Es war wenige Sekunden nach 2100, als der Türmelder ging.
„Kommen Sie herein!" Garaks zur Schau getragene gute Laune, konnte kaum verdecken, daß er recht nervös war. In den vergangenen Stunden hatte er sich immer wieder gefragt, auf was er sich da nur eingelassen hatte, denn die ganze Geschichte hörte sich doch ziemlich merkwürdig an. Aber sein Stolz verbat ihm, jetzt noch einen Rückzieher zu machen.
Wohl um sich selbst zu beruhigen, hatte er sich Zugriff auf verschiedenen Föderationsdateien verschafft (er verfügte über etliche Codes, die ihm quasi jede Datenbank der Station öffnete, aber das war eines von Garaks vielen wohlgehüteten Geheimnissen) und hatte alles über Tangrim nachgelesen, dessen er habhaft werden konnte. Sie hatte tatsächlich die Wahrheit gesagt – Die Tangrimi kamen blind auf die Welt und mußten sich im Laufe ihres Lebens ihre Umwelt durch sensorischen Kontakt erschließen.
Er fand es beachtlich, daß Sie trotz dieses Handicaps die anspruchsvolle Ausbildung an der Sternenflottenakademie hatte meistern können.
Sie trug inzwischen wieder ihre Uniform, wahrscheinlich, um dem Treffen wenigstens noch einen letzten Anschein von Professionalität zu geben.
„Wie geht es Ihnen Mr. Garak?" wollte sie wissen und er zuckte die Schultern. Sie hatte inzwischen die Hände wieder in der bekannten Geste ausgestreckt und schien sich in seinem Quartier auf ihre eigene Weise umzusehen.
Sie wandte sich ihm direkt zu und ihm wurde klar, daß sie auf eine verbale Antwort wartete.
„Mir geht es gut, meine Liebe, wirklich! Wollen Sie sich nicht setzen?"
Zielsicher schritt sie auf sein Sofa zu und setzte sich.
„Ich hoffe, Sie haben Ihren Entschluß noch nicht bereut?"
„Aber nein, warum sollte ich? Außerdem pflege ich meine Versprechen zu halten."
„Das freut mich. Und ich möchte, daß Sie wissen, daß ich Ihnen sehr dankbar bin..."
„Wenn ich ehrlich bin, ich bin inzwischen schon sehr neugierig, was da auf mich zukommt."
Sie lächelte ihr bezauberndes Lächeln.
„Vielleicht sollten wir noch einmal alles genau besprechen, was meinen Sie?" sie zögerte fast unmerklich, aber Garak hatte es dennoch realisiert.
Er stand auf und ging zu seinem Schreibtisch. Über die Schulter sagte er:
„Dann werde ich uns zuerst einmal einen guten Tropfen besorgen... Haben Sie schon einmal Kanaar getrunken?"
„Nein, das habe ich nicht, aber ich würde ihn wirklich gerne probieren."
Er förderte eine schlanke Flasche, mit einem in sich verdrehten Hals zutage, in der sich eine dunkle Flüssigkeit befand. Aus einem in die Wand eingelassenen Regal nahm er noch zwei Gläser und kam dann wieder zurück zum Sofa. Er füllte die Gläser und reichte ihr eines. Vorsichtig führte sie das schwere, quadratische Trinkgefäß zum Mund und nippte daran, nicht ohne vorher den intensiven Duft, den das cardassianische Getränk ausströmte, in sich aufzunehmen.
„Nehmen Sie sich in Acht! Kanaar ist ziemlich stark."
„Ich werde daran denken."
Mit seinem Glas in der Hand lehnte sich der Cardassianer zurück und betrachtete seine ungewöhnliche Besucherin. Sie schien völlig entspannt zu sein, wie so da saß und an ihrem Kanaar nippte.
„Sie wollten mir noch etwas sagen..." begann der Cardassianer schließlich wieder mit betont freundlicher Stimme.
