Kapitel 8: Silva mille mortum

Severus Snape blickte auf seinen Stundenplan. Die letzten beiden Stunden würde er die Fünftklässler unterrichten. Gryffindor und Slytherin. Er trommelte missmutig mit seinen langen, düngen Fingern auf dem Tisch. Draco Malfoy stolzierte in der Schule herum wie ein Pfau, das Gefieder aufgeplustert und mit einem überheblichen Lächeln auf dem Gesicht. Es war unerträglich. Aber Draco als Kapitän zu ernennen war eine sehr gute Idee gewesen. Lucius war mindestens doppelt so stolz gewesen und hatte sich dazu bereit erklärt, für ihn ein gutes Wort bei Voldemort einzulegen.

Das war auch langsam mal Zeit gewesen. Fast die ganzen Ferien lang hatte Snape versucht, Malfoy von seiner Ergebenheit zu überzeugen. Dieser hatte sich nur schwer beeindrucken lassen, aber sobald es um ihre Sprösslinge ging, waren alle Eltern gleich durchschau - und manipulierbar.

Gut, dass er selbst keine hatte.

Nun, es war dann letzten Donnerstag doch noch zu einem Todessertreffen gekommen, bei dem Snape anwesend sein durfte. Dumbledore war von der Idee, ihn alleine dort hingehen zu lassen, gar nicht begeistert gewesen und das aus gutem Grunde.

Voldemort brauchte zwar jemanden wie Snape, der Zugang zu Hogwarts hatte und nebenbei auch noch alle erdenklichen Tränke mixen konnte, aber Voldemort war auch ein geborener Anführer. Verrat duldete er nicht und das Snape nach diesem Treffen noch halbwegs stehen konnte war ein Wunder gewesen.

Aber er hatte es geschafft. Dumbledore hatte sich gefreut, trotz der Sorgen, die er sich gemacht hatte ( das hatte Snape an seinen Augen ablesen können), Snape selbst allerdings war es gleichgültig gewesen. Er wollte natürlich nicht, dass Voldemort die Zauberwelt unterwarf, aber er war sich sicher, dass Dumbledore auch ohne ihn einiges vollbringen könnte. Man konnte sagen, er hatte zwar eine wichtige Position inne, aber er war durchaus ersetzbar.

In diesem Moment betraten die Schüler den Klassenraum. Snapes Blick fiel sofort auf Harry Potter und seine Freunde, die sich möglichst weit hinten platzierten. Der Hauslehrer von Slytherin fragte sich, wie viel der Junge eigentlich über die momentanen Vorkommnisse wusste., Hoffentlich nicht allzu viel,' dachte er. Jedes Jahr hatte sich der Junge bis jetzt erfolgreich eingemischt und war mit Ehrungen überhäuft worden. Und nur selten waren seine Taten wirklich herausragend gewesen. Und das er Black zur Flucht verholfen hatte ( Snape wusste zwar nicht wie er es getan hatte, aber er wusste dass er es getan haben musste), war eigentlich keineswegs rühmlich gewesen.

Malfoy setzte sich mit seinen beiden , Freunden' Crabbe und Goyle neben Potter. Snape brachte ein dünnlippiges Lächeln zum Vorschein. Wenn er Potter schon nicht selbst allzu taxieren durfte, so erfüllte Malfoy zumindest in diesem Punkte einen Zweck.

Snape stand auf und die Klasse wurde sofort ruhig.,, Ich hoffe sehr, dass Sie über die Ferien nicht alles vergessen haben, denn dieses Schuljahr ist äußerst wichtig für Sie. Deswegen habe ich mir erlaubt, einen kleinen Wiederholungstest aufzusetzen. Sie haben 60 Minuten Zeit." Der , kleine' Wiederholungstest bestand aus nicht weniger als 55 Fragen zu verschiedenen Zutaten und Tränken. Snape bemerkte, wie Malfoy grinste. Er hatte Lucius Malfoy auch von dieser Überprüfung berichtet, um ihn bei Laune zu halten. Neville Longbottom aus Gryffindor starrte mit Tränen in den Augen auf seinen Zettel.,, Dummkopf," dachte Snape und schüttelte angewidert den Kopf. Er fragte sich, wieso dieser Junge nach Gryffindor gekommen war. Hufflepuff wäre nachvollziehbar gewesen, aber Gryffindor? Nein, manche Gryffindors verfügten wenigstens noch über einen kleinen Funken Mut ( wenn natürlich auch gemischt mit einer großen Portion Selbstüberschätzung), aber Longbottom hatte wahrscheinlich selbst vor seinem eigenen Schatten Angst.

