### Ein Danke an alle Reviewer. 6 Reviews für ein Kapitel ist bisheriger Rekordstand. Lasst Euch das eine Herausforderung sein! *grins*


***Black Pearl: Also die Story wird aus 12 Kapitel bestehen. Aber wenn Du denkst, danach bist Du vom Hacken. Nee, keine Chance! Es gibt Folgeabenteuer für unsere zwei Freunde, die schon in unserer geistigen Ideenschmiede glühen. Du und alle anderen Leser bleiben hoffentlich neugierig genug, um weiter dabei zu sein.


***Nili: Wow, Du vergleichst uns mit Cassia und Sio? Du siehst uns quasi erröten vor Verlegenheit! Ganz lieben Dank für das Kompliment. Die beiden Mädels sind unsere Lieblings-FF.Net-Schreiberinnen. Die haben ebenso wie wir diesen Hang, Aragorn und Legolas von einem Abenteuer ins nächste hüpfen und öfter mal ein wenig leiden zu lassen. Im Grunde ist es den beiden zu verdanken, dass Salara und ich uns aufgerafft haben und anfingen, unsere erste HdR-Geschichte zu schreiben! Deinen Balrog Stan würden wir gerne mal kennenlernen. Es wird Winter und das Kerlchen könnte uns kleinen Frostbeulen doch mal so richtig schön einheizen oder?! *LOL*


Und nun weiter im Text!

__________________________________________________________________________________________________

Kreuzwege

von: ManuKu
und: Salara

__________________________________________________________________________________________________

Elrond stand am Fenster der großen Halle. Er hatte keine Ruhe in seinen Gemächern gefunden und war aus ihnen geflüchtet, als die Bewohner Bruchtals schließlich zur Ruhe gegangen waren. Die Stille, die die anderen in den Schlaf wiegte, erreichte seine Gedanken auch an diesem Abend nicht.

Die Nacht war schon ein ganzes Stück vorangeschritten und der Elbenherrscher dachte gerade ernsthaft über die Möglichkeit nach, ein Stück durch die umliegenden Gärten zu gehen, als sein feines Gehör das Geräusch von Pferdehufen auszumachen glaubte.

'Endlich!'

Mit jener Sicherheit, die keine Worte als Begründung brauchte, wußte er, dass sein Warten in diesen Augenblicken ein Ende gefunden hatte. Er hastete durch die Halle ins Freie, eilte den Ankömmlingen entgegen und kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie zwei Pferde den breiten Weg, der sich zum Schloß hoch wand, entlanggelenkt wurden. Zwischen ihnen hing ein Tragegestell, in dem jemand zu liegen schien. Der Anblick ließ Elronds Herz fast erstarren und unwillkürlich verharrte er in seinem Schritt.

'Wer...?'

„Vater!" Elladan hatte die Gestalt seines Vaters mühelos ausgemacht, sprang nun vom Pferd und kam auf ihn zu, während der zweite Elbe gleichfalls abstieg und beide Zügel nahm. „Iluvitar sei Dank, wir haben es geschafft."

Der Elbenfürst hatte seinen anfänglichen Schock inzwischen überwunden. Er legte seinem Sohn zur Begrüßung flüchtig eine Hand auf die Schulter, während er sich – zunächst wortlos – an ihm vorbei auf das Tragegestell zuschob.

Auch ohne zusätzliche Beleuchtung durch eine Fackel erkannte er sofort, wen die beiden Elben so aufwendig hertransportiert hatten: seinen jüngsten Sohn!

„Estel..."

'Ich habe es geahnt...' Schuldgefühl ergriff sein Herz, doch Elrond nahm allen Willen zusammen und drängte es in den Hintergrund seines Bewusstseins zurück. Jetzt und hier war es verhängnisvoll, sich von Selbstvorwürfen lähmen zu lassen.

Er beugte sich über Aragorn und untersuchte behutsam dessen offensichtlichste Wunden. Der erfahrene Heiler in ihm erkannte schnell, dass der junge Mann in einem außerordentlich schlechten Zustand war. Vor allem seine durch den Blutverlust verursachte Schwäche bereitete ihm große Sorgen.

