Titel: Harry Potter und der Erbe von Slytherin

Autor: Luka

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Altersbeschränkung: 12

Inhalt: Kapitel 15: Harry fühlt sich wohl, im Kreise seiner Freunde. Er erfährt einiges Neues über die Druiden.

Disclaimer: Die vorliegende Geschichte ist eine FanFiction zu Harry Potter. Dies zu schreiben macht in erster Linie mir Spaß und liegt fern jedes kommerziellen Gedankens. Dies zu lesen soll allen Spaß machen, die eine neue Geschichte von Harry Potter haben wollen. Sie sollen das tun können ohne eine müde Mark auszugeben. Alle Charaktere gehören Joanne K. Rowling, bis auf die, die in der Geschichte noch entwickelt werden müssen und die nicht von JKR sind. ( So z.B. Helene Baumann und Henri Perpignan der in dieser Geschichte auch wieder eine, wenn auch nicht so wichtige Rolle spielt)

15 Unter Freunden

Keine halbe Stunde später saß Harry mit Sirius und Remus Lupin, Henry und George und Hermine und Magister Baumann an einer herrlich gedeckten Tafel im Speisezimmer der Villa und wartete auf den ersten Gang. Sirius hatte ihn in seinem Zimmer abgeholt. Harry war erstaunt, wie sein Pate sich in den letzten drei Monaten verändert hatte. Sirius hatte tatsächlich an Gewicht zugenommen, sein Gesicht sah nicht mehr hager aus, nein, er hatte statt seiner grauen eine rosige Gesichtsfarbe und volle Wangen bekommen. Die Schatten unter seinen Augen waren verschwunden und ein feines Netz von Fältchen zeugte von einer fröhlichen Zeit, die er hier verbracht haben musste.

Sirius hatte endlich Zeit gefunden, sich um sein Wohlergehen zu kümmern. Sein Haar war geschnitten und stand jetzt in frechen Bürsten vom Kopf ab. Allerdings schimmerte an einigen Stellen die Kopfhaut durch und zeigte, dass Sirius doch schon über vierzig Jahre auf dem Buckel hatte. Seinen alten, zerschlissenen Umhang hatte er endgültig aufgegeben, wenn er es auch mit ein wenig Wehmut gemacht hatte, denn der Umhang hatte Sirius durch die härtesten Zeiten seines Lebens begleitet. Unzählige Male gerissen und wieder geflickt, war er jetzt jedoch am Ende seiner Haltbarkeit angekommen.

Henry hatte Sirius lange angesehen, ihn gebeten seine Geschichte zu erzählen, und hatte dann seinen Schneider kommen lassen. Sirius wollte anfangs Widerspruch erheben, aber er musste sich Henrys sanftem, aber bestimmten Druck fügen und wurde komplett mit allerfeinsten Gewändern versehen.

„Dein Freund Henry muss unglaublich viel Geld besitzen.", sagte er leise zu Harry, als sie die weit geschwungene Treppe hinunter zum Speisezimmer gingen.

„Ich weiß es nicht.", sagte Harry. „Ich glaube schon, aber ich finde es nicht wichtig."

„Das ehrt dich, Harry.", meinte Sirius und legte Harry die Hand auf die Schulter. Sie traten in das Speisezimmer ein, in dem schon Henry und George mit einem Gläschen Cherry in der Hand am wärmenden Kamin standen und sich leise unterhielten. Als sie bemerkten, wie Sirius und Harry das Zimmer betraten, unterbrachen sie ihr Gespräch und wandten sich den beiden Eintretenden zu.

„Hallo Harry!", sagte George Ollivander lächelnd und streckte ihm seine Hand entgegen.

„Guten Tag George.", sagte Harry höflich. Immer noch hatte er ein eigenartiges Gefühl, wenn er mit diesem würdigen älteren Herrn sprach. Ganz besondere Überwindung kostete es ihn, George zu duzen, wie es unter Druiden üblich war, aber George bestand darauf und Harry musste sich wohl oder übel fügen.

„Ich freue mich sehr, dass ihr gekommen seid.", sagte Henry jetzt. „Sirius, auch einen Cherry? Harry, was kann ich dir anbieten?"

„Danke", meinte Harry und hob abwehrend die Hand. „Ich möchte jetzt noch nichts trinken. Später, beim Essen vielleicht."

Sirius nahm gerne einen Cherry. Wie lange hatte er wie ein Tier, und oft genug auch als Tier gelebt? Wie lange hatte er auf jeglichen Komfort und die kleinen, aber wichtigen Annehmlichkeiten des menschlichen Lebens verzichtet. Jetzt, seit nunmehr drei Monaten, begann er, diesen Verlust aufzuholen, gar erst die Erinnerung an die schöne und unbeschwerte Zeit vor dem Mord an seinen Freunden und der schrecklichen Gefangenschaft in Askaban langsam zurück zu erobern.

Es war eine wunderschöne Zeit gewesen, nachdem sie die Schule beendeten und jeder eine gut bezahlte Stelle bekommen hatte. Sie konnten den neuen Wohlstand in vollen Zügen genießen. Sicher, James, der mit Lily eine Familie gründen wollte, hatte von Anfang an eine Menge seines Gehaltes nach Gringotts geschafft, ebenso Lily, denn wenn irgendwann ein Kind in dieser Familie geboren würde, musste einer der beiden seine Arbeit zumindest vorübergehend aufgeben. Lily hatte sich schon sehr auf das Muttersein gefreut. Sie wollte, wenn sie denn ein Baby hatte, nur noch Hausfrau und Mutter sein, ganz im Gegensatz zu den meisten anderen jungen Frauen, die sie durch ihre Clique kannten. Aber sie war sich auch sicher gewesen, dass zwischen ihr und James eine so feste Liebe bestand, dass sie ihren Traum ruhigen Gewissens und mit aller Hingabe träumen konnte.

In der letzten Zeit traute sich Sirius ab und zu wieder, an diese glückliche Zeit zurück zu denken. Es war nicht mehr Trauer, die seine Erinnerung beherrschte. Im Gegenteil, es war Zuversicht und Freude über Harry, die ihm diese Tür öffnete und seinen Schmerz vergessen ließ. Dieser Harry stand jetzt neben ihm, am offenen Kamin, in einem wunderbaren Haus und in Gesellschaft wunderbarer Menschen. Und Sirius fühlte ein solches Glück durch seinen Körper strömen, dass er aufstöhnte und nur mit Mühe seine Tränen zurück halten konnte.

Er schluckte. Dann sah er Harry an und lächelte.

„Ich freu mich.", sagte er. Er hob das Glas und trank einen Schluck. Danach war ihm wohler, der Klos im Hals war verschwunden, der reinen Freude gewichen.

