### Ein Danke an alle Reviewer. Wahnsinn, was so alles an Reviews zusammengekommen ist. Macht weiter so und ihr werdet noch so einiges von uns zu lesen bekommen!
*** YvannePalpatine: Diese Story spielt vor den Filmen. Soviel wir
wissen, ist Aragorn in „Die Gefährten" so um die 80
mittelirdische Jahre alt. (Der Junge hat sich gut gehalten oder?! *grins*) So
heißt es jedenfalls irgendwo in den Büchern. In unserer Geschichte ist er
gerade mal 20 Jahre, noch jung und unerfahren und erfährt erst, dass er Isildurs Erbe ist und zukünftiger König von Gondor.
Deine Forderung jeden Tag zu updaten nehmen wir einfach mal als Kompliment für
die Spannung in unserer Geschichte. In der Realität ist das gar nicht möglich,
da Salara und ich 250 Kilometer auseinander wohnen und wir die Geschichte per
Mail hin und her schicken oder uns per Telefon beraten. Bis da ein Kapitel
steht, können schon ein paar Tage ins Land gehen. Außerdem verlangt auch die
Familie ihr Recht...
***Stoffpferd: Wir und talentiert??? DANKE!!! Oh bitte sag uns das jeden Tag,
damit wir wissen, wofür wir uns so manche Nacht um die Ohren schlagen, weil
tagsüber keine Zeit für die Kreuzwege bleibt!
***Nili: Danke für die 7. Review,
die damit unseren Kapitelrekord schlug! Apropos schlagen: Also uns wurde ja
schon auf so manche Art gedroht – mit erhobenem Zeigefinger, mit der geballten Faust...
jedoch noch nie mit Goethes Gesammelten Werken! Keine Ahnung, ob wir jetzt
ehrfurchtsvoll erzittern oder uns vor Lachen auf dem Boden wälzen sollen???
Natürlich haben wir schon Kap.3 von „Betrayal"
gelesen! Uns fehlten echt die Worte. Uns beiden ging immer wieder durch den
Kopf „Das können die beiden Mädels doch nicht machen. Der arme Legolas. Der arme Aragorn..."
Es ist zwar noch Freitag, aber ein paar Minuten vor Mitternacht. Also ab mit dem Kapitel auf den FF.net Server!!!
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Kreuzwege
von: ManuKu
und: Salara
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Pochender, unbarmherziger Schmerz war das Erste, das bis in Legolas' Bewusstsein vordrang und ihn aus der Schwärze emporzog. Die Pein, die aus mehreren Richtungen gleichzeitig zu kommen schien, war so intensiv, dass er sich gar nicht erst die Mühe machte, ihr die Kraft seines Willens entgegenzustellen, sondern dem nächsten Gedankenimpuls nachgab: er stöhnte auf. Seine Lider schienen schwer wie Blei zu sein und jeder Versuch, sie zu öffnen, wurde sofort mit einer neuen Welle hämmernder Schmerzen bestraft.
Legolas entschied, dass es eine gute Idee war, seine Augen zunächst noch geschlossen zu halten, bis er sich genug gesammelt hatte, um einen weiteren Anlauf zu starten und noch während er über seinen Entschluss nachsann, sagte ihm sein Instinkt, dass etwas um ihn herum nicht stimmte. Er kam nicht darauf, was es war, und so schob er den Gedanken zunächst beiseite.
Später. Dafür war später noch Zeit...
Vereinzelte Gedankenbruchstücke begannen durch seinen Geist zu schwirren.
Was war bloß geschehen?
Mit etwas Mühe entsann er sich schließlich, dass er einer Gruppe von Zwergen entkommen und durch den Wald geflohen war. Dann...?
Ein Gesicht tauchte vor seinem inneren Auge auf, und nach Sekunden gesellte sich ein Name hinzu: Aragorn!
Als hätte es dieses Anstoßes bedurft, brachen plötzlich alle hindernden Dämme, die sein Verstand um die Erlebnisse der letzten Tage gebaut hatte. Wie eine reißende Flut, der man nichts entgegensetzen konnte, war schlagartig alles wieder da. Die Begegnung mit Aragorn, ihr Ritt in Richtung Düsterwald, die Höhle, der Kampf mit den Zwergen...
