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Just a wish and I will cover your shoulders
With veils of silk and gold
When the shadows comes and darkened your heart
Leaving you with regrets so cold
Lost out in the desert
You are lost out in the desert
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Erst als er dem Sandsack den Garaus gemacht hatte, ließ Heero von seinem imaginärem Gegner ab und gönnte sich erschöpft eine Pause.
Das, was er im Moment durchlebte, wiedersprach jeder Erziehung oder Lehre, die er in seinem ganzen leben genossen hatte. Von klein auf hatten seine Mentoren ihm beigebracht, dass die Wissenschaft das Einzige war, was zählte, dass Werte wie Wunder oder Gott nicht existierten. Doch nun, nun hatte diese Verknüpfung zwischen Wissenschaft und Religion stattgefunden. Nachdem die Mission auf der Luna Base komplett schiefgelaufen und Duo verhaftet und getötet worden war, hatte er sich erst an diese neue Situation gewöhnen müssen, doch jetzt war Duo wieder da, stellte alles auf den Kopf mit seiner Aufgabe, die er zu erledigen hatte. Er stellte Heeros Leben auf den Kopf, ließ Normen und Werte verschwinden und brachte somit die Konzentration des japanischen Piloten durcheinander, um ihn dann schließlich die Scherben eben dieser aufsammeln zu lassen.
Nein, Heero konnte erst wieder ein geregeltes Leben führen, wenn der amerikanische Pilot seine Aufgabe erfüllt hatte und in den Himmel, in das Paradies zurückgekehrt war.
Doch warum verursachte dieser Gedanke nur solch eine Leere, solch ein komisches Gefühl in ihm? Er war ein Gundampilot, für ihn gab es nur den Krieg, die Mission, er WAR die Mission! Nur dafür lebte er, er durfte sich nicht mit anderen, unwichtigen Sachen beschäftigen.
Alles wird besser, wenn Duo weg ist, sagte Heero sich selbst und sammelte dann erschöpft seine Trainingssachen auf um sich nach oben in sein Zimmer zu begeben.
Nein, so war es kein Leben. Er durfte die Kontrolle nicht verlieren.
"YUY!"
Heero hielt mitten in der Bewegung inne um sich umzudrehen und Trowa heranlaufen zu sehen.
"Was willst du, Trowa?", fragte er und nahm die Hand von der Türklinke seines Zimmers. Schon auf das Schlimmste gefasst, spannte er seinen Körper an, um dem Heavyarmspiloten zu begegnen, doch der blieb kurz vor ihm stehen und fragte:
"Was hast du mit Quatre gemacht?"
Heero wurde plötzlich hellhörig. Quatre war wieder zusammengebrochen? Hatte Duo die Situation falsch eingeschätzt und Quatre war nicht in der Lage gewesen, mit dem Erscheinen des Geistes umzugehen? Wenn ja, und wenn der blonde Junge das nicht verkraftet hatte, dann müsste Heero die Schuld auf sich nehmen.
"Warum?", fragte er und sah sein Gegenüber ausdruckslos an, schaffte es auch den Blick so zu halten, als plötzlich Duos Form sich hinter Trowa materialisierte und ihn breit angrinste.
Was soll das? Warum findet Duo Gefallen daran, Quatre leiden zu sehen?
"Ich weiß nicht, worüber ihr Beiden gesprochen habt, aber ich bin dir dankbar dafür."
Heeros linke Augenbraue schoss in die Höhe. Das einzige Anzeichen dafür, wie überrascht er war.
"Was...?", begann er und Trowa fuhr beinahe lächelnd fort:
"Quatre hat mich gefragt, ob ich ihm nicht etwas zu essen machen möchte. Er will wieder anfangen.....langsam.....aber er fängt wieder an!"
Heeros Blick glitt zu Duo, der ein Victoryzeichen hochhielt und Heero wie wild angrinste.
"Ich habe es dir doch gesagt, Hee-chan!", gurrte er freudig und natürlich unhörbar für den Heavyarmspiloten und brachte Heeros dazu, seine Mundwinkel in der leichtesten aller Gesten nach oben zu ziehen.
"Das freut mich, Trowa", erwiderte Heero und drehte sich um, in sein Zimmer verschwindend.
"Na, wie habe ich das gemacht?", flötete Duo und bemerkte, dass sein Gegenüber mal wieder so tief in seinen Gedanken versunken war, dass er ihn nicht wahrnahm, geschweige denn die Frage gehört hatte.
Der langhaarige Geist schwebte auf seinen Partner zu und blieb dann direkt vor ihm stehen einen Blick auf das verschlossene Gesicht werfend.
Woran denkst du, Heero? Macht dir die Mission Sorgen oder beschäftigst du dich ausnahmsweise mit deinen Mitmenschen?
"Wie lange bleibst du hier?", fragte Heero plötzlich aus dem Nichts und Duo zuckte leicht zusammen.
"Ich...weiß es nicht. Bis die Mission erledigt ist, nehme ich an. Wieso?"
"Es wäre gut für Quatre, wenn du ihm ein wenig Gesellschaft leisten würdest."
Duo hob erstaunt eine Augenbraue und fragte dann leicht lächelnd:
"Du machst dir Sorgen um Quatre? Was für ein ungewohntes Verhalten, Heero! Du machst Fortschritte!"
Der japanische Pilot starrte sein Gegenüber finster an und erwiderte dann kalt:
"Nein, ich will nur, dass die Mission nicht scheitert, das ist alles."
Damit drehte sich der Wingpilot um und kümmerte sich um seine Mission, die Dr. J ihm und jetzt auch wieder den anderen Piloten aufgetragen hatte, nicht auch nur einen Funken an Beachtung seinem ihm als Geist erschienen Mitpiloten widmend.
Immer noch so kalt, Heero, dachte dieser und ließ den Kopf hängen. Wie kann es auch sein, dass so etwas Unbedeutendes wie mein Tod dich zu verändern vermag? Wie konnte ich mir nur Hoffnungen machen? Wie konnte ich glauben, dass du empfindest? Fühlst?
Duo warf noch einen letzten Blick auf den kalten Jungen vor ihm, um sich dann zu entmaterialisieren und sich zum See zu begeben.
Heero richtete seinen Blick erst auf, als er sicher war, dass der amerikanische Junge das Zimmer verlassen hatte.
All das war zu viel für ihn! Er war absolut überfordert mit dieser Situation. Und das Schlimmste war, dass er nichts, aber auch rein gar nichts dagegen machen konnte. Er konnte nur Duos Aufgabe schnell hinter sich bringen und alles in seinen Normalzustand wieder zurückgehen lassen. Das war die einzige Möglichkeit, die es für ihn gab. Die es für sein an logisches und wissenschaftliches Denken gewöhntes Gehirn gab.
Ich werde die Soldaten so schnell wie möglich umbringen, damit Duo zurückkehren und ich mein Leben wiederhaben kann, das ist es, bestätigte er sich selbst und widmete sich erneut seinem Laptop, dem einzig wichtigen Element in seinem Leben. Nun hatte er zwei Missionen vorzubereiten.
Heero beschloss erst nach sechs Stunden seinem schon beinahe rebellierendem Magen nachzugeben und sich in die Küche zu begeben, um den mittlerweile schmerzenden Hunger zu stillen.
Die Tür zu dem außerordentlich großem Raum schließend ging er geradewegs zum Kühlschrank, suchte sich das schnellste Essen heraus und bereitete sich ein kleines Mahl, während er in Gedanken versunken durch das große Fenster auf den See starrte.
Und sah Duo am Ufer sitzen, die Knie an die Brust hochgezogen, den Kopf darauf gebettet und auf das Wasser starrend.
Obwohl er ein Geist ist, macht er so etwas, dachte Heero und ließ die Gabel sinken, die er gerade zum Mund führen wollte.
Was machen Geister denn sonst?, fragte eine andere Stimme in seinem Kopf und brachte ihn dazu, für einen Moment nachdenklich die Stirn zu runzeln.
Sechzehn Jahre deines Lebens haben nur daraus bestanden, alles Übernatürliche, Unfassbare zurückzuweisen, es zu eliminieren. Und Duo ist jetzt etwas Übernatürliches, doch ihn kannst du nicht eliminieren und das macht dir Angst, wie du sie vorher nie gekannt hast.
Ja, das macht mir Angst, erwiderte Heero. Aber ich bin in der Lage, mit ihr umzugehen. Ich kann sie überwinden und wenn Duo erst dort ist, wo er hin soll, wird alles vorbei sein. Dann brauche ich mir auch keine Gedanken über diese Sache zu machen.
Damit senkte er wieder seinen Kopf und widmete sich seinem Essen, in Gedanken schon die Pläne der Basen durchgehend, die sie bei ihrer Suche nach den Mördern des amerikanischen Piloten infiltrieren mussten.
Er hatte es für einen Zeitraum von zwei Tagen geplant, denn die beiden Stützpunkte lagen nicht gerade nahe beieinander. So hatten sie genug Zeit zu entkommen und sich auf die nächste Basis vorzubereiten, sie zu unterwandern.
Genug Zeit, um mit dem Erlebten fertig zu werden.