„Oh ja, natürlich... Also, ich sagte Ihnen ja schon heute Mittag, wie das Ritual in etwa ablaufen wird... Der tranceartige Konzentrationszustand, Sie erinnern sich..."
„Ja sicher. Und weiter?"
„Nun... also, ich habe Ihnen einige Details bisher vorenthalten, aber ich bin der Meinung, Sie sollten alles wissen, um sich gegebenenfalls noch einmal neu entscheiden zu können..."
Was sollte er davon halten? Was kam jetzt? Was konnte es sein, daß Sie es ihm bisher verschwiegen hatte? Da sie sein Gesicht sowieso nicht sehen konnte, bemühte er sich, all seine Mißbilligung für ihr Verhalten in seine Stimme zu legen. Ihm fiel auf, wie kompliziert der Umgang mit einer blinden Person war, die ihre Sehkraft nicht durch ein technisches Hilfsmittel ersetzte. Er sagte:
„Sie überraschen mich, meine Liebe! Ich dachte, Sie wären so erpicht darauf, daß ich Ihnen helfe – und jetzt muß ich erfahren, daß Sie mir absichtlich Informationen vorenthalten haben..."
Sie senkte den Kopf und erweckte auch sonst den Eindruck, als wäre sie wirklich zerknirscht.
„Es tut mir leid... Aber ich habe mich nicht getraut, Ihnen sofort alles zu sagen. Verstehen Sie, es ist nichts schlimmes, aber es ist recht... sagen wir... pikant!"
„Was meinen Sie?"
„Verstehen Sie denn nicht... wir werden in Kürze in einen wirklich engen Kontakt treten. Und es kommt vor... also... ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll..." sie stockte.
„Also bitte Lt. Telh! Nun zieren Sie sich doch nicht so... Was wollen Sie mir sagen?" langsam war er drauf und dran, die Geduld zu verlieren und er überlegte, ob er das ganze Unternehmen einfach absagen sollte.
Sie holte einmal tief Atem.
„Gut! Es kommt vor, daß eine Person, die von einem Tangrimi während des Rituals berührt wird... also... es kann sein, daß Sie hinterher scheinbare Erinnerungen an ein sexuelles Erlebnis haben werden... Welches natürlich niemals stattgefunden hat...", beeilte sie sich zu versichern und sprach weiter: „... denn das wäre schließlich eine schlimme Form des Mißbrauchs und läge nicht im Sinne des Rituals."
Jetzt war er doch sprachlos.
„Ist es sicher, daß so etwas geschehen wird?"
„Es geschieht in etwa 60% aller Fälle. Sie müssen wissen, daß mein Volk latent telepathisch veranlagt ist. Wenn wir nun in Kontakt mit jemandem treten, dann kann das bewirken, daß unbewußt vorhandene Phantasien zutage treten und auf uns projiziert werden. Das äußert sich dann möglicherweise derart, daß während des Kontaktes Visionen von... nennen wir es erotischen Begegnungen auftreten. Es kommt darauf an, wie sensibel die Person ist, die von dem oder der Tangrimi berührt wird." Bittend sah sie ihn an. „Werden Sie es trotzdem tun?"
„Tja, ich weiß nicht... Ich möchte nicht, daß Sie denken, ich würde mich auf dieses Erlebnis stürzen, nachdem ich diese pikanten Details erfahren habe... Andererseits habe ich es Ihnen schließlich versprochen." Ein breites Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. „Natürlich nur im Geiste der guten Beziehungen Cardassias zur Föderation – auch wenn ich nur ein unwürdiger Repräsentant meines Volkes bin..."
Er verschwieg, daß sich in seinem Gesicht einige besonders sensible Bereiche befanden und er daher ziemlich sicher war, daß er zu den von ihr erwähnten 60% gehören würde, für die dieses Tangrimiritual ein Erlebnis der besonderen Art werden würde.
Er war zwar von ihrer Eröffnung überrascht gewesen, aber er konnte auch ein Mann erstaunlich schneller Entschlüsse sein...