Erneut stöhnte Legolas auf, doch diesmal war nicht der Schmerz dafür verantwortlich. Der Gedanke an den schwerverletzten Freund, den die Zwerge zum Sterben im Wald zurückgelassen hatten, quälte ihn mehr, als Schmerzen oder Fieber es je vermocht hätten. Längst hätte er wieder bei Aragorn sein sollen, doch noch immer war der Freund allein und diese vermeintliche Schuld quälte den Elben immens.
„Amin hiraetha... [Es tut mir leid...]"
Es war nur ein heiseres, mühsames Flüstern, doch es genügte, um den alten Kampfgeist in dem Elben neu zu erwecken. Er musste sich zusammenreißen, sich aufraffen. Der Weg zur Höhle konnte noch lang sein...
Unvermittelt traf ihn die Erkenntnis: ihn umgab Wärme, er lag auf etwas Weichem, das nicht das Moos des Waldbodens war und sein nun wieder funktionierendes, scharfes Elbengehör sagte ihm, dass seine Umgebung nicht vom Rauschen des Windes in den Baumkronen, sondern vom Knacken verbrennender Holzscheite erfüllt war.
Das war es, was ihn vorhin gestört hatte!
In seiner Nähe brannte ein Feuer, und da er sich nicht daran entsann, eines entzündet zu haben, blieb nur eine Möglichkeit: er war wiederum nicht allein!
Erschrocken riss er die Augen auf – und sah in das wettergegerbte, von Leid gezeichnete Gesicht eines älteren Mannes.
„Bist du endlich aufgewacht..."
Der Fremde saß neben Legolas und studierte ihn aufmerksam. Der Elbenprinz war viel zu verwirrt, um die Güte in der Stimme des Mannes zu registrieren. Die Erinnerungen an die zurückliegenden Geschehnisse war viel zu intensiv, um ihn besonnen reagieren zu lassen, und so drückte er sich in einer einzigen, hastigen Bewegung vom Fremden weg an eine in seinem Rücken befindliche Wand. Was er jetzt nicht brauchte, war eine weitere Gefangenschaft.
„Ruhig. Ganz ruhig. Ich tue dir nichts. Du bist hier in Sicherheit."
Eine große, von harter Arbeit schwielige, Hand legte sich auf seinen Arm, und Legolas musste allen Willen zusammennehmen, um die Berührung zu ertragen.
Der Fremde schien zu spüren, dass seine Nähe dem Elben unangenehm war. Er rückte wieder ein Stück von der Lagerstatt weg und gab dem Elben so ein wenig mehr Freiraum.
Legolas' Herz hämmerte zum Zerspringen, doch er erkannte die Geste als das, was sie war: als Zeichen guten Willens. Seine innere Unruhe war noch da und sie resultierte nicht nur aus der Situation, in der er sich jetzt befand. Doch die unaufdringliche Art des Fremden beruhigte ihn tatsächlich ein wenig. Er atmete auf und fühlte sich für den Moment sicher. Langsam rutschte Legolas wieder auf die Matratze zurück. Dabei bemerkte er den Verband an seinem Fuß. Er war gut gebunden und geschient. Der Elbe sah wieder auf.
„Ihr habt meinen Fuß gerichtet." Es war keine Frage sondern eine Feststellung.
„Es war notwendig, sonst hättest du in Zukunft nicht mehr mit ihm auftreten können. Keine schöne Vorstellung für ein so perfektes Wesen wie einen Elben, oder?"
Legolas wollte eine scharfe Erwiderung geben, doch dann erkannte er, dass der Fremde diese Bemerkung nicht herablassend meinte, denn ein kleines, kaum sichtbares Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
Der Fremde stand auf, nahm einen kleinen Becher vom Tisch und kehrte ans Bett zurück. Er reichte dem Elben den Becher. „Hier trink. Der Inhalt wird dich stärken."
„Da habe ich schon andere Erfahrungen gemacht..." flüsterte Legolas abwesend. Er machte keine Anstalten, nach dem Becher zu greifen.
Der Mann hatte anscheinend ein ebenso gutes Gehör wie der Elbe, denn er hatte die Worte vernommen und machte sich seine Gedanken dazu. Schließlich setzte er den Becher an seine Lippen und trank einen kleinen Schluck. Dann reichte er den Trank ein weiteres Mal dem Elben, der ihn diesmal nahm.
„Wie du siehst, geht es mir weiterhin gut. Es ist wirklich nur ein Stärkungstrank."
