Okaaaay, jetzt geht's weiter.
Hab diesmal nicht viel zu sagen...Das hier ist das...ähm...vorvorletzte Kapitel...d.h. insgesamt wird's 22 Kapitel geben...(das war jetzt für alle, die Mathe genauso gut können wie ich...*räusper*)
Außer Cara, Alain, Charis Avorda, Carolina Sundore, Viola Weaver und so gehört gar nichts mir...das geht alles auf JKR...(die sich übrigens entschlossen hat, HP 5 erst im HERBST 2003 (!) rauszubringen...Arrgh!!)
Ach ja: Ich möchte bei ff.net sooo gerne noch auf 40 (oder mehr...) Reviews kommen…Bitte, ihr habt noch drei Kapitel Zeit…*fleh*
Das Kapitel hier ist für Sam – du weißt schon, warum…*ggg* Aber du weißt auch, dass ich das jetzt bei jedem weiteren Kapitel erwarte?!
~AnnaMoonlight~
Wie ein Licht in dunkler Nacht
„Bis ich circa eineinhalb Jahre alt war, lebte ich bei meiner Mutter und meinem Vater. Dann änderte sich alles. Am Heiligen Abend des Jahres 1981 wurde meine Mum ermordet. Mein Vater war am Ende und das Ministerium entschloss sich, mich zu einer Pflegefamilie zu geben, da mein Vater nicht mehr in der Lage sei, für mich zu sorgen. Doch die Wahrheit war: Das Ministerium hatte meine Mum und mich schon lange als störend angesehen. Wir bedeuteten meinem Vater alles, lenkten ihn ab. Mein Vater war nach Mums Tod sehr durcheinander und eine lange Zeit nicht in der Lage, seine Arbeit weiter auszuführen. Das Ministerium tat sich zusammen und über tausend Hexen und Zauberer richteten einen Gedächtniszauber gegen meinen Vater. Auch Mum und Dads engste Freunde wussten davon. Carolina Sundore, Charis Avorda, Severus Snape, Remus Lupin, Arabella Figg...alle haben sie es gewusst. Doch für sie alle war es auch leichter, wenn niemand mehr von meiner Mum sprach. Sie konnten dann ebenfalls versuchen, zu vergessen, was geschehen war. Und wem schadete es? Meine Mum war tot, sie würde sich wohl kaum noch beschweren – ja, und ich war irgendwo in Amerika, weit weg, bei einer Pflegefamilie. Der Gedächtniszauber wurde durchgeführt und mein Vater vergass seine Frau und seine Tochter. Das einzige, was sie ihm ließen, war ein Portrait meiner Mutter, das hier in seinem Büro hängt. Sie redeten ihm ein, es sei eine verflossene Liebe von ihm. So erinnerte mein Vater sich also fast dreizehn Jahre nicht mehr an uns und unser Name kam niemandem mehr von den Lippen.
Ich lebte währenddessen bei einer Pflegefamilie. Es waren Muggel. Das Ministerium wollte mich damals so weit wie möglich von Voldemort und von meinem Vater entfernen. Camilla und Robert, so hießen sie, waren wirklich lieb – aber sie hatten überhaupt keine Ahnung, was in mir vorging. Mein Vater hatte mir nie gesagt, was er war, was ich war, was ich konnte. Und mit einem Jahr war ich natürlich auch zu klein, um es zu begreifen. Ich wohnte mit Camilla und Robert in einem riesigen Haus mit Swimmingpool, doch glücklich war ich nicht. Ich wurde jetzt Karen genannt, damit man mich nicht so schnell aufspüren konnte. Ich hatte keine Ahnung, dass es sowas wie Hexen und Zauberer überhaupt gab. Meine Eltern hatten nie sehr viel vor mir gezaubert und das wenige, das ich gesehen hatte, vergass ich im Lauf der Jahre. Ich lebte wie jedes andere Muggelkind auch und doch fehlte mir etwas. Am Anfang nahm ich an, dass es meine Eltern waren. Später wurde mir klar, dass das nur zum Teil stimmte. Es war die Zauberei, die mir fehlte.
Wie jeder kleinen Hexe auch, passierten mir magische Dinge, die Eltern, die Ahnung von der Zauberei hatten, natürlich bewiesen, dass ihr Kind magisches Blut hatte. Vielleicht passierte mir etwas mehr, als anderen Kindern. Wenn ich traurig war, begann es zu regnen. Wenn ich wütend war, blitzte und donnerte es. Anders als andere Kinder fürchtete ich mich nie vor Gewitter. Blitz und Donner waren meine Freunde. Doch es gab etwas, vor dem ich Angst hatte. Die Dunkelheit. Nein, Robert und Camilla mussten nicht das Licht anlassen, wenn ich schlief. Wenn ich im Bett lag war das kein Problem. Ich konnte sogar nicht einschlafen, wenn das Licht an war. In mein Bett fühlte ich mich sicher. Doch wenn ich nachts in die Küche ging, um mir etwas zu trinken zu holen, dann musste ich überall das Licht anmachen. Naja, was heißt ‚musste'. Ehrlich gesagt, hat sich das nicht geändert. Man könnte das als feige bezeichnen. Ich denke, bei mir ist es einfach nur die Angst vor dem Unbekannten. Angst vor dem, was da in der Dunkelheit lauern könnte.
Eines Tages kam ein Fremder zu uns nach Hause. Er stellte sich uns als Andrew Tanner vor und sagte zu Camilla und Robert etwas, das mein ganzes Leben verändern sollte. ‚Wissen Sie eigentlich, was sie da für ein Kind adoptiert haben? Wissen Sie, wer sie ist? Was sie kann? '
Camilla und Robert wussten es natürlich nicht. Andrew Tanner sagte es ihnen.
Von da an wurde alles anders. Meine Pflegeeltern reagierten nicht so, wie man es vielleicht von Muggeln erwartet hätte. Sie waren begeistert. Sie führten mich ihren Freunden vor, ich wurde eine Art Zirkusattraktion. Das Zaubereiministerium in Amerika hat nicht die Macht, ganz Amerika zu überwachen, dafür ist es einfach zu groß. So erfuhren damals also jede Menge Muggel von der Zaubererwelt.
Als ich acht Jahre alt war, hielt ich es schließlich nicht mehr aus. Ich rannte davon. Zu groß war die Wut auf meine Pflegeeltern.