Natürlich ahnte sein Gegenüber nichts von den Gedankengängen des Cardassianers. Sie schien es sogar kaum glauben zu können, daß er es sich trotz der neuen Situation nicht anders überlegt hatte. Und mit dem Grinsen, das sie in seiner Stimme hören konnte, wußte sie auch nicht so recht etwas anzufangen...
„Dann sind Sie bereit?"
„Aber natürlich. Lassen Sie uns beginnen!"
Sie nickte erleichtert.
„Wo möchten Sie das Ritual begehen?" fragte sie und ein wenig ratlos blickte der Cardassianer sich in seinem Quartier um.
„Ich bin mir nicht sicher. Hier auf dem Sofa? Ich weiß ja nicht, was gleich passieren wird."
Sie zögerte mit der Antwort.
„Wie Sie möchten, Mr. Garak. Sie sollten es sich nur so bequem wie möglich machen. Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, daß viele Personen es angenehm finden, sich der Behandlung im Liegen zu unterziehen. Und ich muß natürlich einen bequemen Zugang zu Ihrem Gesicht haben."
„Dann fällt das Sofa weg." Er warf seinem Gast einen forschenden Blick zu, aber sie blickte nur erwartungsvoll in seine Richtung. „Ich glaube, dann bleibt uns nur noch eine Möglichkeit..." er lachte verhalten. „Normalerweise lade ich junge Damen natürlich nicht schon beim ersten Rendezvous in mein Schlafzimmer ein, aber unter den gegebenen Umständen erscheint mir das als die einzige praktikable Möglichkeit – wenn es Ihnen nichts ausmacht, heißt das..."
„Oh nein, Mr. Garak." Beeilte sie sich, zu versichern; „Wenn es Ihnen nicht unangenehm ist, nach Allem, was ich Ihnen gerade offenbart habe... Sie sollen schließlich keinen falschen Eindruck von mir bekommen... "
„Ich bitte Sie... Ich würde nie auf eine solche Weise an Sie denken... Auch wenn Sie mir die interessanten Details so lange vorenthalten haben..." gutmütiger Spott war in seiner Stimme und sie lachte leise.
Dann standen sie auf und er führte sie in den Nebenraum, in dem es auch nach Anschalten des Lichtes noch recht dunkel blieb. Hinter einem breiten Bett cardassianischen Ursprungs glommen einige geometrisch angeordnete, in die Wand eingelassene Lampen in dezenten Farben und beleuchteten einen ansonsten eher sparsam eingerichteten Raum. Sie orientierte sich auf die schon bekannte Art und Weise - bei unbelebten Gegenständen schien sie keinerlei Schwierigkeiten zu haben.
„Was kann ich tun?" fragte er, doch sie deutete nur wortlos auf das Bett. Dorthin zog er sich dann auch zurück und beobachtete still weiter, was sie tat.
„Computer: Lichtintensität um 50% reduzieren!" Hätte es Garak nicht besser gewußt, dann hätte er schwören können, daß sie doch drauf und dran war, ihn zu verführen...
Doch er war sich inzwischen sicher, daß sie keinerlei Gedanken dieser Art hegte und einen Moment bedauerte er dies sogar. Das Geheimnis, das diese Frau umgab, gepaart mit ihrer aparten, zerbrechlichen Schönheit übte einen nicht zu unterschätzenden Reiz auf ihn aus. Doch der Cardassianer verscheuchte diese Gedanken sofort wieder – so etwas würde nur die Konzentration stören!
Aber er mußte sich eingestehen, daß sie ihn mit ihrem überraschenden Geständnis ein wenig überrumpelt hatte – aber es war eine höchst positive, wenn nicht gar erregende Eröffnung gewesen.
Solcherart Zerstreuung gab es für einen cardassianischen Exilanten auf einer bajoranischen Raumstation viel zu selten und diese Junior-Counselor war in der Tat ein überaus angenehmer Anblick und ihre Umgangsformen ließen nichts zu wünschen übrig...