Legolas war etwas verlegen, dass sein Verhalten so leicht zu lesen war. Gleichzeitig war er neugierig. Ebenso wie Aragorn vor ein paar Tagen hatte der Fremde seine Wunden gut versorgt und der Schmerz ebbte langsam ab. Legolas schmunzelte innerlich. Er hatte Glück. Irgendwie traf er immer Menschen, die sich in der Kunst des Heilens auskannten und sich um seine Verletzungen kümmern konnten.
„Ich heiße Legolas. Wer seid Ihr und wo bin ich hier?" fragte Legolas und sah dem Fremden in die Augen.
Dieser wandte sich ab und ging an die Feuerstelle um ein paar Späne nachzulegen, auch wenn das noch nicht nötig gewesen wäre. Legolas entging diese Verzögerungstaktik nicht. Hatte der Fremde etwas zu verbergen?
„Du befindest dich in der Nähe der Alten Waldstrasse, tief im Inneren des Waldes. Wenn du wieder bei Kräften bist, werde ich dich nach Bruchtal bringen. Soviel ich weiß, ist es die nächste Elbensiedlung in der Nähe. Kommst du von dort?" fragte der Fremde beiläufig.
Legolas antwortete nicht sofort, doch der Mensch wartete geduldig. Das Gesicht des Elben hatte einen abwesenden Ausdruck angenommen. Er starrte aus dem gegenüberliegenden Fenster, als ließe sich dahinter die Antwort finden. Plötzlich verzog sich sein Gesicht vor Schmerzen. Er presste die Arme an seinen Bauch und krümmte sich auf der schmalen Lagerstatt zusammen, so weit es ging. Zusammengerollt lag er auf dem Bett und bemühte sich, das leise Stöhnen, das sich seiner Kehle entringen wollte, zu unterdrücken. Umsonst. Der Mann kam zu ihm zurück und beugte sich besorgt über ihn.
„Was hast du? Habe ich eine Wunde übersehen?"
Legolas schüttelte den Kopf.
„Krämpfe," murmelte er fast unhörbar und sein Körper zuckte ein weiteres Mal zusammen. „Khashera," fügte er hinzu und schloss die Augen, um sich besser auf das Ausschalten des Schmerzes konzentrieren zu können. Tief in ihm begann sich etwas zu regen, das mit keinem anderen Begriff als Begehren bezeichnet werden konnte.
'Nur einen Tropfen und es würde aufhören... ich weiß, daß es unmöglich ist, aber was würde ich darum geben, dass es aufhört...'
Es machte Legolas Angst, denn das Verlangen nach Khashera war ebenso intensiv wie die Furcht vor dem Wissen, dass beides nur Qual für ihn bedeutete. Dieser Zwiespalt drohte seinen Willen fast zu zerbrechen.
Schnell überzog ein feiner Schweißfilm seinen Körper und Hitzeschübe durchströmten seine Adern in unregelmäßigen Abständen.
Alles hätte er ertragen, wenn da nicht noch diese Krämpfe gewesen wären. Sie waren am schlimmsten von allem, und Legolas konnte nichts anderes tun, als sich dem Schmerz zu ergeben.
„Ich verstehe," sagte der Fremde, doch Legolas war viel zu tief in sich selbst verloren, um den traurigen Tonfall in der Stimme seines Retters zu bemerken. „Ich kenne die Wirkungen der Pflanze. Du leidest vermutlich an Entzugserscheinungen."
Er setzte sich auf die Kante der Lagerstatt und strich dem Elben fast zärtlich ein paar Haarsträhnen aus dem schmerzverzerrten Gesicht.
„Ich werde dir einen Trank bereiten, der die Übelkeit lindern wird. Doch es wird ein paar Tage dauern, bis die Nachwirkungen der Khashera verschwinden. Bis dahin wird es zunächst noch schlimmer werden. Ich hoffe aufrichtig für dich, dass du dann schon in Bruchtal bist. Ich fürchte, nur dort kann dir geholfen werden. Meine Mittel sind begrenzt."
Legolas nickte und richtete sich wieder auf. Die Krämpfe hatten für einen Moment nachgelassen.
„Ich bin Euch trotzdem dankbar dafür. Ihr habt mir noch immer nicht Euren Namen gesagt, Fremder," erinnerte Legolas ihn.
„Außerhalb meiner kleinen Welt hier nennt man mich Rivar. Du kannst mich auch so nennen, wenn du willst. Mir ist es egal."