Leichtfüßige Schritte kündigten das Kommen der beiden Frauen an. Sekunden später betraten Helene Baumann und Hermine Granger das Speisezimmer. Mit einem Mal fühlte Harry sich an die Tage im September erinnert, als Hermine nach einem Brief von Harry, in dem sie auf Perpignans Place eingeladen worden war, vor ihm stand. Er hatte sie beinahe nicht mehr wieder erkannt. Braungebrannt und mit einer frechen Frisur war sie nicht mehr die streberhafte Hermine gewesen, sondern eine junge Frau. Eine junge Frau, in die man sich als junger Mann verlieben konnte, was Harry dann auch sofort tat. Unglücklicherweise hatte Hermine ihm einen Korb gegeben, was Harry anfangs zutiefst bestürzt hatte.  Die aufregenden Abenteuer hatten ihn dann etwas abgelenkt und schließlich hatte er sich damit abgefunden, dass zwischen ihm und Hermine wohl nie etwas stattfinden würde. Zwischendurch fragte er sich sogar schon mal, ob er einem Hirngespinst aufgesessen war, denn in Hogwarts schimmerte unter der neuen Fassade wieder das alte Haus durch, oder anders gesagt, zeigte Hermine durchaus wieder dieses streberhafte Gehabe, was sie Harry so vertraut machte.

Jetzt, in diesem Augenblick am wärmenden Feuer, in diesem warmen Licht, das von den Kerzen herüberflackerte, schien das alte Haus verschwunden. Ihre Augen glänzten und es spiegelten sich die Kerzen darin wieder. Sie hatte sich geschminkt und gekleidet, wie eine junge Frau, in die sich ein junger Mann verlieben kann. Und Harry verwirrte es.

‚Nein', dachte er. ‚Das mache ich nicht noch einmal mit. Ich werde jetzt ganz normal mit Hermine umgehen, werde sie zur Not nicht anschauen und werde mir vorstellen, dass sie die Hermine ist, die sie immer schon war. Außerdem, die Baumann sieht viel besser aus. Klar?'

Man konnte durchaus einer Meinung mit Harry sein, denn Magister Baumann hatte alles Lehrerhafte abgelegt. Gut, sie besaß nicht viel Lehrerhaftes, aber heute Abend - sie hatte sich ein langes schwarzes Kleid angezogen und ihr blondes Haar hochgesteckt, wenn auch hier und da eine Locke widerspenstig und äußerst apart hervorschaute – heute Abend sah sie einfach umwerfend aus. Die Blicke aller anwesenden Herren, Harry eingeschlossen wurden wie magisch von ihr angezogen. Und sie genoss es anscheinend.

Henry stellte sie den anwesenden Herren vor. George kannte sie von ihrem Besuch in der Winkelgasse und zeigte sich erfreut, sie hier auf Perpignans Place anzutreffen. Bei Remus Lupin lächelte sie und sagte, allerdings in einem Tonfall, dass man es ihr nicht übel nehmen konnte:

„Oh, ich habe noch nie einem Wehrwolf die Hand geschüttelt. Ich muss zugeben, dass es gar nicht so unangenehm ist, wie ich immer dachte."

„Wir Werwölfe", antwortete Lupin, „sind ja auch die meiste Zeit mehr oder weniger normale Menschen, wenn man einmal davon absieht, dass wir dadurch einer hohen seelischen Belastung ausgesetzt sind. Nur hüten sie sich vor mir in der Vollmondnacht. Werwölfe sind schlimmer als Tiere, sie sind Bestien."

„Ich...ich wollte ihnen nicht weh tun.", sagte sie. Lupin sah sie milde an.

„Ich weiß.", sagte er.

Als ihr Sirius vorgestellt wurde, sah sie ihn prüfend an, begrüßte ihn höflich, aber mit einer leichten  Zurückhaltung. Deutlich war ihr anzusehen, dass ihr Sirius schon bei betreten des Raumes aufgefallen, und sie ziemlich erpicht gewesen war, zu erfahren, wer dieser Mann nun sei. Ihr Blick war nicht abweisend, aber von kühl abschätzender Art, sei es, weil sie ihn als Gegner oder einfach nur als höchst interessanten Mann empfand?

Arthur klopfte höflich an den Türrahmen, bevor er hereinkam und verkündete, dass in wenigen Minuten die Suppe serviert werden würde. Man begab sich zur Tafel und setzte sich ohne dass eine besondere Sitzordnung gefordert war. Harry sah zu, dass er neben Sirius zu sitzen kam, gegenüber ließen sich die beiden Damen nieder und links und rechts, an den schmalen Seiten des Tisches, saßen Henry und ihm gegenüber George.

Henry als routinierter Gastgeber, richtete das Wort an Helene Baumann und brachte sie mit wenigen gezielten Fragen dazu, von sich zu erzählen. So erfuhren die Anwesenden von ihrer Studien- und Lehrzeit in Deutschland - manche lustige Anekdote war dabei - und es wurde deutlich, dass sie nicht die brave Schülerin war, die man bei ihrem unschuldig wirkenden Gesicht vermuten konnte. Seltsamerweise erzählte sie nichts über die Zeit nach der Schule, es mögen wohl vier oder fünf Jahre gewesen sein, die, wenn man aufmerksam zugehört hatte, zwischen Schulabschluss und Beginn des Studiums verstrichen waren.

Harry hatte nicht darauf geachtet, aber es fiel ihm auf, dass Henry zweimal den Versuch machte, etwas über diese Zeit zu erfahren. Nachdem sie auch den zweiten Versuch unschuldsvoll ignoriert hatte, gab er vorläufig auf. Die köstlich duftende Lauchcremesuppe, die nun aufgetragen wurde, lenkte Harry von der Frage des Wieso ab. Er spürte plötzlich einen unbändigen Hunger. Schweigend blies er in den Löffel, um die Suppe abzukühlen.

Henry griff nach seinem Weinglas und sagte:

„Zum letzten Mal und diesmal hochoffiziell heiße ich euch willkommen auf Perpignans Place. Ich freue mich besonders, dir, Hermine und dir, Harry ein etwas anderes Winterfest zeigen zu können, nämlich das Lichterfest, das wir hier traditionell feiern. Ich hoffe, ihr alle fühlt euch wohl und erholt euch in den zwei Wochen, die ihr hier seid. Ich hebe mein Glas auf meine Gäste. Zum Wohle."