Ein breites Lächeln erschien erneut auf Garaks Gesicht und schon viel entspannter harrte er der Dinge die da kommen sollten...
Sie hielt ihre Augen geschlossen, aber sie bewegte sich sicher in seinen Räumlichkeiten. Gerade so, als ob sie nicht zum ersten Male bei ihm wäre, sondern sich in seinem Schlafzimmer schon sehr zu Hause fühlen würde.
Garak saß noch immer auf der Bettkante, als sie sich ebenfalls auf das Bett setzte: Im Schneidersitz und bequem in die Mitte.
„Sagen Sie, benötigen Sie nicht irgendwelche Artefakte für Ihr Ritual? Kerzen? Statuen? Rauch oder exotische Kräuter?"
Sie schüttelte lächelnd den Kopf.
„Alles, was ich brauche, sind meine Hände und Ruhe." Das klang sehr bestimmt.
Er hätte gerne noch etwas gesagt, aber seine Intuition sagte ihm, daß es angebrachter war, zu schweigen – auch wenn er sicher jede Menge seiner bekannt kurzweiligen Kommentare parat gehabt hätte. Lt. Telh griff noch einem Kissen und legte es neben sich. Wortlos klopfte sie leicht darauf und Garak verstand: Er streckte sich aus und bettete seinen Kopf auf dem bereitgelegten Kissen.
Jetzt konnte er sie gut von unten herauf beobachten und er hatte keine Scheu, es auch zu tun – Zu interessant war, was sie tat.
Sie hob ihre Hände und streckte die Handflächen zur Decke. Ihre Augen waren noch immer geschlossen und als sie ihre Stimme hob, hatte es für ihn den Anschein, als wäre sie kräftiger und tiefer geworden.
„Ich bin Lenia von Tangrim.
Ich öffne mich dem Universum.
Ich will sehen!
Gib mir die Kraft,
damit meine Augen sich öffnen
und mein Leben erfüllt sei.
Das Universum erschließt sich mir
in kleinen Schritten..."
Was folgte, waren Worte in einer Sprache, die Garaks Universaltranslator nicht übersetzte.
Langsam senkte sie ihre Arme und zu seiner Überraschung erkannte der Cardassianer, daß sich die vormals blaßvioletten Male veränderten. Sie leuchteten jetzt tiefdunkel aber das Bemerkenswerteste waren die rankenartigen, violett irisierenden Bahnen, die sich nach und nach über ihre Hände ausbreiteten. Besonders die Fingerspitzen waren bald bedeckt und Garak fragte sich, ob sich das wohl heiß anfühlen würde, wenn es seine Haut berührte. Doch dann lenkte er seine Aufmerksamkeit wieder auf ihre Worte, denn inzwischen war sie wieder zum Föderationsstandard zurückgekehrt. Und nun sprach sie ihn direkt an:
„Nun sei bereit! Elim Garak vom Volk der Cardassianer.
Du sollst der erste sein, den ich sehe, du sollst den Weg bereiten,
um andere deiner Art sehen zu können.
Ich will dich erkennen,
mit der Energie, die mir das Universum verliehen hat,
so wie es meine Mutter und meine Ahnen getan haben,
so wie es die große Ordnung vorsieht.
Habe keine Furcht, Elim Garak, denn ich tue dir kein Leid an.
Begib dich in meine Hände, es soll dein Schaden nicht sein.
Du bist es: Der erste Cardassianer."
Lenia stimmte eine Art unaufdringlichen, leisen Singsang an und er versuchte einige Zeit vergeblich, einzelne Worte zu verstehen, aber merkwürdigerweise konnte er sich schon bald nicht mehr konzentrieren, sondern versank in eine Art angenehmen Dämmerzustand.
Ein letzter klarer Gedanke ließ ihn sich fragen, ob er es so einfach zulassen konnte, die Kontrolle über diese Situation loszulassen, aber er fühlte sich so angenehm. So sicher und geborgen – er verbannte jeden störenden Gedanken aus seinem Bewußtsein und hoffte, daß ihn sein Gefühl nicht trog...
