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If your hopes scatter like the dust across your track
I'll be the moon that shines on your path
The sun may blind our eyes I'll
pray the skies above
For snow to fall on the sahara
If that's the only place where you can leave your
doubts
I'll hold you up and be your way out
And if we burn away I'll pray the skies above
For snow to fall on the sahara



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Heero war erst bewusst, dass er in seinem Zimmer stand, als er die Tasche am leeren Bett stehen sah.

Das Bett, das eigentlich Duos sein sollte.

Heeros Blick fiel auf das abgenutzte Foto auf dem Tisch.

Wie fröhlich der amerikanische Pilot da doch gewesen war. Und was hatte er getan? Ihm dieses Lächeln aus dem Gesicht geschlagen und ihm angedroht, ihn zu töten.

So vieles ist falsch gewesen.

So vieles IST falsch.

Ich fühle, empfinde Schuld, Reue......Trauer?

Heeros Finger strichen leicht über das Foto, schleuderten es dann in einer wütenden Geste von sich auf das kalte, sterile Bett.

Nein! Er fühlte nichts! Durfte es nicht! KONNTE es nicht!

Duo, ich verfluche dich! Ich verfluche dich und den Zauber, den du mir auferlegt hast!

Ist es denn ein Zauber?

Heero stutzte. Verletzte er sich denn freiwillig? Ließ er freiwillig Gefühle wie Trauer oder Hass an sich heran?

War er freiwillig irrational, unzuverlässig, nachlässig?

Heero schüttelte unwillig den Kopf und versuchte dann, sich mit eiserne Willenskraft an seinen Laptop zu setzen, alle weiteren Gedanken auszusperren, und sich ausschließlich auf die Mission zu konzentrieren. Nach einigen Augenblicken aber bemerkte er, dass er keineswegs seine Mission verfolgte, sondern einfach nur an die Tür starrte und nichts dachte. Er wartete einfach nur.

Duo hatte sich nicht verabschiedet. Er war einfach so gegangen.

Irgendwie passte das nicht zu dem Deathscythepiloten.

Doch was wollte man schon gegen die Mächte unternehmen, die dort "oben" waren. Gott? Der Teufel? Wer wusste das schon?

Es gibt keinen Gott, erwiderte der Wingpilot stumm. Nein, er würde so etwas nicht geschehen lassen. Er würde nicht zulassen, dass tausende unschuldiger Menschen umkamen, unschuldige Kinder ohne Rücksicht ermordet wurden.

~Hast du dich verlaufen?~

Heero zuckte unwillkürlich zusammen.

Da war sie wieder, diese Erinnerung. Das Mädchen, die Wiese voller Blumen, der Welpe.

~Ich habe mich nicht verlaufen.~

Hatte sie gesagt. Sie hatte ihren Weg gefunden.

Ich auch, antwortete Heero stumm und seine Augen verengten sich leicht. Ich bin ein Kind des Krieges, ich kämpfe für die Kolonien, für die Freiheit. Das hat Priorität, das ist meine Lebensaufgabe.

Und was geschieht, wenn der Krieg vorbei ist?

Der Wingpilot zischte plötzlich wütend und stand ruckartig auf.

Verdammt, soweit ist es noch nicht und bis dahin brauche ich mir auch keine Gedanken darum zu machen!, fuhr er ein nicht existierendes Gegenüber an und stürmte aus dem Raum, mit der Absicht, all diese unnötigen und lästigen Gedanken durch pure Erschöpfung zu eliminieren.

So begann er mit einem kräftezehrendem Waldlauf um den See, der ihn an nichts anderes als den Kampf seiner Muskeln mit seinem Hirn denken ließ, die Überwindung, weiterzumachen, nicht aufzugeben, obwohl es deutlich war, dass der Körper bald unter der Last zusammenbrechen würde.

Und schließlich, am Nordufer des riesigen Sees, gab Heero den Kampf auf und schenkte der Erschöpfung den Sieg.

Keuchend am Boden kauernd versuchte er, sein rasendes Herz wieder zu beruhigen, sich wieder zu entspannen. Doch je mehr er sich abkühlte, desto häufiger kamen die Gedanken an Duo zurück. Die Zweifel, die er vorher nie gekannt hatte. Den Schmerz, der vorher nicht sein eigener gewesen war.

Schon beinahe verzweifelt schlug Heero mit der Faust in den kalten Sand.

Verdammt, hört auf! HÖRT AUF! Ich WILL nicht daran denken! Will nicht leiden! Bleibt weg, lasst mich allein!, fuhr er sein Inneres an und presste die Hände gegen die Schläfen, in der vagen Hoffnung, diesen unbequemen, wahren Gedanken zu entgehen, sich ihnen nicht stellen zu müssen.
Ich will die Kontrolle nicht verlieren! Ich DARF es nicht! Nicht jetzt, nicht, wo es so wichtig ist!, sagte er sich immer und immer wieder und schaffte es mit eiserner Selbstbeherrschung, sich mit der Zeit zu beruhigen, sein Herz und seine Gedanken wieder auf Normalbetrieb zu lenken.

Und schließlich war er auch fähig, sich zu erheben und mit eiskalter Ruhe zum Haus zurückzugehen, keine Beachtung den mittlerweile fallenden Schneeflocken schenkend, die sich wie eine dichte Decke über das Land legten.

In drei Tagen ist Weihnachten, fuhr es Heero unbewusst durch den Kopf, doch er erwiderte den Gedanken nicht. Weihnachten war nutzlos, ein vergangenes Fest vergangener Religionen. Es wurde als das Fest der Liebe bezeichnet, doch so etwas wie Liebe gab es nicht. Zumindest nicht für den perfekten Soldaten.