„Weißt du, was Estel zugestoßen ist?"

„Er ist wohl dem Thronerben Düsterwalds begegnet und hat vergeblich versucht, diesen vor irgendwelchen Zwergen zu beschützen. Elrohir und die anderen folgen den Zwergen. Sie wollen versuchen, den Prinzen zu befreien."

Besorgt richtete Elrond sich auf. „Ich kann nicht behaupten, das mich beruhigt, was du erzählst, aber wie dem auch sei: Estel läuft die Zeit weg. Wir müssen ihn ins Schloß bringen. Ich denke, ihr seid gerade noch rechtzeitig gekommen."

Elladan, der seinen Vater noch nie so besorgt gesehen hatte, nickte und wandte sich zur Trage zurück, aus der er seinen jüngsten Bruder ohne große Mühe heraushob.

„So geht es am schnellsten," sagte er und wandte sich, den bewusstlosen Aragorn vorsichtig an sich gepresst, dem Schloß zu.

Elrond begleitete seinen ältesten Sohn, der keine Mühe zu haben schien, das Gewicht seines menschlichen Bruders zu tragen. Im Gebäude angelangt, trug er Aragorn in dessen Zimmer und legte ihn auf sein Bett. Dann trat er zurück, um seinem Vater Raum zum Handeln zu geben.

Dieser winkte ihn zur Tür. „Geh. Wecke Celboril und sage ihm, dass ich heißes Wasser benötige. Und dann soll er hierher kommen und mir zur Hand gehen."

„Aber, Vater, ich kann dir doch helfen..."

Kopfschüttelnd schob Elrond seinen widerstrebenden Sohn auf den Flur. „Diesmal nicht. Das hier wird lange dauern. Du aber bist müde und lange geritten. Du wärst mir keine große Hilfe. Und nun geh. Ruh dich aus."

Die schwere Holztür schloß sich vor Elladan, der einen Augenblick lang wie erstarrt davor stand und die Worte seines Vaters in sich einsinken ließ. Dann setzte er sich in Bewegung, um zu tun, worum sein Vater ihn gebeten hatte. Eines jedoch war er entschlossen zu verweigern: er würde sich kein zweites Mal von Estels Tür fortbewegen, ehe er wußte, ob sein jüngster Bruder es schaffte...

***

Außerhalb des Waldes mochte jetzt erstes Grau den Schein von Nacht um die Häuser legen, doch tief in ihm war es bereits dunkel. Der Mond versteckte sich unter einer dicken Wolkendecke, die nur von Zeit zu Zeit aufbrach.

Die Gestalt, die sich durch die Bäume hindurch bewegte, tat dies mit der Sicherheit eines Wesens, das es gewohnt war, in der Nacht zu sehen und jeden Baum und jeden Strauch der Umgebung bestens kannte.

Der Mond ließ sein Licht kurz über die Gestalt fließen, die sich auch ohne seine Hilfe einen Weg durch die Dunkelheit suchte. Es war ein älterer Mann, ein Mensch, der schon über 50 Winter gesehen und sich trotz allem noch die Jugend seiner Muskeln bewahrt hatte und mit kraftvollen Schritten durchs Unterholz des Waldes wanderte. Sein schulterlanges Haar war ergraut und ein kurzer Bart verdeckte die wettergegerbten Falten in seinem Gesicht. Der Blick seiner intensiv grünen Augen huschte über Bäume und Sträucher und suchte nach dem richtigen Weg.

Der Fremde hatte in der anbrechenden Dunkelheit eine seltene Pflanze gesucht, deren Heilkraft sich nur entfalten konnte, wenn sie in dem kurzen Zeitraum zwischen Sonnenunter- und Mondaufgang geschnitten wurde. Er brauchte diese Heilkraft, um sein Pferd von einer Schnittwunde in der Flanke zu heilen, die es sich im Wald an einem spitzen Ast zugezogen hatte. Nur schweren Herzens würde er sich von dem treuen Tier trennen wollen. Außerdem hieße das, dass er dann in die nächste menschliche Siedlung reiten müsste, um sich ein anderes Tier zu kaufen. Und das wollte er um jeden Preis vermeiden. Er war ein Einsiedler geworden und an dieser Situation sollte sich auch nichts ändern.