Alle nahmen nun ihre Gläser. Auch Harry und Hermine hatten sich Wein einschenken lassen, leichten weißen Wein aus Frankreichs Norden. Es war das erste Mal, dass Harry Wein probierte. Der einzige Alkohol, den er bisher kannte, war im Butterbier enthalten, jedoch so schwach, dass man schon einige Liter trinken musste, wollte man sich daran berauschen. Aus diesem Grund durften sich sogar Schüler der dritten Klasse bei Madame Rosmerta Butterbier bestellen. Harry nippte an dem Glas, wie er es bei den Anderen beobachtet hatte. Erst war er ein bisschen enttäuscht, denn er hatte den süßen Geschmack von Traubensaft erwartet, Wein schmeckte wahrlich anders, aber, als er den Schluck die Kehle hinunterrinnen ließ, fand er Gefallen an dem Getränk.

„Sie feiern also das Lichterfest? Das ist interessant...", hörte er Magister Baumann sagen. Er sah auf und blickte in erstaunte Gesichter. Einzig George Ollivander hatte ein leises und entspanntes Lächeln auf den Lippen. Henry sah zuerst Helene Baumann, dann George an, wobei sein Blick ein paar Sekunden auf George verweilte. Schließlich lächelte er. Magister Baumann verfolgte den Blick mit leichter Verwunderung.

„Ja, meine Liebe.", sagte Henry gedehnt. „Kennen sie es?"

Jetzt lächelte sie und zeigte eine Reihe blendendweißer Zähne.

„Wissen sie, Henry, - darf ich Henry sagen?", begann sie. Henry nickte. „Ich war zu einer ganz bestimmten Zeit in unserer Grundschule eine Außenseiterin. Das begann jedes Jahr am ersten Dezember, wenn die Lehrerin mit den Kindern über die Vorweihnachtszeit sprach. Ich konnte nicht mitreden. Offiziell war ich eingeschult  worden, ohne zu Glaubensgemeinschaft zugehörig zu sein. Das hatte den Vorteil, dass ich diesen Religionsunterricht nicht mitmachen musste. Von den anderen Schülern hörte ich nur, wie langweilig er sei. Nun, in dieser Vorweihnachtszeit, da waren alle wie im Fieber, haben so einen Kalender gehabt, bei dem man Türchen aufmachen und Schokolade herausholen konnte."

„Einen Adventskalender...", sagte Hermine. Miss Baumann lächelte sie an und nickte.

„Genau, so haben sie ihn genannt. Einen Adventskalender. Meine Güte, wie neidisch war ich damals auf die anderen. Ich kannte kein Weihnachten, und damals, ich war ja auch noch klein, da bin ich zu meinem Vater gegangen und habe ihn gefragt, warum wir nicht Weihnachten, sondern dieses Lichterfest feiern. Weihnachten sei doch viel schöner, da gäbe es Geschenke, und die anderen hätten erzählt, da wäre Gott geboren worden. Mein Vater hat mich auf seinen Schoß genommen und mir erzählt, dass unser Glaube viel älter sei, als jener der Christen. Er erzählte mir von der Mutter Erde und von dem Vater Wind, von der Kraft des Wassers und von der heiligen Quelle."

„Dann ist ihr Vater ein Anhänger des alten Glaubens?", fragte Henry, der jetzt sichtlich aufgeregt wirkte.

„Später, als die Grundschule vorbei war, konnte ich nicht wie meine Mitschüler auf ein städtisches Gymnasium gehen. Mein Vater erklärte mir, dass Leute wie wir aufgrund unserer Herkunft auf eine ganz besondere Schule mussten. Es war ein Zauberer-Internat, die Burg Rabeneck."

„Rabeneck!", rief Henry nun erstaunt aus. „Dort werden nur Kinder von Druiden aufgenommen. Ihr Vater ist Druide!"

Helene Baumann nickte.

„Sie sind auch Druide, nicht wahr?", fragte sie. „Ich habe die Quelle in ihrem Wappen über dem Eingang gesehen. Ja, es stimmt, mein Vater ist Druide, und ich bin druidische Hexe."

„George!", sagte Henry mit einem leichtren Vorwurf in der Stimme. „Das hast du gewusst!"

George lächelte.

„Ich muss zugeben, ich hatte eine Ahnung.", sagte er gelassen. „Mir war aufgefallen, wie unsere junge Schwester vor meinem Bücherregal stand und mit Interesse einige Buchtitel betrachtete, die einen normalen Zauberer niemals interessiert hätten. Zumal die Titel in Runen geschrieben sind und ich den Verdacht hatte, dass sie diese Zeichen lesen konnte. Aber ich war mir nicht ganz sicher. Ich wusste jedoch, dass sie, wenn sie eine von uns ist, sofort weiß, mit wem sie es zu tun hat, wenn sie hierher kommt."

„Du bist ein Fuchs, George.", sagte Henry grinsend. Dann wandte er sich an Helene. „Dann muss ich dich, liebe Schwester noch einmal ganz besonders willkommen heißen. Ich bin überrascht, erfreut und zugleich enorm erleichtert. Mein Haus sei auch dein Haus."

„Erleichtert?", fragte Helene verwundert. „Weshalb?"

„Ich bin erleichtert, eine von uns in Hogwarts zu wissen. Du wirst die ganze Geschichte noch erfahren, aber Harry ist wegen dieses durchgeknallten Möchtegerngroßmeisters Voldemort alias Tom Riddle in großer Gefahr. Leider scheint sich dieser Verrückte das Wissen über einige wirklich starke Zauber verschafft zu haben. Und Harry gehört noch nicht lange zu uns."

Helene Baumann sah Harry mit Erstaunen an.

„Du bist ein Druide?", fragte sie.

„Er wurde Mitte September aufgenommen.", antwortete Henry für ihn. „Er war in Gefahr und ich sah darin den einzigen Weg, ihn wirkungsvoll zu schützen. Hier am Tisch gehören alle unserem Bund an. Würden wir sonst so offen darüber reden?"

„Natürlich...", sagte sie. Jetzt war es an Harry, verblüfft zu sein. Natürlich. Sie würden nicht über den Bund reden, wenn Lupin und Sirius... sie waren Druiden. Warum war er nicht schon früher darauf gekommen. Sirius hatte in seinem Brief von Henrys Orden geschrieben. Henry hätte Sirius nie davon erzählt, wenn dieser nicht auch dazu gehören würde.

Sirius hatte Harry die ganze Zeit beobachtet. Als Harry ihn prüfend ansah, lächelte er wissend und sagte:

„Es stimmt, Harry. Ich bin es noch nicht lange, aber ich bin es. Ich habe dir geschrieben, dass Henry und ich viele Abende miteinander verbracht haben. Wir hatten uns einiges zu erzählen. Als er mir dann einen seiner Brüder als Anwalt vorschlug, hat er mich eingeweiht. Jetzt weiß ich auch, was dich mit Henry verbindet."

