkeit, die er seinem Retter, als den er ihn nun erkannte, zugestand.
Vorsichtig stützte der Fremde ihn, während Legolas durstig das
herrlich kühle Wassers trank.
„Nicht so hastig!" Der Wasserschlauch wurde mit sanftem Nachdruck fortgezogen,
ihm jedoch nicht weggenommen.
„Schon gut, ich weiß."
Ein weiteres Mal begann er zu trinken, diesmal jedoch langsam, mit Bedacht und
in kleinen Schlucken. Schließlich hatte er genug, schob den Schlauch von sich
fort und ließ es bereitwillig zu, dass sein unbekannter Retter ihn sanft auf
die Decke zurücksinken ließ. Die Erschöpfung war durch den soeben vollführten
Kraftakt noch tiefer geworden und er konnte förmlich spüren, daß der Fremde es
ihm ansah. Legolas fühlte, wie er immer schneller auf die dunklen Tiefen der
Bewusstlosigkeit zuglitt.
„Danke, dass Ihr ... Euch meiner so ... annehmt..." Seine Worten
wurden immer leiser und er merkte, dass nun selbst das Sprechen ihm eine Kraft
abzuverlangen schien, die er nicht mehr aufbringen konnte.
Aragorn hatte beobachtet, dass die Verletzungen und die Anstrengungen die
letzten Reserven des jungen Elben aufgezehrt hatten. Sein Gesicht war nun noch
bleicher als das silberne Haar, das an der Schläfe von altem Blut verkrustet
war, wie Aragorn im schwachen Licht des Lagerfeuers nun erkennen konnte.
„Schon gut." Er griff nach dem zweiten Wasserschlauch. „Ruht Euch jetzt aus.
Bei mir seid Ihr sicher, und während Ihr schlaft, werde ich die Wunden
versorgen, so gut ich es vermag."
Der Elbe schien keine Kraft zum Sprechen mehr aufbringen zu können, doch er
hatte ihn wohl verstanden, denn er nickte nur schwach, bevor er endgültig das Bewußtsein verlor.
'Das ist wahrscheinlich das beste,' dachte er und
nahm einen kleinen Stofffetzen aus seinem Gepäck. 'Spätestens, wenn ich die Brüche richte, hätte der Schmerz ihn ohnehin
übermannt.'
Sorgsam zog er das Hemd des Bewusstlosen von dessen Oberkörper und begann die
schlimmsten Wunden zu säubern und sie anschließend mit sauberen Stoffstreifen
zu verbinden. Dann suchte er aus den herumliegenden Ästen zwei besonders gerade
heraus, schnitt sie mit seinem Dolch zurecht und begann danach den gebrochenen
Fuß des Elben zu schienen. Der vordere Teil des Fußes hatte bereits eine
besorgniserregende purpurne Färbung angenommen.
'Wie hat er damit vorhin nur stehen können?' schoß
es Aragorn durch den Kopf, als er sein Werk beendete und vorsichtig nach
weiteren Brüchen suchte. Zu seiner Erleichterung schien sonst nichts weiter
gebrochen zu sein und so versorgte er zuletzt die Schürfwunden, von denen Arme,
Hände, Gesicht und Körper gleichermaßen übersät waren, als wäre er eine längere
Strecke über den Boden geschleift worden. Die schlimmste befand sich hinter der
rechten Schläfe, und das ausgetretene Blut hatte einen Teil des dort befindlichen
Haares verkrustet.
Mit langsamer Behutsamkeit und dem letzten Rest des Wassers wusch er das Blut
aus den Haaren des Elben, dann stand er auf und sah auf den reglosen jungen
Mann hinab. Er hatte für ihn getan, was mit seinen unzureichenden Mitteln
möglich gewesen war.
„Vielleicht ist es besser, wenn ich ihn morgen früh nach Bruchtal bringe," überlegte Aragorn halblaut und zog den Rest der Decke
über den Verletzten, um ihn so vor der Kühle der Nacht zu schützen.
'Damit kann ich mich auch morgen noch befassen,'
dachte er schließlich und bereitete sich mit seinem Umhang und dem Sattel als
Kopfstütze ein einfaches Nachtlager, auf dem er ruhte, bis das erste
Morgendämmern die Wipfel der Bäume zu erhellen begann.
***
Legolas erwachte durch das Zwitschern eines besonders hartnäckigen Vogels in
der Nähe. Er atmete tief ein und spürte so den Verband um seinen Brustkorb. Er
setzte sich auf und sah unter seine Kleidung. Eine sehr gut sitzende Bandage
erschwerte ihm ein wenig das Atmen, doch Legolas konnte fühlen, wie sich die
darunter liegende Wunde schon zu schließen begann. Auch seine anderen
Verletzungen hatte der Fremde gut versorgt. Der Elbe sah sich nach seinem
Begleiter um. Der Fremde lag nicht weit von ihm entfernt an seinen Sattel gelehnt
und schlief. Legolas musterte ihn genauer.