Er ging gerade an der jungen Quelle vorbei, die vor ein paar Jahren plötzlich ganz in der Nähe seiner Behausung zu sprudeln angefangen hatte. Er kniete nieder und trank ein paar Schlucke des frischen Wassers. Dann ging er weiter. Nur wenige hundert Meter vor seinem Haus blieb er stehen und starrte nach vorne. Auf dem kaum sichtbaren Pfad zu seinem Haus lag ein dunkler Schatten, den er bei näherem Hinsehen als eine menschliche Gestalt erkannte. Er zögerte, sah sich wachsam um und lauschte. Doch um ihn herum vernahm er nur die üblichen Geräusche der Nacht – das Rauschen der Bäume, das leise Plätschern des Wassers, die kleinen Schreie von Nachtgetier, das in und unter den Bäumen hauste.

Langsam näherte er sich der Gestalt und kniete neben ihr nieder. Plötzlich brach die Wolkendecke auf und das Licht des Mondes beschien seinen Fund. Silbernes Haar fing das Leuchten des Mondes ein und umgab die reglose Gestalt am Boden mit einem wundersamen Leuchten. Der Einsiedler strich das Haar des Fremden beiseite, um nach einem Puls zu fühlen. Dabei bemerkte er die spitzen Ohren und verharrte einen Augenblick.

Ein Elbe.

Er schüttelte verwundert den Kopf, berührte dann jedoch den Hals des Elben mit den Fingerspitzen.

Er lebt...

Da es nur noch ein paar Minuten bis zu seinem Haus waren, schnürte er sich seinen Lederbeutel mit den Heilpflanzen über den Rücken und nahm den Elben auf die Arme. Ohne Schwierigkeiten trug er ihn die letzte Wegstrecke. Sein Haus stand versteckt in der Mitte des Waldes, umringt von einer Gruppe alter Bäume. Es war klein und der Einsiedler hatte es vor vielen Jahren mit eigener Hand erbaut. Zeit spielte keine Rolle mehr für ihn und so wusste er nicht, seit wie vielen Jahren er sich schon von der Welt zurückgezogen hatte. Es interessierte ihn nicht mehr. Er lebte relativ autark. Es gab nur wenige Dinge, die er sich aus einer Siedlung beschaffen musste wie zum Beispiel Messer oder metallenes Kochgeschirr. Das meiste konnte er selbst erschaffen.

Er stieß die Tür mit einem Fuß auf und trug den Elben ins Innere. Das Haus bestand nur aus einem Raum. In der Mitte stand ein Holztisch mit zwei Stühlen. An der Wand gegenüber dem einzigen Fenster stand ein Bett. Dort legte der ältere Mann seine Last vorsichtig ab. Dann ging er in die Ecke, schürte die Glut in der Feuerstelle wieder an und legte ein paar Holzscheite nach. Die Hütte war während seiner Abwesenheit ausgekühlt, und was der Elbe auch immer an Verletzungen oder Beschwerden haben mochte – Wärme würde ihm auf jeden Fall gut tun.

Als er seine lederne Jacke ausgezogen hatte, nahm er sich einen der Stühle und setzte sich neben den Elben ans Bett.

„Es ist schon sehr lange her, dass ich einen Elben gesehen habe," murmelte er vor sich hin.

Sein sinnender Blick schien in Fernen zu gehen, die nur ihm zugänglich waren, doch nach einigen Augenblicken kehrte er abrupt in die Wirklichkeit zurück.

„Warum seid ihr nur immer in einem solchen Zustand, wenn ihr mir begegnet? Ihr seid doch sonst so stark und fast unbesiegbar."

Traurig schüttelte er in einer Geste der Resignation den Kopf.

