Titel: Harry Potter und der Erbe von Slytherin
Autor: Luka
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Altersbeschränkung: 12
Inhalt: Kapitel 17: Sollte sich etwa zwischen Helene Baumann und... Lest selber. Außerdem werden Theorien diskutiert, wie Voldemort an das Parsel kam.
Disclaimer: Die vorliegende Geschichte ist eine FanFiction zu Harry Potter. Dies zu schreiben macht in erster Linie mir Spaß und liegt fern jedes kommerziellen Gedankens. Dies zu lesen soll allen Spaß machen, die eine neue Geschichte von Harry Potter haben wollen. Sie sollen das tun können ohne eine müde Mark auszugeben. Alle Charaktere gehören Joanne K. Rowling, bis auf die, die in der Geschichte noch entwickelt werden müssen und die nicht von JKR sind. ( So z.B. Helene Baumann und Henri Perpignan der in dieser Geschichte auch wieder eine, wenn auch nicht so wichtige Rolle spielt)
17 Zarte BandeEs hatte wider erwarten aufgeklart und ein leichter Wind trieb die Wolken in dichten Schleiern über den Himmel. Immer mal wieder rissen diese Schleier auf. Sie ließen einen verzagten Sonnenstrahl hindurch, der wie ein Scheinwerfer über die graugrüne Landschaft strich und ein wenig Freundlichkeit in das winterliche Einerlei brachte.
Harry hatte in der Nacht ausgezeichnet geschlafen. Wie spät es geworden war, an dem Abend des Lichterfestes, konnte er nicht mehr sagen. Jedenfalls war er erst ausgeschlafen, als es schon lange hell war. Als er sich schließlich aus seinem warmen und gemütlichen Federbett geschält und hinunter gegangen war, kam er gerade noch rechtzeitig, bevor die Mittagstafel aufgehoben wurde.
Man konnte es sicher nicht mehr Mittagstafel nennen, denn bereits um neun Uhr morgens hatten die fleißigen Kräfte des Hauses ein Buffet angerichtet, auf dem neben Eiern mit Speck, Toast und Honig und vielen anderen typisch britischen Frühstücksleckereien auch noch die Reste vom gestrigen Festmahl gereicht waren. Braten war in handliche Scheiben geschnitten und mit diversen frischen Kräutern kalt auf einem Silbertableau dekoriert. Die Gemüse hatte man zu einem leckeren Eintopf verarbeitet und aus der Vielzahl verschiedener anderweitiger Reste waren durch die Künstler der Küche allerfeinste Pasteten gezaubert worden.
Die Standuhr schlug gerade zwei Uhr nachmittags, als Harry den großen Saal betrat. Kleinere Tischgrüppchen verteilten sich über den ganzen Raum. An der fensterabgewandten Seite waren über die ganze Länge des Saales Tische mit Speisen dekoriert. Lakaien in der Uniform, die sie schon auf dem Lichterfest getragen hatten, liefen mit großen silbernen Kannen umher und schenkten Tee oder duftenden schwarzen Kaffee, wo auch immer einer der Gäste den Finger hob.
Allerdings schienen die meisten der Gäste schon den Brunch beendet zu haben, denn abgesehen davon, dass zahlreiche Tische schon abgeräumt waren, saßen nur noch wenige Grüppchen von Hexen und Druiden im Saal. Harry sah sich um, ob er ein bekanntes Gesicht erblicken konnte. Er hatte keine Lust, sich zu wildfremden Leuten an den Tisch zu setzen. Er hätte sich mühsam unterhalten müssen, aber dazu fühlte er sich einfach noch nicht wach genug.
An einem hinteren Tisch bemerkte er Sirius, der zu ihm herübersah und mit einer Hand winkte. Harry setzte sich in Bewegung und ging zu ihm hinüber. An jedem Tisch, an dem er vorüber kam, und an dem jemand saß, murmelte er:
„Guten Morgen!"
Meist bekam er ausgesprochen freundliche Sätze von Leuten zurück, deren Name er noch nicht einmal kannte. Sie sagten:
„Guten Morgen Harry! Wie hast Du geschlafen?" oder „Hallo Harry, das Fest gut überstanden?"
Dabei lächelten sie oder sahen ihn freundlich an, so das er schließlich auch lächeln musste.