Heero erreichte das Haus und machte sich auf den Weg nach oben, in sein Zimmer.

Eine heiße Dusche war das Beste, was er jetzt machen konnte. Sie würde ihn entspannen und seine Gedanken auf Wesentliches richten. Seine ganze Konzentration musste auf die nun vor ihm liegende Mission gerichtet sein, die, wie er gerade in einer Mail von Dr. J erfahren hatte, am Neujahrstag stattfand. Also noch anderthalb Wochen, um Quatre wieder aufzupäppeln und die anderen Piloten darauf vorzubereiten.

Eine Woche....., überlegte Heero und griff nach dem Duschgel. Nicht viel, aber es ist zu schaffen. Ganz sicher!

Das warme Wasser über seinen Körper laufen lassend, gab der japanische Pilot etwas von der violetten Substanz auf seine Handfläche und nahm plötzlich den wohlbekannten Geruch wahr.

Lavendel? Duos Duschgel? Aber......

Ungläubig roch er ein zweites Mal daran und bekam erneut die Bestätigung für seine Vermutung.

Duo.......geht es dir gut?, fragte er sich plötzlich. Bist du glücklich, dort, wo du jetzt bist?

~Er ist für dich gestorben~, hatte Quatre gesagt.

Das kann nicht sein, antwortete Heero. Warum sollte er? Was hat er für einen Grund, so etwas zu tun?

Sich entschlossen von diesem Gedanken abwendend, benutzte Heero eben diesen zarten Lavendelduft und beendete schließlich die Dusche, wieder zurück in das Schlafzimmer gehend um für einen Moment aus dem Fenster zu starren.

Warum hat er sich nicht verabschiedet?, fuhr es Heero plötzlich durch den Kopf und er heftete seinen Blick auf eine besonders dicke Flocke, die langsam vor dem grauen Hintergrund an seinem Fenster herunterrieselte und schließlich auf dem Boden landete, wo sie ein Teil des großen Ganzen wurde, in seiner Menge verschmolz.


Und warum fühle ich......?

"Jetzt bist du im Paradies, Duo."

"Nein."


Heero brauchte einen Moment, bis er vollkommen wahrgenommen hatte, dass er eine Antwort bekommen hatte. Doch als ihn die Erkenntnis dann traf, schlug sie mit vollster Wucht ein. Heero schreckte auf und drehte sich ruckartig um, Auge in Auge mit einem traurigen, violetten Blick, der ihn schonungslos ehrlich ansah.

"Duo?!", brachte er ungläubig hervor und betrachtete die durchscheinende Gestalt, als ob sie gleich wieder verschwinden würde- was sie vielleicht auch täte, fiel Heero jetzt ein.

Ist er nur gekommen, um sich zu verabschieden? Wenn ja, soll er es schnell machen, ich will, dass das Ganze hier vorbei ist, dass ich meinen routinierten Tagesablauf leben kann.

"Warum bist du hier, Duo?", fragte er sein Gegenüber, jetzt schon wesentlich ruhiger und Duo schüttelte still den Kopf.

"Ich weiß es nicht, Heero. Ich weiß nur, dass DAS nicht die Mission war......."

Heero glaubte, sich verhört zu haben. Wenn der Tod der Männer, die Duo so zugerichtet hatten, nicht der Grund war, warum er auf der Erde war, was dann? Was zur Hölle war es dann?

"Und was ist die Mission?", fragte Heero kalt zurück, innerlich jedoch mühsam um Selbstbeherrschung ringend. Das durfte doch nicht wahr sein. Gerade war er dabei, sich von diesem.....unmöglichen, unwirklichen Ereignis zu erholen, doch dann.......dann tauchte Duo ein zweites Mal auf, sagte ihm, dass er eine andere Mission zu erfüllen hatte und noch einmal seine Hilfe bräuchte.

Nein, halt. Das hatte er nicht gesagt! Also war Heero auch nicht verpflichtet, ihm zu helfen.

"Brauchst du wieder meine Hilfe?", sprach der japanische Pilot seine Gedanken aus und merkte, wie die violetten Tiefen kurz aufflackerten, bis sie in eine gewisse Ausdruckslosigkeit wechselten.

"Ich.....ich denke nicht......zumindest habe ich nicht das Gefühl....."

"Und warum kann ich dich dann noch sehen?", fragte Heero weiter.

Irgendeine Logik musste er in diesem Gebilde voller Übernatürlichkeit ja finden! Irgendetwas, was ihn nicht verzweifeln ließ, ihn nicht sein jahrelang antrainiertes Wissen vergessen ließ.

"Ich weiß es nicht!", entgegnete Duo dem Wingpiloten verzweifelt und drehte sich zur Seite, weg von Heero, sodass der sich plötzlich fragte, ob Geister auch weinen konnten.

"Ist schon gut", versuchte er den amerikanischen Jungen zu beruhigen und drehte sich zu seinem Laptop. "Hast du irgendwelche Anhaltspunkte? Sachen, die du vergessen hast zu erledigen? Menschen, mit denen du noch eine Rechnung offen hast?"

Es brauchte einen Moment, bis Duo aufsah und ihm in die stahlblauen Seen blickte.

"Nicht, dass ich wüsste."

"Hast du irgendwelche Wünsche, die noch nicht erfüllt sind?", fragte Heero weiter und Duo nickte nach einer kurzen Pause leicht.

"Und die wären?"