Er stand auf und ging zu einem kleinen, an der Wand stehenden, Schrank. Aus diesem holte er ein paar Leinensäckchen hervor und bereitete aus ihrem Inhalt einen Tee für seinen Gast. Rivar hatte es Legolas nicht gesagt, aber er wußte, dass das Gebräu dem Elben nur einen kleinen Teil seiner Kräfte wiedergeben konnte – gerade genug, damit er gegen die Entzugserscheinungen ankämpfen konnte.
Als er schließlich mit der dampfenden Schale zurückkam, verzog Legolas angesichts des extrem bitteren Geruchs das Gesicht.
„Ich vermute, es schmeckt auch so, wie es riecht, oder?"
„Ganz recht. Und nun trink!"
Aufmerksam beobachtete Rivar seinen Gast, dem er die Schale in die Hand gedrückt hatte.
Legolas trank widerstrebend einen kleinen Schluck.
Rivar hatte nicht gelogen: das Getränk war bitterer als alles, was er je gekostet hatte. Doch weil er die ihn erfassende Schwäche bis in die kleinste Faser seines Körpers zu spüren begann, folgte er den Anweisungen Rivars und trank noch mehr. Er musste Kraft finden, Kraft für Aragorn...
Aragorn...
Legolas hatte den Gedanken an seinen Freund völlig in den Hintergrund geschoben. Jetzt kam die Dringlichkeit seiner Suche wieder zum Tragen. Er stellte die Teeschale auf das kleine Tischchen neben dem Bett und stand abrupt auf.
„Ich muss gehen. Ich muss meinen Freund suchen. Er ist verletzt und schwebt in Lebensgefahr. Ich darf ihn nicht sterben lassen... Ich..."
Legolas erfasste ein starkes Schwindelgefühl und hätte Rivar ihn nicht aufgefangen, wäre er auf den Fußboden gestürzt.
„Du musst dich erst mal ausruhen. Es hilft deinem Freund nicht, wenn du drei Schritte vor meiner Tür wieder zusammenbrichst."
Rivar half Legolas, sich zurück aufs Bett zu setzen. Dann drückte er dem Elben die Teeschale wieder in die Hand.
„Trink. Nimm kleine Schlucke, aber trink alles aus," forderte er ihn auf. „Ich werde inzwischen mein Pferd versorgen und seine Schnittwunde behandeln. Es wird uns morgen früh nach Bruchtal tragen."
Mit diesen Worten verließ der Mensch die Hütte und schloss die Tür hinter sich.
Legolas, nun mit der Stille der ihm fremden Behausung allein, nahm widerwillig einen weiteren Schluck des Kräutergebräus und ließ währenddessen seinen Blick in die Runde schweifen.
So klein die Unterkunft Rivars auch war, so stabil gebaut und ordentlich war sie auch. Der schnelle Rundblick zeigte Legolas, dass alles vorhanden war, was man unbedingt zum Überleben im Wald benötigte, und er zweifelte nicht daran, dass der kleine Stall, zu dem sich der Mensch gerade entfernt hatte, einen ebensolchen Eindruck machte.
Während er weiter an der Teeschale nippte und sie schließlich bis auf den Grund leerte, spürte er, wie sich die alles beherrschende, von Krämpfen begleitete Übelkeit in den Hintergrund seines Empfindens zurückzog.
Unbewusst atmete er erleichtert auf.
'Besser hätte der Trank eines Elbenheilers vermutlich auch nicht wirken können,' dachte er und begann seinem Retter insgeheim neben dem Dank auch Bewunderung zu zollen. 'Es gibt sicher nicht viele Menschen, die ein solches Wissen besitzen...'
Er stellte die Schale auf das Tischchen zurück und machte Anstalten, sich wieder auf das Bett zu legen, als seine Hand versehentlich auf etwas Hartes traf, das unter dem leinenen Kopfkissen verborgen war.
Einem Reflex folgend schob er das Kissen beiseite und legte etwas Rechteckiges frei, das die Form eines Buches besaß. Es war sorgsam in ein ungewöhnlich fein gearbeitetes, lichtblaues Tuch gewickelt, das kunstvoll mit dem Motiv eines in die Sterne hinaufführenden Weges bestickt war und so gar nicht in diese einfache Umgebung zu passen schien.
'Was für eine wundervolle Arbeit! Sie sieht sehr kostbar aus ... und sehr alt...'