Der junge Prinz von Düsterwald hatte kaum Erfahrungen im Umgang mit Menschen
gesammelt, doch der Mensch neben ihm schien noch sehr jung zu sein. Er trug
markante kräftige Gesichtszüge und sein Haar war schulterlang und dunkel. Die
rechte Hand des Menschen lag auf dem Griff seines Schwertes, das an seiner
Seite lag. Er ist wachsam, dachte
Legolas mit einem Lächeln. Er scheint die
Gefahren, die in dieser Gegend lauern, zu kennen.
Während er noch den Menschen betrachtete und sich seine Gedanken über ihn
machte, erwachte auch Aragorn und öffnete die Augen. Er sah den Blick des Elben
auf sich ruhen und setzte sich ebenfalls auf.
„Ich hoffe, Eure Wunden haben Euch trotz allem etwas Ruhe finden lassen."
Aragorns leise Stimme wirkte angenehm beruhigend auf Legolas.
„Ich danke Euch, für die Mühe, die Ihr mit mir gehabt habt. Seid Ihr ein
Heiler?" fragte Legolas sich wundernd.
„Nein. Ich weiß, was zu tun ist, wenn nach einem Kampf Wunden zu versorgen
sind. Und ich kenne mich ein wenig mit Heilkräutern aus."
„Wie heißt Ihr?" fragte Legolas plötzlich, als er sich bewusst wurde, dass sie
sich einander immer noch nicht vorgestellt hatten. Er sah, wie sein Gegenüber
bei dieser Frage zusammenzuckte und aufstand.
„Ich werde Estel gerufen," antwortete Aragorn kurz
angebunden.
Legolas war die Reaktion auf seine Frage natürlich nicht entgangen, doch er
schwieg dazu. Der Mensch trug einen elbischen Namen, der so viel wie Hoffnung bedeutete. Wie
kam er zu diesem Namen? Er schob diese Fragen erst einmal in den
Hintergrund und nannte stattdessen seinen Namen.
„Mein Name ist Legolas. Und meine Heimat ist Düsterwald." Der Elbe wollte
aufstehen und einen Schluck Wasser trinken, doch sein verletzter Fuß hielt der
Belastung nicht stand. Stöhnend und einen Aufschrei unterdrückend ließ Legolas
sich wieder auf sein Lager fallen.
Aragorn war sofort an seiner Seite und kniete sich neben ihn. „Euer Fuß ist
entzündet, Ihr müsst ruhen und Eurem Körper Zeit geben, sich selbst zu heilen."
Legolas sah den Menschen von der Seite an. Er
wusste also um die schnellen Selbstheilungskräfte der Elben. Er musste unter
Elben aufgewachsen sein, dachte sich Legolas. Er wurde aus seinen Gedanken
gerissen, als Aragorn ihn ansprach.
„Legolas, seid Ihr allein unterwegs gewesen oder gibt es dort draußen noch
Verletzte, nach denen ich suchen müsste?"
„Eure Besorgnis ehrt Euch. Aber ich war allein unterwegs."
„Dann ließ ich also niemanden gestern nacht im Wald
zurück!" Aragorn war offensichtlich erleichtert und stand nun auf. „Ich bin
kein Heiler, wie ich Euch schon sagte, trotzdem glaube ich, dass Ihr so schwer
verletzt worden seid, dass Eure Kräfte allein Euch nicht heilen können. Ich
möchte Euch gern nach Bruchtal zurückbringen, damit Lord Elrond
Euch vollständig heilt..."
„Nein," unterbrach Legolas ihn schnell. „Nein, ich
möchte zurück nach Hause. Mein Vater macht sich gewiss schon Sorgen und ich
möchte nicht, dass er Krieger losschickt, um mich zu suchen. Zur
Zeit bedrängen uns die Zwerge heftiger denn je und wir brauchen jeden
Elben, um unsere Grenzen vor ihnen zu schützen."
„Ich wußte nicht, dass es außerhalb von Bruchtal so
schlimm steht." Der Blick des Menschen schweifte instinktiv über das
Waldesdickicht, das sie umgab. „Seid Ihr etwa Zwergen in die Hände gefallen?"
Wie eine glühende Klinge bohrte sich die Wut über das Erlebte in Legolas' Herz
und vor seinem inneren Auge entrollten sich erneut die Bilder des Erlebten.
„Sie lauerten meinen Männern und mir auf, als wir nach einer langen Grenzwache
nach Hause zurückkehren wollten. Wir waren erschöpft vom langen Ritt und es
dunkelte bereits, als sie uns aus dem Hinterhalt angriffen. Es war alles sehr
gut vorbereitet. Wir hatten keine Chance..."