"Es ist nichts Wichtiges, Heero. Nur banale Dinge. Nichts, wofür es sich lohnen würde, mich zur Erde zu schicken."

So, das war es also auch nicht......aber was könnte die neue Mission sein? Was könnte den Deathscythepiloten davon abhalten, in den Himmel zu kommen?

"Weißt du, wieviel Zeit du hast?"

Wiederum war ein Kopfschütteln die einzige Antwort, die Heero bekam.

Also blieb Duo auf unbestimmte Zeit, um dann irgendwann plötzlich zu verschwinden, wenn seine Mission erfüllt war. Oder vielleicht.....

Heero sah ruckartig auf und stockte.

......vielleicht blieb er auch für immer.

Aber das wollte Duo gar nicht, konnte er doch gar nicht wollen. Also musste der japanische Pilot ihm helfen, diesen sogenannten Auftrag hinter sich zu bringen, koste es, was es wolle.

Am Besten, ich akzeptiere es so wie es ist und stelle keine Fragen, dachte Heero und wollte sich schon entgültig von dem Geist abwenden, als er hinter sich leise hörte:

"In drei Tagen ist Weihnachten, Heero."

Der japanische Pilot drehte sich noch ein mal um und fragte:

"Und?"

"Ich wollte dieses Jahr endlich mit jemanden feiern, seit....seit die Maxwell-Kirche abgebrannt ist.......doch nun kann ich es nicht mehr.....komisch, nicht wahr? Da bin ich seit Jahren nicht allein und nun kann ich es nicht, da ich tot bin."

Heero wusste nicht, was er darauf hätte erwidern sollen. Er wusste auch nicht, warum diese Worte ihm so derart die Kehle zuschnürten.

Aber wenn er sich es genau überlegte, wusste er warum.

Duo war tot. Das war es. Dieses quirlige, nervende Etwas war tot. Daran änderte sein Erscheinen als ein Geist auch nichts, denn früher oder später würde er in den Himmel zurückkehren.

Früher oder später werde ich wieder alleine sein.

Als Heero nicht auf seine Frage reagierte , seufzte Duo leise und fuhr fort:

"Ich werde mich auf die Suche nach Quatre machen und ihn um Rat fragen. Wenn du mich brauchst, rufe einfach nach mir."

Damit war der langhaarige Junge verschwunden und ließ einen die leere Luft anstarrenden Heero zurück, dessen Augenbrauen sich kurz zusammenzogen, als ein Gedanke sein Innerstes durcheinander brachte.

Nein, das ist nicht möglich, das kann nicht sein, sagte Heero zu sich selbst und wandte sich an seinen Laptop um die wichtigen Daten der neuen Mission herauszufiltern und zu analysieren.


*

Als Heero am nächsten Morgen aufwachte, fühlte er sich seltsam entspannt und ausgeruht, was sicherlich auch daher kam, dass er über zehn Stunden geschlafen hatte.
Einen Blick nach rechts werfend, musste er kurz innehalten, so sehr betraf ihn der Anblick des zusammengekauerten Deathscythepiloten, der auf dem leeren Bett saß und ebenso emotionslos vor sich hinstarrte, die Knie unter die Brust gezogen, den Kopf darauf gebettet.

Was hat er?, fragte Heero sich stumm und ignorierte die noch leise Stimme in seinem Hinterkopf, die ihm sagte, dass er sich darum nicht zu kümmern habe.

Kann er Trauer empfinden? Und warum ist er traurig? Nur, weil er noch hier ist?

Oder weil er wieder weg muss?

Diesen Gedanken schnell wieder beiseite legend, räusperte Heero sich leise und lenkte somit die Aufmerksamkeit der zusammengekauerten Gestalt auf sich, die sich nun in Form eines Zusammenzuckens und eines überraschten Lautes äußerte.

"Du bist schon wach?", fragte Duo erstaunt und kämpfte ein paar Augenblicke um seine Selbstbeherrschung, bevor er sie wiedererlangte und sein Gesicht von einer Maske aus Fröhlichkeit übertüncht wurde.

Heero nickte stumm und stand dann ohne ein weiteres Wort des Grußes auf um sich unter die Dusche zu begeben, einen traurigen Deathscythepiloten hinter sich lassend.


Als er schließlich eine halbe Stunde später wieder das Bad verließ, war der Geist verschwunden und das Zimmer leer, seltsam leer und kalt.

Duo füllt es mit Leben, dachte Heero plötzlich und starrte für einen Augenblick auf das abgegriffene Foto auf dem Bett seines Mitpiloten, während es ihm wie Schuppen von den Augen fiel.

Gerade.....hatte Duo genau dieses Foto angestarrt. Hatte dieses Zeugnis glücklicher Tage angestarrt. Hatte den Beweis eines verwirrten Heero Yuy angestarrt.

Er hat MICH angestarrt!, dachte der japanische Pilot und musste plötzlich den großen Kloß hinunterschlucken, der sich in seinem Hals ausgebreitet hatte.

Keine menschlichen Bindungen, keine Gefühle, keine Schwäche! Ich DARF mich nicht gehen lassen! Ich bin ein Soldat, ein Instrument des Krieges! Das ist meine Priorität, nichts anderes!

Dadurch gestärkt, straffte Heero seine Schultern und verließ seinen Raum, um eine Kleinigkeit zu sich zu nehmen und sich dann mit Dr. J zu treffen, der ihm gerade geschrieben hatte, dass er in der Stadt sei, und etwas wichtiges besprechen müsse.