„Na gut, dann laß mich mal sehen," murmelte er und begann damit, ihn vorsichtig nach Verletzungen zu untersuchen. Seine Bewegungen sprachen von Routine, als er unter den schmutzigen Resten des einstmals hellgrünen seidenen Hemdes von Legolas die Wunden an dessen Körper prüfte.

„Du bist aber ganz hübsch zugerichtet..."

Seine von harter Arbeit in freier Natur gezeichneten, großen Hände bewegten sich erstaunlich behutsam zunächst über die Rippen des Elben, dann hob er kurz dessen schmale Handgelenke an. Die Spuren, die die Fesseln der Zwerge daran hinterlassen hatten, waren nicht zu übersehen. Das Gesicht des Einsiedlers nahm einen harten Ausdruck an. 'Du hast wohl harte Zeiten hinter dir, mein Junge...'

Als er sich schließlich die Füße des Elben genauer ansah, entfuhr ihm angesichts des Zustandes des rechten Fußes ein missbilligendes Brummen. Der Fuß hatte durch übermäßige Schwellungen ein beinahe beängstigendes Aussehen bekommen, das durch die zunehmend ins Schwarzblaue spielende Verfärbung des Gewebes noch verstärkt wurde.

Der Einsiedler schüttelte den Kopf. „Mit dem läufst du so schnell nirgendwo mehr hin."

Übergangslos stand er auf, ging zu einem neben der Tür hängenden einfachen Regal hinüber und nahm einige der dort stehenden irdenen Tiegelchen, die er an die Lagerstatt des Elben brachte. Dann holte er ein paar alte, aber saubere, Stoffstreifen, schöpfte etwas Wasser aus einem hölzernen Eimer in eine geschnitzte Schale und brachte das alles zu den anderen Dingen.

„Mal sehen, was ich tun kann."

Er setzte sich wieder. Langsam und umsichtig begann er damit, die Wunden des Elben zu säubern, sie mit Salben aus den Tiegeln zu bestreichen und mit den Stoffstreifen zu verbinden. Für den gebrochenen Fuß schnitt er sich aus einem passenden Holzscheit stabile Stangen und wand sie unter Zuhilfenahme weiterer Leinenstreifen fest um den Fuß des Elben, den er zuvor vorsichtig in die richtige Position gebracht hatte.

Als er sein Werk beendet hatte, räumte er die Hilfsmittel fort, dann kehrte er wieder an die Lagerstatt zurück.

„Fürs erste genügt es, doch sobald du aufwachst, bringe ich dich besser zu deinem Volk zurück. Die elbischen Heiler können weitaus mehr für dich tun, denke ich," murmelte er, musterte die Züge des Elben, der in tiefer Bewusstlosigkeit vor ihm lag und richtete sich auf eine lange, schweigende Wartezeit an dessen Seite ein. Der Elbe sollte sich nicht allein vorfinden, wenn er erwachte...

***

Zur gleichen Zeit bewegte sich die kleine elbische Reiterschar durch das Unterholz des Waldes auf die Alte Waldstraße zu, die sie direkt nach Bruchtal zurückbringen sollte.

Schweigen lag über der Gruppe, doch es war nicht die Stille, die aus Vorsicht geboren wird, sondern die Stille, die der Erschöpfung folgt.

Die Elben waren müde, doch mehr noch als die Anstrengung des zurückliegenden Kampfes machten Elrohir die Gedanken an Aragorn zu schaffen.

Estel war ein Mensch und als solcher besaß er nicht die Selbstheilungskräfte, die den Elben eigen waren. Elrohir erinnerte sich daran, wie er dem bewusstlosen Estel zum Abschied einen Kuss auf die Stirn gehaucht hatte. War es wirklich ein Abschied für immer gewesen? Würde er seinen lebenslustigen, immer zu Scherzen aufgelegten kleinen Bruder nicht mehr lebend wiedersehen? Er hatte plötzlich Angst, nach Bruchtal zurückzukehren.

Entweder würde er Estel nicht mehr lebend vorfinden und wenn doch, dann müsste er ihm erzählen, dass sie Legolas zwar gefunden, dann jedoch wieder verloren hatten. Nein, das kann ich nicht. Ich kann ihn doch nicht so enttäuschen. Ich habe es ihm versprochen!