Der den Elben eigene Sinn für Schönheit veranlasste Legolas, die Stickerei genau zu betrachten, und er sah, mit welcher Sorgfalt sie aus den feinsten Fäden gearbeitet worden war. Nur die edelsten Häuser konnten sich mit solch kostbaren Arbeiten schmücken. Um so verwunderlicher schien es auf den ersten Blick, hier, mitten im Wald, auf so etwas zu treffen.
Als Legolas genauer darüber nachdachte, fielen ihm weitere Dinge auf, die ihn die Schmerzen zunächst nicht weiter hatten beachten lassen.
Die Art, in der Rivar sich in Heilkunde auszukennen schien, und die Form, in der er sich mit Legolas unterhalten hatte, deuteten gleichfalls darauf hin, dass der Mensch nicht aus den einfachen Bevölkerungsschichten stammte. Wer war der Fremde, der ihn nicht einmal nach seinem Namen gefragt hatte? Ganz sicher war Rivar nur der Rufname, den man ihm, aus Ermangelung seiner wahren Identität, zwangläufig gegeben hatte.
Tief in Gedanken versunken starrte er verblüfft sekundenlang auf das kleine Bündel, in dem sich ein Buch zu befinden schien. Dann streckte Legolas die Hand aus, um das Tuch zurückzuschlagen. Er hielt jedoch in seinen Bewegungen inne, als die Fingerspitzen das feine Gewebe der Umhüllung berührten.
'Was tue ich denn da?' ermahnte er sich in Gedanken und zog die Finger zurück, als hätte man ihn bei einem Diebstahl ertappt. 'Rivar rettet mich, und als Dank dafür nutze ich die erste Gelegenheit, um in seinen privaten Sachen herumzuschnüffeln?'
Beschämt über sein Verhalten schob er das Kopfkissen wieder über das Buch, lehnte sich dann an die Hüttenwand zurück und blieb in dieser Position, bis Rivar schließlich wieder in die Hütte zurückkehrte.
„Das Pferd ist versorgt," sagte er, als er zu Legolas an das Bett trat, einen prüfenden Blick in die Teeschale warf und zufrieden nickte. „Wir brechen auf, ehe die ersten Vögel den nahenden Morgen ankündigen. Das wird..." Er sah kurz durch die Scheiben des kleinen Fensters ins Freie. „...in etwa zwei Stunden sein. Bis dahin solltest du dich ausruhen."
Legolas war noch immer verlegen, und die Selbstverständlichkeit, mit der Rivar nun ein paar Felle und Decken auf dem Hüttenboden zu einem provisorischen Lager zusammenschob, steigerte dieses Gefühl noch.
„Ich habe in den zurückliegenden Stunden mehr als genug geruht," sagte er leise. „Außerdem läßt mich die Sorge um meinen Freund ohnehin nicht schlafen. Ich kann nicht einfach nur hier liegen und auf den Morgen warten, während es für ihn womöglich keinen Morgen..."
„Sicher kannst du. Du hast nämlich keine andere Wahl!" unterbrach ihn Riva, während er ein kleines Kissen unter dem Bett hervorholte, es auf das behelfsmäßige Lager warf und sich dann darauf niederließ.
„Dann nehmt wenigstens Ihr das Bett und überlasst mir die Decken am Boden."
„Im Gegensatz zu deinen sind meine Rippen noch in Ordnung und können es vertragen, so zu ruhen," wehrte der Mensch kurz angebunden ab, verschränkte die Arme unter dem Kopf und schloß die Augen.
Legolas waren die Argumente ausgegangen. Er begriff, dass der Mensch sich nicht vom Fleck rühren würde.
Stille, die nur vom Knistern der brennenden Holzscheite unterbrochen wurde, legte sich über den Raum und sie sorgte dafür, dass Legolas' Gedanken erneut zu Aragorn zurückkehrten.
'Wie hoffe ich, dass du noch lebst, mein Freund. Halt' durch. Ich lasse dich nicht im Stich, auch wenn ich noch nicht weiß, wie ich das anfangen werde. Wenn ich wenigstens wüsste, wo ich zu suchen anfangen soll...'
Der letzte Gedanke war wie ein Rettungsanker für Legolas. Er musste nicht untätig bleiben, wenn es in dieser Hütte auch so etwas wie ein Karte gab!