Als Heero schließlich am Nachmittag wiederkam, fühlte er sich gereizt und ausgelaugt. Dr. J hatte anscheinend Wind von der unautorisierten Mission Heeros bekommen und ihn ausgefragt, wobei er kein Mittel ausgelassen hatte, um die gewünschten Informationen aus dem Wingpiloten herauszubekommen. Doch Heero hatte stur und fest behauptet, nichts mit der Sache zu tun gehabt zu haben und hatte sich schließlich abgewandt, den Wissenschaftler einfach stehen lassen und war zum Gut zurückzufahren, nur um als Erstes auf Quatre zu treffen, der sich zwar unter einiger Anstrengung, aber dennoch mit starkem Willen den Weg zu Salon entlang kämpfte.

Heero, der die schwankende Bewusstlosigkeit in den Augen des Sandrockpiloten gesehen hatte, stützte den zarten Jungen vorsichtig und führte ihn zur Couch des großen und luxuriös möblierten Raumes.

"Warum übernimmst du dich, Quatre? Du weißt doch genau, dass du noch zu schwach bist, um dich so zu überanstrengen!", bemerkte er unbeteiligt und gab seinem Gegenüber ein Glas Wasser.

Doch der blonde Junge schaute ihn nur ausdruckslos an und behielt den Blick für ein paar Augenblicke starr auf Heeros stahlblaue Augen.

"Ich verstehe Duo zwar nicht, aber ich kann es ihm nicht verübeln", murmelte er fast unhörbar und seufzte, um dann schließlich doch den Blick ab- und dem Fenster zuzuwenden.

"Was meinst du, Quatre?", fragte Heero stirnrunzelnd und versuchte im Stillen, den Sinn hinter Quatres Worten zu verstehen, scheiterte aber und wartete dann auf eine Antwort.

Die er aber nicht bekam.

Anstelledessen seufzte der blonde Junge noch einmal und senkte dann den Blick, um leise fortzufahren:

"Es ist wirklich schade, Heero, dass so etwas geschehen ist. Und es ist schade, dass es geschehen wird."

"WAS wird geschehen?", fragte Heero nun etwas ungeduldiger und verengte seine Augen.

"Nichts, Heero. Gar nichts. Du wirst es sehen, wenn es so weit ist. Bis dahin rate ich dir nur: Gib auf Duo acht. Er ist nicht so, wie er scheint."

Heero, der mit Quatres Worten überhaupt nichts anfangen konnte, schüttelte nur verneinend den Kopf und erwiderte:

"Duo kann auch gut auf sich alleine aufpassen. Er braucht mich nicht. Außerdem ist er ein Geist, ihm kann nichts mehr zustoßen."

Der blonde Junge sah ihm nun zum ersten mal direkt in die Augen und sagte mit einem traurigen Lächeln:

"Geister haben auch Gefühle, im Gegensatz zu perfekten Soldaten, Heero. Auch wenn Duo tot ist, so fühlt er, so erinnert er sich, so kennt er die Vergangenheit. Er trauert, er verzweifelt. Er braucht Hilfe, die ihm zu geben, nur wir imstande sind. Oder besser gesagt, nur DU bist imstande, zu ihm zu gelangen."

Heeros Blick verhärtete sich augenblicklich angesichts Quatres Worten.

Er würde sich nicht mit so etwas Unwichtigem wie Gefühlen beschäftigen! Er würde sich davon nicht aufhalten lassen!

" Er braucht keine Hilfe. Nicht von mir. Er kann damit alleine fertig werden", erwiderte Heero kalt und wollte sich gerade umdrehen, um den Raum zu verlassen, als ihn eine kalte und klamme Hand von seinem Vorhaben abhielt.

"Sag nicht etwas, was du nachher bereuen wirst, Heero!", bemerkte Quatre kopfschüttelnd und eine winzige Träne floss seine Wange hinunter. "Duo braucht Hilfe, dringend!"

"Braucht er nicht. Er stellt schließlich keine Gefahr mehr für die Mission da."


Die Zeit schien stillzustehen. Weder Quatre noch Heero rührten sich nach diesen abscheulichen Satz, dieser Ungeheuerlichkeit, die der japanische Pilot ausgesprochen hatte.

"Das...meinst du nicht so, Heero!", keuchte der blonde Junge entsetzt und seine Wangen wiesen mittlerweile schimmernde Tränenspuren der Verzweiflung auf, doch der Wingpilot nickte nur stumm.

Natürlich meinte er es so!

Natürlich?

War es tatsächlich das, was er sagen wollte?

Sonst würde er es doch nicht sagen, oder?

Aber.......

"Heero VERDAMMT!", schrie der Araber sein Gegenüber mittlerweile völlig außer sich vor Entsetzen an. "Ich WEIß, dass du es so nicht gemeint hast! Ich WEIß es!"

Ein kaltes Lächeln glitt über die Lippen des Wingpiloten, als er ruhig zurückgab und seine hand aus dem Griff des blonden Jungen zu lösen versuchte:

"Doch, jedes Wort so, wie ich es gesagt habe."

Ach, tatsächlich?

Oder belüge ich mich selbst?

Nein, ich war doch immer ehrlich zu mir.

War ich?

Quatres Griff löste sich abrupt von Heeros Handgelenk, ließ rote Druckstellen zum Vorschein kommen, während der Sandrockpilot beide Hände vor den Mund schlug und entsetzt aufschluchzte.

Heero selbst nutzte die Chance und drehte sich um, in der Absicht, das Zimmer zu verlassen, als er verzweifelt hinter sich hörte:

"Verdammt Heero, Du hast nicht verdient, dass Duo dich liebt, du arrogantes Arschloch!"