„Hast du mit Professor Dumbledore über mich gesprochen, Henry?", fragte Helene.

„Wieso?"

„Ich habe von ihm einen Brief erhalten, Ende des letzten Schuljahres. Er fragte mich, ob ich an seiner Schule anfangen wolle. Woher kannte er mich?"

„Oh, es tut mir leid", sagte Henry und schüttelte den Kopf. „Ich habe nie mit Professor Dumbledore gesprochen, und ich kannte dich ja auch nicht, bis heute. Aber soweit ich weiß, ist Dumbledore kein Druide. Ich müsste es wirklich wissen. Zumindest in Britannien kenne ich jeden aus unserem Orden. Ich kann mir nur vorstellen, dass ... ach, ich weiß es auch nicht."

„Dumbledore ist ein sehr erfahrener Zauberer.", meldete sich jetzt Sirius. „Ich hatte in Rumänien Gelegenheit, mich ausführlich mit ihm zu unterhalten. In gewissem Sinne, möchte ich meinen, ist er ein ausgekochtes Schlitzohr. Er weiß viel über die Zaubererwelt, und ich bin mir sicher, dass er auch einiges über die Druiden weiß, ohne dass wir davon Ahnung haben. Er wird nicht umsonst zu den erfahrendsten und mächtigsten Zauberern dieses Jahrhunderts gezählt."

„Ich hatte manchmal das Gefühl, er könne Gedanken lesen.", sagte Remus Lupin. „Oft habe ich mich gefragt, woher er das weiß, was er weiß."

„Ja, als ich ihn im Herbst kennen gelernt habe", pflichtete Henry  bei, „hatte ich auch solch ein Gefühl. Auf der anderen Seite halte ich ihn für einen absolut wunderbaren und integeren Menschen, über jeden Zweifel erhaben. Auch wenn er vielleicht mehr weiß, als wir ahnen, und wenn er in dem Wissen, dass du, liebe Helene eine der unseren bist, dich nach Hogwarts geholt hat, dann hat er nur Gutes im Schilde geführt. Ich bin mir sicher, dass er eine mächtige Hexe als Schutz für die Schule in den Zeiten der Wiedererstehung der Todesser braucht. Und ich kann mir auch vorstellen, dass er es für Harry getan hat, der ja immerhin von Voldemort persönlich bedroht wird. Also? Ich sehe darin keinen Grund zur Beunruhigung, eher das Gegenteil davon."

Sirius und Lupin stimmten dem zu. Inzwischen hatten sie den Hauptgang hinter sich gebracht. Es hatte gespickten Rehrücken, dazu Schwäbische Schupfnudeln und Apfelrotkohl gegeben. Henry klärte seine Gäste auf, dass er zu Ehren von Helene Baumann ein typisch deutsches Festmahl hatte bereiten lassen. Daraufhin hatte Helene gesagt, dass sie eigentlich nach England gekommen sei, um die englische Gebräuche und Küche kennen zu lernen. Gleichwohl fühlte sie sich durch diese Aufmerksamkeit geehrt.

Der Abend wurde noch sehr gemütlich. Nach dem Essen begaben sie sich in die Bibliothek, wo Henry und Sirius sich eine Zigarre ansteckten. Helene Baumann unterhielt sich ausführlich mit Henry, George und Hermine, die sich zu ihnen gesellt hatte, während Sirius, Harry und Remus sich in einer anderen Gruppe eine Menge zu erzählen hatten. Harry fiel auf, dass Sirius immer wieder zu Helene Baumann hinübersah, nur kurz, aber so oft, dass man es durchaus bemerken konnte. Offensichtlich war er, genau so wie Harry auch, etwas irritiert. Magister Baumann war eine druidische Hexe. Niemals wäre Harry in dem vergangenen Halbjahr auf diese Idee gekommen. Er war verblüfft, verunsichert, fühlte sich sogar etwas betrogen, denn es schlich sich ein Gefühl ein, das ihm einflüstern wollte, er stünde bei Magister Baumann unter Beobachtung, und sie hätte nur aus diesem Grunde den Trank für Halloween gebraut und mit nach Perpignans Place gekommen.

Widerwillig streifte er den Gedanken ab. Nein. Es musste einfach ein Zufall sein. Woher sollte Dumbledore schon vor den Ferien gewusst haben, dass Harry in den Orden der Druiden aufgenommen wird?! Dumbledore konnte genau so wenig in die Zukunft schauen wie Professor Trelawny, wie jeder Mensch. Außer John...! Je länger er darüber nachdachte, desto verunsicherter wurde er. Und der Wein, der für ihn ungewohnt war, trug auch noch dazu bei, denn er merkte, dass seine Worte unsicher und seine Zunge schwer wurde. Genau so erging es ihm in seinen Gedanken.

‚Ich bin müde.', dachte er. ‚Ich glaube, ich gehe jetzt ins Bett.'

„Was ist Harry? Du hörst mir gar nicht zu.", vernahm er plötzlich Sirius Stimme aus dem Nebel.  Meine Güte! Sirius hatte die ganze Zeit geredet, Harry hatte ihn angesehen, gesehen, wie sich seine Lippen bewegten und er konnte sich nicht erinnern, wovon Sirius gesprochen hatte. Er schüttelte den Kopf.

„Ich glaube, ich werde wirklich müde.", sagte er. „Tut mir leid, Sirius, der Wein und das Essen. Ich sollte besser ins Bett gehen."

Sirius sah ihn verständnisvoll an. „Ja, allzu lange bleibe ich auch nicht mehr wach. Hast du schon eine Idee, was du morgen machen möchtest?"

Harry überlegte kurz. Er hatte Lust in den Wald zu gehen. Schon im Herbst hatte er den feuchten Modergeruch gemocht, als er mit Henry zu dem magischen Platz gegangen war und einige Zauber geübt hatte. Aber ob er dort mit Sirius und Remus hingehen konnte? Er musste Henry fragen.

„Vielleicht können wir nach dem Frühstück einen Spaziergang machen.", sagte er daher, ohne sich auf ein Ziel festzulegen. „Nach dem Schulmuff brauche ich viel frische Luft, und ich glaube, ich kann dir dann besser zuhören."

Sirius lachte leise.

„Deinen Humor hast du jedenfalls nicht verloren.", brummte er und paffte eine große Qualmwolke in den Raum.

„Also", sagte Harry und wandte sich zur Tür. „Ich geh' ins Bett. Gute Nacht!"

Alle wünschten ihm eine angenehme Nachtruhe. Hermine, die auch müde war, schloss sich ihm an. Sie stiegen die Treppe hinauf. Vor Hermines Zimmer blieb Harry stehen. Er sah sie an.