Ich lief allein und hilflos durch die Straßen von Los Angeles. Was konnte ein achtjähriges Mädchen schon tun? Ich hatte Hunger und ich fror erbärmlich. Irgendwann abends landete ich auf einer Bank und fing an zu heulen. Ich glaube, die ganze Stadt hat es gehört, so laut habe ich geschrien. Doch niemand reagierte. Wisst ihr, in L.A. ist es nichts besonderes, wenn jemand schreit. Doch ein Mensch reagierte. Plötzlich tippte mir jemand auf die Schulter. Ich sah auf – und sah direkt in das Gesicht von Andrew Tanner. Ich hatte ihn seit über drei Jahren nicht mehr gesehen.
‚Was wollen Sie denn?! ' schrie ich. ‚Es ist doch alles ihre Schuld! Seit Sie meinen Eltern alles erzählt haben, bin ich eine Marionette! '
‚Cara...' begann er.
‚Ich heiße Karen! ' unterbrach ich ihn wütend. ‚Karen Whitle!'
‚So? ' erwiderte er. ‚Aber so hast du nicht immer geheißen und das weißt du. '
Ich senkte den Kopf.
‚Diese Muggel sind nicht gut für dich, Cara, Karen oder wie auch immer, ' sagte Andrew Tanner. ‚Ehrlich gesagt, habe ich gehofft, dass du irgendwann die Schnauze voll hast und abhaust. '
‚Ach ja? ' sagte ich. ‚Und was soll ich jetzt machen? Ich bin doch erst acht! '
‚Ich bringe dich zu einer guten Freundin von mir, ' sagte er. ‚Du gibst es zwar nicht zu, aber du versuchst, deine Eltern zu vergessen. Und das darfst du nicht. Josy und Albus haben so viel für dich getan. '
‚Sie kannten meine Eltern? ' fragte ich.
Er nickte. ‚Waren gute Freunde von mir. Also, Mädchen. Du hast die Wahl: Entweder kommst du jetzt mit mir – oder ich bringe dich zu deinen Pflegeeltern zurück. '
Ich sah ihn an. ‚Gut. Gehen wir also zu ihrer Freundin. '
‚Meiner guten Freundin.'
‚Okay, dann eben zu Ihrer guten Freundin.'
An diesem Abend flog ich das erste Mal mit einem Portschlüssel. Wir landeten irgendwo in der Pampa, der Ort hieß Grand Forks und lag in Minnesota, wie ich später erfuhr. Das Haus dieser guten Freundin von Andrew Tanner sah nicht gerade toll aus. Es war sehr klein und sah sehr reparaturbedürftig aus. Das sollte also mein zukünftiges Zuhause werden?
Andrew Tanner nahm mich an die Hand, ging zur Haustür und drückte auf den Klingelknopf. Ich hielt die Luft an.
Die Tür ging auf. Eine Frau stand vor uns. Sie war mittelgroß, hatte braune, schulterlange Haare und viele Sommersprossen. Ihre kastanienbraunen Augen schauten irgendwie traurig.
Sie schnappte nach Luft. ‚Andrew!'
Und dann fiel ihr Blick auf mich und sie sah aus, als ob sie gleich in Ohnmacht fälle.
‚Oh Merlin...' flüsterte sie.
Andrew nickte. ‚Ja, das ist Cara, Vi.'
So lernte ich Viola Weaver kennen. Sie bat uns herein. Es stellte sich heraus, dass Viola Mums beste Freundin gewesen war. Sie zögerte nicht eine Sekunde, als Andrew sie bat, mich aufzunehmen. Andrew verschwand auch fast sofort wieder. Doch ich hatte keine Angst. Obwohl ich sie noch nicht kannte, vertraute ich Viola.
Viola wurde meine Lehrerin. Von ihr lernte ich Flüche, Zaubersprüche und alles was ich wissen musste. Viola lehrte mich, das Gewitter zu kontrollieren. Ich war glücklich wenn ich zauberte, ich brauchte es, weil ich das Gefühl hatte, dass es das einzige war, was mich noch mit meinen Eltern verband.
Bis ich zwölf Jahre alt war, lebten Viola und ich ungestört in Grand Forks. Doch irgendwann ging es los, ich weiß nicht mehr genau, wann. Das Zaubereiministerium hatte irgendwie davon Wind gekriegt, dass Albus Dumbledores Tochter mit Viola Weaver, der ehemaligen besten Freundin von Josephine Dumbledore, zusammenlebte. Sie sahen es als potentielle Gefahr an, dass ich eines Tages meinen Vater kennen lernen wollte – und das durfte natürlich auf keinen Fall geschehen. Außerdem waren Todesser hinter mir her, weil sie mich auf die Dunkle Seite ziehen wollten.
Viola und ich konnten nicht bleiben. Doch vor allen Dingen konnten wir nicht zusammen bleiben. Viola brachte mich zu Freunden, ein Jahr wechselte ich ungefähr alle vier Wochen den Wohnort. Viola brachte mich jeden Monat zu jemand anderem, da die Todesser und das Ministerium mich immer wieder aufspürten.
Irgendwann im Frühling 1994 – gerade hatte Jenny, eine Freundin von Vi, uns eröffnet, dass sie mich nicht mehr bei sich wohnen lassen könne, weil es ihr zu riskant wäre – saßen wir beide auf einer Parkbank in Detroit und schwiegen vor uns hin.
Dann sagte Vi: ‚So geht es nicht weiter, Cara. '
Ich nickte. ‚Ja. Ich weiß. Aber was soll ich tun? '
Sie zögerte.
Ich sah sie an. ‚Vi...wenn du mich nicht um dich haben willst, dann sag es. Ich meine, ich bin einfach so in dein Leben geschneit und...'
‚Cara! ' unterbrach sie mich. ‚Du bist wie eine Tochter für mich! Nein, darum geht es nicht. Es ist nur – ich habe dich jetzt bei jedem untergebracht, der in irgendeiner Weise in Frage kam...Jetzt fällt mir niemand mehr ein...'
Ich schluckte.
‚Obwohl...' sagte Vi plötzlich. ‚Es gebe da noch eine Möglichkeit...'
‚Ja? ' erwiderte ich hoffnungsvoll.
‚Die Sache ist die...' sagte Vi. ‚Charis, das war auch eine von den besten Freunden deiner Mum, lebt in Indien...'
Ich erschrak.