* * *
„Kommen Sie herein!" Garaks zur Schau getragene gute Laune, konnte kaum verdecken, daß er recht nervös war. In den vergangenen Stunden hatte er sich immer wieder gefragt, auf was er sich da nur eingelassen hatte, denn die ganze Geschichte hörte sich doch ziemlich merkwürdig an. Aber sein Stolz verbat ihm, jetzt noch einen Rückzieher zu machen.
Wohl um sich selbst zu beruhigen, hatte er sich Zugriff auf verschiedenen Föderationsdateien verschafft (er verfügte über etliche Codes, die ihm quasi jede Datenbank der Station öffnete, aber das war eines von Garaks vielen wohlgehüteten Geheimnissen) und hatte alles über Tangrim nachgelesen, dessen er habhaft werden konnte. Sie hatte tatsächlich die Wahrheit gesagt – Die Tangrimi kamen blind auf die Welt und mußten sich im Laufe ihres Lebens ihre Umwelt durch sensorischen Kontakt erschließen.
Er fand es beachtlich, daß Sie trotz dieses Handicaps die anspruchsvolle Ausbildung an der Sternenflottenakademie hatte meistern können.
Sie trug inzwischen wieder ihre Uniform, wahrscheinlich, um dem Treffen wenigstens noch einen letzten Anschein von Professionalität zu geben.
„Wie geht es Ihnen Mr. Garak?" wollte sie wissen und er zuckte die Schultern. Sie hatte inzwischen die Hände wieder in der bekannten Geste ausgestreckt und schien sich in seinem Quartier auf ihre eigene Weise umzusehen.
Sie wandte sich ihm direkt zu und ihm wurde klar, daß sie auf eine verbale Antwort wartete.
„Mir geht es gut, meine Liebe, wirklich! Wollen Sie sich nicht setzen?"
Zielsicher schritt sie auf sein Sofa zu und setzte sich.
„Ich hoffe, Sie haben Ihren Entschluß noch nicht bereut?"
„Aber nein, warum sollte ich? Außerdem pflege ich meine Versprechen zu halten."
„Das freut mich. Und ich möchte, daß Sie wissen, daß ich Ihnen sehr dankbar bin..."
„Wenn ich ehrlich bin, ich bin inzwischen schon sehr neugierig, was da auf mich zukommt."
Sie lächelte ihr bezauberndes Lächeln.
„Vielleicht sollten wir noch einmal alles genau besprechen, was meinen Sie?" sie zögerte fast unmerklich, aber Garak hatte es dennoch realisiert.
Er stand auf und ging zu seinem Schreibtisch. Über die Schulter sagte er:
„Dann werde ich uns zuerst einmal einen guten Tropfen besorgen... Haben Sie schon einmal Kanaar getrunken?"
„Nein, das habe ich nicht, aber ich würde ihn wirklich gerne probieren."
Er förderte eine schlanke Flasche, mit einem in sich verdrehten Hals zutage, in der sich eine dunkle Flüssigkeit befand. Aus einem in die Wand eingelassenen Regal nahm er noch zwei Gläser und kam dann wieder zurück zum Sofa. Er füllte die Gläser und reichte ihr eines. Vorsichtig führte sie das schwere, quadratische Trinkgefäß zum Mund und nippte daran, nicht ohne vorher den intensiven Duft, den das cardassianische Getränk ausströmte, in sich aufzunehmen.
„Nehmen Sie sich in Acht! Kanaar ist ziemlich stark."
„Ich werde daran denken."
Mit seinem Glas in der Hand lehnte sich der Cardassianer zurück und betrachtete seine ungewöhnliche Besucherin. Sie schien völlig entspannt zu sein, wie so da saß und an ihrem Kanaar nippte.
„Sie wollten mir noch etwas sagen..." begann der Cardassianer schließlich wieder mit betont freundlicher Stimme.