„Danke!", sagte er, oder „Oh, es war sehr schön gestern", und manchmal musste er stehen bleiben, weil eine Hexe --- Frauen sind bekanntlich wesentlich kommunikativer als Männer --- versuchte, ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Harry wand sich, er wollte nicht unhöflich sein, aber nun verspürte er Hunger und große Lust auf einen Kaffee, trat von einem Bein auf das andere und spähte verstohlen zu Sirius hinüber. Dieser saß da und beobachtete Harry mit wachsendem Vergnügen und unverhohlenem Grinsen.
Harry spürte eine Hand, die sich auf seine Schulter legte, und mit großer Erleichterung stellte er fest, dass Remus ihm zu Hilfe geeilt war. Remus hatte den Saal nur kurz nach Harry betreten. Er war ebenfalls stehen geblieben und hatte sich umgesehen. Dann hatte er Sirius entdeckt und schließlich gesehen, worüber dieser sich königlich amüsierte. Mit einem missbilligenden Blick in Sirius Richtung steuerte er direkt auf Harry zu.
„Harry, hier steckst Du! Wir wollten doch zusammen hinunter gehen, zum Frühstücken." Dann wandte er sich der Hexe zu und lächelte sie an. „Ich darf Dir diesen jungen Mann doch zum Frühstück entführen, meine Liebe!?"
„Nur ungern!", säuselte sie und setzte ein abartig künstlich bezauberndes Lächeln auf. „Aber wenn er das versprochen hat..."
„Danke, meine Liebe.", sagte Remus süßlich und zog Harry hinüber zu Sirius Tisch.
„Was für eine Schreckschraube!", sagte er leise, als sie sich gesetzt hatten. Er sah zu ihr hinüber, bemerkte, dass sie die Drei beobachtete und verzog die Lippen zu einem breiten Lächeln. „Vor diesen Schachteln musst Du dich in Acht nehmen. Sie behandeln Jungs in Deinem Alter gerne wie Schoßhündchen. Sie wollen sich mit jungen Leuten schmücken, denn sie merken, dass sie langsam alt und hässlich werden. Wenn ich Dir einen guten Rat geben darf, halt dich fern von solchen Frauen."
„Danke, Remus.", sagte Harry erleichtert. „Ich hätte nicht gewusst, wie ich da weg kommen sollte."
„Wenn Du zu mir hergesehen hättest und gerufen hättest ‚Hallo Sirius! Mann, wie lange hab ich Dich nicht mehr gesehen!' und wärst zu mir gegangen, dann hätte sie sich schwarz geärgert, aber dann hättest du auch Deine Ruhe gehabt. Für immer! Du bist noch viel zu höflich, mein Junge. Du solltest noch lernen, Deine Höflichkeit bei den richtigen Leuten anzubringen."
„Sie war doch freundlich zu mir, ich kann doch nicht einfach weglaufen...", versuchte Harry sich zu verteidigen.
„Remus hat doch gerade schon gesagt, dass sie sich mit Dir schmücken wollte. Da war keine Spur von Freundlichkeit, nur purer Egoismus."
Sirius grinste.
„Mach Dir nichts draus, ich habe auch lange gebraucht, bis ich diese Spielchen durchschaut habe. Übrigens, Männer sind nicht einen Deut besser. Warum meinst Du, haben so viele alte Knacker junge und hübsche Frauen? Nur weil sie sich dann auch noch jung vorkommen."
„Sirius! Verschreck Harry nicht. Ganz so schlimm ist die Welt auch nicht."
„Nein, Du hast recht.", lenkte Sirius grinsend ein. „Und Leute wie Voldemort und die Todesser sind nur eine Fata Morgana und all die Ekel, die Dich am liebsten in Askaban sehen würden, bildest Du Dir auch nur ein. Schöne, heile Welt."
„Wie seid ihr denn drauf?", fragte Harry. Er befürchtete, dass zwischen Sirius und Remus ein Streit ausbrechen konnte, und er befand sich genau zwischen ihnen.
„Mach Dir keine Sorgen, Harry.", beruhigte ihn Sirius. „Wir zwei alten Knacker müssen uns manchmal etwas kabbeln. Gehört zur Freundschaft."
„Hm.", machte Harry etwas ungläubig, ließ es aber auf sich beruhen. Er stand auf, ging zum Buffet hinüber und nahm sich einen Teller. Dann lud er sich Eier mit Speck, kalten Braten, Toast und Butter darauf. Als er zum Tisch zurück kam, hatten sich Helene Baumann und Hermine zu ihnen gesellt. Hermine stand gerade auf, um sich ebenfalls etwas zum Frühstück vom Buffet zu holen.