Der Elbe rang sich zu einem Entschluß durch, der ihm nicht schwer fiel.

Einen Tag mehr oder weniger, was macht das schon aus im Leben eines Elben?!

Er zügelte sein Pferd und brachte die hinter ihm reitenden Elben dazu, ebenfalls stehen zu bleiben.

„Glorfindel, wir suchen uns einen Rastplatz, damit die Verletzten sich ein paar Stunden ausruhen können. Die übrigen werden nochmals in einem großen Radius nach Legolas suchen."

Glorfindel ritt neben Elrohir und musterte ihn ernst. „Glaubst du wirklich, dass wir erfolgreicher sein werden als vor ein paar Stunden?" fragte er leise.

„Ich kann Estel nicht gegenübertreten und ihm sagen, dass wir ihn aus den Augen verloren haben. Ich habe Legolas' Fesseln gelöst. Ich hätte ihn irgendwie aus seinem Zustand wachrütteln müssen, ihm klar machen sollen, dass wir Elben und Freunde sind und keine neue Bedrohung. Vielleicht hätte ich ihn auch gefesselt lassen sollen, dann hätte er nicht fliehen und sich so wieder selbst in Gefahr bringen können. Ich..."

„Elrohir!" Glorfindels Stimme war hart und holte den Elben augenblicklich aus seinen Selbstvorwürfen heraus. Elrohir blinzelte und senkte dann den Blick.

„Du hast das getan, was du in dem Augenblick für das richtige gehalten hast. Du konntest nicht wissen, dass Legolas unter Drogen stand und damit seine Wahrnehmung beeinträchtigt war." Der ältere Elbe legte eine Hand unter Elrohirs Kinn und zwang ihn, ihn anzusehen. „Du hast recht. Die Verletzten brauchen Ruhe. Wir können die Zeit nutzen und noch einmal nach Spuren suchen. Vielleicht hat Legolas' Weg ihn unbewusst nach Bruchtal geführt, wo er Elben und Hilfe finden würde. Dann könnten wir möglicherweise hier Spuren von ihm entdecken."

Elrohir wusste, dass der andere kaum Hoffnung hatte, doch er war ihm dankbar für die Möglichkeit, etwas zu tun und nicht jetzt schon unverrichteter Dinge nach Hause zurückkehren zu müssen.

Sie schlugen ihr Lager auf und die Verletzten konnten sich ausruhen, etwas trinken und einen Bissen zu sich nehmen. Dann legten sie sich hin und lauschten dem Rauschen der Bäume. Es half ihnen, ihre Selbstheilungskräfte zu fokussieren und den Heilungsprozess somit zu beschleunigen.

Währenddessen machte Elrohir sich mit den anderen Elben auf die Suche nach Spuren. Er wollte das Unvermeidliche trotz der heranbrechenden Nacht noch nicht akzeptieren.

***

Elladan wartete nun schon über eine Stunde vor Estels Tür. Er war an der Wand gegenüber der Tür zu Boden gesunken und hatte dort regungslos verharrt und auf ein Zeichen gewartet, dass es seinem Bruder besser gehen würde. Er war müde, wie sein Vater es ihm gesagt hatte, doch an Schlaf konnte er trotzdem nicht denken. Er musste wissen, ob Estel leben würde. Erst dann konnte er sich dem Schlaf ergeben.

Als die Tür sich schließlich öffnete, schreckte er hoch und sprang auf. Wortlos sah er seinen Vater an, der im Türrahmen stand. Er wagte kein Wort. Jedes Wort hätte die Illusion zerstört, die er sich bis dahin aufgebaut hatte.

Elrond sah ihn einen Augenblick erschöpft an, doch dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Er trat auf seinen Sohn zu und nahm ihn in den Arm.

„Er wird es schaffen," flüsterte er ihm ins Ohr.