‚Cara, ich könnte dir einen Portschlüssel besorgen und dich nach Indien schicken. Ich jedoch müsste hier bleiben. '
Ich in Indien und Vi in Amerika? Ich kämpfte mit den Tränen. Doch dann sah ich Vi in die Augen und wusste: Ihr fiel es doch genauso schwer – aber es musste sein.
So geschah es also. Vi kreierte einen Portschlüssel und zwei Tage später sagte ich ihr Auf Wiedersehen und landete in Indien. Ich stand wieder einmal vor einer Haustür und klingelte.
Die Tür ging auf und eine mit einem Ruck wurde ich ins Haus gezogen. Ich keuchte verblüfft.
‚Erschrecke dich nicht! ' sagte die Frau. ‚Niemand sollte dich sehen! '
Ich betrachtete sie genauer. Sie hatte lange, schwarze Haare, die ihr bis zur Taille gingen, und dunkelbraune Augen. Durch den schwarzen Umhang, den sie trug, wirkte ihre ganze Erscheinung sehr düster.
Sie streckte die Hand aus. ‚Charis Bellione.'
Ich zuckte zusammen. ‚Was?! Sie sind doch eine Seherin...die einzige echte, um genau zu sein. '
Die Frau senkte den Kopf. ‚Richtig. Aber setzten wir uns doch. Ich würde übrigens vorschlagen, dass du mich Charis nennst. '
Ich nickte und wir setzen uns hin.
‚Cara...' sagte Charis. ‚Ich fasse das alles jetzt so kurz wie möglich zusammen. Meine Prophezeiungen haben mehr Unglück und Schmerz als Nutzen gebracht. Mein Verlobter ist gestorben, meine Freundin Emily wechselte auf die Dunkle Seite, meine Freunde Lily und James sind gestorben, ein anderer Freund, Sirius war sein Name, hat uns alle verraten, meine besten Freundin Joey, deine Mutter, ist ermordet worden...und das ist nach lange nicht alles. Es reichte jedenfalls. Nach Joeys Tod wusste ich nicht mehr weiter. Viola floh nach Amerika, Carolina, auch eine meiner besten Freundinnen, tauchte unter. Ich habe sie seit vierzehn Jahren nicht mehr gesehen. Also ging ich nach Indien, baute mir eine neue Existenz auf. Jetzt bin ich Ärztin. Ich habe meinen Zauberstab ganz hinten im Schrank verstaut...habe ihn seit Jahren nicht mehr angerührt. Tja, aber dann kam die Eule von Viola. Und jetzt bist du hier...Ich denke, es ist unmöglich seiner Vergangenheit zu entfliehen. '
Sie sah mich an und ganz langsam, als wüsste sie kaum noch, wie es geht, lächelte sie. Ich lächelte zurück.
Niemand konnte wissen, dass ich bei Charis wohnte. Ich durfte nur nachts das Haus verlassen und selbst dann zauberte Charis mich unsichtbar. Doch wir wussten beide, dass dies kein Dauerzustand war.
Nach circa drei Wochen stürzte Charis eines Nachts zu mir ins Zimmer. ‚Cara! Ich hatte eine Vision. Wir müssen hier weg! '
Ich setzte mich auf. ‚Was genau hast du denn gesehen? '
‚Ich habe dich gesehen...und zwar auf einer Zauberschule. Dann sah ich dieses Haus, verbrannt, verwüstet und verlassen. Das ist ein Zeichen! Wir müssen von hier fliehen und du musst auf diese Schule gehen. '
‚Weißt du denn, welche Schule es war? ' fragte ich.
Charis nickte. ‚Es war Beauxbatons. '
Ich nickte langsam. ‚Dann soll es wohl so sein. '
Wir bereiteten unsere Abreise vor. Wir würden mit einem Portschlüssel reisen, da ich ja nicht apparieren konnte.
Dann ging es los. Charis und ich standen vor dem Portschlüssel, die Koffer waren gepackt.
‚Ich muss dir noch etwas sagen, Cara, ' sagte Charis. Sie sah sehr unwohl aus. ‚Ich habe dir ja erzählt, dass ich dich in meiner Vision sah. Cara...du hattest kurze Haare und...nun ja, du sahst aus wie ein Junge! Es sieht so aus, als müsstest du dich als Junge verkleiden. '
Ich starrte sie entgeistert an. ‚Was?! Charis, da kann doch nicht dein Ernst sein! '
Sie zuckte die Achseln. ‚Wieso? Auf jeden Fall wäre es sicherer! Und – was hast du schon zu verlieren? '
‚Meine langen Haare? ' hielt ich dagegen.
Charis schüttelte den Kopf. ‚Dafür gibt es Zauber. Dein Haar kann ich dir nachher ganz schnell wieder nachwachsen lassen. '
Damit griff sie nach einer Schere, murmelte etwas und die Schere schnitt mir blitzschnell die Haare ab. Dann deutete Charis mit dem Zauberstab auf meine Augenbrauen. Ein kribbelndes Gefühl kroch über mein Gesicht.
‚Was hast du gemacht? ' rief ich.
‚Jungen haben keine gezupften Augenbrauen, ' entgegnete Charis nur.
Ich schaute in den Spiegel. Ja, man könnte mich tatsächlich für einen Jungen halten.
Plötzlich durchfuhr mich ein beunruhigender Gedanke. „Ähm...Charis? Ich soll mich doch nur als Junge verkleiden...und nicht einer sein, oder? Ich meine, du wirst mir doch nicht alles wegzaubern, was beweist, dass ich ein Mädchen bin? Ich meine...'
‚Oh, keine Sorge, ' sagte Charis. ‚Du behältst alles, was dich als Mädchen identifiziert. Du musst eben nur darauf achten, dass du nicht mit anderen zusammen badest oder duschst. '
‚Und...was ist mit...? ' fragte ich und deutete auf meinen nun mal deutlich zu erkennbaren Busen.
Charis wedelte als Antwort mit ihrem Zauberstab und plötzlich hatte ich andere Kleidung an und fühlte mich, als würde mir die Luft abgeschnürt. Ich sah an mir herunter und fand mich in einem dunkelblauen Reiseumhang wieder, der mir sicherlich zwei Nummern zu groß war. Aber woher kam das einengende Gefühl?