„Guten Morgen Harry.", sagte sie freundlich und blieb stehen. „Wann bist Du gestern ins Bett gekommen?"
„Reichlich spät, aber ich weiß es nicht mehr.", antwortete er. „Wo warst du denn den ganzen Abend? Irgendwann warst Du verschwunden."
„Ich habe noch ein bisschen getanzt.", sagte sie und wiegte sich andeutungsweise hin und her.
„Getanzt?", fragte Harry ungläubig. „Ach so. Den ganzen Abend?"
„Von Euch wollte ja keiner!", sagte sie und sah ihn mit erhobenem Kopf an. Er erinnerte sich. Irgendwann nach dem Essen waren Hermine und Helene Baumann aufgestanden und tanzen gangen. Er hatte sich weiter keine Gedanken darüber gemacht, und sie schließlich vergessen. Getanzt? Das musste wirklich ein Hobby von Frauen sein. Noch nie im Leben hatte er mehr als eine Minute am Stück über das Tanzen nachgedacht, und wenn es geschehen war, dann nur, wie er einen Grund suchte, sich davor zu drücken.
„Getanzt.", sagte er heiter. „Und, hast Du Dich amüsiert?"
„Oh, ich habe einen sehr netten Druiden kennen gelernt, mit dem ich den ganzen Abend verbracht habe. Nur schade, dass er schon über dreißig ist..."
„Och, äh, stört dich das?"
„Ein bisschen schon. Er war richtig süß, ein wahrer Gentleman, weißt du? Er hat mir den Arm geboten, wenn er mich aufgefordert hat. Und er war immer so höflich. Ganz anders als ihr Jungs."
Der letzte Satz klang etwas schnippisch. Harry grinste innerlich. Niemals würde er sich für ein Mädchen wie ein Affe benehmen! Auch wenn sie noch so sehr darauf stehen.
„Wenn er das braucht...", grinste er.
„Blödmann.", sagte Hermine, aber sie sagte es nicht böse.
Auch Helene Baumann schien sich den Abend anders vorgestellt zu haben, denn gerade als Harry sich an den Tisch setzte, hörte er sie mit gespielter Enttäuschung zu Sirius sagen:
„Ich hatte schon gehofft, dass Du mich zum Tanzen aufforderst, Sirius. Du hast mich schwer enttäuscht."
„Oh!", sagte Sirius betroffen. „Das tut mir leid. ... Es tut mir wirklich leid, weißt du, ich glaube, in den dreizehn Jahren in Askaban habe ich völlig verlernt, wie man mit Frauen umgeht..."
Jetzt war Helene an der Reihe, betroffen zu sein.
„Dreizehn Jahre?", fragte sie gedehnt. „Ich hatte schon gehört, dass du irrtümlich in Askaban warst, aber dreizehn Jahre? Wie hast Du das ausgehalten?"
„Das weiß ich selbst nicht mehr. Ich habe jedes Zeitgefühl verloren. Aber Zeit war auch nicht wichtig. Jede Minute war ich damit beschäftigt, nicht von den Dementoren ausgesaugt zu werden..."
Sirius Gesicht war grau geworden. Entsetzen stand bei der Erinnerung in seinen schwarzen Augen und man hatte plötzlich das Gefühl, dass er ausgemergelt und hager aussah. Helene wurde blass.
„Es muss schrecklich gewesen sein...", sagte sie leise. „Es tut mir leid, dass Du Dich meinetwegen wieder daran erinnern musstest..."
Sirius holte tief Luft, schloss für einen Moment die Augen und dann lächelte er sie an.
„Es ist vorbei.", sagte er leise. „Es ist vorbei."
Helene sah ihn mit einer Mischung aus Sorge und Zärtlichkeit an. Dann lächelte auch sie.
„Kann ich es wieder gutmachen", begann Sirius, „indem ich Dich frage, ob wir gleich einen Spaziergang machen?"
„Oh ja, sehr gerne.", antwortete sie und strahlte über das ganze Gesicht.
Harry sah unauffällig zu Remus hinüber und Remus kräuselte verschmitzt seine Lippen. Leise trommelten seine Finger auf der Tischplatte und er schaute völlig interessiert einem Lakaien zu, der gerade den Nachbartisch abräumte.