„Du siehst heute wieder einmal toll aus. Immer, wenn wir hier sind, siehst du toll aus... Na ja, das wollte ich dir sagen..."

„Danke Harry.", sagte sie mit leichtem Erstaunen. Besorgt sah sie ihn an und fragte:

„Hast du...bist du...?"

Harry brachte ein Lächeln zustande.

„Nein!", sagte er mit fester Stimme. „Mach dir keine Sorgen. Gute Nacht."

„Gute Nacht Harry!"

Der nächste Tag war ein trüber und nebliger Dezembertag, typisch für das Wetter im Nordosten Englands. Manchmal verzog sich der Nebel mehrere Tage lang nicht. Das ging dann so weit, dass alle Sinne benebelt wurden. Man fühlte sich, wie in Watte eingepackt. Alle Geräusche klangen so merkwürdig fern, und man hatte auch den Eindruck, dass man mehr Details, diese aber sehr gedämpft hören konnte. Alles war grau in grau, sogar die roten Ziegel waren grau, die grünen Fensterläden waren grau, die Gesichter der Menschen, denen man begegnete, waren ebenfalls grau. Das waren die Tage, die man am sinnvollsten bei einer Tasse heißem Tee und einem guten Buch oder mit Freunden redend am wärmenden Kamin verbrachte. So gestaltete sich auch der Tag für die Besucher von Perpignans Place.

Es war der Tag des Lichterfestes, das am Abend des 24. Dezember gefeiert wurde. Die Christen hatten sich diesen Tag für ihre heilige Nacht zu Eigen gemacht, genau so, wie sie jeden heiligen Ort der Druiden mit einer Kapelle oder Kirche bepflasterten, wie sie die Ehrentage der keltischen Götter zu Namenstagen ihrer Heiligen gemacht hatten, nur um jede Spur der von ihnen verachteten Konkurrenzreligion zu verwischen. Was die Christen jedoch nicht begriffen hatten, war, dass die Natur den Kelten für jeden zerstörten oder entweihten Ort einen neuen gab, in Form einer Lichtung oder eines Hügels oder auch nur eines Steines, der mitten in der Natur stand. Die Druiden hatten so viele heilige Orte, dass die Christen arm geworden wären, wenn sie auf jeden eine Kirche gebaut hätten.

Die Tradition des Lichterfestes hatte bei den Wenigen, die noch der alten Naturreligion angehörten, überlebt. Es war die Tradition, die den Menschen an den Tagen mit den längsten Nächten ein bisschen Trost und Zuversicht geben sollte. Das Fest war so alt, wie die Welt, so erzählte man sich in Druidenkreisen. Es wurde schon so lange gefeiert, dass niemand mehr wusste, was der eigentliche Anlass des Festes gewesen war. Man erzählte sich eine Geschichte über eine graue Vorzeit, in welcher der Gott der Finsternis und der Gott des Lichtes miteinander gekämpft hatten, welcher Teil der Welt nun wem gehörte. Viele, viele Jahrhunderte sollen sie miteinander gekämpft haben und die Menschen, die zu dieser schrecklichen Zeit gelebt hatten erlitten große Not.

Schließlich schritt Mutter Erde ein und trennte die Streithähne. Sie beschloss, dass das Jahr in zwei Hälften geteilt werden sollte, in eine Hälfte des Lichtes und eine Hälfte der Dunkelheit. Da aber die Menschen weder sechs lange Monate in vollkommener Dunkelheit leben konnten noch ein halbes Jahr in vollkommener Helligkeit, bestimmte die weise alte Mutter Erde, dass zwischen Helligkeit und Dunkelheit ein langsamer Übergang stattfinden sollte, indem die Tage kürzer und die Nächte länger wurden, bis zum Tag der längsten Nacht. Dann aber sollten die Tage wieder länger werden, bis zur kürzesten Nacht des Jahres, der Mittsommernacht.

Die beiden Götter erklärten sich nach langem Hin und Her bereit, einen Versuch zu wagen. Aber sie stritten sich nun darum, ob die Tage der Tag und Nacht-Gleiche dem Licht oder der Dunkelheit gehörten und so schickte Mutter Erde die vier Jahreszeiten aus, damit sie die Eigentümer aller Tage des Jahres wurden. Licht und Dunkelheit aber wurden von Göttern zu Handlangern degradiert und mussten von nun an den vier Jahreszeiten dienen.

Damit die Menschen niemals diesen Kampf der Götter und den Unverstand von Licht und Dunkelheit vergessen, sollten im Winter das Lichterfest, im Sommer das Fest der Mittsommernacht und in Frühjahr und Herbst das Fest der Tag- und Nachtgleiche gefeiert werden.

Diese Geschichte wurde von Generation zu Generation weiter gegeben, jedoch zweifelte jeder moderne Mensch an ihrem Wahrheitsgehalt. Die Kinder jedoch, die in der keltischen Tradition erzogen wurden, lauschten jedes Jahr immer wieder mit Spannung der Erzählung ihrer Eltern. Diese Geschichte hörte Harry am Vormittag des Tages, der so trübe und nebelig war, dass man ihn nur im Kreise seiner Freunde oder der Familie an einem wärmenden Kaminfeuer verbringen konnte. Sie saßen alle vor der alten Herdstelle in der Bibliothek. Henry hatte, in Erwartung vieler Gäste für das Lichterfest noch einiges Mobiliar heranschaffen lassen, unter anderem fünf neue Sessel und ein bequemes Sofa, die nun in der Bibliothek standen und einer Menge Wärmebedürftiger Platz boten. Da er bis zum Abend noch die Ankunft von Druiden und druidischen Hexen aus ganz Großbritannien erwartete, hatte er auch noch einige Zimmer in komplette, geräumige Wohnungen verwandeln lassen.

Den ganzen Tag ließen sie mit Müßiggang verstreichen. Schon nach dem Frühstück hatten sie sich in die Bibliothek zurück gezogen, gelesen, sich unterhalten oder gespielt. Harry beschloss mit einem Blick aus dem Fenster, das der am Vorabend von ihm gewünschte Spaziergang durchaus auf einen anderen Tag verschoben werden konnte. Zu ungemütlich sah diese graue Kulisse aus, in die das Geschehen eingebettet war.