Heero stutzte. E wusste nicht, woher der Gedanke gekommen war, doch sein eigener war es nicht. Er brauchte keine Zeit, um damit umzugehen. Er war es gewöhnt, Menschen zu töten.
Und das ohne Gewissen, ohne Verantwortung für das Geschehene. Bedenken kannte er nicht.
Es war später Nachmittag, als Duos Geist wieder erschien und ihn aus seiner Ruhe brachte.
Heero war gerade dabei, die Daten der neuen Mission, die er von Dr. J bekommen hatte, auszuwerten und in einen logischen Zusammenhang zu bringen, als ein Lufthauch über seiner Schulter ihn zusammenfahren und in alter Gewohnheit herumfahren ließ, um seinen Mitpiloten wegzustoßen.
Doch da war nichts. Nichts außer Luft.
Und Duos Geist.
"Was willst du?", knurrte Heero unwillig über die Störung und sein Gegenüber lächelte leicht.
"Mir und dir die Langeweile vertreiben, Heero!", antwortete Duo nonchalant, doch der japanische Pilot schnaubte nur kurz, um sich dann wieder seinem Laptop zuzuwenden.
"Geh und beschäftige dich alleine. Ich habe zu tun!"
Es war still in dem Raum und hätte Heero nicht diesen merkwürdigen Hauch gespürt, hätte er geglaubt, dass Duo ihn verlassen hätte. Doch der Geist stand noch immer hinter ihm, schweigend, wartend.
Ich will, dass er verschwindet, er stört mich in meiner Konzentration, dachte Heero und zog unwillig seine Muskeln zusammen.
Nun musste Duo doch sehen, dass er alleine gelassen werden wollte, oder nicht?
Und dann war der Hauch weg und mit ihm Duo.
Er blieb es auch, sogar am Abend tauchte der langhaarige Amerikaner nicht mehr auf und Heero begann sich zu fragen, ob Duo überhaupt noch wiederkommen würde. Oder war dieses alles wieder nur ein Traum gewesen? Würde er am nächsten Morgen aufwachen und sehen, wie die Realität wirklich war? Dass doch nicht alles gut werden würde, wie der Optimist sagen würde. Dass Quatre immer noch so verzweifelt war, dass er alle Nahrung, die man ihm brachte, verweigerte und sich lieber zu Tode hungerte als zu leben?
Wollte er das erleben?
"Will ich das?", fragte Heero laut und betrachtete sein Gesicht im Badezimmerspiegel, einem kunstvollen, reich verzierten Kristallspiegel, leicht zerbrechlich und absolut unnütz, es sei denn, man legte Wert auf Schönheit.
Duo.....bist du da?, fragte Heero in Gedanken, sprach diese aber nicht laut aus. Nein, eher würde er sich die Zunge abbeißen, als dass er den amerikanischen Piloten quasi um Hilfe rief, wie ein verängstigtes Kind klang.
Nein, er würde es morgen schon sehen, ob er nur geträumt hatte oder nicht.
Mit diesem Gedanken legte Heero sich schlafen, sofort in einen traumlosen, tiefen Schlummer versinkend.
"....Morgen......Hee-chan......."
Heero kräuselte seine Stirn um herauszufinden, was ihn um diese Zeit störte, hatte jedoch wenig Erfolg damit, als sich die seiner Meinung nach penetrante Stimme noch eine Stufe höher schraubte um ihn aus seinem Schlaf zu holen.
Der japanische Soldat öffnete mehr unwillig als alles andere ein stahlblaues Auge und sah sich einem violetten See direkt gegenüber.
Einen Laut der Überraschung ausstoßend öffnete er nun beide Augen und sah, dass Duo, oder besser, die beinahe durchsichtige Form Duos neben ihm und ihm zugewandt auf seinem Bett lag, ihn anlächelte und nun munter fragte:
"Hast du gut geschlafen, Hee-chan? Wo ich doch über dich gewacht habe!"
Heero gab einen kurzen Laut des Unwillens von sich und setze sich dann auf, in der Absicht, ins Bad zu gehen, diesem....Wesen zu entkommen. Doch Duo blieb einfach so liegen, sah zu ihm hoch und sagte ruhig:
"Du kannst auch durch mich hindurchgehen, Heero. Natürlich kannst du mich auch fragen, ob ich aufstehe, du brauchst es aber nicht. Du brauchst keine Rücksicht auf mich zu nehmen."
Mit einem Schnauben stand der japanische Pilot noch im Bett auf und stieg über den langhaarigen Jungen hinweg, erst an der Badtür einen Blick zurückwerfend.
"Und was ist, wenn ich es doch mache?", fragte er und verschwand dann in dem kleinen, aber schön gekachelten Raum.
Duo starrte ihm hinterher. Was hatte die Frage denn gerade bedeutet?
Und auch Heero brauchte einen Moment, um sich wieder in den Griff zu bekommen. Warum habe ich Duo das gerade gefragt?, stieß er imaginär zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Wieso hatte er überhaupt reagiert? Wieso war er bei dem traurigen und verzweifelten Ton in Duos Aussage hellhörig geworden?
Alles Fragen, die ich nicht beantworten werde, beruhigte Heero sich selbst und verschwand für die nächsten fünfzehn Minuten unter einer herrlich warmen und entspannenden Dusche.
Als er sich schließlich wieder dazu im Stande fühlte, der Welt und vor allen Dingen Duo unter die Augen zu treten, betrat er das Schlafzimmer und sah, dass Duo es sich auf der Fensterbank gemütlich gemacht hatte, die violetten Seen nach draußen gerichtet, die violetten Augen ruhig und starr auf einen bestimmten Punkt gerichtet.
Ganz in Gedanken versunken, merkte der ehemalige Deathscythepilot gar nicht, dass Heero schon zurückgekehrt war und ihn nun prüfend musterte.
Hat er Schmerzen?, fragte Heero sich plötzlich, um kurz darauf die Frage beinahe schon zu verfluchen.
Es schert mich nicht, wie es ihm geht, es schert mich nicht, wie es überhaut jemandem geht! Ich kümmere mich nicht um solche Belange, sie sind unwichtig, vollkommen nutzlos, redete er sich selbst ein und schüttelte unwillig den Kopf, um sich dann wieder auf sein Gegenüber zu konzentrieren.
Bald wird er wieder weg sein. Für immer. Dann wird es wieder still und ruhig.
Und einsam.
"Oh, Heero", riss ihn eine weiche Stimme aus seinen Gedanken und Heeros Blick fuhr hoch.
"Ich wusste gar nicht, dass du schon wieder gekommen bist. Warum hast du nichts gesagt?", fragte der langhaarige Junge und sprang in einer unmerklichen Bewegung vom Fenstersims, um sich dann direkt vor den Wingpiloten zu stellen.
"Wir werden heute Nachmittag losfliegen", erwiderte Heero knapp und drehte sich weg, zu seinem Kleiderschrank.
"Heute Nachmittag......? Wohin....?"
Heero seufzte ungeduldig und erwiderte kalt:
"Nach L3, um dort eine der Basen zu infiltrieren, auf denen wir deine Mörder beseitigen!"
Doch als er den Satz ausgesprochen hatte, merkte Heero, dass irgendetwas in seiner Logik, mit der die Sache angegangen war, zerbrach, und das unreparierbar. Duos Mörder.....Duo stand vor ihm....nur für einen gewissen Zeitraum hier, dann auf ewig verschwunden...im Paradies...der Ort, an den er niemals gelangen würde, auch wenn es ihn gäbe.
Duo war tot. Für immer......
Irgendetwas in Heeros Logik sagte ihm, dass das nicht sein dürfe, dass es falsch sei. Doch er unterdrückte diesen Gedanken und wandte sich schließlich wieder um, mit einer Jeans und seinem obligatorischen Tanktop in der Hand.
"Ja, denn wir wollen die Sache schnell hinter uns bringen. Du willst ins Paradies und ich...ich will einfach nur weiterkämpfen!"
Ein violettes Augenpaar starrte ihn erst erschreckt, dann jedoch jedes Gefühl, jeden auch nur ansatzweise kleinsten Funke erstickend, an.
"Natürlich, Heero. Wenn du das sagt", erwiderte Duo und senkte seinen Blick, nicht fähig, diesen kalten, blauen Augen stand zu halten, ihnen direkt zu begegnen.
"Entschuldige mich für eine Weile", flüsterte Duo mehr als dass er es sagte und verschwand dann direkt vor Heeros Augen.
Heero selbst starrte dem langhaarigen Geist ein paar Augenblicke schweigend nach und machte sich dann an seinen Tagesablauf.
Als er dann schließlich völlig fertig aus der Trainingshalle in den Salon kam, musste er feststellen, dass er keineswegs alleine war, wie er es um diese Uhrzeit eigentlich gewohnt war, sondern dass noch zwei weitere Piloten anwesend waren.
Zum einen Trowa, der gerade einen riesigen Weihnachtsbaum schmückte und zum Anderen Quatre, der auf dem überdimensionalen Sofa lag, mit einer Decke um den schmalen Körper gewickelt und dessen Augen vor Freude geradezu Funken sprühten.