„Habt Ihr eine Landkarte von diesem Gebiet, mit deren Hilfe ich versuchen könnte, den Aufenthaltsort meines Freundes zu finden, während Ihr schlaft?" wandte sich Legolas erneut an seinen Retter. Die Hoffnung, die in seiner Stimme lag, ließ Rivar seufzend die Augen wieder öffnen.
„Ich hatte ganz vergessen, wie anstrengend und stur verwundete Elben sein können," murmelte er vor sich hin, erhob sich und ging an den Schrank, aus dem er auch schon die Zutaten für den Heiltee genommen hatte.
Das den Elben eigene scharfe Gehör hatte die Worte Rivars zwar vernommen, doch Legolas fühlte sich durch sie keineswegs beleidigt. Er ertrug die Unruhe, die ihn antrieb, ja selbst kaum noch. Gespannt verfolgte er, wie der Mensch ihm kurze Zeit später eine in Leder gewickelte Rolle auf die Knie legte.
„Hier. Sie ist schon alt, aber ich habe versucht, sie so genau wie möglich zu halten. Zeig mir, wo dein Freund zurückgeblieben ist! Mit so einem unruhigen Geist an meiner Seite kann selbst ich nicht mehr an Schlaf denken."
Mit flinken Bewegungen befreite Legolas die Karte aus ihrer Lederhülle, entrollte sie und begann auf ihr einen Punkt zu suchen, der ihm bekannt war und mit dessen Hilfe er sich orientieren konnte. Es dauerte jedoch nicht lange, bis er enttäuscht zu Rivar aufsah.
„Ich weiß, dass wir auf der Alten Waldstraße ritten, die durch die Berge nach Düsterwald führt, aber danach..." Legolas ließ den Kopf hängen und seine Stimme verriet die Mutlosigkeit, die ihn angesichts des Fehlens jeder Orientierung beschlich.
Rivar hatte das Mienenspiel seines Gastes genau beobachtet.
Der Elbe war nicht nur körperlich am Ende seiner Kraft angekommen – er war es auch emotional, begriff er.
Zu seiner eigenen Verwunderung hörte Rivar sich im nächsten Augenblick sagen: „Dann erzähl mir doch einfach die ganze Geschichte, so gut du dich an sie erinnerst. Vielleicht gelingt es mir ja anhand deiner Schilderungen, den Ort wiederzufinden!"
Rivar sah in den Augen des Elben genau jenen Hoffnungsfunken aufblitzen, der nötig war, um dessen Kampfgeist erneut zu wecken. Jetzt hatte er nicht länger das Gefühl, allein auf einer hoffnungslosen Suche zu sein. Nun hatte er Hilfe.
Der Einsiedler seufzte ein weiteres Mal. 'Was tue ich denn da? Hat mich die Vergangenheit nicht Besseres gelehrt, als mir die Angelegenheiten eines anderen zu eigen zu machen?'
Er hatte seine Emotionen sorgfältig vor Legolas' Blick verborgen, und so bemerkte dieser auch nichts vom inneren Zweispalt des Menschen.
Legolas begann zu erzählen. Er wählte eine Kurzfassung, die nichts über seine oder Aragorns Herkunft oder dessen wahren Namen verriet und beschränkte sich im Wesentlichen auf die Beschreibungen der Örtlichkeiten, an denen sie im Verlaufe ihres Rittes vorbei gekommen waren.
„Dann habt ihr also ein zweites Pferd erstanden. Aha. Und wie weiter?"
„Dann sind wir auf der Alten Waldstraße weitergeritten..."
Plötzlich verstummte Legolas. Er versuchte sich an Details jenes Rittes zu erinnern, doch so sehr er sein Hirn auch zermarterte – ab einem gewissen Zeitpunkt verschwanden alle Erinnerungen im Dunkel.
„Wie weit seid ihr geritten?"
„Ich... ich weiß es nicht..." gab er schließlich zu. „Ich denke, ich bin unterwegs eingeschlafen... Ich war verwundet und erschöpft und Estel hat sich um alles gekümmert..." Sein hilfesuchender Blick heftete sich an Rivar. „Als er mich schließlich weckte, standen wir bereits vor dieser Höhle, in der er..."
Legolas brachte die Worte nicht über die Lippen, als ihm klar wurde, dass er nicht wusste, wo er Aragorn suchen sollte.