Er verstummte kurz, um die Emotionen abzuwehren, die angesichts der schlimmen
Erinnerungen machtvoll in ihm aufstiegen.
Aragorn indes schwieg und wartete. Er fühlte sich im Innersten berührt, dass
sich ihm ein völlig fremder Elbe derart offen
anvertraute. Das war selten für dieses uralte, weise Volk.
Legolas hatte sich inzwischen beruhigt und fuhr nun fort.
„Für drei meiner Krieger gab es kein Entrinnen. Sie starben, noch ehe sie ihre
Bögen hätten spannen können. Einen vierten ließen die Zwerge auf dem Weg
liegen. Er war durch einen Axthieb schwer verletzt und ich fürchte das
Schlimmste für ihn. Mich aber... mich überwältigten sie mit einem ihrer
heimtückischen Netze, und so sehr ich mich auch zu wehren versuchte, es gelang
mir nicht, ihnen zu entkommen."
Legolas mied den Blick des Menschen, den er nun auf sich ruhen fühlte. Das
Verständnis, das er in den Tiefen dieser blassblauen Augen wußte,
ertrug er jetzt nicht.
„Sie schleiften mich fort, und als ich nicht aufhörte, mich zu wehren..."
Er verstummte und hob eine Hand an die rechte Seite des Kopfes.
„Ich kam erst in der Tiefe einer Höhle wieder zu mir. Weit hinein in einen Berg
hatten sie mich geschleift und in ein felsiges Loch gesperrt, das die
Finsternis allen Endes in sich zu bergen schien..." Legolas' Stimme erbebte.
Aragorn wußte, dass Elben am liebsten unter freiem
Himmel lebten, oder zumindest in so luftig wie möglich errichteten Gebäuden.
Die Häuser Bruchtals wirkten alle, als wären sie aus
steinernen Ästen oder Flügeln von Vögeln erbaut und würden einen heftigen Sturm
nicht überstehen. Das war in Düsterwald, der Heimat von Legolas, sicher nicht
anders. Es musste die furchtbarste aller Qualen für den jungen Elben gewesen
sein, jener Himmelslosigkeit ausgesetzt zu sein.
Dennoch.
Das er nun – wenn auch schwer verletzt – hier war,
bewies, dass der Kampfgeist ihn nicht verlassen hatte.
„Vor zwei Nächten nun ließ die Wachsamkeit der Zwerge endlich nach. Sie hatten
sich zusammengerottet, um ihrem Wein zuzusprechen und waren irgendwann so
betrunken, dass sie nicht mehr auf mich acht gaben. Ich nutzte diese
Gelegenheit, um aus meinem Verlies zu entfliehen. Stundenlang versuchte ich
meine Spuren zu verwischen und sie zu täuschen, doch als die Dunkelheit kam,
waren meine Kräfte erschöpft... Ich kann von Glück sagen, dass Ihr es wart, der
mich fand. Ich bitte Euch, Estel, begleitet mich heim nach Düsterwald, damit
Euer Edelmut belohnt werden kann und mein Vater aufhören kann, sich zu sorgen."
„Ich tat nur, was jeder getan hätte," wehrte Aragorn
ab und fragte sich im Stillen, welche Stellung der Vater von Legolas haben
mochte, dass die Zwerge es anscheinend auf ihn abgesehen hatten. „Aber was Eure
Bitte um Heimkehr angeht, so entspreche ich ihr natürlich. Es wäre zwar
vernünftiger, die nächstgelegene Hilfe zu suchen, aber ich verstehe Eure
Beweggründe. Wir werden etwas essen und ich schaue mir Eure Verletzungen noch
einmal an, danach können wir aufbrechen, wenn Ihr wollt."
Er schob die kleine Stimme, die ihm vorwarf, dass ihm der Ritt nach Düsterwald
nur recht war, um seinen eigenen Problemen zu entfliehen, in den Hintergrund
zurück, wandte sich zu seinem Pferd um und sah dann zu Legolas zurück. „Was
denkt Ihr: könnt Ihr reiten?"
„Ganz sicher. Wir können aufbrechen, wann immer Ihr es sagt."
Auch, wenn Legolas schlimmere Schmerzen gehabt hätte, hätte er die Frage noch
bejaht. Er hatte nur noch den Wunsch, diese Gegend zu verlassen und in den
Schutz Düsterwalds zurückzukehren.
„Gut, dann ist es also abgemacht!"
Aragorn streckte dem Elben die Hand hin und dieser schlug ein, ohne zu zögern.
Kurze Zeit später war alles gepackt und verstaut und sie verließen die Lichtung
in Richtung Düsterwald.
***
wird fortgesetzt