Die restliche Zeit des Frühstücks verbrachten sie mit ausgiebigem Smalltalk. Hermine erzählte von dem Mittdreißiger, der sie anscheinend den ganzen Abend umgarnt hatte. Harry fragte sich die ganze Zeit, ob sie versuchte, ihn eifersüchtig zu machen und fiel dadurch auf, dass er immer wieder den Kopf schüttelte. Remus beteiligte sich sporadisch an dem Gespräch, indem er manchen Witz vom Abend aufgriff und versuchte, ihn einzustreuen. Sein mäßiger Erfolg ließ ihn schließlich ganz verstummen. Außerdem war s für ihn viel interessanter, aus den Augenwinkeln seinen Freund Sirius zu beobachten, der jetzt vollkommen jenseits dieser Welt zu sein schien. Er hatte nur noch Augen für Helene, die keine Gelegenheit ausließ, ihm in die Augen zu schauen und mit einer Hand in ihren Locken zu spielen.
Harry wurde es langweilig. Er sah zu, dass er seinen Teller leerte und den Kaffee austrank, dann stand er abrupt auf und entschuldigte sich. Er begab sich auf die Suche nach Henry, was nicht lange Zeit in Anspruch nahm, denn er fand ihn mit William Aniston in der Bibliothek. Gerade wollte er eine Entschuldigung murmeln und sich zurückziehen, denn er glaubte, die Beiden zu stören, da rief ihn Henry herein.
„Harry, komm ruhig herein. Du weißt doch, was ich heute mit Dir vor habe. Die Anderen werden auch gleich kommen."
„Guten Morgen, Harry.", grüßte ihn William freundlich. Harry grüßte zurück und betrat die Bibliothek. Zögernd nahm er in einem der Sessel Platz und sah Henry und William erwartungsvoll an.
„Wir sprachen gerade noch einmal über die Ereignisse im Herbst, Harry.", sagte Henry. „Aber niemand kann es so gut erzählen, wie du. Ich kenne es halt nur vom Hörensagen. Aber William konnte ich zumindest ins Bild setzen, wie Du hier angekommen und in den Orden aufgenommen wurdest."
„Es ist anscheinend sehr schnell gegangen.", bemerkte William. „Ich nehme an, Du hast noch nicht viel über uns erfahren, nicht wahr?"
Harry nickte.
„Ja, es ging sehr schnell.", sagte er. „Voldemort war hinter mir her, und Henry sah keine andere Möglichkeit, wenn mir die Schwestern und Brüder des Ordens helfen sollten."
„Es fällt Dir noch sehr schwer, mit unseren Gepflogenheiten umzugehen, nicht wahr?", fragte William verständnisvoll lächelnd. Wieder nickte Harry.
„Mach Dir nichts draus.", fuhr William fort, ohne auf eine Antwort von Harry zu warten. „Ich bin auch einmal, vor vielen Jahren, in den Orden aufgenommen worden. Gut, ich war etwa 8 Jahre älter als Du, aber es waren auch noch andere Zeiten. Als Jugendlicher, oder als junger Erwachsener hatte man im Kreis älterer nichts zu melden. Und die Druiden, mit denen ich zu tun hatte, waren alle so viel älter, als ich. Ich habe mich schrecklich gefühlt."
„Es geht eigentlich", sagte Harry mit Erleichterung, „Henry ist ganz in Ordnung, mit ihm kann ich mich sehr gut unterhalten. Aber wenn so viele da sind, die ich nicht kenne...Am schlimmsten finde ich, dass ich alle duzen muss. Ich kenne die doch alle nicht."
„Tja, das ist ein Ding, mit dem ich auch manchmal nicht klar komme. Ich mag nicht unbedingt jeden, der im Orden ist. Dazu sind wir auch einfach zu viele. Aber ich habe mir so geholfen, dass ich mir eingeredet habe, dass das eine große Familie ist, mit entfernten Onkels und Tanten und Kusinen und Cousins, die man halt duzt, weil sie zur Familie gehören. Später habe ich mich daran gewöhnt."
Das war gar kein schlechter Gedanke, dachte Harry. William war ihm sehr sympathisch. Es klopfte und, ohne dass Henry herein gerufen hatte, öffnete Arthur die Tür, steckte seinen Kopf durch den Spalt und sagte:
„Die Herrschaften Trichet und Darkwood, Mr. Perpignan. Mr. Cedor bittet, ihn zu entschuldigen, er leide, wie er sich ausdrückte, unter Haarspitzenkatarr und möchte sich erst auf die Suche nach einem geeigneten Mittel machen, um dieses Leiden zu kurieren."