Nach dem Mittagessen begaben sie sich in das Kaminzimmer im Ostflügel. Harry kannte den Ostflügel noch nicht und war überrascht, als er den geschmackvoll, aber ganz und gar nicht im Stile der Perpignans eingerichteten Raum betrat. Henry hatte diesen Flügel, der einige Jahrzehnte ungenutzt verfallen war, wieder herrichten lassen und die Räumlichkeiten für Gäste vorgesehen, die für längere Zeit dort wohnen sollten. Er diente Sirius und Remus als Domizil. Sirius hatte es sich gemütlich eingerichtet, zum Teil hatte er die Möbel umgestellt und manches Stück auch einfach in die ungenutzten Zimmer transportiert. Einigen der Möbel hatte er mit Henrys Erlaubnis ein modernes Aussehen verliehen. Ein wenig Avantgarde schwebte nun über seiner Wohnungseinrichtung. Gleichwohl war dies nur ein vorübergehender Zustand, den man jederzeit wieder umkehren konnte.

Zur Wohnung von Sirius und Remus gehörte auch das besagte Kaminzimmer, das beide Appartements verband, und einen gemütlichen Treff darstellte. Da die beiden großen Fenster oberhalb der Mauer lagen, die das ganze Gehöft umspannte, hatte man vom Kaminzimmer aus einen herrlichen Blick über die Landschaft. Bei klarem Wetter konnte man bis zur Küste sehen. Oft hatten Sirius und Remus abends in diesem Zimmer am Kamin gesessen, Geschichten ausgetauscht und viele, oftmals leidige Erinnerungen verarbeitet. Henry war nicht selten zu Gast in diesem Zimmer, hatte aufmerksam zugehört und im Stillen in den Lebensläufen seiner Freunde und Brüder geforscht, um sich die Besten heraus zu picken, die bei den Problemen seiner werten Gäste helfen konnten.

So war Oswald Bensing in die nähere Auswahl geraten, um Sirius bei der Wiederaufnahme seines Verfahrens zu beraten und ihm den notwendigen Rechtsbeistand zu leisten. William McHairn war der begnadete Zaubertrankhersteller, der wiederum Remus Lupin zu einem fast beschwerdefreien Leben verhelfen konnte. Harry sollte noch an diesem Abend die beiden Brüder des Druidenordens kennen lernen, außerdem noch eine ganze Anzahl weiterer, höchst interessanter und im Orden wichtiger Persönlichkeiten. Es sollte sich die gesamte Führungsriege der britischen Druiden bei Henry versammeln.

Zunächst spielten Harry und Sirius eine Partie Schach. Harry war nie ein guter Schachspieler gewesen, aber er hatte von Ron einiges lernen können und schaffte ein paar Züge, bei denen Sirius anerkennend leise durch die Zähne pfiff. Es nützte jedoch nur wenig, denn Sirius, schon als Schüler ein begnadeter Spieler, hatte sein Gehirn während der Gefangenschaft in Askaban durch intensives geistiges Durchspielen aller nur denkbaren Partien trainiert. Mit anderen Worten ausgedrückt, konnte man durchaus behaupten, dass Sirius sich inzwischen mit den besten Spielern Britanniens messen konnte. So war es auch nur eine Frage der Zeit, bis Harrys König fiel. Henry hatte sich in den Endzügen des Spiels zu ihnen gesellt und machte ein etwas unglückliches Gesicht, als Harry nach seinem König griff und ihn auf das Brett legte.

„Matt...", seufzte er. „Du bist wirklich gut, Sirius..."

„Musst du dem Jungen gleich beim ersten Spiel zeigen, wer der Bessere ist?"

„Reg dich nicht auf, Henry", antwortete Sirius gelassen. „Ich bin mir sicher, dass Harry keinen Schaden daran nehmen wird."

Dann bat Sirius Harry, alle Vorfälle, die sich im Zusammenhang mit den Slytherins ereignet hatten, genauestens zu erzählen. Mehrmals fragte er nach, besonders interessierte er sich für den Zauberstab, der allem Anschein nach die Ursache für das Unglück der Slytherins sein sollte. Auch Henry lauschte aufmerksam Harrys Erläuterungen. Harry schloss seinen Bericht mit einer Frage ab, die er direkt an Henry richtete:

„Sag, Henry", fragte er, „George hat mir etwas über die vier Hogwarts-Gründer erzählt. Stimmt es, dass Slytherin ein Druide war?"

„Hat er das gesagt?", fragte Henry nach. Harry überlegte kurz, dann schüttelte er den Kopf.

„Nein, ich glaube, ich bringe es durcheinander. Er sagte, Slytherins Vater war ein Druide. Aber ich möchte trotzdem noch etwas mehr über Slytherin erfahren. Vielleicht weißt du ja noch etwas..."

„Da kannst du sicher sein, mein lieber Harry.", antwortete Henry und lehnte sich zurück. „Ich habe deshalb nachgefragt, weil es mich erstaunt hätte, dass George ein so tiefes Wissen hat. Das hieße, dass er in seiner Ausbildung Dinge mitbekommen hat, die nicht für seine Ohren bestimmt waren. Er hat sich damals nur zum Druidentum bekannt, weil sein Vater es so wollte. Erst im Laufe seiner Ausbildung hat er etwas Gefallen daran gefunden, was sicher auch damit zusammenhing, dass er zu ersten Mal in seinem Leben wirkliche Freunde gefunden hat."

Er machte eine kleine Pause.

„Ähm...", machte Harry und sah Henry verwundert an. „Heißt das jetzt, dass Slytherin doch ein Druide war? Und was heiß das, dass George Dinge mitbekommen hat, die er nicht wissen durfte? Wieso darf ich sie wissen?"

„Das sind viele Fragen auf einmal, Harry.", antwortete Henry.  „Fangen wir bei der ersten an. Damals war es Sitte, dass das Amt des Druiden vom Vater auf den Sohn übertragen wurde. Es gab auch noch keine Hexen im Bund, so wie wir sie heute kennen. Alle Geheimnisse waren nur den Männern, und da auch nur denen aus angestammten Familien vorbehalten. Wenn also Salazar Slytherins Vater ein Druide war, so war es Salazar selbst logischerweise auch.

Die Schule wurde gegründet, als Salazar bereits ein fortgeschrittenes Alter erreicht hatte. Er sagte sich erst einige Jahre nach seiner Ausbildung vom Druidentum los, was zu seiner Zeit für eine enorme Aufregung gesorgt hat. Stell dir vor, dass jemand mit dem tiefen Wissen sich von dem Schwur der Geheimhaltung lossagt. Es wäre eine Katastrophe für die damalige Welt geworden, wenn nur ein Bruchteil dieses Wissens in die Hände der falschen Leute geraten wäre. Es wurde der geheime Rat einberufen und es hätte nicht viel gefehlt, und Salazar wäre für vogelfrei erklärt worden, was so viel bedeutete, wie ein Todesurteil. Alle Druiden hätten sich sofort auf ihn gestürzt und ihn in Stücke gerissen.