‚Charis...was ist das? ' fragte ich. ‚Wieso fühle ich mich, als könne ich kaum noch atmen? '
‚Oh – das ist ein Korsett, ' erklärte Charis. ‚Es ist zwar ein schreckliches Gefühl, es zu tragen, aber es erfüllt seinen Zweck. Niemand würde jetzt noch auf die Idee kommen, dass du einen Busen hast. '
Ich nickte. Und dann berührten Charis und ich den Portschlüssel.
Wir flogen durch ein Meer aus Licht und Schatten. Dann war es vorbei. Wir befanden uns auf einer großen Wiese.
‚Dort! ' sagte Charis und deutete nach rechts.
Etwa in hundert Meter Entfernung lag ein großes Schloss. Es sah genauso aus, wie ich mir immer ein Märchenschloss vorgestellt hatte. Groß und silber und blau...
‚Also, Cara, ' sagte Charis. ‚Ich wünsche dir Glück. Ich werde mir ein Zimmer im Dorf nehmen. '
‚Wie? Kommst du denn nicht mit mir? ' rief ich.
Sie schüttelte den Kopf. ‚Nein. Man würde mich erkennen. Also, egal was passiert, du heißt jetzt Carlos Singh. Hier ist ein Stammbaum deiner Familie. Erzähle Madame Maxime, dass du aus Irland kommst, deine Eltern verfolgt werden und dich deshalb hier gelassen haben und dass Madame Maxime dich doch bitte mit dem Langua-Zauber belegen soll, damit du dich verständigen und deine Mitschüler verstehen kannst. '
Ich nickte nur. In meinem Kopf dröhnte es. Wohin sollte das alles noch führen?
Ich umarmte Charis und begann, auf das Schloss zuzugehen.
‚Cara! ' rief Charis mir nach.
‚Ja? ' erwiderte ich.
‚So schwer es dir auch fallen muss – sieh bitte zu, dass du nicht so viele Freundschaften schließt. Wer wissen nie, wem wir vertrauen können und wem nicht. Und erzähle bitte niemanden, wer du wirklich bist! Schwöre es mir! '
Ich schluckte. Was kam denn noch alles?
‚Ich schwöre, ' sagte ich und ging weiter bis ich die Eingangstür des Schlosses erreichte. Dann drehte ich mich um.
Charis war verschwunden.
Ich holte tief Luft und öffnete die Eingangstür. Ich stand nun in einem riesigen Saal, ganz in eisblau. Türen und Gänge führten in alle Richtungen und ich hatte keine Ahnung, wo ich hingehen sollte.
‚Salut? Est-ce que tu as besoin d'aide? '
Ich drehte mich um. Hinter mir stand ein Junge. Er hatte schwarze Haare und dunkelbraune Augen, die sehr viel Wärme ausstrahlten. Er trug einen blassblauen Umhang aus Seide.
Ich hatte natürlich kein Wort von dem, was er gesagt hatte, verstanden. Jetzt sah er mich fragend an.
Wie sollte ich ihm klarmachen, dass ich kein Französisch sprach? Mein französisches Vokabular erstreckte sich von Ich heiße Cara bis zu Ich liebe dich – und das war es auch schon.
‚Ähm...' begann ich. ‚Je...also...ach, verdammt! '
Ich konnte eben kein Französisch, war das vielleicht der Weltuntergang?!
Doch der Junge hatte anscheinend verstanden. Er winkte mich zu sich und bedeutete mir, ihm zu folgen.
Er führte mich durch ein riesiges Labyrinth von Gängen und schließlich standen wir vor einer reich verzierten Tür. Der Junge klopfte und wir traten ein. Ich sah mich einer riesigen Frau gegenüber, ehrlich sie war enorm.
Sie saß in einem riesigen samtüberzogenen Sessel. Sie sagte etwas zu dem Jungen und der antwortete mit einem riesigen Wortschwall.
Jetzt nickte die Frau, stand auf, holte einen Zauberstab aus der Tasche ihres Mantels und richtete ihn auf mich.
Ich spürte ein seltsames Prickeln auf meiner Haut.
‚Hey, was war das? ' rief ich.
‚Merken Sie das nicht? ' antwortete die Frau.
Ich sah sie an. Plötzlich verstand ich jedes Wort, das sie sagte.
‚Aber warum sprechen Sie denn jetzt Englisch? ' fragte ich. ‚Ich dachte, wenn man mich mit einem Langua-Zauber belegt, spreche ich Französisch. '
‚Oh, das tun Sie, ' entgegnete die Frau gelassen. ‚Sie denken, dass Sie Englisch sprechen, aber in Wirklichkeit fließen französische Worte aus Ihrem Mund. '
‚Oh...' sagte ich. ‚Dankeschön, Madame.'
‚Nun, mein Name ist Madame Maxime, ich bin die Direktorin. Und das, ' sie deutete auf den Jungen, der mir geholfen hatte, ‚ist Alain-Pierre Lacroix. '
‚Ich bin Carlos Singh, ' entgegnete ich.
Und dann erzählte ich ihr eine wilde Geschichte von meinen Eltern, meiner Abstammung und warum ich unbedingt an diese Schule gehen müsse.
‚Nun, ' sagte Madame Maxime als ich geendet hatte. ‚Dann würde ich sagen: Willkommen in Beauxbatons, Monsieur Singh! '
Ich lächelte erleichtert.
‚Sie werden mit Monsieur Lacroix ein Appartment teilen, ' erklärte Madame Maxime. ‚Monsieur Lacroix, gehen Sie mit Monsieur Singh zur Schneiderei und zu Madame Javert, damit Monsieur Singh seine Ausrüstung beisammen hat. Sie können gehen. '
Alain-Pierre schob mich aus der Tür und wir gingen wieder endlose Gänge entlang.
‚Wie findest du dich nur hier zurecht, Alain-Pierre? ' fragte ich ihn.
‚Oh, das kommt mit der Zeit, ' sagte er. ‚Und nenne mich bitte einfach Alain, Alain-Pierre klingt so spießig. '
Er grinste mich an und grinste – sehr jungenhaft, wie ich hoffte – zurück.
Bei der Schneiderin musste ich in eine Kabine gehen und mir einen blassblauen Umhang anziehen. Ich erschrak als ich sah, wie eng er war.
‚Ähem...gibt es den auch noch zwei Nummern größer? ' rief ich.