„Oh ja, natürlich... Also, ich sagte Ihnen ja schon heute Mittag, wie das Ritual in etwa ablaufen wird... Der tranceartige Konzentrationszustand, Sie erinnern sich..."
„Ja sicher. Und weiter?"
„Nun... also, ich habe Ihnen einige Details bisher vorenthalten, aber ich bin der Meinung, Sie sollten alles wissen, um sich gegebenenfalls noch einmal neu entscheiden zu können..."
Was sollte er davon halten? Was kam jetzt? Was konnte es sein, daß Sie es ihm bisher verschwiegen hatte? Da sie sein Gesicht sowieso nicht sehen konnte, bemühte er sich, all seine Mißbilligung für ihr Verhalten in seine Stimme zu legen. Ihm fiel auf, wie kompliziert der Umgang mit einer blinden Person war, die ihre Sehkraft nicht durch ein technisches Hilfsmittel ersetzte. Er sagte:
„Sie überraschen mich, meine Liebe! Ich dachte, Sie wären so erpicht darauf, daß ich Ihnen helfe – und jetzt muß ich erfahren, daß Sie mir absichtlich Informationen vorenthalten haben..."
Sie senkte den Kopf und erweckte auch sonst den Eindruck, als wäre sie wirklich zerknirscht.
„Es tut mir leid... Aber ich habe mich nicht getraut, Ihnen sofort alles zu sagen. Verstehen Sie, es ist nichts schlimmes, aber es ist recht... sagen wir... pikant!"
„Was meinen Sie?"
„Verstehen Sie denn nicht... wir werden in Kürze in einen wirklich engen Kontakt treten. Und es kommt vor... also... ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll..." sie stockte.
„Also bitte Lt. Telh! Nun zieren Sie sich doch nicht so... Was wollen Sie mir sagen?" langsam war er drauf und dran, die Geduld zu verlieren und er überlegte, ob er das ganze Unternehmen einfach absagen sollte.
Sie holte einmal tief Atem.
„Gut! Es kommt vor, daß eine Person, die von einem Tangrimi während des Rituals berührt wird... also... es kann sein, daß Sie hinterher scheinbare Erinnerungen an ein sexuelles Erlebnis haben werden... Welches natürlich niemals stattgefunden hat...", beeilte sie sich zu versichern und sprach weiter: „... denn das wäre schließlich eine schlimme Form des Mißbrauchs und läge nicht im Sinne des Rituals."
Jetzt war er doch sprachlos.
„Ist es sicher, daß so etwas geschehen wird?"
„Es geschieht in etwa 60% aller Fälle. Sie müssen wissen, daß mein Volk latent telepathisch veranlagt ist. Wenn wir nun in Kontakt mit jemandem treten, dann kann das bewirken, daß unbewußt vorhandene Phantasien zutage treten und auf uns projiziert werden. Das äußert sich dann möglicherweise derart, daß während des Kontaktes Visionen von... nennen wir es erotischen Begegnungen auftreten. Es kommt darauf an, wie sensibel die Person ist, die von dem oder der Tangrimi berührt wird." Bittend sah sie ihn an. „Werden Sie es trotzdem tun?"
„Tja, ich weiß nicht... Ich möchte nicht, daß Sie denken, ich würde mich auf dieses Erlebnis stürzen, nachdem ich diese pikanten Details erfahren habe... Andererseits habe ich es Ihnen schließlich versprochen." Ein breites Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. „Natürlich nur im Geiste der guten Beziehungen Cardassias zur Föderation – auch wenn ich nur ein unwürdiger Repräsentant meines Volkes bin..."
Er verschwieg, daß sich in seinem Gesicht einige besonders sensible Bereiche befanden und er daher ziemlich sicher war, daß er zu den von ihr erwähnten 60% gehören würde, für die dieses Tangrimiritual ein Erlebnis der besonderen Art werden würde.
Er war zwar von ihrer Eröffnung überrascht gewesen, aber er konnte auch ein Mann erstaunlich schneller Entschlüsse sein...