Als die Beiden den japanischen Piloten bemerkten, hielten sie für einen Moment inne und sahen ihn an, Quatre mit einem Lächeln auf dem hageren Gesicht und Trowa mit tausend Anzeichen vollster Zufriedenheit in seinen Augen und um seine Mundwinkel.
"Gibt es etwas zu feiern?", fragte Heero, nachdem er ein paar Sekunden fragend auf den Baum gestarrt und doch keine Antwort bekommen hatte.
"Aber natürlich!", erwiderte Quatre und das Lächeln wurde breiter. "In vier Tagen ist Weihnachten! Das müssen wir doch gebührend feiern, oder nicht?"
Heero betrachtete den rot-goldenen Baum eine Weile skeptisch und zuckte dann mit den Schultern.
"Ich muss auf eine Mission."
"Allein?", fragte Trowa erstaunt und der japanische Pilot nickte.
"Ich werde heute noch nach L3 fliegen."
Damit verließ er ohne ein Wort des Abschieds die beiden anderen Piloten und begab sich hinauf in sein Zimmer, eine Dusche nehmend und seine Sachen für die Mission packend. Er durfte keine Zeit verlieren.
"Duo!", rief er ungeduldig, als der amerikanische Pilot sich nicht blicken ließ. "DUO!"
"Ich bin fertig! Wir können fliegen!", antwortete da eine Stimme aus dem Nichts und Duo tauchte plötzlich vor Heero auf, mit seinem stetigen Lächeln auf den Lippen.
Heero nickte und wollte sich gerade schon zur Zimmertür drehen, als ihn noch etwas einfiel.
"Willst du dich nicht von Quatre verabschieden?", fragte er kalt und hörte mehr das überraschte Lufteinziehen als dass er es sah.
"Seit wann machst du die Gedanken über die Gefühle anderer? Du hast dich doch nie dafür interessiert, also wieso jetzt?", fragte Duo überrascht und Heero zuckte mit den Schultern.
"Ich habe bloß gefragt. Wenn du möchtest, können wir auch sofort fliegen!"
Es dauerte einen Moment bevor Duo nickte.
"Ich habe mich schon verabschiedet....", hauchte er fast unhörbar und senkte den Blick, nicht länger fähig, in diese kalten blauen Augen zu sehen, ihnen Stand zu halten.
Heero erwiderte nichts, sondern starrte sein Gegenüber einfach nur an, schweigend, stumm. Dann wandte er sich um und verließ den Raum, genau wissend, dass Duo schon im Gleiter auf ihn warten würde.
Doch während er durch das stumme große Haus ging, kreisten seine Gedanken einzig und allein um Duos letzten Satz.
Es stimmte doch, dass Duo so schnell wie möglich in den Himmel, in das Paradies, den Ort, an den er nie gelangen würde, kommen wollte.
Oder?
Es war doch richtig, dass er selbst so schnell wie möglich wieder allein sein wollte, für sich, ungestört.
Oder?
Die beiden Tatsachen in Gedanken zu einer Gleichung umformend, seufzte Heero leise. Ja, das war richtig. Wie zwei verschiedene Variablen ergänzten sie sich, schlossen aufeinander, ließen kein anderes Ergebnis zu. Wenn Duo wieder dort war, wo er eigentlich hin sollte, würde Heero wieder allein sein, würde ungestört seine Missionen erledigen können. Und wenn Heero ungestört war, würde Duo wieder im Himmel sein, fern ab von all diesem hier.
Es gab keine andere Lösung, denn wenn eine der Variablen nicht so lautete, wenn sie abwich, wäre die Gleichung zerstört, unbrauchbar, man müsste sie neu formen.
Aber das würde nicht passieren.
Als Heero den Gleiter betrat, bemerkte er, dass er recht gehabt hatte, denn Duo saß bereits auf dem rechten Sitz und starrte leeren Blickes nach draußen.
Und so verbrachten sie ihren ganzen Flug, drei Stunden lang, sie redeten nicht, sahen nur. Doch sie sahen sich nicht an, ihre Blicke verloren sich in den unendlichen Weiten des Alls, wurden von diesen verschluckt und für unwichtig erklärt.
Und schließlich dockte der Gleiter an und Heero stieg aus, schützte seine Augen mit einer Sonnenbrille gegen das starke Licht, das ihn auf dieser Kolonie empfing.
Die gesuchte Basis war in etwa dreißig Minuten von ihnen im freien Feld, eine ideale Lage.
Sich einen der Gleiter mietend, flog Heero hinaus, landete schließlich auf dem Basiseigenen Flugplatz und meldete sich ganz offiziell als neu rekrutierter Soldat an.
Einen Gedanken an die Vorbereitungen richtend, die er bezüglich dieser Methode getroffen hatte, betrat Heero das Heiligtum ohne sich auch nur verstecken zu müssen, ohne seinen Gundam benutzen zu müssen.
"Meinst du, sie haben auch Geisterdetektoren?", fragte Duo und brachte Heeros Mundwinkel damit unwillkürlich dazu, sich nach oben zu kräuseln.
"Vermutlich nicht", erwiderte er fast unhörbar und setzte dann seinen Weg zu seinem neuen Quartier fort.
Gegen Nachmittag würde er den Offizier ausfindig machen, der Duo das angetan hatte und dann seine Mission erfüllen, um dann schließlich zur nächsten Basis zu fliegen und die übrig bleibenden drei Soldaten zu töten.
Die Stunden verflogen nur so.
Heero verbrachte den gesamten Mittag damit, die Ortschaften genauestens auszukundschaften, sich jeden Schlupfwinkel und jeden Luftschacht einzuprägen. Und hinter ihm, das wusste er, war Duo, omnipräsent und doch nur für ihn sichtbar.
Was Heero jedoch auffiel und auch zum gewissen Teil verwunderte, war, dass der amerikanische Pilot in den letzten Stunden seltsam still geworden war, nicht einen Ton gesagt hatte. Nicht, dass es ihn störte, ganz im Gegenteil. Diese Ruhe war erträglich und entspannend, insofern man bei solch einer Mission von Entspannung reden konnte.
Und je näher sie dem Zeitpunkt rückten, den Heero festgesetzt hatte, desto stiller schien auch ihre Umgebung zu werden, selbst die Zeit schien einzufrieren oder zumindest sich zu verlangsamen.
Doch dann war es soweit.
Der japanische Pilot schlich sich zu den Quartieren der Offiziere und stoppte vor der Tür seines Opfers, sich plötzlich der Abwesenheit Duos Geistes bewusst werdend.
"Duo?", zischte er leise, erhielt jedoch keine Antwort, so versuchte er es noch einmal, jedoch intensiver, worauf der amerikanische Junge tatsächlich erschien und den Blick senkte, als er Heeros auf sich spürte.
"Es...tut mir leid....ich war in Gedanken...."
Heero akzeptierte diese Aussage mit einem stummen Nicken und knackte dann mit einem geübten Griff den Quartiercode des Mannes, um sich Sekunden später in einem luxuriös eingerichteten Raum wiederzufinden.
Durch Aufzeichnungen der Überwachungskameras, die überall auf der Basis angebracht waren, wusste der japanische Soldat, dass sich sein Ziel gerade im Bad befand, sich duschte, fertig machte für eine Verabredung.
Eine Verabredung, die er nie wahr nehmen wird, dachte Heero mit plötzlicher Genugtuung und lächelte grausam in sich hinein.
Das Spiel konnte beginnen.
Lautlos wie eine große Raubkatze pirschte sich der Wingpilot an das besagte Zimmer heran, nahm alle Geräusche, die daraus kamen, in sich auf und verwertete sie mit kalten Kalkül, eine Eigenschaft, die ihm schon so oft das Leben gerettet hatte.
Leise stieß er die Tür auf und zielte mit seiner Waffe direkt in den Raum und, wie er eine Sekunde später feststellte, mitten auf die Brust des erschreckten Mannes.
"Was soll das?", fragte der misstrauisch und zog, offensichtlich keine Angst habend, verärgert die Brauen zusammen, empört über den Einbruch in sein Privatreich.
Heero lächelte wiederum grausam.
"Die Rache für Pilot 02", erwiderte er und richtete die schalldämpferbesetzte Waffe auf den Offizier, dessen Blick zuerst Unglauben füllte, sich dann auf die stahlblauen Augen richtete und schließlich einen amüsierten Ausdruck annahm.
"02?", fragte er spöttisch und lachte. "Lebt er noch? Wie schön!"
Heero wollte gerade schon den Kopf schütteln, als der Soldat mit dunklen, funkelnden Augen fortfuhr:
"Er hat es GELIEBT! Er hat nach mehr geschrieen, als ich ihn wieder und wieder gefoltert habe. Er WOLLTE es so! Er hat sich HINGEGEBEN!"
Heero brauchte die unsichtbare Gestalt hinter sich nicht anzusehen um zu wissen, wie geschockt und entsetzt der amerikanische Pilot war.
"So, hat er das?", fragte Heero ruhig und seine Lippen kräuselten sich nach oben, während er die Waffe wieder in die Halterung steckte und sein Gegenüber für einen Moment stumm betrachtete.