So ging ich nachher mit einem Umhang aus der Schneiderei, der überall schlabberte und rutschte. Doch ich fühlte mich mit Umhang und Spitzhut erheblich sicherer, denn meine Locken sahen doch etwas mädchenhaft aus.
Alain führte mich in ein geräumiges Zimmer. Zwei Betten standen an der Wand, es gab eine Sitzecke und ein Bücherregal. Eine Tür führte wohl ins Bad.
‚Wow! ' rief ich. ‚Das Zimmer ist ja riesig! '
Alain nickte. ‚Ja. Aber dafür haben wir keinen Gemeinschaftsraum, wie andere Schulen. Du wirst die fünfte Klasse besuchen und ich bin schon in der sechsten. In Beauxbatons ist es egal, ob Schüler aus verschiedenen Klassen zusammenwohnen. Wir haben auch keine extra Häuser oder so etwas, wir sind alle gleich. '
Ich nickte und begann die wenigen Sachen auszupacken, die ich bei mir hatte.
‚Komm, ' sagte Alain. ‚Ich mache dich mit meinen Freunden bekannt. '
Ich lebte mich rasch in Beauxbatons ein, was ich hauptsächlich Alain zu verdanken hatte. Er führte mich in seine Clique ein. Sie waren alle sehr nett, aber eben nur Kumpels zum Spaß haben. Es waren keine wirklichen Freunde, was natürlich günstig für mich war, da ich ja so wenige Freundschaften wie möglich schließen musste.
Alain allerdings...Er war der erste richtige Freund, den ich hatte. Vorher konnte ich nie Freundschaften schließen, da ich so oft den Ort wechselte. Alain und Charis waren alles, was ich noch auf dieser Welt hatte. Ich hätte nicht mehr ohne sie leben können – und das begriff auch Charis sehr schnell.
‚Dieser Alain...' fragte sie bei einem unser heimlichen Treffen im Dorf. ‚Was bedeutet er dir? '
‚Alain? Oh, er ist nur ein Kumpel! ' sagte ich schnell – zu schnell.
Doch Charis sagte nichts.
Alain nur anzusehen verursachte ein kribbelndes Gefühl in meinem Bauch. Das merkten auch meine Mitschülerinnen sehr schnell. Ich wurde rot, wenn ich ihn ansah und fing an zu stottern. Schnell wurde ich als pédé, also als schwul, abgestempelt. Alain und ich ignorierten diese Gerüchte.
Es wurde immer schwieriger, zu verstecken, dass ich ein Mädchen war. Ich schaffte es zwar, Alain zu überzeugen, dass ich mich sehr genierte, doch langsam nervte es ihn schon, dass ich mich niemals halbnackt vor ihm zeigen wollte, dass er ständig ins Nebenzimmer gehen musste, wenn er mal ins Bad wollte und ich gerade duschte und ich abends immer ins Bad ging um meinen Schlafanzug anzuziehen.
Doch er akzeptierte es, so gut es eben ging.
Dann jedoch passierte etwas, das unsere Freundschaft unter einen völlig anderen Stern stellte...
Madame Jolie, die Lehrerin für Kräuterkunde, traf Alain und mich eines Nachmittags im Park. Alain und ich hatten uns zufällig getroffen, als er von dem Fach Zaubertränke und ich von Zaubergesänge kam.
‚Monsieur Singh, Monsieur Lacroix!' rief sie. Sie sah schrecklich durcheinander aus. ‚Wie gut, dass ich Sie treffe! Sie müssen mir einen Gefallen tun! Eine Schülerin ist erkrankt und ich brauche ein sehr seltenes Kraut um sie zu heilen – Sie müssen in den Wald gehen und es mir besorgen! '
Alain und ich erklärten uns sofort bereit. Madame Jolie gab uns eine Zeichnung von dem Kraut und wir machten uns auf den Weg.
‚Aber verlasst nie die Wege! ' rief sie uns noch nach.
Also gingen wir in den Wald hinein und suchten das Kraut. Es war sehr schwer zu finden und als wir es endlich entdeckten, war es schon sehr dunkel. Wir machten uns auf den Rückweg. Plötzlich jedoch hörten wir ein Grollen hinter uns. Ich schrie auf und ein riesiger Bär stürzte sich auf uns. Alain und ich rannten und rannten, mitten in den Wald hinein. Alain gelang es, an seinen Zauberstab zu kommen und schließlich schaffte er es, den Bären in eine Maus zu verwandeln. Doch jetzt hatten wir ein anderes Problem.
‚Alain, wo sind wir? ' fragte ich ihn.
‚Oh, da geht es zurück, ' erklärte er zuversichtlich.
Ich glaube, er wollte nur den starken Mann spielen, aber ich folgte ihm natürlich trotzdem. Es wurde immer dunkler und langsam kriegte ich echt Panik. Das sagte ich Alain natürlich nicht, denn Jungen sind doch furchtlos – oder?
Es dauerte eine ganze Zeit, bis uns klar wurde, dass wir im Kreis gingen. Jetzt war so dunkel, dass man kaum noch die Hand vor Augen sehen konnte.
‚Carlos, das hat heute keinen Zweck mehr, ' sagte Alain. ‚Wir müssen uns hier ein Nachtlager herrichten. '
‚Wie bitte?! Niemals! Hier bleibe ich nicht! Ich bin doch nicht irre! Hier laufen gefährliche Tiere herum und...Niemals! Ich suche jetzt den Rückweg! '
Meine Stimme wurde immer schriller und hörte sich in diesem Moment, glaube ich, sehr mädchenhaft an. Ich stürzte ins Dickicht und versuchte, mir einen Weg zu bahnen.
‚Bist du verrückt? ' schrie Alain. ‚Carlos!'
Er stürzte mir hinterher und wollte mich zurückziehen.
‚Nein, lass mich los! ' schrie ich. ‚Hier bleibe ich nicht! Hier ist es viel zu dunkel...'
Ehrlich, es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre ihm um den Hals gefallen, hätte angefangen zu heulen und hätte ihm alles über mich erzählt.
Doch ich senkte nur den Kopf und sagte nichts mehr.
‚Du hast Angst vor der Dunkelheit? ' fragte Alain leise.
Ich nickte. Er nahm stumm meine Hand, griff mit der anderen nach seinem Zauberstab, murmelte etwas und plötzlich stand ich vor einem riesigen Lagerfeuer.
‚Was besseres kriege ich noch nicht hin, ' sagte Alain verlegen.