Natürlich ahnte sein Gegenüber nichts von den Gedankengängen des Cardassianers. Sie schien es sogar kaum glauben zu können, daß er es sich trotz der neuen Situation nicht anders überlegt hatte. Und mit dem Grinsen, das sie in seiner Stimme hören konnte, wußte sie auch nicht so recht etwas anzufangen...
„Dann sind Sie bereit?"
„Aber natürlich. Lassen Sie uns beginnen!"
Sie nickte erleichtert.
„Wo möchten Sie das Ritual begehen?" fragte sie und ein wenig ratlos blickte der Cardassianer sich in seinem Quartier um.
„Ich bin mir nicht sicher. Hier auf dem Sofa? Ich weiß ja nicht, was gleich passieren wird."
Sie zögerte mit der Antwort.
„Wie Sie möchten, Mr. Garak. Sie sollten es sich nur so bequem wie möglich machen. Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, daß viele Personen es angenehm finden, sich der Behandlung im Liegen zu unterziehen. Und ich muß natürlich einen bequemen Zugang zu Ihrem Gesicht haben."
„Dann fällt das Sofa weg." Er warf seinem Gast einen forschenden Blick zu, aber sie blickte nur erwartungsvoll in seine Richtung. „Ich glaube, dann bleibt uns nur noch eine Möglichkeit..." er lachte verhalten. „Normalerweise lade ich junge Damen natürlich nicht schon beim ersten Rendezvous in mein Schlafzimmer ein, aber unter den gegebenen Umständen erscheint mir das als die einzige praktikable Möglichkeit – wenn es Ihnen nichts ausmacht, heißt das..."
„Oh nein, Mr. Garak." Beeilte sie sich, zu versichern; „Wenn es Ihnen nicht unangenehm ist, nach Allem, was ich Ihnen gerade offenbart habe... Sie sollen schließlich keinen falschen Eindruck von mir bekommen... "
„Ich bitte Sie... Ich würde nie auf eine solche Weise an Sie denken... Auch wenn Sie mir die interessanten Details so lange vorenthalten haben..." gutmütiger Spott war in seiner Stimme und sie lachte leise.
Dann standen sie auf und er führte sie in den Nebenraum, in dem es auch nach Anschalten des Lichtes noch recht dunkel blieb. Hinter einem breiten Bett cardassianischen Ursprungs glommen einige geometrisch angeordnete, in die Wand eingelassene Lampen in dezenten Farben und beleuchteten einen ansonsten eher sparsam eingerichteten Raum. Sie orientierte sich auf die schon bekannte Art und Weise - bei unbelebten Gegenständen schien sie keinerlei Schwierigkeiten zu haben.
„Was kann ich tun?" fragte er, doch sie deutete nur wortlos auf das Bett. Dorthin zog er sich dann auch zurück und beobachtete still weiter, was sie tat.
„Computer: Lichtintensität um 50% reduzieren!" Hätte es Garak nicht besser gewußt, dann hätte er schwören können, daß sie doch drauf und dran war, ihn zu verführen...
Doch er war sich inzwischen sicher, daß sie keinerlei Gedanken dieser Art hegte und einen Moment bedauerte er dies sogar. Das Geheimnis, das diese Frau umgab, gepaart mit ihrer aparten, zerbrechlichen Schönheit übte einen nicht zu unterschätzenden Reiz auf ihn aus. Doch der Cardassianer verscheuchte diese Gedanken sofort wieder – so etwas würde nur die Konzentration stören!
Aber er mußte sich eingestehen, daß sie ihn mit ihrem überraschenden Geständnis ein wenig überrumpelt hatte – aber es war eine höchst positive, wenn nicht gar erregende Eröffnung gewesen.
Solcherart Zerstreuung gab es für einen cardassianischen Exilanten auf einer bajoranischen Raumstation viel zu selten und diese Junior-Counselor war in der Tat ein überaus angenehmer Anblick und ihre Umgangsformen ließen nichts zu wünschen übrig...
Ein breites Lächeln erschien erneut auf Garaks Gesicht und schon viel entspannter harrte er der Dinge die da kommen sollten...