Elladan lachte erleichtert auf und atmete wieder normal weiter. Er hatte gar nicht bemerkt, das er den Atem angehalten hatte. Doch jetzt fiel alle Anspannung plötzlich von ihm ab und er fühlte sich unsagbar müde.

„Ist er wach?" fragte er hoffnungsvoll und sah durch die offene Tür ins Zimmer seines Bruders. Sein Vater jedoch verwehrte ihm den Eintritt und schloss die Tür. Sanft schob er ihn in die Richtung seines eigenen Zimmers.

„Estel befindet sich in einem langen Heilungsschlaf. Auch du solltest dich jetzt hinlegen. Schlaf einige Stunden und erhole dich von den Strapazen der Suche." Als Elrond den Widerspruch in Elladans Gesichtsausdruck erkannte, kam er ihm zuvor. „Keine Widerrede. Ich will dich nicht als nächsten wegen völliger Erschöpfung behandeln müssen."

Elladan fühlte wie seine Lider schwer auf seinen Augen lagen und stimmte zu. „Vater, weck mich bitte, wenn Estel erwacht."

„Ich verspreche es dir, mein Sohn. Und nun geh schlafen!"

Elrond sah seinem Sohn hinterher und strich sich müde übers Gesicht. Es war schwer gewesen, seinem menschlichen Ziehsohn zu helfen und ihn daran zu hindern, seine Seele aufzugeben. Auch er war mit seinen Kräften nun am Ende, doch er würde am Bett seines Sohnes bleiben, bis dieser erwachte. Der Heiler hatte alles in seiner Macht stehende getan und wusste, dass es gut enden würde. Doch als Vater konnte und wollte er nicht gehen, bis er seinem Sohn in die Augen gesehen hatte und sein Herz - für eine gewisse Zeit - Ruhe finden konnte.

Estel, der Ziehsohn eines Elbenfürsten, war sicher in diesen Gefilden. Doch Aragorn, der zukünftige König der Menschen, würde irgendwann dem Schutz seines Elbenvaters entwachsen sein und seine eigenen Wege gehen. Wege, auf denen Elrond ihn nicht mehr verteidigen konnte. Wege, die in ein Dunkel führen würden, das nur die ältesten und weisesten der alten Wesen bereits jetzt sahen.

'Davor kann ich dich nicht mehr beschützen. Und das macht mir Angst.'

Der Elbe schüttelte unwillig den Kopf, um die finsteren Gedanken für den Augenblick zu verdrängen, und sah den Gang entlang, durch den sein Sohn eben in seine Gemächer gegangen war.

Er hatte Elladan nicht belogen, als er gesagt hatte, dass Estel es trotz des Blutverlustes und der schweren Wunden schaffen würde. Davon war Elrond überzeugt. Aragorn war ein Kämpfer.

Er hatte seinem ältesten Sohn nur nicht erzählt, dass er sich nicht im mindesten darüber klar war, in welchem Maße Aragorns Schulter je verheilen würde. Elrond konnte noch nicht sagen, ob der junge Mann mit ihrer Kraft je wieder ein Schwert zu führen oder einen Bogen spannen zu können imstande sein würde.

'Die Zeit wird es zeigen,' ermahnte er sich. 'Zumindest ist er wieder hier in Bruchtal.'

Nun, da er sich um die Sicherheit und das Wohlergehen von zweien seiner Söhne keine Sorgen mehr zu machen brauchte, meldeten sich bereits die nächsten Ängste stumm zu Wort.

'Elrohir, mein Sohn, Glorfindel, mein alter Freund, nun lasst auch ihr mich nicht zu lange auf Nachricht warten...'

Mit einer Langsamkeit, die nichts mit der Erschöpfung zu tun hatte, die jeden anderen als ihn längst niedergestreckt hätte, wandte Elrond sich ab und kehrte in Aragorns Zimmer zurück. Er würde die Nacht am Bett seines jüngsten Sohnes verbringen und darüber nachsinnen, warum  ein ungnädiges Schicksal den Herrn von Bruchtal ein weiteres Mal innerhalb kurzer Zeit zur Tatenlosigkeit verdammte...