‚Danke, ' sagte ich leise.
Wir setzten uns zum Feuer und kurze Zeit später zauberte Alain auch noch zwei Schlafsäcke her, da es ja so aussah, dass wir hier die Nacht verbringen mussten.
Wir lagen nebeneinander und schauten in den Himmel. Irgendwann schliefen wir beide ein.
Als ich aufwachte lagen wir eng zusammen und ich sah direkt in seine braunen Augen. Dies war irgendwie ein magischer Moment. Ich hatte weiche Knie. Wir sahen uns an – und es wäre einfach falsch gewesen, ihn nicht zu küssen. Also tat ich es. Er schmeckte süß und vertraut...Wir küssten uns als ob es der letzte Kuss dieser Welt sei und ich legte all meine unausgesprochenen Gefühle hinein.
‚Monsieur Lacroix! Monsieur Singh! Sind Sie hier irgendwo? '
Wir zuckten zusammen und lösten uns voneinander. Das war Madame Jolies Stimme.
Ich sprang auf. ‚Madame, wir sind hier! '
Madame Jolie kam mit einigen anderen Lehrern, um uns zu retten. Alain und ich redeten kein Wort miteinander, als wir wieder den Weg nach Beauxbatons einschlugen.
Um genau zu sein redeten wir die nächsten drei Tage nicht mehr miteinander. Ich konnte mir vorstellen, was Alain jetzt gerade durchmachte: Er fragte sich, ob er auf Männer stand...und das alles nur, weil ich ihm nicht die Wahrheit sagen konnte!
Dann, am dritten Tag, hielt er mich zurück als ich gerade aus dem Zimmer gehen wollte. Ich schluckte. Was kam jetzt?
‚Carlos...' begann er. ‚Ich habe nachgedacht und ich denke...'
‚Hör mal, du musst mir nichts erklären. Wir machen einfach so weiter wie bisher, okay? Ich meine, ich könnte auch in ein anderes Zimmer ziehen, wenn du möchtest...'
‚Hör mir zu! ' unterbrach er mich. ‚Ich wollte dich küssen, okay? Ich wollte es wirklich. Ich habe schon lange vorher davon geträumt und...nun ja. Ich schätze, ich bin schwul. Und ich habe mich in dich verliebt. '
Für einen Moment stand die Zeit still. Ich konnte nicht mehr atmen, nicht mehr denken. Bumm, Bumm. Mein Herz schlug wie verrückt. Was sollte ich tun? Ich durfte ihm doch nichts sagen...
Ich fing an zu weinen. Alain sah geschockt aus und wollte etwas sagen, doch ich kam ihm zuvor.
‚Alain, du bist nicht schwul. Genauso wenig wie ich. Ich bin ein Mädchen! Bitte frag nicht, warum ich mich als Junge verkleidet habe, akzeptiere es einfach. Und...ich habe mich auch in dich verliebt. '
Alain starrte mich mit offenem Mund an, dann riss er mich einfach in seine Arme und küsste mich. Und er stellte keine Fragen.
Alain und ich waren einfach nur glücklich. Natürlich konnten wir öffentlich nicht zeigen, dass wir verliebt waren, aber das war uns egal.
Zur selben Zeit jedoch begannen die Angriffe. Einmal ging ich mit Alain spazieren, als uns ein Todesser angriff. Wir konnten fliehen, doch Alain verletzte sich am Bein. Ein anderes Mal wurde nachts ein Schockfluch durch das offene Fenster geschossen. Er traf Alain. Solche und andere Situationen kamen jetzt immer und immer wieder vor.
Als ich mich eines Abends mal wieder heimlich mit Charis traf, stürzte sie mir schon aufgeregt entgegen. ‚Cara, wir müssen hier weg! Die Angriffe werden immer schlimmer, sie haben mir auch schon aufgelauert...'
Sie sprach aus, was ich schon geahnt, aber nicht wahrhaben wollte.
‚Aber wohin denn? ' fragte ich. ‚Sie werden uns überall finden. '
Charis nickte langsam. ‚Ja...aber was, wenn wir dort hingehen, wo sie uns am wenigsten vermuten? '
‚Aber wo...' begann ich. Dann sah ich das Glitzern in ihren Augen. ‚Oh, nein, Charis! Das meinst du nicht ernst! '
‚Warum denn nicht?' entgegnete Charis. ‚Niemand würde damit rechnen...'
‚Aber mein Vater würde mich doch erkennen! ' sagte ich. ‚Und andere Lehrer vielleicht auch.'
‚Das stimmt nur zum Teil', antwortete Charis. ‚Dein Vater steht immer noch unter der Kraft des Gedächtniszaubers. Einige Lehrer müssten wir einweihen, da sie deine Eltern noch gekannt haben. Aber nicht alle.'
‚Also müssen wir schon wieder fliehen…' murmelte ich.
‚Ist es sehr schlimm für dich?' fragte Charis.
‚Ach, es ist okay', murmelte ich. ‚Bin es ja gewöhnt.'
Ob es schlimm war, wollte sie wissen? Es war die Hölle. Ich war nur drei Monate in Beauxbatons gewesen, hatte Alain nur drei Monate lang gekannt – und hatte schon das Gefühl, dass ich ohne ihn nicht mehr leben könne.
Ich wollte mich mit Charis nachts um drei im Dorf treffen.
Vorher begann ich, Alain einen Brief zu schreiben. Ich erklärte ihm, warum ich hier war, wie ich wirklich hieß und wohin ich ging. Ich sagte ihm alles.
Nachts um zwei stand ich auf, packte das wenige ein, was ich mitnehmen wollte. Ihr müsst wissen, dass Alain einen unglaublich tiefen Schlaf hat. Wenn er schläft, dann schläft er.
Um viertel vor drei schlich ich zur Tür. Ich hatte den Brief auf seinen Nachtisch gelegt. Ich fühlte mich schrecklich. Ob ich ihn je wieder sehen würde? Ich drückte die Türklinke hinunter – und dann zuckte ich zurück als hätte ich einen elektrischen Schlag bekommen. Ich spürte seinen Blick. Er brannte auf meinem Rücken. Alain war wach.
Ich drehte mich langsam um. Er saß im Bett, die dunklen Augen voller Schmerz. Jetzt liefen Tränen über meine Wangen.
‚Liebst du mich noch?'