Sie hielt ihre Augen geschlossen, aber sie bewegte sich sicher in seinen Räumlichkeiten. Gerade so, als ob sie nicht zum ersten Male bei ihm wäre, sondern sich in seinem Schlafzimmer schon sehr zu Hause fühlen würde.
Garak saß noch immer auf der Bettkante, als sie sich ebenfalls auf das Bett setzte: Im Schneidersitz und bequem in die Mitte.
„Sagen Sie, benötigen Sie nicht irgendwelche Artefakte für Ihr Ritual? Kerzen? Statuen? Rauch oder exotische Kräuter?"
Sie schüttelte lächelnd den Kopf.
„Alles, was ich brauche, sind meine Hände und Ruhe." Das klang sehr bestimmt.
Er hätte gerne noch etwas gesagt, aber seine Intuition sagte ihm, daß es angebrachter war, zu schweigen – auch wenn er sicher jede Menge seiner bekannt kurzweiligen Kommentare parat gehabt hätte. Lt. Telh griff noch einem Kissen und legte es neben sich. Wortlos klopfte sie leicht darauf und Garak verstand: Er streckte sich aus und bettete seinen Kopf auf dem bereitgelegten Kissen.
Jetzt konnte er sie gut von unten herauf beobachten und er hatte keine Scheu, es auch zu tun – Zu interessant war, was sie tat.
Sie hob ihre Hände und streckte die Handflächen zur Decke. Ihre Augen waren noch immer geschlossen und als sie ihre Stimme hob, hatte es für ihn den Anschein, als wäre sie kräftiger und tiefer geworden.
„Ich bin Lenia von Tangrim.
Ich öffne mich dem Universum.
Ich will sehen!
Gib mir die Kraft,
damit meine Augen sich öffnen
und mein Leben erfüllt sei.
Das Universum erschließt sich mir
in kleinen Schritten..."
Was folgte, waren Worte in einer Sprache, die Garaks Universaltranslator nicht übersetzte.
Langsam senkte sie ihre Arme und zu seiner Überraschung erkannte der Cardassianer, daß sich die vormals blaßvioletten Male veränderten. Sie leuchteten jetzt tiefdunkel aber das Bemerkenswerteste waren die rankenartigen, violett irisierenden Bahnen, die sich nach und nach über ihre Hände ausbreiteten. Besonders die Fingerspitzen waren bald bedeckt und Garak fragte sich, ob sich das wohl heiß anfühlen würde, wenn es seine Haut berührte. Doch dann lenkte er seine Aufmerksamkeit wieder auf ihre Worte, denn inzwischen war sie wieder zum Föderationsstandard zurückgekehrt. Und nun sprach sie ihn direkt an:
„Nun sei bereit! Elim Garak vom Volk der Cardassianer.
Du sollst der erste sein, den ich sehe, du sollst den Weg bereiten,
um andere deiner Art sehen zu können.
Ich will dich erkennen,
mit der Energie, die mir das Universum verliehen hat,
so wie es meine Mutter und meine Ahnen getan haben,
so wie es die große Ordnung vorsieht.
Habe keine Furcht, Elim Garak, denn ich tue dir kein Leid an.
Begib dich in meine Hände, es soll dein Schaden nicht sein.
Du bist es: Der erste Cardassianer."
Lenia stimmte eine Art unaufdringlichen, leisen Singsang an und er versuchte einige Zeit vergeblich, einzelne Worte zu verstehen, aber merkwürdigerweise konnte er sich schon bald nicht mehr konzentrieren, sondern versank in eine Art angenehmen Dämmerzustand.
Ein letzter klarer Gedanke ließ ihn sich fragen, ob er es so einfach zulassen konnte, die Kontrolle über diese Situation loszulassen, aber er fühlte sich so angenehm. So sicher und geborgen – er verbannte jeden störenden Gedanken aus seinem Bewußtsein und hoffte, daß ihn sein Gefühl nicht trog...
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