"Heero?! Was tust du? Was soll das? Du....glaubst ihm doch etwa nicht....oder? Du.....du wirst doch nicht......?", flüsterte Duo fassungslos und ein Wimmern entkam seinen Lippen.
"Nein, Duo. Das tue ich nicht", entgegnete der japanische Pilot sicher und ignorierte den fragenden Gesichtsausdruck des Offiziers. "Ich sorge nur dafür, dass er seine gerechte Strafe bekommt...."
Damit war Heero mit einem Satz bei seinem Gegner und rächte Duo, nur mit Hilfe seiner eigenen Körperkraft, mit den Schlägen, die er austeilte.
Er vollzog langsame, grausame Rache an dem Monster, das Duo so etwas Schreckliches angetan hatte.
Die Hände wieder schneeweiß, bediente Heero die Landeautomatik des Gleiters, der sie nach L4 brachte.
"Duo!", sagte er ruhig, aber bestimmt und wartete einen Moment, bevor er den Namen seines toten Mitpiloten noch einmal lauter und eindringlicher wiederholte.
Seit er den Offizier umgebracht hatte, seit sie geflohen waren, war Duo verschwunden. Zuerst jedoch hatte er Heero einen vollkommen verzweifelten und schmerzerfüllten Blick zugeworfen, was den Wingpiloten- auch wenn er es nicht zugab- doch berührte. Wie sonst sollte er sich diesen heftigen Stich in seiner Brust erklären, als er die Worte des Offiziers gehört hatte? Wie sonst sollte er seinen plötzlichen Hass auf dieses Monster rechtfertigen, der so abrupt sein klares Denken vernebelt hatte.
"Was ist?"
Diese leise Frage schreckte Heero aus seinen Gedankengängen und ließ seinen Kopf ruckartig herumfahren, nur um einen traurigen Duo vor sich zu sehen, der nun ob der Intensität in Heeros Blick den Seinen senkte.
"Sollen wir die nächste Mission verschieben?"
Duo sah überrascht auf und gab einen fragenden Laut von sich. Doch mit seiner Verwirrung war er nicht der Einzige. Heero selbst wunderte sich über die Frage, die er gerade ausgesprochen hatte, wollte er doch den Deathscythepiloten wegen etwas ganz Anderem gesprochen haben. Doch nun war sie gestellt und er konnte nichts mehr dagegen machen.
"Nein.....", antwortete der langhaarige Junge zögernd. "Es...es geht schon.......ich komme damit klar......"
"Duo", bemerkte Heero fest und blickte seinem Gegenüber geradewegs in die Augen. "Du MUSST das nicht machen! Du brauchst dir das nicht anzutun! Ich werde den Auftrag für dich erledigen!"
"Aber....aber...."
Der japanische Pilot schüttelte entschlossen den Kopf.
"Ich werde es für dich erledigen, damit du ins Paradies kannst. Du brauchst dich nicht auch noch mit diesen Scheußlichkeiten abzugeben!"
Für einen Moment schien die durchscheinende Gestalt noch mehr von ihrer Konsistenz zu verlieren doch dann materialisierte sie sich wieder und der amerikanische Pilot sah seinem Gegenüber direkt in die Augen.
"Danke, Heero", erwiderte er simpel und verschwand.
Die drei übrigbleibenden Männer erledigte Heero zwar mit einer gewissen Wut, jedoch auch mit dem dazu nötigen Kalkül. Anders als bei dem ersten Offizier sagte er ihnen nicht, in wessen Auftrag er kam, nein, er brachte sie einfach um. Kalt, ohne Reue, gerecht.
Duo war nicht dabei, wie Heero es ihm vorgeschlagen hatte. Und schließlich, als Heero den letzten der Männer erledigt hatte, stand er für einen Moment in dem Raum, die Leiche des Mannes zu seinen Füßen und fragte sich, ob Duo jetzt weg war.
Gegangen.
Für immer.
Ohne Rückkehr.
Die Mission war beendet, also war Duo auch nicht mehr auf der Erde.
Und er hatte sich nicht verabschiedet.
Heero spürte, wie dieser Gedanke einen Stich in seiner Brust auslöste, den er nicht für möglich gehalten hätte. Sein Verstand sagte ihm, dass es unnötig sei, sich darüber Gedanken zu machen. Duo war erlöst und nun konnte das Leben seinen gewohnten Gang weiter gehen. Nun hatte er seine Ruhe.
Den Weg aus der Basis fand Heero ohne Probleme, doch wie genau er in den Gleiter kam, das konnte er nicht sagen. Seine Gedanken kreisten wieder und wieder um den langhaarigen Jungen und die tiefe Verzweiflung, die ihm sicherlich ins Gesicht geschrieben stand, als der Offizier ihm solche Abscheulichkeiten vorgeworfen hatte.
Und zum ersten Mal begriff er, welch ein Opfer der Deathscythepilot mit seinem Tod gebracht hatte. Welch ein Opfer, nur um Menschen zu retten, die er erst ein Jahr gekannt hatte.
Doch genau dieser Gedanke war es, der Heero sich hilflos fühlen ließ, der in ihm ein schwarzes Loch ausbreitete. Ein schwarzes Loch aus emotionaler Leere und Kälte.
Heero flog nach L2 zurück, zum Gut der Winners.
Angekommen, wollte er sofort in sein Zimmer gehen, um die weitere, die nun folgende Mission, vorzubereiten, wurde jedoch von Trowa aufgehalten, der aus dem Salon kam und ihn fragend ansah.
Schon wieder da?", fragte er überrascht und Heero nickte stumm. "War die Mission erfolgreich?"
Ja, das war sie.
Duo ist weg.
Heero nickte stumm und drehte sich weg, nur um im nächsten Moment von einer unnachgiebigen Hand festgehalten zu werden. Schon beinahe erschrocken über diesen unerwünschten Hautkontakt fuhr er herum und starrte sein Gegenüber kalt an. Ein Blick, eine Warnung.
"Komm bitte mit zu Quatre. Er hat schon nach dir gefragt", sagte Trowa leise, deutliches Unverständnis in seiner Stimme und Heero nickte langsam. Er kannte die Frage, die der blonde Araber ihm stellen würde.
Heero folgte Trowa schließlich in den Salon und sah Quatre, der mit einer karierten Wolldecke über den Beinen auf dem Sofa lag und auf dem Vid-Screen Cartoons anschaute.
So wie es der japanische Pilot jetzt bemerkte, ging es dem zierlichen Jungen schon ein bisschen besser, so weit man davon in einer solch kurzen Zeitspanne sprechen konnte. Was Heero auch auffiel war das Lachen, das wieder auf seinem Gesicht lag.
Was hat Duo mit ihm besprochen, dass er den Sandrockpiloten so aufbauen konnte?, fragte Heero sich unwillkürlich, schüttelte dann aber den lästigen Gedanken ab und räusperte sich leise, woraufhin der blonde Schopf zu ihm herumfuhr große, blau-grüne Augen ihn überrascht und dann mit einem Hauch von Traurigkeit überzogen ansahen.
"Hallo Heero!", grüßte Quatre leise und schaltete das Programm aus. "Setz dich doch, ich wollte dich etwas fragen."
Der Wingpilot nickte und zog sich einen der kostbaren, aus Mahagoniholz geschnitzten Stühle heran.
"Trowa, würdest du uns wohl eben einen kleinen Moment allein lassen?", fragte der blonde Araber leise und sein Partner nickte stumm, bevor er der Bitte Folge leistete.
Alleine mit dem Wingpiloten seufzte Quatre leise, bevor er sich direkt an Heero wandte und fragte:
"War die Mission erfolgreich?"
Der japanische Junge nickte still.
"Also.....also ist Duo weg......", flüsterte Quatre und Heero nickte wiederum.
"Er ist nun dort, wo er sein sollte. Im Paradies. Wir sollten ihn ruhen lassen."
Mit diesem Satz stand Heero auf und wollte sich gerade schon umdrehen, als Quatre leise, aber doch bestimmt erwiderte:
"Er ist für dich gestorben, Heero."
Als der Wingpilot keine Reaktion zeigte, fuhr er weiter fort:
"Sie wollten Informationen über dich haben, Heero. Sie haben ihn wegen dir gefoltert. Doch er hat nichts preisgegeben. Er hat sich um deinetwillen geopfert. Er wurde wegen dir so lange gefoltert, bis er an den Schmerzen, an dem Schock gestorben ist."
Damit wandte Quatre seinen Blick ab und dem Fenster zu, das Zeichen, dass er alleine sein wollte. Und auch Heero folgte der Bitte und verließ den Salon des oberen Stockwerkes, um sich in die abgeschiedene Stille seines Zimmers zu begeben.
Duo ist wegen mir gestorben?
Er hat mich beschützt?
Ich bin Schuld an seinem Tod?
Warum?
Warum hat er mich nicht einfach verraten?
Und warum spüre ich diesen gewaltigen Schmerz in mir, der mich bei diesem Gedanken schier zerreißen will?
Warum fühle ich überhaupt etwas?