Nur der Tatsache, dass sein Vater einer der angesehensten Druiden seiner Zeit war und die mächtigsten der Brüder zu seinen engsten Freunden zählte, hatte er es zu verdanken, dass er mit dem Leben davon kam. Er musste aber schwören, dass niemals ... wirklich niemals ein einziges Wort dieses Wissens von ihm verraten wurde. An Salazar Slytherin wurde dann auch zum ersten mal in der gesamten Geschichte der Druiden der Schwur mit einem Zauber verbunden, der ihn sofort getötet hätte, wenn er auch nur in Gedanken mit dem Verrat gespielt hätte. Du kennst diesen Zauber, Harry!"

Harry nickte. Zu gut konnte er sich an das Ritual und den Schwur erinnern, als er von Henry in den Orden der Druiden aufgenommen wurde, weil er sich in höchster Not befand, von Lord Voldemort getötet zu werden. Der Schwur, den er und Hermine geleistet hatten, besagte, dass derjenige sterben würde, der auch nur ein Wort über den Bund der Druiden an Dritte weitergeben würde. Das galt offensichtlich nur für normale Druiden, denn Henry hatte ihm von dem Bund erzählt, ohne zu sterben. War Henry ein Auserwählter oder konnte man irgendwann von dem Schwur entbunden werden? Inzwischen glaubte Harry, dass bei den Druiden alles möglich war.

„Du musst wissen, Harry, dass zu der Zeit, als Salazar Slytherin und die anderen Drei Hogwarts gegründet haben, Zauberei  praktisch nur in der Hand von wenigen, dafür aber sehr mächtigen Familien war. Die Druiden, damals alles noch Männer, hatten das tiefe Wissen. Leichten Zauber konnten die Frauen und Töchter der Druiden ausüben, meist nur in Bezug auf die Heilkunde. So ist auch der Begriff der Kräuterhexe entstanden. Heute ist daraus ein kompletter Berufsstand geworden, den die Muggel gerne nutzen. Man nennt sie Geistheiler oder auch Homöopathen, Gesundbeter und wie auch immer. Da sie nur ganz leichten Zauber ausüben, von dem sie zum Teil selber nicht wissen, dass es Zauber ist, dürfen sie diesen Zauber auch an Muggeln ausüben.

Du kannst also davon ausgehen, dass sowohl Salazar Slytherin als auch Gothric Gryffindor aus alten Druidenfamilien stammen und selber in diesem Stand waren. Helga Hufflepuff und Rowena Ravenclaw dagegen waren Kräuterhexen, die jedoch von Slytherin und Gryffindor in die höhere Zauberei eingeführt wurden. Dabei haben Gryffindor und Slytherin  auf eine Methode zurückgegriffen, die etwa vierzig Jahre vor ihnen unter strengster Geheimhaltung von einer Gruppe von Druiden entwickelt worden war. Diese Methode revolutionierte das Zaubern in unglaublichem Ausmaß.

Früher, beziehungsweise auch heute noch bei den Druiden, waren Zauber nur unter großem Aufwand durchzuführen. Es bedeutete Vorbereitung, Rituale, die genau eingehalten werden mussten und bestimmte Orte. Zauberer mussten ellenlange Formeln in der alten Sprache lernen oder ständig dicke Bücher mit sich herumführen. Dafür waren diese Zauber unbrechbar und mächtig. Und die neue Methode vereinfachte das Zaubern derart, dass man mit einem simplen Spruch zwar nicht diese Qualität, aber schon beachtliche und für den täglichen Gebrauch durchaus ausreichende Zauber zustande brachte."

Wieder machte er eine kurze Pause um seine Gedanken zu sammeln.

„Nun zu deiner zweiten Frage. Warum darf George nicht alles wissen? Es gibt unter den Druiden unterschiedliche Grade. Je nach ihrer Bestimmung, nach ihrer Herkunft und nach ihren beruflichen Bedürfnissen werden Druiden unterschiedlich ausgebildet. Sicherlich macht jeder Druide die Grundausbildung mit. Das ist so ähnlich, wie in eurer Schule Hogwarts. Jeder in Britannien, auch die Druiden gehen zunächst nach Hogwarts, dann auf die Druidenschule. Du hast sie schon kennen gelernt. Es ist das Schloss, in dem ihr Beide, du und Hermine,  Llyr kennen gelernt habt. Dort werden drei weitere Jahre vergehen, bis ihr die Grundausbildung hinter euch habt und zumindest wisst, wo ihr euch die Formeln und die Rezepte für Zaubertränke herholen und wie ihr sie anwenden müsst.

Dann geht es, je nach eurer Bestimmung, in die sogenannte Lehre. Ihr werdet zwei weitere Jahre von einem Spezialisten ausgebildet. Manche Brüder und Schwestern gehen in die interne Ordensverwaltung und bleiben auf dem Schloss. Manche werden, so wie ich, für Sonderaufgaben ausgebildet. Und manche lernen nur die Grundzüge der Druidenkunst, so wie George. Sie gehören zu den Druiden, sind gleichberechtigte Mitglieder des Ordens, aber sie haben nicht alles Wissen. Sie brauchen es auch nicht."

„Aber, warum darf ich Dinge wissen, die George nicht wissen darf?", fragte Harry.

„Das, Harry ist deine dritte Frage. Vielleicht sollte ich dir erst einmal etwas über die Beweggründe erzählen, warum ich dich und Hermine in den Orden aufgenommen habe. Weißt du, ich verfolge deine Lebensgeschichte schon seit deiner Geburt. Dir, wie mir, ist klar, dass du eine ganz besondere Rolle in der Welt der Zauberei spielst. Du bist Harry Potter und ich war sehr stolz darauf, dich unter meinem Dach beherbergen zu können. Du hast einige Fähigkeiten, die dich zu einem ganz besonderen Bruder machen könnten. Du bist Magid, etwas, was nur bei etwa jedem tausendsten Zauberer vorkommt. Dazu kannst du Parsel, etwas, das so selten ist, dass nur du und noch genau eine weitere Person dies können."

„Ich weiß", sagte Harry, „der andere ist Voldemort. Ich habe es von ihm."

Henry nickte.