Der japanische Pilot verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich, als er es wagte, diesen Satz noch einmal in seinen Gedanken zu wiederholen.

Duo.....liebte......ihn? IHN?

Das durfte nicht sein! Niemand liebte ihn! Er selbst liebte niemanden!

Heero taumelte kurz und hielt sich an der Wand fest um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

Nein....Quatre hatte Unrecht. Duo liebte ihn nicht! Konnte es nicht. DURFTE es nicht!

Ich habe keine Gefühle. Ich bin der perfekte Soldat. Gefühle sind mir fremd. Ich brauche sie nicht.

Und was war der Schmerz, den er in den letzten Tagen gespürt hatte? Was war der Schmerz, den er seit Duos Tod verspürte?

Nichts, das ist nichts!, erwiderte Heero sich selbst und versuchte, seine aufgebrachten Gedanken zu ordnen, scheiterte jedoch kläglich und musste sich nun vollends auf die Wand stützen, um nicht auf den Boden zu sacken.

Duo liebte ihn nicht! NEIN! Verdammt, nein! Das durfte nicht sein!

Heero vergrub seinen Kopf in beide Hände und stöhnte unterdrückt auf.

Das darf doch alles nicht wahr sein, ich glaube das nicht!


"Heero, was ist?", holte ihn da eine Stimme aus seinen Gedanken und der japanische Pilot sah ruckartig auf, blickte direkt in violette, besorgte Augen.

"Hau ab!", herrschte Heero sein Gegenüber an, das darauf erstaunt die Augenbrauen hochzog.

"Ich sagte: HAU AB!!!", schrie Heero noch einmal, unfähig, seine sich streitenden inneren Stimmen zu besänftigen und sah die offensichtliche Wunde, die er dem langhaarigen Jungen damit zugefügt hatte, als dieser traurig lächelte und erstickt flüsterte:

"Alles, was du willst, Heero."

Damit löste er sich auf ließ den japanischen Piloten alleine, der ungläubig auf den leeren Flecken Luft vor sich starrte, der sich so eben vor ihm aufgetan hatte.

Was hast du getan?!, schrie ihm seine eigene Stimme entgegen, hasserfüllt, erbost. Du UNGEHEUER! Er LIEBT dich, du Bastard! Er ist wegen dir gestorben! WARUM begreifst du das nicht?!

Heero zuckte ob dieser mentalen Gewalt zurück und wagte es nicht, auch nur ein Wort zu seiner Verteidigung hervorzubringen. Aber was hätte er auch schon sagen können?

Ich kenne keine Liebe, ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll. Ich kenne keine Gefühle.

Dann lern sie verdammt noch mal! Du kannst deine Mitmenschen nicht so behandeln, du kannst nicht so mit Duo umspringen, wie du es tust! Er LIEBT dich!

Das ist doch gar nichts bewiesen!, stritt Heero diesen Gedanken plötzlich vehement ab. Quatre hat es mir gesagt, ja. Aber das heißt noch lange nicht, dass es auch wahr sein muss!

Nichts antwortete ihm. Keine wütende Stimme, keine nervenden Gegenspieler, nichts. Da war Leere, vollkommene Leere.

Zitternd vor Wut machte Heero sich auf den Weg in sein Zimmer, nach und nach mühsam um Beherrschung ringend.

Die Tür hinter sich zuschlagend, ging Heero steif auf seinen Laptop zu, nur um neben ihm das Foto liegen zu sehen, das er dort hatte liegen lassen.

Duo und er. Duo mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht. Duo, wie er noch lebte.

Mit einem plötzlichen Schrei der Wut nahm Heero das Foto und wollte es in der Mitte durchreißen, wollte diese Bindung zwischen dem langhaarigen Jungen und sich selbst zerstören, die Gefühle, die auf einmal auf ihn einstürmten, abwürgen und stellte fest, dass sein ganzer Körper sich weigerte, diesen Befehl auszuführen.

Zitternd hielt er das Bild in den Händen, die Knöchel weiß vor Anspannung und verzweifelt darum bemüht, die Kontrolle wiederzuerlangen.

Doch sie scheiterten kläglich und Heero ließ das Zeugnis von Duos Liebe, den Beweis ihr Verbundenheit sinken, schloss die Augen für einen Moment und atmete tief durch.

Er musste es tun, er musste es wissen. Er musste Duo fragen, ob es wirklich stimmte.

"Duo!", rief er, in diesem Moment glücklich darüber, dass seine Stimme im Gegensatz zu seinem restlichen Körper nicht zitterte. Als nichts geschah, wiederholte er Duos Namen noch lauter und sah, wie sich langsam die Form seines Mitpiloten vor ihm materialisierte.

Ein bezauberndes Schauspiel, wie Heero zum ersten Mal feststellte. Es schien, als würde sich die Luft selbst verdicken, sich in Millionen kleiner Teilchen zusammenfügen und schließlich aus einem kristallenen Regen eine Gestalt erzeugen. Einen Geist.

"Was ist?", fragte Duo und der japanische Pilot bemerkte plötzlich, dass die Augen seines Gegenübers gerötet waren.

Können Geister etwa weinen? Und wenn ja......bin ich dann der Grund?

"Bist du für mich gestorben?", fragte Heero direkt und ohne Umschweife und erntete dafür einen entsetzen Blick.

"Wie....?", begann Duo offensichtlich geschockt und machte einen Schritt zurück. Eine Geste, die zeigte, wie wenig er sich mit seinem Leben als Geist abgefunden hatte und wie sehr er noch an menschliches Handeln dachte.