Just a wish and I will cover your shoulders
With veils of silk and gold
When the shadows comes and darkened your heart
Leaving you with regrets so cold
Lost out in the desert
You are lost out in the desert
~~~~~~*****~~~~~~~
Erst als er dem Sandsack den Garaus gemacht hatte, ließ Heero von seinem imaginärem Gegner ab und gönnte sich erschöpft eine Pause.
Das, was er im Moment durchlebte, wiedersprach jeder Erziehung oder Lehre, die er in seinem ganzen leben genossen hatte. Von klein auf hatten seine Mentoren ihm beigebracht, dass die Wissenschaft das Einzige war, was zählte, dass Werte wie Wunder oder Gott nicht existierten. Doch nun, nun hatte diese Verknüpfung zwischen Wissenschaft und Religion stattgefunden. Nachdem die Mission auf der Luna Base komplett schiefgelaufen und Duo verhaftet und getötet worden war, hatte er sich erst an diese neue Situation gewöhnen müssen, doch jetzt war Duo wieder da, stellte alles auf den Kopf mit seiner Aufgabe, die er zu erledigen hatte. Er stellte Heeros Leben auf den Kopf, ließ Normen und Werte verschwinden und brachte somit die Konzentration des japanischen Piloten durcheinander, um ihn dann schließlich die Scherben eben dieser aufsammeln zu lassen.
Nein, Heero konnte erst wieder ein geregeltes Leben führen, wenn der amerikanische Pilot seine Aufgabe erfüllt hatte und in den Himmel, in das Paradies zurückgekehrt war.
Doch warum verursachte dieser Gedanke nur solch eine Leere, solch ein komisches Gefühl in ihm? Er war ein Gundampilot, für ihn gab es nur den Krieg, die Mission, er WAR die Mission! Nur dafür lebte er, er durfte sich nicht mit anderen, unwichtigen Sachen beschäftigen.
Alles wird besser, wenn Duo weg ist, sagte Heero sich selbst und sammelte dann erschöpft seine Trainingssachen auf um sich nach oben in sein Zimmer zu begeben.
Nein, so war es kein Leben. Er durfte die Kontrolle nicht verlieren.
"YUY!"
Heero hielt mitten in der Bewegung inne um sich umzudrehen und Trowa heranlaufen zu sehen.
"Was willst du, Trowa?", fragte er und nahm die Hand von der Türklinke seines Zimmers. Schon auf das Schlimmste gefasst, spannte er seinen Körper an, um dem Heavyarmspiloten zu begegnen, doch der blieb kurz vor ihm stehen und fragte:
"Was hast du mit Quatre gemacht?"
Heero wurde plötzlich hellhörig. Quatre war wieder zusammengebrochen? Hatte Duo die Situation falsch eingeschätzt und Quatre war nicht in der Lage gewesen, mit dem Erscheinen des Geistes umzugehen? Wenn ja, und wenn der blonde Junge das nicht verkraftet hatte, dann müsste Heero die Schuld auf sich nehmen.
"Warum?", fragte er und sah sein Gegenüber ausdruckslos an, schaffte es auch den Blick so zu halten, als plötzlich Duos Form sich hinter Trowa materialisierte und ihn breit angrinste.
Was soll das? Warum findet Duo Gefallen daran, Quatre leiden zu sehen?
"Ich weiß nicht, worüber ihr Beiden gesprochen habt, aber ich bin dir dankbar dafür."
Heeros linke Augenbraue schoss in die Höhe. Das einzige Anzeichen dafür, wie überrascht er war.
"Was...?", begann er und Trowa fuhr beinahe lächelnd fort:
"Quatre hat mich gefragt, ob ich ihm nicht etwas zu essen machen möchte. Er will wieder anfangen.....langsam.....aber er fängt wieder an!"
Heeros Blick glitt zu Duo, der ein Victoryzeichen hochhielt und Heero wie wild angrinste.
"Ich habe es dir doch gesagt, Hee-chan!", gurrte er freudig und natürlich unhörbar für den Heavyarmspiloten und brachte Heeros dazu, seine Mundwinkel in der leichtesten aller Gesten nach oben zu ziehen.
"Das freut mich, Trowa", erwiderte Heero und drehte sich um, in sein Zimmer verschwindend.
"Na, wie habe ich das gemacht?", flötete Duo und bemerkte, dass sein Gegenüber mal wieder so tief in seinen Gedanken versunken war, dass er ihn nicht wahrnahm, geschweige denn die Frage gehört hatte.
Der langhaarige Geist schwebte auf seinen Partner zu und blieb dann direkt vor ihm stehen einen Blick auf das verschlossene Gesicht werfend.
Woran denkst du, Heero? Macht dir die Mission Sorgen oder beschäftigst du dich ausnahmsweise mit deinen Mitmenschen?
"Wie lange bleibst du hier?", fragte Heero plötzlich aus dem Nichts und Duo zuckte leicht zusammen.
"Ich...weiß es nicht. Bis die Mission erledigt ist, nehme ich an. Wieso?"
"Es wäre gut für Quatre, wenn du ihm ein wenig Gesellschaft leisten würdest."
Duo hob erstaunt eine Augenbraue und fragte dann leicht lächelnd:
"Du machst dir Sorgen um Quatre? Was für ein ungewohntes Verhalten, Heero! Du machst Fortschritte!"
Der japanische Pilot starrte sein Gegenüber finster an und erwiderte dann kalt:
"Nein, ich will nur, dass die Mission nicht scheitert, das ist alles."
Damit drehte sich der Wingpilot um und kümmerte sich um seine Mission, die Dr. J ihm und jetzt auch wieder den anderen Piloten aufgetragen hatte, nicht auch nur einen Funken an Beachtung seinem ihm als Geist erschienen Mitpiloten widmend.
Immer noch so kalt, Heero, dachte dieser und ließ den Kopf hängen. Wie kann es auch sein, dass so etwas Unbedeutendes wie mein Tod dich zu verändern vermag? Wie konnte ich mir nur Hoffnungen machen? Wie konnte ich glauben, dass du empfindest? Fühlst?
Duo warf noch einen letzten Blick auf den kalten Jungen vor ihm, um sich dann zu entmaterialisieren und sich zum See zu begeben.
Heero richtete seinen Blick erst auf, als er sicher war, dass der amerikanische Junge das Zimmer verlassen hatte.
All das war zu viel für ihn! Er war absolut überfordert mit dieser Situation. Und das Schlimmste war, dass er nichts, aber auch rein gar nichts dagegen machen konnte. Er konnte nur Duos Aufgabe schnell hinter sich bringen und alles in seinen Normalzustand wieder zurückgehen lassen. Das war die einzige Möglichkeit, die es für ihn gab. Die es für sein an logisches und wissenschaftliches Denken gewöhntes Gehirn gab.
Ich werde die Soldaten so schnell wie möglich umbringen, damit Duo zurückkehren und ich mein Leben wiederhaben kann, das ist es, bestätigte er sich selbst und widmete sich erneut seinem Laptop, dem einzig wichtigen Element in seinem Leben. Nun hatte er zwei Missionen vorzubereiten.
Heero beschloss erst nach sechs Stunden seinem schon beinahe rebellierendem Magen nachzugeben und sich in die Küche zu begeben, um den mittlerweile schmerzenden Hunger zu stillen.
Die Tür zu dem außerordentlich großem Raum schließend ging er geradewegs zum Kühlschrank, suchte sich das schnellste Essen heraus und bereitete sich ein kleines Mahl, während er in Gedanken versunken durch das große Fenster auf den See starrte.
Und sah Duo am Ufer sitzen, die Knie an die Brust hochgezogen, den Kopf darauf gebettet und auf das Wasser starrend.
Obwohl er ein Geist ist, macht er so etwas, dachte Heero und ließ die Gabel sinken, die er gerade zum Mund führen wollte.
Was machen Geister denn sonst?, fragte eine andere Stimme in seinem Kopf und brachte ihn dazu, für einen Moment nachdenklich die Stirn zu runzeln.
Sechzehn Jahre deines Lebens haben nur daraus bestanden, alles Übernatürliche, Unfassbare zurückzuweisen, es zu eliminieren. Und Duo ist jetzt etwas Übernatürliches, doch ihn kannst du nicht eliminieren und das macht dir Angst, wie du sie vorher nie gekannt hast.
Ja, das macht mir Angst, erwiderte Heero. Aber ich bin in der Lage, mit ihr umzugehen. Ich kann sie überwinden und wenn Duo erst dort ist, wo er hin soll, wird alles vorbei sein. Dann brauche ich mir auch keine Gedanken über diese Sache zu machen.
Damit senkte er wieder seinen Kopf und widmete sich seinem Essen, in Gedanken schon die Pläne der Basen durchgehend, die sie bei ihrer Suche nach den Mördern des amerikanischen Piloten infiltrieren mussten.
Er hatte es für einen Zeitraum von zwei Tagen geplant, denn die beiden Stützpunkte lagen nicht gerade nahe beieinander. So hatten sie genug Zeit zu entkommen und sich auf die nächste Basis vorzubereiten, sie zu unterwandern.