Rivar blieb stumm. Es gab nichts mehr, das er sagen oder tun konnte. Ohne zumindest einen brauchbaren Hinweis war eine Suche von vornherein zum Scheitern verurteilt – und er sah an Legolas' Blick, dass dieser das in der gleichen Sekunde wie er selbst begriffen hatte.
Er griff nach der Karte, um sie wieder zusammenzurollen, doch unerwartet hielt Legolas seine Hand fest.
„Ich kann Euch aber beschreiben, wie es dort aussah..."
Ohne auf eine Erwiderung zu warten, begann der zunehmend mutlosere Elbe zu schildern, wie er den Ort, an dem Aragorn lag, in Erinnerung behalten hatte.
Rivar hörte sich die Beschreibung aufmerksam an, doch so, wie er es befürchtet hatte, verriet keine der Angaben, welchen Ort der Elbe meinen könnte. Als Legolas schließlich verstummte und ungeduldig auf eine Reaktion seines Retters wartete, fühlte Rivar, wie sich Trauer in ihm breit zu machen begann. Nur ein Wunder konnte sie zu dieser Höhle führen. Er vermochte es nicht, denn er wusste nicht, welche es war.
Langsam, so als könnte Behutsamkeit die Enttäuschung mildern, schüttelte er schließlich den Kopf.
„Höhlen, wie du sie gerade beschrieben hast, gibt es zu Dutzenden in dieser Gegend. Wir sind nahe der Berge, weißt du..."
Wie erwartet wollte Legolas sich nicht einfach dem Schicksal ergeben.
„Aber sie kann nicht weit von der Straße entfernt gelegen haben. Und der Weg, auf dem die Zwerge mich fortschleiften, verlief nach Süden..."
„Es ist aussichtslos," unterbrach Rivar ihn mit fester Stimme und bat den verzweifelten Elben im Stillen um Verzeihung, dass er gezwungen war, auch noch dessen letzte Hoffnung zu zerstören. „Du weißt nicht mehr, wie du hierher gekommen bist, und ich weiß nicht, von wo du kamst. Alles, was wir haben, ist das Wissen, wo wir jetzt sind und wo die Alte Waldstraße verläuft. Wir könnten zwar am Rand der Straße Ausschau nach einer solchen Höhle halten, doch wenn wir jede genauer überprüfen, verbringen wir Tage auf diese Art. Dein Freund..."
Er schluckte und zu seiner Verwunderung hob Legolas plötzlich abwehrend die Hand.
„Sagt es nicht."
Rivar musste genau hinhören, um die geflüsterten Worte zu verstehen.
„Ich ertrage es nicht, von einem anderen zu hören, was mein Herz bereits ahnte." Er holte tief Luft, mied aber Rivars Blick und sah zur Seite. „Habt trotzdem Dank für Eure Geduld."
Ohne Übergang ließ sich Legolas plötzlich zur Seite sinken und rollte sich auf der Lagerstatt zusammen. Die Karte rutschte von seinen Knien und hing nun nur noch in Rivars Händen.
„Ihr habt recht: wir sollten ruhen, ehe wir nachher aufbrechen." Er schlang die Arme um den Körper, als fröre er, und verbarg das Gesicht im Kissen. „Ich bin müde."
Einen Moment lang stand Rivar reglos vor dem Bett und sah auf seinen Gast hinunter. Noch nie zuvor hatte er einen Elben in Trauer gesehen, doch er wußte, was das für diese empfindsamen Wesen bedeutete. In diesem einen Augenblick hätte der Mensch alles getan, um die Dinge noch zu ändern, und er spürte so deutlich wie seit vielen Jahren nicht mehr, wie grausam das Schicksal manchmal sein konnte. Es gab für ihn wirklich nichts mehr, das er tun konnte.
„Es tut mir leid," sagte er und erschrak über den Schmerz, der in seiner Stimme lag. „Es tut mir wirklich leid."
Legolas rührte sich nicht, und schließlich ging Rivar wieder zu seinem provisorischen Nachtlager hinüber. An Schlaf war nun auch bei ihm nicht mehr zu denken.
***
wird fortgesetzt
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An alle stillen Leser: Gebt uns Review-Junkies doch ein paar Zeilen zum Lesen.
Es kostet euch nur ein paar Sekunden Zeit. Wir dagegen investieren unseren Nachtschlaf,
um euch anspruchsvolle Leser zufrieden zu stellen!
*mitleidiges Seufz*