"Ja oder nein?", fuhr Heero erbarmungslos fort und ließ Duo damit keine Möglichkeit auszuweichen.

Du rennst, du versteckst dich, aber du lügst nie, erinnerte sich der japanische Pilot an einen Ausspruch Duos. Beweise, dass das dein Grundsatz ist und sage mir die Wahrheit!

Und Duo nickte.

"Ja....bin ich....", flüsterte er leise, fast unhörbar, verschreckt.

"Und warum?"

Duos Kopf fuhr hoch, geweitete violette Augen trafen auf stahlblaue.

"Heero....wieso willst du das wissen? Wieso verhältst du dich so...? Was ist los mit dir?", fragte der langhaarige Geist und tat noch einen Schritt nach hinten.

"Das ist egal...beantworte mir einfach meine Frage!"

"Aber mir ist es nicht egal!", fuhr Duo sein Gegenüber plötzlich wütend an. Jede Spur von Trauer schien aus seinem Gesicht gewichen zu sein, als er den Wingpiloten wütend anfunkelte und ihn anschrie:

"Alles ist dir egal! Selbst dass ich für dich gestorben bin, ist dir egal! Selbst dass ich leiden musste, bis ich endlich erlöst wurde, ist dir egal! Also warum willst du das jetzt wissen, wo dir doch alles egal ist?!"

Der japanische Junge hatte den verzweifelten Gefühlsausbruch des langhaarigen Geistes mit unbewegter Miene verfolgt, doch nun weichten seine Züge etwas auf, als er antwortete:

"Ich will wissen, wieso du dich für mich geopfert hast. Ich will wissen, wieso du dich so grausam hast zurichten lasen, nur um mich zu schützen! Ich will es wissen, weil es mir nicht egal IST!"

Es brauchte einen Moment, bis dieser Satz Anklang fand und Duo darauf reagierte, indem er den Kopf senkte und leise, fast unhörbar antwortete:

"Weil du mir mehr bedeutest als alles andere zuvor. Weil ich dich mit allen mir zu Verfügung stehenden Mitteln schützen wollte. Deswegen."

Heeros Welt versank langsam und allmählich in ein tiefes Loch. Wo er vorher geglaubt hatte, keine Gefühle zu kennen, ohne sie auszukommen, da verspürte er jetzt ein dumpfes Pochen, einen Schmerz, der ihn sich ohnmächtig fragen ließ, was man dagegen tun konnte, jedoch komplett scheiterte. Auch hatte er nie zuvor gedacht, dass ihm irgendjemand Gefühle entgegenbrachte, nein, das hatte er stets durch sein Auftreten verhindert. Doch nun.....

"Weil du mich liebst....?", sprach Heero den Gedanken aus, der ihn so sehr quälte.

Und wieder dauerte es einen Moment, bis der langhaarige Junge darauf reagierte. Dieses Mal jedoch blieb sein Blick gesenkt, seine Augen durch die kastanienbraunen Ponyfransen verdeckt, als er wiederum leicht nickte und antwortete:

"Ja.......ja, Heero. Aber ich weiß, dass.....dass du mich niemals so akzeptieren wirst....erkennst, was es bedeutet...."

Der japanische Pilot sah sein Gegenüber für einen Augenblick lang an und erwiderte dann:

"Da hast du Recht. Das werde ich nie."

Noch während er den Satz ausgesprochen hatte, war Duos Kopf in die Höhe geschnellt und nun traf ihn ein verzweifelter Blick, während langsam eine kristallene Träne an der geisterhaften Wange des langhaarigen Jungen hinunterfloss, als er sich direkt vor Heeros Augen entmaterialisierte.

Und Heero.....Heero wusste in dem Moment, als er das ausgesprochen hatte, dass es eine Lüge war. Dass sein Geist nicht mit dem übereinstimmte, was er gerade gesagt hatte.

Aber hieß das....er konnte fühlen....?

Hieß das, er fühlte etwas für Duo?

Das kann nicht sein!, fuhr Heero sein Inneres an. Oder?

Bin ich ein Mensch? Bin ich doch nicht die Kampfmaschine, zu der Dr. J mich gemacht hat?

Aber dieser Schmerz.....ich will ihn nicht spüren! Will mich nicht mit ihm beschäftigen müssen!

Oh Gott.....Duo, was hast du mir angetan? Warum nur? Warum kann ich nicht einfach das Leben leben, für das ich geboren wurde? Warum musst du mich so aus meinem Rhythmus bringen?

Und was ist das starke Gefühl, dass ich verspüre, wenn ich an dein Opfer denke? Wenn ich daran denke, was dir passiert ist?

Was war der hilflose Zorn, als der Offizier dich beschmutzt hat, auch noch nach deinem Tod? Warum habe ich nur das dringende Bedürfnis verspürt, diese Ungeheuerlichkeiten aus ihm herauszuprügeln?

Ist es etwa....weil ich das Gleiche für dich fühle....?

NEIN!, fuhr Heero dazwischen und schüttelte unwillig den Kopf. Liebe gibt es nicht! Kann es gar nicht geben! Schon gar nicht in meinem Leben! Das DARF nicht sein!

~Hast du solche Angst, die Liebe einzugestehen, dass du sie so vehement leugnest?~

Verdammt, nein! Ich....ich...kann keine Liebe empfinden! Das konnte ich nie.....ich darf es nicht......