Genug Zeit, um mit dem Erlebten fertig zu werden.
Heero stutzte. E wusste nicht, woher der Gedanke gekommen war, doch sein eigener war es nicht. Er brauchte keine Zeit, um damit umzugehen. Er war es gewöhnt, Menschen zu töten.
Und das ohne Gewissen, ohne Verantwortung für das Geschehene. Bedenken kannte er nicht.
Es war später Nachmittag, als Duos Geist wieder erschien und ihn aus seiner Ruhe brachte.
Heero war gerade dabei, die Daten der neuen Mission, die er von Dr. J bekommen hatte, auszuwerten und in einen logischen Zusammenhang zu bringen, als ein Lufthauch über seiner Schulter ihn zusammenfahren und in alter Gewohnheit herumfahren ließ, um seinen Mitpiloten wegzustoßen.
Doch da war nichts. Nichts außer Luft.
Und Duos Geist.
"Was willst du?", knurrte Heero unwillig über die Störung und sein Gegenüber lächelte leicht.
"Mir und dir die Langeweile vertreiben, Heero!", antwortete Duo nonchalant, doch der japanische Pilot schnaubte nur kurz, um sich dann wieder seinem Laptop zuzuwenden.
"Geh und beschäftige dich alleine. Ich habe zu tun!"
Es war still in dem Raum und hätte Heero nicht diesen merkwürdigen Hauch gespürt, hätte er geglaubt, dass Duo ihn verlassen hätte. Doch der Geist stand noch immer hinter ihm, schweigend, wartend.
Ich will, dass er verschwindet, er stört mich in meiner Konzentration, dachte Heero und zog unwillig seine Muskeln zusammen.
Nun musste Duo doch sehen, dass er alleine gelassen werden wollte, oder nicht?
Und dann war der Hauch weg und mit ihm Duo.
Er blieb es auch, sogar am Abend tauchte der langhaarige Amerikaner nicht mehr auf und Heero begann sich zu fragen, ob Duo überhaupt noch wiederkommen würde. Oder war dieses alles wieder nur ein Traum gewesen? Würde er am nächsten Morgen aufwachen und sehen, wie die Realität wirklich war? Dass doch nicht alles gut werden würde, wie der Optimist sagen würde. Dass Quatre immer noch so verzweifelt war, dass er alle Nahrung, die man ihm brachte, verweigerte und sich lieber zu Tode hungerte als zu leben?
Wollte er das erleben?
"Will ich das?", fragte Heero laut und betrachtete sein Gesicht im Badezimmerspiegel, einem kunstvollen, reich verzierten Kristallspiegel, leicht zerbrechlich und absolut unnütz, es sei denn, man legte Wert auf Schönheit.
Duo.....bist du da?, fragte Heero in Gedanken, sprach diese aber nicht laut aus. Nein, eher würde er sich die Zunge abbeißen, als dass er den amerikanischen Piloten quasi um Hilfe rief, wie ein verängstigtes Kind klang.
Nein, er würde es morgen schon sehen, ob er nur geträumt hatte oder nicht.
Mit diesem Gedanken legte Heero sich schlafen, sofort in einen traumlosen, tiefen Schlummer versinkend.
"....Morgen......Hee-chan......."
Heero kräuselte seine Stirn um herauszufinden, was ihn um diese Zeit störte, hatte jedoch wenig Erfolg damit, als sich die seiner Meinung nach penetrante Stimme noch eine Stufe höher schraubte um ihn aus seinem Schlaf zu holen.
Der japanische Soldat öffnete mehr unwillig als alles andere ein stahlblaues Auge und sah sich einem violetten See direkt gegenüber.
Einen Laut der Überraschung ausstoßend öffnete er nun beide Augen und sah, dass Duo, oder besser, die beinahe durchsichtige Form Duos neben ihm und ihm zugewandt auf seinem Bett lag, ihn anlächelte und nun munter fragte:
"Hast du gut geschlafen, Hee-chan? Wo ich doch über dich gewacht habe!"
Heero gab einen kurzen Laut des Unwillens von sich und setze sich dann auf, in der Absicht, ins Bad zu gehen, diesem....Wesen zu entkommen. Doch Duo blieb einfach so liegen, sah zu ihm hoch und sagte ruhig:
"Du kannst auch durch mich hindurchgehen, Heero. Natürlich kannst du mich auch fragen, ob ich aufstehe, du brauchst es aber nicht. Du brauchst keine Rücksicht auf mich zu nehmen."
Mit einem Schnauben stand der japanische Pilot noch im Bett auf und stieg über den langhaarigen Jungen hinweg, erst an der Badtür einen Blick zurückwerfend.
"Und was ist, wenn ich es doch mache?", fragte er und verschwand dann in dem kleinen, aber schön gekachelten Raum.
Duo starrte ihm hinterher. Was hatte die Frage denn gerade bedeutet?
Und auch Heero brauchte einen Moment, um sich wieder in den Griff zu bekommen. Warum habe ich Duo das gerade gefragt?, stieß er imaginär zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Wieso hatte er überhaupt reagiert? Wieso war er bei dem traurigen und verzweifelten Ton in Duos Aussage hellhörig geworden?
Alles Fragen, die ich nicht beantworten werde, beruhigte Heero sich selbst und verschwand für die nächsten fünfzehn Minuten unter einer herrlich warmen und entspannenden Dusche.
Als er sich schließlich wieder dazu im Stande fühlte, der Welt und vor allen Dingen Duo unter die Augen zu treten, betrat er das Schlafzimmer und sah, dass Duo es sich auf der Fensterbank gemütlich gemacht hatte, die violetten Seen nach draußen gerichtet, die violetten Augen ruhig und starr auf einen bestimmten Punkt gerichtet.
Ganz in Gedanken versunken, merkte der ehemalige Deathscythepilot gar nicht, dass Heero schon zurückgekehrt war und ihn nun prüfend musterte.
Hat er Schmerzen?, fragte Heero sich plötzlich, um kurz darauf die Frage beinahe schon zu verfluchen.
Es schert mich nicht, wie es ihm geht, es schert mich nicht, wie es überhaut jemandem geht! Ich kümmere mich nicht um solche Belange, sie sind unwichtig, vollkommen nutzlos, redete er sich selbst ein und schüttelte unwillig den Kopf, um sich dann wieder auf sein Gegenüber zu konzentrieren.
Bald wird er wieder weg sein. Für immer. Dann wird es wieder still und ruhig.
Und einsam.
"Oh, Heero", riss ihn eine weiche Stimme aus seinen Gedanken und Heeros Blick fuhr hoch.
"Ich wusste gar nicht, dass du schon wieder gekommen bist. Warum hast du nichts gesagt?", fragte der langhaarige Junge und sprang in einer unmerklichen Bewegung vom Fenstersims, um sich dann direkt vor den Wingpiloten zu stellen.
"Wir werden heute Nachmittag losfliegen", erwiderte Heero knapp und drehte sich weg, zu seinem Kleiderschrank.
"Heute Nachmittag......? Wohin....?"
Heero seufzte ungeduldig und erwiderte kalt:
"Nach L3, um dort eine der Basen zu infiltrieren, auf denen wir deine Mörder beseitigen!"
Doch als er den Satz ausgesprochen hatte, merkte Heero, dass irgendetwas in seiner Logik, mit der die Sache angegangen war, zerbrach, und das unreparierbar. Duos Mörder.....Duo stand vor ihm....nur für einen gewissen Zeitraum hier, dann auf ewig verschwunden...im Paradies...der Ort, an den er niemals gelangen würde, auch wenn es ihn gäbe.
Duo war tot. Für immer......
Irgendetwas in Heeros Logik sagte ihm, dass das nicht sein dürfe, dass es falsch sei. Doch er unterdrückte diesen Gedanken und wandte sich schließlich wieder um, mit einer Jeans und seinem obligatorischen Tanktop in der Hand.
"Ja, denn wir wollen die Sache schnell hinter uns bringen. Du willst ins Paradies und ich...ich will einfach nur weiterkämpfen!"
Ein violettes Augenpaar starrte ihn erst erschreckt, dann jedoch jedes Gefühl, jeden auch nur ansatzweise kleinsten Funke erstickend, an.
"Natürlich, Heero. Wenn du das sagt", erwiderte Duo und senkte seinen Blick, nicht fähig, diesen kalten, blauen Augen stand zu halten, ihnen direkt zu begegnen.
"Entschuldige mich für eine Weile", flüsterte Duo mehr als dass er es sagte und verschwand dann direkt vor Heeros Augen.
Heero selbst starrte dem langhaarigen Geist ein paar Augenblicke schweigend nach und machte sich dann an seinen Tagesablauf.
Als er dann schließlich völlig fertig aus der Trainingshalle in den Salon kam, musste er feststellen, dass er keineswegs alleine war, wie er es um diese Uhrzeit eigentlich gewohnt war, sondern dass noch zwei weitere Piloten anwesend waren.
Zum einen Trowa, der gerade einen riesigen Weihnachtsbaum schmückte und zum Anderen Quatre, der auf dem überdimensionalen Sofa lag, mit einer Decke um den schmalen Körper gewickelt und dessen Augen vor Freude geradezu Funken sprühten.