Eine einfache Frage, von ihm gestellt. Eine einfache Frage, die nichts und doch alles bedeutete. Eine einfache Frage, die eine einfache Antwort erforderte.
‚Ja, immer.'
Dann drehte ich mich um, stürzte aus der Tür und rannte ins Dorf.
Charis erwartete mich schon. Sie sah mein verweintes Gesicht, hatte aber andere Sorgen.
‚Cara, ich hatte eine Vision! Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll…Ich habe dir doch von Sirius Black erzählt? Er hat uns alle verraten…aber eben sah ich ihn, wie er im Büro deines Vaters saß…zusammen mit deinem Vater und Harry Potter! Sirius hatte seine Hand auf Harrys Schulter gelegt und er sah verzweifelt aus!'
‚Und was soll das bedeuten?' fragte ich.
‚Es könnte bedeuten,' erwiderte Charis langsam, ‚dass Sirius unschuldig ist…'
Ich sagte nichts. Charis zauberte einen Portschlüssel herbei, wir berührten ihn und flogen.
Wir landeten in einem gepflegt aussehenden Vorgarten.
‚Wo sind wir?' erkundigte ich mich.
‚In London,' erklärte Charis.
Sie zog mich zur Tür und klingelte. Die Tür flog sofort auf.
‚Also, Charis, ich glaube es ja immer noch nicht, dass du mich zu so etwas überreden konntest! Das ist irre gefährlich und totaler Blödsinn! Josy ist tot, verstehst du? Tot! Was sollen wir alte Wunden aufreißen? Wo liegt der Sinn? Sag's mir, Charis! Du weißt doch immer alles!'
‚Hallo Caro,' sagte Charis ruhig.
Caro starrte Charis an. Ihre langen dunkelblonden Haare flogen und ihre grünen Augen blitzten.
‚Wie wäre es damit? Wir tun es für Cara!' rief Charis.
Caros Blick fiel zum ersten Mal auf mich. Sie zuckte zurück. Dann machte sie eine Handbewegung und Charis ging hinein, ich folgte ihr.
‚Das ist Carolina Hamillton,' flüsterte Charis mir zu.
Wir setzten uns auf das Sofa.
‚Ähm, Charis?' sagte ich. ‚Ich verstehe nicht ganz…Was hat Carolina mit der ganzen Sache zu tun?'
‚Ganz einfach,' sagte Charis. ‚Caro wird ab nächsten Sommer das Fach Zaubertränke auf Hogwarts unterrichten!'
‚Oh,' sagte ich.
‚Genau,' sagte Carolina. ‚Ich soll die ganze Sache in die Hand nahmen, obwohl ich überhaupt nicht dahinter stehe! Aber es gibt Neuigkeiten, Charis: Die Stelle der Lehrerin für Verteidigung gegen die dunklen Künste gehört nun dir!'
‚Aber, Caro, wir waren uns doch einig…' begann Charis.
‚Charis, wir ziehen das jetzt durch!' unterbrach Carolina. ‚Du kommst mit nach Hogwarts.'
‚Aber denkt ihr denn nicht, dass die Lehrer euch wieder erkennen? Einige kennen euch doch sicherlich noch…' warf ich vorsichtig ein.
‚Richtig,' sagte Carolina. ‚Deswegen müssen wir bestimmte Lehrer und Personen einweihen. Sie werden heute Abend eintreffen. Zusätzlich müssen wir unserer Aussehen verändern, da dein Vater, Cara, uns erkennen würde.'
Charis nickte. ‚Wie du meinst.'
Am Abend trafen die Personen, die wir einweihen wollten, ein. Sie stellten sich als Professor McGonagall, Professor Flitwick, Arabella Figg und Remus Lupin vor.
Lupin war ein Freund meiner Eltern gewesen, das wusste ich.
‚Wir werden uns jetzt mit einem Zauber belegen,' rief Carolina. ‚Er nennt sich Iurius saxum und wird dafür sorgen, dass niemand von uns verraten wird, wer Cara ist und wer Charis und ich sind.'
Alle stellten sich in einem Kreis auf. Plötzlich holte Carolina ein Bild hinter dem Sofa hervor. Es war ein Portrait von Viola in einem schönen Goldrahmen.
‚Es kam gestern mit der Post,' erklärte Carolina. ‚Viola kann so mit uns sprechen. Auch das Bild muss mit dem Zauber belegt werden.'
Dann begannen Charis, Carolina und das Bild Viola zu singen. Es war ein schauriger, seltsamer Gesang auf lateinisch. Mir standen die Haare zu Berge. Ich sah Schatten von all den Gesichtern über ihren Köpfen fliegen.
Und dann ließen sie sich los, nur Carolina und Charis hielten sich noch an den Händen. Schließlich veränderte sich ihre Erscheinung. Carolina wurde dick, sehr dick. Man erkannte sie nicht wieder. Charis Haare wurden kurz und änderten die Farbe. Es wurde ein trübes dunkelbraun. Ihre Statur änderte sich, sie bekam Muskeln, das Zierliche an ihr verschwand. Auch sie sah völlig verändert aus.
Dann sprach Carolina. ‚So, das war's. Ihr wisst, solltet ihr je vorhaben, Caras Geheimnis zu verraten – dann seid ihr auf der Stelle tot.'
Ich zuckte zusammen, doch allen anderen schien es klar gewesen zu sein, sie verzogen keine Miene.
‚Ich heiße jetzt Charis Avorda und Caro nennt sich Carolina Sundore,' erklärte Charis.
Nach einer Weile sah ich, wie Charis Remus Lupin in eine Ecke zog. Sie sagte etwas. Er wurde blass, nickte aber dann. Charis schlug die Hände vor das Gesicht. Lupin nahm sie in die Arme.
Kurze Zeit später zog Charis mich beiseite.
‚Ich hatte Recht,' sagte sie leise. ‚Sirius ist unschuldig.'
Sie begann, mir die Zusammenhänge zu erläutern.
Bald darauf verabschiedeten sich die Gäste. Ich war mit Charis und Carolina allein.
‚Cara, du musst dir einen Namen ausdenken, den du in Hogwarts benutzen wirst,' sagte Charis.
Ich nickte. ‚Hast du einen Vorschlag?'
‚Wie wäre es mit Scarlett?' rief Carolina.
Sie kam aus dem Wohnzimmer, in der Hand ein Buch mit dem Titel Vom Winde verweht.