„Darüber werden wir später in den Ferien auch noch reden müssen. Mir sind in deinem Bericht von den Vorfällen auf Hogwarts einige Dinge aufgefallen, die sehr wichtig sind. Aber zunächst möchte ich dir erklären, warum du Manches wissen darfst, was sonst kaum an ein Druidenohr dringt. Ich habe damals, als wir die ersten Zaubereistunden gemeinsam hinter uns gebracht haben, mit Llyr Kontakt aufgenommen und mit ihm über deine Aufnahme beraten. Wir waren uns schon vorher einig, dass du der einzige bist, der den dunklen Lord endgültig besiegen kannst. Du bist zwar dadurch geschwächt, dass es ihm gelungen ist, Blut von deinem Blut zu nehmen, aber mit unserer Hilfe wirst du diese Schwäche ausgleichen können.

Warum interessiert uns Voldemort überhaupt? Ganz einfach. Er hat Zugang zu Informationen erhalten, die er niemals bekommen durfte. Geheimes Wissen. Wir vermuten, dass er einen Teil der Aufzeichnungen von Salazar Slytherin gefunden hat. Das macht ihn nicht nur für die normale Zaubererwelt gefährlich, sondern auch für uns. Zumal wir nicht genau wissen, was er weiß.

Du, Harry bist auf magische Weise mit Voldemort verbunden. Du kennst den Weg zu ihm. Du brauchst nicht mit dem Kopf schütteln...nein, auch wenn du ihn vielleicht heute noch nicht in deinem Bewusstsein trägst, diesen Weg. Eines Tages wirst du ihm wieder gegenüberstehen. Und dann werden wir dabei sein. So, und nun sage ich dir auch, warum Sirius und Remus hier sind: Sie kennen Voldemort besser, als jeder andere hier, schließlich haben sie ihn einige Jahre lang bekämpft. Und noch etwas sage ich dir: Was würde ich darum geben, wenn dein Vater noch leben würde! Er wäre der erste, den ich hierher geholt hätte."

Harry schluckte. Es war seltsam für ihn, dass Henry seinen Vater erwähnte. War Henry doch fast so etwas wie sein Großvater geworden. Jetzt kam auch noch hinzu, dass Henry seinen Vater offensichtlich kannte, zumindest wusste, wer er war, und was er getan hatte. Er wusste noch nicht, wie und warum, es begann sich ein Kreis für ihn zu schließen.

„Aber es war doch Zufall, das ich zu dir gekommen bin...", fragte Harry nachdenklich.

„Für diesen speziellen Augenblick, ja.", sagte Henry. „Es war Zufall, dass du vor Voldemort ausgerechnet zu George Ollivander geflohen bist. Ich möchte es aber nicht als Zufall bezeichnen, dass wir beide uns kennen gelernt haben, denn wir reden im Führungsstab der Druiden schon seit zwei Jahren darüber, was passieren soll, wenn der dunkle Lord wieder zur Macht zurückkehrt. Seit einem halben Jahr wissen wir, dass du der Schlüssel zum Erfolg bist und wir haben dein freiwilliges Erscheinen mit großer Freude zur Kenntnis genommen. Früher oder später hätten wir Kontakt zu dir und auch zu Sirius und Remus aufgenommen."

Er machte eine kurze Pause.

„Tja, jetzt magst du dich fragen, was dann noch von unserer Freundschaft übrig bleibt...", sagte er vorsichtig und sah Harry ernst in das Gesicht. Harry nickte heftig.

„Es bleibt dir überlassen, zu fühlen, ob zwischen uns beiden eine Freundschaft gewachsen ist.", fuhr Henry fort. „Ich jedenfalls betrachte es als etwas ganz besonderes, dich kennen gelernt zu haben, zumal zwischen deinem und meinem Alter mehr als vierzig Jahre liegen. Es ist schwierig, dabei von Freundschaft zu sprechen; manche würden sagen, es könnte eine Vater-Sohn oder sogar eine Großvater-Enkel Beziehung sein. Ich möchte nicht so anmaßend sein, es als etwas solches zu bezeichnen. Ich möchte dir nur sagen, dass ich in meinen kühnsten Vorstellungen, als wir Druiden uns einig waren, dich für den Kampf gegen Voldemort zu gewinnen, nur das Geschäft zwischen dir und den Druiden gesehen habe. Und das, was ich jetzt sehe, geht sehr weit über meine Vorstellungen hinaus."

Harry atmete tief durch. Zuerst war Enttäuschung wie ein Schatten auf seiner Seele gelegen, als er gehört hatte, weshalb er Druide geworden war. Noch vor ein paar Minuten hatte er geglaubt, seine Aufnahme war nur aus Freundlichkeit erfolgt. Dieses Kartenhaus war mit wenigen Worten eingerissen worden, aber zu seinem Erstaunen stand anstelle dieses Kartenhauses ein Haus aus Ziegelsteinen, das nicht mehr so leicht zu zerstören war. Etwas verwirrt, aber unendlich erleichtert lächelte er.

„Weißt du, Henry", sagte er, „als ich auf dem Weg nach Perpignans Place war, habe ich witzigerweise für einen Augenblick geglaubt, dass ich zu meinem Großvater fahre. Irre, nicht?"

Henry schmunzelte.

„Ach Harry, irgendwie habe ich mich auf dich gefreut, wie auf einen Enkel..."

Harry hatte nicht bemerkt, wie im Laufe ihrer Unterhaltung die Abenddämmerung ihren Mantel über die Landschaft gelegt hatte. Der Nebel hatte sich am Nachmittag gehoben und war so dünn geworden, dass die untergehende Sonne ihn mit einem zarten Rosé durchzog, bevor sie hinter dem Horizont verschwand. Jetzt verwischten die Konturen der Landschaft wieder, jedoch nicht, weil sie von einem grauen Schleier umwoben wurden, sondern weil sich das dunkle Blau der Nacht herabsenkte.

Henry hatte bei seinem letzten Satz etwas verlegen aus dem Fenster geschaut. Jetzt merkte er auf und blickte auf die viktorianische Uhr auf dem Kaminsims.

„Oh, es ist schon vier", sagte er überrascht. „Wie die Zeit vergeht, wenn man nicht allein ist...Ich darf mich entschuldigen, in wenigen Minuten werden die ersten Gäste eintreffen und ich habe noch so viel zu tun. Wir sehen uns um halb Sieben beim Dinner?"

Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er zur Tür und verließ den Raum. Harry schloss sich ihm an und ging ein paar Minuten nach ihm. Er schritt durch den kühlen Abend hinüber ins Haupthaus und begab sich auf sein Zimmer. Er setzte sich auf den reich verzierten Stuhl am Schreibtisch, legte seinen Arm auf die Tischplatte und starrte aus dem Fenster. Der Hof wurde, im Gegensatz zu der in der Dunkelheit verschwindenden Landschaft, von flackerndem Fackellicht erhellt. Harry schüttelte den Kopf, als wolle er seine Gedanken entwirren. Was für ein Tag. Und er war noch lange nicht zu Ende.