Als die Beiden den japanischen Piloten bemerkten, hielten sie für einen Moment inne und sahen ihn an, Quatre mit einem Lächeln auf dem hageren Gesicht und Trowa mit tausend Anzeichen vollster Zufriedenheit in seinen Augen und um seine Mundwinkel.
"Gibt es etwas zu feiern?", fragte Heero, nachdem er ein paar Sekunden fragend auf den Baum gestarrt und doch keine Antwort bekommen hatte.
"Aber natürlich!", erwiderte Quatre und das Lächeln wurde breiter. "In vier Tagen ist Weihnachten! Das müssen wir doch gebührend feiern, oder nicht?"
Heero betrachtete den rot-goldenen Baum eine Weile skeptisch und zuckte dann mit den Schultern.
"Ich muss auf eine Mission."
"Allein?", fragte Trowa erstaunt und der japanische Pilot nickte.
"Ich werde heute noch nach L3 fliegen."
Damit verließ er ohne ein Wort des Abschieds die beiden anderen Piloten und begab sich hinauf in sein Zimmer, eine Dusche nehmend und seine Sachen für die Mission packend. Er durfte keine Zeit verlieren.
"Duo!", rief er ungeduldig, als der amerikanische Pilot sich nicht blicken ließ. "DUO!"
"Ich bin fertig! Wir können fliegen!", antwortete da eine Stimme aus dem Nichts und Duo tauchte plötzlich vor Heero auf, mit seinem stetigen Lächeln auf den Lippen.
Heero nickte und wollte sich gerade schon zur Zimmertür drehen, als ihn noch etwas einfiel.
"Willst du dich nicht von Quatre verabschieden?", fragte er kalt und hörte mehr das überraschte Lufteinziehen als dass er es sah.
"Seit wann machst du die Gedanken über die Gefühle anderer? Du hast dich doch nie dafür interessiert, also wieso jetzt?", fragte Duo überrascht und Heero zuckte mit den Schultern.
"Ich habe bloß gefragt. Wenn du möchtest, können wir auch sofort fliegen!"
Es dauerte einen Moment bevor Duo nickte.
"Ich habe mich schon verabschiedet....", hauchte er fast unhörbar und senkte den Blick, nicht länger fähig, in diese kalten blauen Augen zu sehen, ihnen Stand zu halten.
Heero erwiderte nichts, sondern starrte sein Gegenüber einfach nur an, schweigend, stumm. Dann wandte er sich um und verließ den Raum, genau wissend, dass Duo schon im Gleiter auf ihn warten würde.
Doch während er durch das stumme große Haus ging, kreisten seine Gedanken einzig und allein um Duos letzten Satz.
Es stimmte doch, dass Duo so schnell wie möglich in den Himmel, in das Paradies, den Ort, an den er nie gelangen würde, kommen wollte.
Oder?
Es war doch richtig, dass er selbst so schnell wie möglich wieder allein sein wollte, für sich, ungestört.
Oder?
Die beiden Tatsachen in Gedanken zu einer Gleichung umformend, seufzte Heero leise. Ja, das war richtig. Wie zwei verschiedene Variablen ergänzten sie sich, schlossen aufeinander, ließen kein anderes Ergebnis zu. Wenn Duo wieder dort war, wo er eigentlich hin sollte, würde Heero wieder allein sein, würde ungestört seine Missionen erledigen können. Und wenn Heero ungestört war, würde Duo wieder im Himmel sein, fern ab von all diesem hier.
Es gab keine andere Lösung, denn wenn eine der Variablen nicht so lautete, wenn sie abwich, wäre die Gleichung zerstört, unbrauchbar, man müsste sie neu formen.
Aber das würde nicht passieren.
Als Heero den Gleiter betrat, bemerkte er, dass er recht gehabt hatte, denn Duo saß bereits auf dem rechten Sitz und starrte leeren Blickes nach draußen.
Und so verbrachten sie ihren ganzen Flug, drei Stunden lang, sie redeten nicht, sahen nur. Doch sie sahen sich nicht an, ihre Blicke verloren sich in den unendlichen Weiten des Alls, wurden von diesen verschluckt und für unwichtig erklärt.
Und schließlich dockte der Gleiter an und Heero stieg aus, schützte seine Augen mit einer Sonnenbrille gegen das starke Licht, das ihn auf dieser Kolonie empfing.
Die gesuchte Basis war in etwa dreißig Minuten von ihnen im freien Feld, eine ideale Lage.
Sich einen der Gleiter mietend, flog Heero hinaus, landete schließlich auf dem Basiseigenen Flugplatz und meldete sich ganz offiziell als neu rekrutierter Soldat an.
Einen Gedanken an die Vorbereitungen richtend, die er bezüglich dieser Methode getroffen hatte, betrat Heero das Heiligtum ohne sich auch nur verstecken zu müssen, ohne seinen Gundam benutzen zu müssen.
"Meinst du, sie haben auch Geisterdetektoren?", fragte Duo und brachte Heeros Mundwinkel damit unwillkürlich dazu, sich nach oben zu kräuseln.
"Vermutlich nicht", erwiderte er fast unhörbar und setzte dann seinen Weg zu seinem neuen Quartier fort.
Gegen Nachmittag würde er den Offizier ausfindig machen, der Duo das angetan hatte und dann seine Mission erfüllen, um dann schließlich zur nächsten Basis zu fliegen und die übrig bleibenden drei Soldaten zu töten.
Die Stunden verflogen nur so.
Heero verbrachte den gesamten Mittag damit, die Ortschaften genauestens auszukundschaften, sich jeden Schlupfwinkel und jeden Luftschacht einzuprägen. Und hinter ihm, das wusste er, war Duo, omnipräsent und doch nur für ihn sichtbar.
Was Heero jedoch auffiel und auch zum gewissen Teil verwunderte, war, dass der amerikanische Pilot in den letzten Stunden seltsam still geworden war, nicht einen Ton gesagt hatte. Nicht, dass es ihn störte, ganz im Gegenteil. Diese Ruhe war erträglich und entspannend, insofern man bei solch einer Mission von Entspannung reden konnte.
Und je näher sie dem Zeitpunkt rückten, den Heero festgesetzt hatte, desto stiller schien auch ihre Umgebung zu werden, selbst die Zeit schien einzufrieren oder zumindest sich zu verlangsamen.
Doch dann war es soweit.
Der japanische Pilot schlich sich zu den Quartieren der Offiziere und stoppte vor der Tür seines Opfers, sich plötzlich der Abwesenheit Duos Geistes bewusst werdend.
"Duo?", zischte er leise, erhielt jedoch keine Antwort, so versuchte er es noch einmal, jedoch intensiver, worauf der amerikanische Junge tatsächlich erschien und den Blick senkte, als er Heeros auf sich spürte.
"Es...tut mir leid....ich war in Gedanken...."
Heero akzeptierte diese Aussage mit einem stummen Nicken und knackte dann mit einem geübten Griff den Quartiercode des Mannes, um sich Sekunden später in einem luxuriös eingerichteten Raum wiederzufinden.
Durch Aufzeichnungen der Überwachungskameras, die überall auf der Basis angebracht waren, wusste der japanische Soldat, dass sich sein Ziel gerade im Bad befand, sich duschte, fertig machte für eine Verabredung.
Eine Verabredung, die er nie wahr nehmen wird, dachte Heero mit plötzlicher Genugtuung und lächelte grausam in sich hinein.
Das Spiel konnte beginnen.
Lautlos wie eine große Raubkatze pirschte sich der Wingpilot an das besagte Zimmer heran, nahm alle Geräusche, die daraus kamen, in sich auf und verwertete sie mit kalten Kalkül, eine Eigenschaft, die ihm schon so oft das Leben gerettet hatte.
Leise stieß er die Tür auf und zielte mit seiner Waffe direkt in den Raum und, wie er eine Sekunde später feststellte, mitten auf die Brust des erschreckten Mannes.
"Was soll das?", fragte der misstrauisch und zog, offensichtlich keine Angst habend, verärgert die Brauen zusammen, empört über den Einbruch in sein Privatreich.
Heero lächelte wiederum grausam.
"Die Rache für Pilot 02", erwiderte er und richtete die schalldämpferbesetzte Waffe auf den Offizier, dessen Blick zuerst Unglauben füllte, sich dann auf die stahlblauen Augen richtete und schließlich einen amüsierten Ausdruck annahm.
"02?", fragte er spöttisch und lachte. "Lebt er noch? Wie schön!"
Heero wollte gerade schon den Kopf schütteln, als der Soldat mit dunklen, funkelnden Augen fortfuhr:
"Er hat es GELIEBT! Er hat nach mehr geschrieen, als ich ihn wieder und wieder gefoltert habe. Er WOLLTE es so! Er hat sich HINGEGEBEN!"
Heero brauchte die unsichtbare Gestalt hinter sich nicht anzusehen um zu wissen, wie geschockt und entsetzt der amerikanische Pilot war.
"So, hat er das?", fragte Heero ruhig und seine Lippen kräuselten sich nach oben, während er die Waffe wieder in die Halterung steckte und sein Gegenüber für einen Moment stumm betrachtete.