Ich nickte. ‚Ja…'
‚Als zweiten Namen würde ich Thora vorschlagen,' sagte Charis plötzlich leise.
‚Ist das nicht…' begann ich.
Charis nickte. ‚Ja, aber das weiß kaum jemand.'
‚Okay,' sagte Carolina. Und der Nachname?'
‚McXandler!' sagte ich wie aus der Pistole geschossen. Ich hatte keine Ahnung, woher ich diesen Namen hatte – er war einfach da.
Carolina nickte. ‚Okay, dann melde ich dich jetzt in Hogwarts an.'
Damit verschwand sie im Wohnzimmer, doch dann drehte sie sich noch einmal um und sagte: ‚Cara, es sind jetzt noch zwei Monate bis zum Schulanfang in Hogwarts. Ich würde vorschlagen, dass du dir so etwas wie ein Hobby suchst – einfach, damit du ein wenig Vergangenheit in London aufweisen kannst,' meinte Carolina.
Also trat ich in den MLJ, den Magischen Londoner Jugendchor, ein. Dort gewann ich ein paar Freunde, unter anderem Cho. Fragen zu meiner Vergangenheit ging ich geschickt aus dem Weg.
Kurz vor Ende der Ferien ging ich mit Carolina und Charis in die Winkelgasse. Ich ging alleine los, denn Charis, Carolina und ich wollten nicht, dass man uns zusammen sieht. Auch in der Schule wollten wir so wenig wie möglich miteinander zu tun haben.
Als ich so durch die Straßen ging, begegnete ich auf einmal Cho. Bei ihr war ein Junge mit verstrubbelten, schwarzen Haaren – Harry Potter. Wir unterhielten uns etwas. Ich sah die beiden schließlich in Hogwarts wieder.
Ja, Hogwarts. Es war ohne Zweifel eine ganz neue Erfahrung. Ich musste aufpassen, nicht erwischt zu werden. Ich erfuhr auch, dass mein Vater öfters zusammenbrach und mit den Nerven am Ende zwar. Ganz klar – die Erinnerung kehrte zurück und zwar weil ich in seiner Nähe war.
Eines Abends saß ich am See, als ich plötzlich Anastacia Malfoys Stimme hörte. Sie sprach mit jemandem. Aus Neugier schlich ich mich näher heran.
‚Vater,' sagte Anastacia. ‚Was wünschst du? Beeile dich bitte, denn ich möchte noch ein paar Menschen töten.'
‚Selena,' sagte ihr Vater. ‚Sei vorsichtig. Ich weiß, du kannst dich jederzeit zurückverwandeln, aber trotzdem.'
Anastacia nickte. Dann veränderte sich ihr Körper. Sie wurde zu einer weißen Wölfin. Ich sah ihr nach, wie sie in Richtung Wald rannte.
Ich kannte also ihr Geheimnis. Sie war ein Werwolf, konnte sich aber kontrollieren. Sie war gefährlich.
Am nächsten Tag jedoch zog sie mich beiseite.
‚Wir sollten reden, Scarlett,' flüsterte sie heiser. ‚Oder sollte ich besser Cara sagen?'
Ich zuckte zusammen.
‚Gib dir keine Mühe,' wisperte Anastacia. ‚Mein Meister sagte mir, wer du bist.'
‚Tja…' erwiderte ich. ‚was machen wir jetzt? Ich kenne dein Geheimnis, du meins…'
So einigten wir uns, die andere nicht zu verraten. Es war schrecklich zu wissen, dass eine Werwölfin unter den Schülern lebte…aber was hätte ich tun sollen?
An Halloween trafen die französischen Schüler ein. Natürlich war Alain dabei. Wir taten das ganze Jahr über so, als wären wir nur beste Freunde. Aber er liebte mich noch, das spürte ich. Und ich liebte ihn, mehr als je zuvor. Ich versuchte, ihn auf Abstand zu halten, weil ich Angst hatte. Angst davor, ihn in Gefahr zu bringen. Und vor allem Angst davor, mich noch mehr in ihn zu verlieben. Mir war es schon fast unheimlich, welchen Einfluss er auf mich hatte, wie er mich durcheinander brachte.
Trotzdem ging ich mit ihm zum Weihnachtsball. Es war wunderschön…aber er unternahm nichts, suchte nicht absichtlich meine Nähe.
Dann wurde Sarah ermordet. Ich wusste natürlich, dass der Werwolf, von dem Andy sprach, nur Anastacia sein konnte. Also erzählte ich Charis, Viola und Carolina alles. Nur – was sollten sie denn tun? Also sagten wir nichts. Die anderen Schüler wurden bei Vollmond immer nur verletzt – das ließ mich hoffen, dass ich es niemandem erzählen musste.
Eines Tages streifte ich durch das Schloss und entdeckte eine kleine Tür. Ich schlüpfte hindurch und fand einen Raum, in dem ein verstaubter Spiegel war. Es war ein Zauberspiegel, das sah man. Doch ich traute mich nicht, hineinzuschauen. Also nahm ich bei der nächstbesten Gelegenheit Harry mit. Als ich durch den Spiegel sah, sah ich meine Eltern…Mein Dad sah so glücklich aus und meine Mum…ich hatte bei Charis, Viola und Carolina Fotos von ihr gesehen…aber sie konnten nicht das aussagen, was der Spiegel sagte. Sie sah wunderschön und so glücklich aus…Da bin ich weggerannt.
Dann wurde Sean ermordet. Ich war am Ende…und schwor mir, beim nächsten Mal bereit zu sein.
Beim nächsten Vollmond hatte Charis eine Vision. Sie wollte mir nicht sagen, was es war…Du sahst ihn sterben, nicht wahr, Charis?...Sie rannte Harry hinterher, doch es war zu spät…dann fertigte sie für mich einen Portschlüssel an und schickte mich zu dem Ort, den sie in ihrer Vision gesehen hatte.
Nun. Den Rest kennen Sie ja. Mein Vater ist tot…ich weiß nicht, was ich tun soll. Alain darf nicht in meiner Nähe bleiben…
Es ist nicht gerade so, dass es mir Glück gebracht hätte, in Hogwarts zu sein. Aber trotzdem war es wohl das Beste, was ich hätte tun können. Ich habe in vielerlei Hinsicht dazugelernt.
Nur...was bleibt mir denn jetzt noch?"