„Er war ganz schön blau gestern.", grinste Henry. „Arthur, bitte führe die Herrschaften herein."
Arthur zog seinen Kopf zurück, die Türe wurde ganz geöffnet und Penelope Darkwood rauschte mit hoch erhobenem Kopf herein. Hinter ihr, leicht gebeugt und noch griesgrämiger dreinblickend ihr Gatte Archibald und dahinter, mit einem breiten Grinsen im Gesicht Jonny Trichet.
„Penelope, meine Liebe.", sagte Henry geschwollen, stand auf und reichte ihr die Hand. „Hast Du Dich von dem Fest erholen können?"
Während sie sich langsam in den ihr angebotenen Sessel niederließ sagte sie mit einem gekonnte Augenaufschlag:
„Ach mein lieber Henry, Du weißt, wie sehr ich Dein Heim schätze. Es ist so gemütlich und komfortabel hier. Aber in fremden Umgebungen schlafe ich so schlecht."
Archie setzte sich auf das Sofa. Anscheinend wollte er etwas Abstand zwischen sich und seine Frau bringen, die nun wie eine Matrone aufrecht und nahezu gigantisch den Sessel füllte. Ihr Busen wogte, als sie versuchte Henry wie ein junges Mädchen anzublinken, was dieser mit der Gelassenheit eines Gentleman hinnahm.
Penelope sah sich um und bemerkte, dass Archie nicht neben ihr saß. Gestern noch hatte sie das Sofa beschlagnahmt und Archie mit unmissverständlicher Geste neben sich gezwungen. Jetzt hatte sie aber den Sessel angenommen und musste zusehen, dass der Sessel neben ihr von Jonny besetzt war. Das hatte sie nicht bedacht und es irritierte sie, denn nun stand ihr Gatte nicht mehr unter ihrem direkten Einfluss, und wenn sie ihn zurechtweisen wollte, konnte sie das nicht mehr durch Gesten oder einen schnellen Knuff in die Seite machen. Jetzt hätte sie die Stimme benutzen müssen, was allerdings nicht zu erwarten war, denn das wäre ihr peinlich gewesen. Anscheinend hatte Archie damit spekuliert, denn er entspannte sich spürbar, vermied jeden Blickkontakt mit seiner Holden und begann, sich völlig ungehemmt mit William zu unterhalten.
„Meine lieben Freunde", begann Henry ernst, „es freut mich, das ihr gekommen seid, um unseren Plan zu unterstützen. Ich schlage vor, wir lassen unseren jungen Bruder berichten, was in Rumänien und danach in Hogwarts geschehen ist. Harry, darf ich Dich bitten?"
Dabei sah er Harry an. Der straffte sich, wäre beinahe aufgestanden und begann unsicher und etwas stockend zu erzählen.
Als Harry erzählt hatte, wie der Zauberstab von Slytherin zerstört worden war, schüttelte Archie langsam und wiegend den Kopf.
„Oh, oh", murmelte er. Harry stockte und sah Archie fragend an.
„Erzähl nur weiter!", forderte ihn Archie auf, und, als er bemerkte, dass Harry immer noch zögerte, fügte er ein ungeduldiges „Los, los!" hinzu. Harry erzählte von den Ereignissen am ersten Abend in Hogwarts. Archie nickte, als hätte er die Geschichte mit Slytherin erwartet. Alles Weitere schien ihn nicht im Mindesten zu beeindrucken, nur, als Harry den Namen des Erbes von Slytherin nannte, hob er ruckartig den Kopf.
„Malfoy!", entfuhr es ihm. „Luzius Malfoy? Draco? Dann sollten wir es unbedingt unterlassen, irgendetwas für die Slytherins zu tun!"
„Archie...", meldete sich Henry, „wir tun es nicht für die Slytherins. Zumindest nicht nur für die Slytherins, sondern wir tun es, weil das geheime Wissen missbraucht und in Gefahr ist!"
„Aber wenn wir dem Malfoy Jungen helfen, tun wir Voldemort einen unschätzbaren Gefallen!", sagte Archie mit einem Anflug von Ärger.
„Wenn ich dazu etwas sagen darf...", meldete sich Harry schüchtern.
„Was?", fragte Archie barsch.