"Heero?! Was tust du? Was soll das? Du....glaubst ihm doch etwa nicht....oder? Du.....du wirst doch nicht......?", flüsterte Duo fassungslos und ein Wimmern entkam seinen Lippen.
"Nein, Duo. Das tue ich nicht", entgegnete der japanische Pilot sicher und ignorierte den fragenden Gesichtsausdruck des Offiziers. "Ich sorge nur dafür, dass er seine gerechte Strafe bekommt...."
Damit war Heero mit einem Satz bei seinem Gegner und rächte Duo, nur mit Hilfe seiner eigenen Körperkraft, mit den Schlägen, die er austeilte.
Er vollzog langsame, grausame Rache an dem Monster, das Duo so etwas Schreckliches angetan hatte.
Die Hände wieder schneeweiß, bediente Heero die Landeautomatik des Gleiters, der sie nach L4 brachte.
"Duo!", sagte er ruhig, aber bestimmt und wartete einen Moment, bevor er den Namen seines toten Mitpiloten noch einmal lauter und eindringlicher wiederholte.
Seit er den Offizier umgebracht hatte, seit sie geflohen waren, war Duo verschwunden. Zuerst jedoch hatte er Heero einen vollkommen verzweifelten und schmerzerfüllten Blick zugeworfen, was den Wingpiloten- auch wenn er es nicht zugab- doch berührte. Wie sonst sollte er sich diesen heftigen Stich in seiner Brust erklären, als er die Worte des Offiziers gehört hatte? Wie sonst sollte er seinen plötzlichen Hass auf dieses Monster rechtfertigen, der so abrupt sein klares Denken vernebelt hatte.
"Was ist?"
Diese leise Frage schreckte Heero aus seinen Gedankengängen und ließ seinen Kopf ruckartig herumfahren, nur um einen traurigen Duo vor sich zu sehen, der nun ob der Intensität in Heeros Blick den Seinen senkte.
"Sollen wir die nächste Mission verschieben?"
Duo sah überrascht auf und gab einen fragenden Laut von sich. Doch mit seiner Verwirrung war er nicht der Einzige. Heero selbst wunderte sich über die Frage, die er gerade ausgesprochen hatte, wollte er doch den Deathscythepiloten wegen etwas ganz Anderem gesprochen haben. Doch nun war sie gestellt und er konnte nichts mehr dagegen machen.
"Nein.....", antwortete der langhaarige Junge zögernd. "Es...es geht schon.......ich komme damit klar......"
"Duo", bemerkte Heero fest und blickte seinem Gegenüber geradewegs in die Augen. "Du MUSST das nicht machen! Du brauchst dir das nicht anzutun! Ich werde den Auftrag für dich erledigen!"
"Aber....aber...."
Der japanische Pilot schüttelte entschlossen den Kopf.
"Ich werde es für dich erledigen, damit du ins Paradies kannst. Du brauchst dich nicht auch noch mit diesen Scheußlichkeiten abzugeben!"
Für einen Moment schien die durchscheinende Gestalt noch mehr von ihrer Konsistenz zu verlieren doch dann materialisierte sie sich wieder und der amerikanische Pilot sah seinem Gegenüber direkt in die Augen.
"Danke, Heero", erwiderte er simpel und verschwand.
Die drei übrigbleibenden Männer erledigte Heero zwar mit einer gewissen Wut, jedoch auch mit dem dazu nötigen Kalkül. Anders als bei dem ersten Offizier sagte er ihnen nicht, in wessen Auftrag er kam, nein, er brachte sie einfach um. Kalt, ohne Reue, gerecht.
Duo war nicht dabei, wie Heero es ihm vorgeschlagen hatte. Und schließlich, als Heero den letzten der Männer erledigt hatte, stand er für einen Moment in dem Raum, die Leiche des Mannes zu seinen Füßen und fragte sich, ob Duo jetzt weg war.
Gegangen.
Für immer.
Ohne Rückkehr.
Die Mission war beendet, also war Duo auch nicht mehr auf der Erde.
Und er hatte sich nicht verabschiedet.
Heero spürte, wie dieser Gedanke einen Stich in seiner Brust auslöste, den er nicht für möglich gehalten hätte. Sein Verstand sagte ihm, dass es unnötig sei, sich darüber Gedanken zu machen. Duo war erlöst und nun konnte das Leben seinen gewohnten Gang weiter gehen. Nun hatte er seine Ruhe.
Den Weg aus der Basis fand Heero ohne Probleme, doch wie genau er in den Gleiter kam, das konnte er nicht sagen. Seine Gedanken kreisten wieder und wieder um den langhaarigen Jungen und die tiefe Verzweiflung, die ihm sicherlich ins Gesicht geschrieben stand, als der Offizier ihm solche Abscheulichkeiten vorgeworfen hatte.
Und zum ersten Mal begriff er, welch ein Opfer der Deathscythepilot mit seinem Tod gebracht hatte. Welch ein Opfer, nur um Menschen zu retten, die er erst ein Jahr gekannt hatte.
Doch genau dieser Gedanke war es, der Heero sich hilflos fühlen ließ, der in ihm ein schwarzes Loch ausbreitete. Ein schwarzes Loch aus emotionaler Leere und Kälte.
Heero flog nach L2 zurück, zum Gut der Winners.
Angekommen, wollte er sofort in sein Zimmer gehen, um die weitere, die nun folgende Mission, vorzubereiten, wurde jedoch von Trowa aufgehalten, der aus dem Salon kam und ihn fragend ansah.
Schon wieder da?", fragte er überrascht und Heero nickte stumm. "War die Mission erfolgreich?"
Ja, das war sie.
Duo ist weg.
Heero nickte stumm und drehte sich weg, nur um im nächsten Moment von einer unnachgiebigen Hand festgehalten zu werden. Schon beinahe erschrocken über diesen unerwünschten Hautkontakt fuhr er herum und starrte sein Gegenüber kalt an. Ein Blick, eine Warnung.
"Komm bitte mit zu Quatre. Er hat schon nach dir gefragt", sagte Trowa leise, deutliches Unverständnis in seiner Stimme und Heero nickte langsam. Er kannte die Frage, die der blonde Araber ihm stellen würde.
Heero folgte Trowa schließlich in den Salon und sah Quatre, der mit einer karierten Wolldecke über den Beinen auf dem Sofa lag und auf dem Vid-Screen Cartoons anschaute.
So wie es der japanische Pilot jetzt bemerkte, ging es dem zierlichen Jungen schon ein bisschen besser, so weit man davon in einer solch kurzen Zeitspanne sprechen konnte. Was Heero auch auffiel war das Lachen, das wieder auf seinem Gesicht lag.
Was hat Duo mit ihm besprochen, dass er den Sandrockpiloten so aufbauen konnte?, fragte Heero sich unwillkürlich, schüttelte dann aber den lästigen Gedanken ab und räusperte sich leise, woraufhin der blonde Schopf zu ihm herumfuhr große, blau-grüne Augen ihn überrascht und dann mit einem Hauch von Traurigkeit überzogen ansahen.
"Hallo Heero!", grüßte Quatre leise und schaltete das Programm aus. "Setz dich doch, ich wollte dich etwas fragen."
Der Wingpilot nickte und zog sich einen der kostbaren, aus Mahagoniholz geschnitzten Stühle heran.
"Trowa, würdest du uns wohl eben einen kleinen Moment allein lassen?", fragte der blonde Araber leise und sein Partner nickte stumm, bevor er der Bitte Folge leistete.
Alleine mit dem Wingpiloten seufzte Quatre leise, bevor er sich direkt an Heero wandte und fragte:
"War die Mission erfolgreich?"
Der japanische Junge nickte still.
"Also.....also ist Duo weg......", flüsterte Quatre und Heero nickte wiederum.
"Er ist nun dort, wo er sein sollte. Im Paradies. Wir sollten ihn ruhen lassen."
Mit diesem Satz stand Heero auf und wollte sich gerade schon umdrehen, als Quatre leise, aber doch bestimmt erwiderte:
"Er ist für dich gestorben, Heero."
Als der Wingpilot keine Reaktion zeigte, fuhr er weiter fort:
"Sie wollten Informationen über dich haben, Heero. Sie haben ihn wegen dir gefoltert. Doch er hat nichts preisgegeben. Er hat sich um deinetwillen geopfert. Er wurde wegen dir so lange gefoltert, bis er an den Schmerzen, an dem Schock gestorben ist."
Damit wandte Quatre seinen Blick ab und dem Fenster zu, das Zeichen, dass er alleine sein wollte. Und auch Heero folgte der Bitte und verließ den Salon des oberen Stockwerkes, um sich in die abgeschiedene Stille seines Zimmers zu begeben.
Duo ist wegen mir gestorben?
Er hat mich beschützt?
Ich bin Schuld an seinem Tod?
Warum?
Warum hat er mich nicht einfach verraten?
Und warum spüre ich diesen gewaltigen Schmerz in mir, der mich bei diesem Gedanken schier zerreißen will?
Warum fühle ich überhaupt etwas?