Seine Stimme versackte zu einem kleinen, schon beinahe verzweifelten Flüstern, bis sie schließlich ganz versiegte und nur noch eine Leere hinterließ, die Heero als noch schlimmer empfand.

Nein...ich will fühlen....ich will.....


.......lieben.......


Noch während er das dachte, wusste Heero, wen er meinte. Dieses nervende, immer lachende Etwas.....Duo. Du warst soviel für mich, ohne dass ich es bemerkte habe......

Doch Duo war tot......

Bei diesem Gedanken durchzuckte den Wingpiloten eine Welle von Schmerz, die ihn sich zusammenkrümmen ließ und ein Gefühl der absoluten Bitterkeit hinterließ.

Oh Gott.....ist das der Nachteil, wenn man empfindet? Sind das die Schmerzen, die man bei dem Verlust eines Menschen erleidet?

Ja, das ist auch Liebe. Und auch das erfährst du jetzt.

Aber....., wollte Heero erwidern, entsann sich jedoch eine im Augenblick wichtigeren Aufgabe. Er musste Duo suchen, musste sagen, dass er gelogen, dass er es nicht so gemeint hatte.

"Duo?", rief der japanische Pilot laut, erhielt dieses mal jedoch keine Resonanz, so fing er an, fieberhaft im ganzen Haus nach dem Geist des Deathscythepiloten zu suchen, jedoch erfolglos. Der langhaarige Junge war nirgendwo aufzufinden

Heero wollte schon beinahe aufgeben, als er einen Blick auf den See warf und sich gewahr wurde, dass Duo vielleicht auch dort sein könnte. Wie er darauf kam, das wusste er nicht.


Der japanische Pilot verließ das große Haus und begab sich hinunter zum eiskalten Wasser, um dort am Ufer entlang zu laufen und nach dem langhaarigen Jungen Ausschau zu halten. Und tatsächlich, in einer kleinen, versteckten Bucht fand er Duo auch, zusammengekauert auf dem Boden sitzend und den Kopf auf die Knie gestützt.

Er weint immer noch, bemerkte Heero, als er näher herankam und sich leise neben seinem Mitpiloten niederließ, ihn damit fast zu Tode erschreckte.

"Heero?!", fragte der Deathscythepilot ungläubig und zuckte zurück, als er sich dem intensiven Blick der stahlblauen Augen ausgesetzt sah. "Was....was willst du hier...?"

Für einen Moment herrschte Schweigen, denn Heero wusste nicht, wie er diese Worte hervorbringen sollte, die ihm auf der Zunge lagen. Er wusste nicht, wie er Duo sagen sollte, dass er gelogen hatte, dass er es nicht so gemeint hatte, dass er keineswegs die Zuneigung des langhaarigen Jungen ablehnte. Er wusste nicht, wie er den Schmerz beschreiben sollte, der in seiner Brust lag, konnte ihn ja noch nicht einmal sich selbst erklären, wie sollte er ihm also seinem Gegenüber mitteilen?

Aber ich will es ihm sagen, ich MUSS es ihm sagen! Wer weiß, wieviel Zeit wir noch haben und ich will nicht, dass er unglücklich ins Paradies geht. Nein, das will ich nicht!

"Duo.....", begann er und stockte. Noch nie war er sich so unsicher gewesen, wie er sich einem anderen Menschen gegenüber verhalten sollte, was er überhaupt sagen sollte.

"Es....tut mir leid.....", brachte er schließlich hervor und hörte das überraschte Aufkeuchen des Geistes.

"Ich habe dich angelogen, als ich sagte, dass ich dich nie so akzeptieren werde oder dass ich erkenne, was diese Gefühle bedeuten. Ich WEIß es, Duo. Es...ist mir bewusst geworden......Und ich bitte dich, verzeih mir!"

Das war es. Nun war es raus und Heero wartete mit geschlossenen Lidern auf eine Antwort, die sich schließlich in einem minimalen Lufthauch äußerste, der über seinen Arm strich. Als der Wingpilot seine Augen wieder öffnete, bemerkte er, dass Duo eine Hand auf seinen Arm gelegt hatte und ihn ernst und traurig ansah.

"Ich glaube dir, Heero. Jedes Wort, jede Silbe. Und...es ist schön, dass du dich gefunden hast, Heero. Es ist wirklich schön...."

Damit lächelte er leise und traurig, während eine kleine Träne seine Wange hinabfloss.

"Ja.....ich freu mich...", hauchte Duo und schloss die Augen, während er seinen Kopf senkte.

Heero sah die Verzweiflung, mit welcher der Deathscythepilot das gesagt hatte und verspürte den übermächtigen Wunsch, sein Gegenüber in den Arm zu nehmen und zu trösten, ihm alle Traurigkeit zu nehmen, ihn glücklich zu machen.

Ist das etwa Liebe?

Hat die Liebe zwei Gesichter? Ist sie zum Einen dieses Vertrauen, mit dem Menschen miteinander umgehen und zum Anderen dieser Schmerz, den man bei der Trennung verspürt?

Und ich werde mit dem Schmerz leben, wenn Duo weg ist, wenn er da ist, wo er eigentlich hingehört.

"Duo...willst du ins Paradies?", fragte Heero plötzlich und sah die Überraschung in den violetten Tiefen aufblitzen.

"Nein."

Dieses eine Wort war es, was Heeros logische Welt nun völlig zum Einsturz brachte. Eine der Variablen, die Tatsache, dass der amerikanische Junge in den Himmel zurückkehren wollte, war nun nicht mehr gegeben. Also war die Gleichung sinnlos, nutzlos. Die andere Variable, dass er selbst alleine sei wollte, auch nutzlos. Die Gleichung, an die er sich geklammert hatte, vergessen, widerlegt.