Währenddessen befand sich Adrasteia schon wieder auf Reisen. Sie hatte in der Zwischenzeit den Walddruiden mitgeteilt, dass die Riesen ebenfalls in dieser ,Allianz' mitarbeiteten. Vor allem Dionysos hatte dagegen heftig protestiert.,, Entweder wir oder die Riesen, aber beides geht nicht! Sag das Kronos!" waren seine Worte gewesen und als Adrasteia dann freundlich darauf hingewiesen hatte, dass sie die Anführerin war und sie Dumbledore gerne ausrichten würde, dass er nicht mitmachen wollte, war er sehr zornig geworden. Leider hatte sich keiner der anderen Druiden auf seine Seite geschlagen und da er sich nicht allein gegen alle stellen wollte ( trotz seiner großen Worte war er gewissermaßen einfach feige), hatte er letztendlich zugestimmt, nicht ohne allen zu prophezeien, dass dies nie gut gehen würde.

Und nun war sie auf dem Weg zu einem Besuch bei den Riesen, um sich erst mal vorzustellen und zwischen beiden Parteien ein möglichst gutes Verhältnis herzustellen. Wieder einmal hatte sie sich einen Sandpanther geliehen und näherte sich gerade dem Wohnort der Riesen, natürlich einem weiteren Gebirge.

Vor dem Gebirge lag ein Wald, der als Silva mille mortum ( = Wald der tausend Tode), bekannt war. Dort hatte vor fast 200 Jahren die größte Schlacht zwischen den Druiden und de Riesen getobt und dabei hatten viele den Tod gefunden. Adrasteia dachte nur ungern daran zurück. Sie selbst war zwar nicht dabei gewesen, aber die Erzählungen der Überlebenden hatten gereicht. Nur selten wagten sich Reisende in diesen Wald, denn es hieß, dort lebten erstens schreckliche Kreaturen, die sich von Blut ernährten und zweitens würden die Geister der Gefallenen dort herumspucken.

Das war auch der Grund, weswegen Adrasteia den Sandpanther wieder einmal vor dem Wald zurückließ, bevor sie mit einem etwas mulmigen Gefühl den Wald betrat.

Es war ungewöhnlich dunkel dort drinnen und es gab viele abgestorbene Büsche und Bäume. Nur selten erblickte die Eisdruidin eine blühende Pflanze oder einen grünen Baum.,, Kein Wunder, dass sich um diesen Ort so viele Sagen und Geschichten winden," dachte sie während sie mit schnellen Schritten hindurchlief. Plötzlich vernahm sie ein Knacken, nicht weit entfernt von ihr. Sie blieb stehen und sah sich aufmerksam um. Wieder ertönte ein Knacken, diesmal näher, etwas weiter links. Adrasteia zückte ihren Zauberstab, als von hinten ein grauenhaftes Gebrüll ertönte und ein großer, schwarzer Schatten auf sie zu sprang. Adrasteia wirbelte herum, hatte aber keine Zeit mehr, einen Zauberspruch zu murmeln. Sie sah das Tier fest an und dieses blieb plötzlich, mitten in der Luft stehen.

Es war ein Schattenwolf. Diese Tiere besaßen keinen eigentlichen Körper, sie bestanden tatsächlich nur aus dem Schatten, verfügten aber trotzdem über fast sieben Zentimeter lange Krallen. Adrasteia sprach einen Fesslungsspruch aus und wenige Sekunden später löste sich die Starre und das Tier fiel gefesselt, um sich schlagend, zu Boden.

Die Eisdruidin nahm ihren Weg wieder auf.