***

Weitere zwei Stunden hatten Elrohir und die anderen die Wälder nach Spuren von Legolas abgesucht, doch ihnen war so wenig Erfolg beschieden wie bei der vorangegangenen Suche.

Als die Dunkelheit zwischen den Bäumen schließlich so dicht geworden war, dass die Elben trotz ihres ausgezeichneten Sehvermögens nur noch Schatten sahen, gab Elrohir auf und bedeutete den anderen, dass sie in ihr improvisiertes Lager zurückkehren würden.

Sein Herz war schwer, als er sich im Stillen sein Versagen eingestand und schweigend mit den anderen zurückkehrte.

'Wie soll ich dir nur in die Augen sehen, wenn ich wieder in Bruchtal bin, kleiner Bruder? Ich habe mein Versprechen nicht halten können...'

Als Glorfindel die Wachen aufteilte und verkündete, die erste selbst zu übernehmen, winkte Elrohir ab.

„Laß es gut sein. Ich werde wachen. Der Schlaf würde mich ohnehin meiden, also versuche ich gar nicht erst, ihn zu finden. Geh, ruh' du dich aus. Deine Erfahrung kann uns vielleicht morgen bei Tageslicht mehr von Nutzen sein als meine Schwermut." Er sah den Kundschafter nicht an.

Glorfindel musterte ihn einige Augenblicke lang, und es war nicht schwer zu erkennen, dass er mit sich rang, ob er Elrohirs Vorschlag ablehnen sollte. Dann siegte – zum wiederholten Male an diesem ereignisreichen Tag – die Erfahrung seines langen Lebens und er nickte zustimmend.

„Gut. Wie du willst." Er zögerte kurz. „Wenn es dir das Herz etwas leichter macht... Das Khashera verliert irgendwann seine Wirkung. Spätestens dann wird Legolas wieder er selbst sein und sicher den Weg nach Düsterwald zurück einschlagen."

Elrohirs Kopf ruckte herum.

„Da bist du dir sicher?"

Glorfindel nickte ernst. „Das bin ich."

Elrohir machte keinen Hehl daraus, dass ihm Glorfindels Worte einen Teil der Last von der Seele nahmen. Zwar wog das Versprechen, das er Aragorn gegeben hatte, noch immer schwer, aber zumindest konnte er seinem jüngsten Bruder wieder etwas unbeschwerter in die Augen sehen, wenn sie wieder nach Bruchtal zurückgekehrt waren. Den Gedanken, dass Aragorn daheim vielleicht nicht mehr auf ihn wartete, schob er ganz weit in das Dunkel seiner Ängste zurück. Es war einfach undenkbar für den Elben.

Glorfindel sah die Wirkung, die seine Worte auf Elronds Sohn hatten. Mehr hatte er nicht tun können, um Elrohir den auf ihm lastenden Druck etwas zu nehmen. Den Rest musste er schon mit sich selbst ausmachen. Auch der Gedanke, dass in den Weiten der Wälder unzählige Gefahren die Heimkehr des Prinzen Legolas trotzdem noch zu einem unsicheren Faktor werden ließen, wollte er Elrohir gegenüber nicht in Worte kleiden. Mit diesem Gedanken ließ er sich auf sein spartanisches Lager nieder und streckte sich unter einem hohen Baum auf einer Decke aus.

Er kannte Elrohir gut.

In dieser Nacht würde Elrohir trotz seiner Worte sowieso nicht zur Ruhe kommen, denn die Schatten des Erlebten quälten ihn noch viel zu sehr. Vielleicht gaben die Stunden einer stillen Wache seinem Geist Gelegenheit, sich zu sammeln. Glorfindel war im Stillen zudem dankbar, dass er sich für ein paar Stunden ausruhen konnte. Er sah zu den fernen Lichtpunkten der Sterne empor, ließ das Rauschen des Windes in den Wipfeln zu einem lautlosen Lied werden und war Minuten später fest eingeschlafen.

***

wird fortgesetzt

__________________________________________________________________________________________________

Lasst bitte nicht mit dem Review-Schreiben nach. Bitte, bitte, bitte...