Also musste er eine Neue aufstellen.

"Ich...will bei dir bleiben, Heero!", brachte Duo nun mit mehr Verzweiflung heraus und der Wingpilot sah sein Gegenüber ruhig an.

"Du...weißt, dass das nicht geht, Duo. Aber wir werden die Zeit so angenehm wie möglich gestalten, das verspreche ich dir! Duo....ich....."

Heero stockte. Er war sich nicht sicher, ob er das sagen konnte. Er war sich nicht sicher, ob er es überhaupt durfte. Er wusste nur eines: es stimmte, bestimmte sein leben, war seine neue Lebensaufgabe geworden, und solange Duo noch hier bei ihm war, würde er versuchen, das Beste daraus zu machen. Erst danach, erst wenn er wieder alleine war, würde er sich Gedanken über die Zukunft machen.

"Ich liebe dich, Duo."

Dieser so leise ausgesprochene Satz schien einen Moment über ihnen in der Luft zu hängen, bis Duo sein Gegenüber erst verblüfft, dann mit schier unglaublicher Zärtlichkeit ansah und lächelte.

"Gott.....Heero....wenn du wüsstest, wieviel mir das bedeutet!", flüsterte er bewegt und eine minimale Träne floss seine Wange herab.


In gewisser Weise verspürte Heero Glück. Zumindest identifizierte er die Wärme, die sich in ihm ausbreitete, als er das Lächeln seines Partners wahrnahm, als solche. Ja, sie würden eine wunderbare Zeit zusammen verleben, solange, bis Duo.....bis er.....weg ging......

"Duo...ich bin...froh...es dir gesagt zu haben....ich möchte, dass wir aus der uns noch verbleibenden Zeit.....", begann Heero, als er plötzlich merkte, wie Duos Blick sich in Erschrecken umwandelte und er stumm den Kopf schüttelte.

"Duo....was ist?", fragte Heero besorgt und wollte den langhaarigen Jungen am Arm berühren, fuhr aber durch glatte, widerstandlose Luft.

Ein Geist..., dachte Heero schon beinahe verzweifelt und wusste, dass er für einen Augenblick vergessen hatte, wer Duo nun eigentlich war.

"Heero......", begann Duo schmerzerfüllt und schloss die Augen. "Heero....."

"Was? Was ist? Geht es dir nicht gut?", fragte Heero nun schon beinahe panisch und sah, wie sich der Tränenfluss auf den Wangen seines Partners steigerte.

"Heero.....", Duo wiederholte seinen Namen wie eine Litanei, ein Gebet. "Du...warst die Aufgabe......ich...sollte DICH dazu bringen, Gefühle zu zeigen.......ich sollte dir zeigen, dass du mich liebst........"

Heeros Augen weiteten sich vor Entsetzen.

Nein, NEIN! Das durfte nicht sein, das KONNTE nicht sein! NICHT JETZT! Nicht, nachdem er sich das eingestanden hatte, nicht so plötzlich!"

"Nein...Duo....das ist nicht wahr! Das kann nicht sein.....", versuchte Heero das Unvermeidliche zu verhindern, sich dem Unausweichlichen nicht geschlagen zu geben.

"Duo, kämpfe! Du darfst mich noch nicht verlassen! Du kannst noch nicht gehen! Ich wollte dir noch so vieles sagen! Ich wollte dir noch so vieles zeigen!"

Doch der langhaarige Geist schüttelte nur traurig den Kopf, seine durchscheinende Form löste bereits ein wenig auf, verlor von ihrer Konsistenz, wie Heero jetzt erschrocken bemerkte.

"Es tut mir leid...Heero...ich will nicht gehen......aber sie rufen mich.....zu sich.....Ich bin dagegen machtlos, Heero...."

Und damit begannen sich kleine Partikelchen aus der Gestalt zu lösen, in hellen Funken in den Himmel aufzugehen, sich zu den Sternen, den ewigen Hütern zu gesellen.

Heero, nicht fähig, das zu begreifen, geschweige denn, seinen Partner gehen zu lassen, stürzte nach vorne, wollte Duo mit seinen Armen umklammern, während er gepeinigt rief:

"Nein! NEIN! Nicht jetzt! Das ist nicht fair! Duo, NEIN!"

Doch es war zu spät. Die Gestalt vor ihm löste sich immer weiter auf, bis zum Schluss nur noch Duos trauriges Gesicht und die Tränen darauf zu sehen waren.

"Leb wohl, Heero", flüsterte Duo, seine Stimme ein Echo über dem ruhigen See. Dann war es still. Still und leer. Nichts erinnerte mehr daran, das vor kurzem ein Geist neben einem Menschen gesessen hatte, dass sie sich ihre Liebe gestanden hatten. Nichts, außer einem verzweifelten Heero Yuy, der das ungewohnte Brennen in seinen Augen und die ungewohnte Nässe auf seinen Wangen nicht zu spüren schien und verzweifelt schluchzend im kalten Sand niederkniete, um den Sand, auf dem Duo noch vor ein paar Minuten gesessen hatte, durch die zitternden Hände rinnen zu lassen, immer wieder Duos Namen murmelnd und schließlich verzweifelt ausstoßend:

"Was bist du für ein Gott, wenn du so etwas zulässt? WARUM tust du so etwas? WARUM BIST DU SO GRAUSAM?!"


Und langsam fielen die ersten weißen Flocken vom Himmel, bedeckten das Land mit einem weißen Mantel.