„Nun, es ist nicht Malfoys Vater..."
„Was ist nicht Malfoys Vater? Willst Du mir gerade erzählen, dass er kein Todesser ist?"
„Nein, das nicht...Malfoy hat es von seiner Mutter. Sie ist die Erbin..."
„Narzissa..." Archie wurde nachdenklich. „Stimmt das Junge?"
„Ja...", stotterte Harry etwas unsicher. „Draco erzählte es mir. Und so wie es klang, musste ich ihm glauben."
„Narzissa also.", stellte Archie fest. „Henry, ich glaube mir wird auf einmal einiges klar. Das könnte es sein. Nur was... Sag, Harry, ist Dir irgendwann einmal etwas an Draco aufgefallen?"
„Wieso? Nöö! ... Gut, er ist immer etwas blass gewesen, und er ist ungeheuer fies...ja, bis auf die letzten Wochen, da war er fast sogar freundlich. Seit seine Mutter krank ist. ... Nee, seit er es mir gesagt hat..."
„Ich meinte etwas anderes", sagte Archie und beobachtete Harry aufmerksam. „Kann es schon mal passiert sein, dass er in einer Sprache geredet hat, die du nicht verstanden hast? Die so ähnlich klingt, wie ein seltsames Zischen?"
„Sie meinen Parsel? Nein, Draco kann kein Parsel. Ich kann parsel..."
„Ach du meine Güte!", kreischte plötzlich Penelope und schlug sich mit beiden Händen auf die Wangen, „Ein Parselmund! In Deinem Haus! Henry!"
„Beruhige Dich, meine Liebe!", sagte Henry gelassen. „Ich weiß, dass er ein Parselmund ist. Und ich weiß inzwischen, dass er nichts dafür kann. Damals, als Voldemort Harry töten wollte und der Fluch an ihm abprallte und zu Voldemort zurück geschleudert wurde, damals ist diese Fähigkeit auf Harry übergesprungen. Aber Archie, meinst Du etwa, dass Narzissa Malfoy und Draco Malfoy diese Fähigkeit haben müssten?"
„Ja, genau das meine ich! Wenn sie das nicht haben, können sie auch nicht Erben von Slytherin sein. Die wahren Erben können nur Riddle oder Harry sein!"
„Hm, lasst uns einmal scharf nachdenken.", sagte nun William und erhob sich aus dem Sessel. Er ging zum Kamin hinüber und blieb dort stehen. Für einen Moment verharrte er bewegungslos und starrte in die Flammen. Dann drehte er sich abrupt um und hob nachdenklich einen Finger. Er schloss in höchster Konzentration seine Augen, als hätte er Angst seinen Gedanken zu verlieren. Dann sah er Archie durchdringend an.
„Du hast diese Geschichte damals nicht so sehr verfolgt, wie ich. Ich weiß noch, als wir damals beim Frühstück im tropfenden Kessel saßen, ich hatte den Tagespropheten aufgeschlagen und habe die Hochzeitsanzeige von Narzissa und Luzius gesehen. Ich las sie Dir vor. Du hattest nur Augen für Penelope und hast gesagt ‚Was interessiert mich dieser Malfoy' , aber ich kannte diese Geschichte, denn mein jüngster Bruder ist mit den Beiden zur Schule gegangen. Ich glaube, Luzius war zwei Jahre oder so älter als Narzissa und mein Bruder sagte, dass ihn das total wundere, weil Narzissa konnte diesen Malfoy nicht ausstehen. Erinnerst Du Dich noch?"
Archie dachte nach und nickte langsam.
„Ich hatte mich gewundert, denn ich hatte Narzissa als ein sehr lebensfrohes kleines Mädchen kennen gelernt. Mein Bruder hatte sie einmal für ein paar Tage mitgebracht. Luzius war damals schon aufgefallen, weil er einer der ersten Anhänger von diesem Voldemort war. Dein Vater, Harry, er gehörte einer Gruppe von jungen Leuten an, genau so Sirius und Remus, die gegen die Todesser gekämpft haben. Sie waren eine halboffizielle Gruppe, nicht direkt vom Ministerium beauftragt, denn das Ministerium war unterwandert, sondern direkt von Barty Crouch, der damals noch in der Verbrechensbekämpfung als Agent tätig war. Der alte Barty, er hat eine unglaubliche Karriere in den Monaten gemacht...
Was wollte ich sagen...Genau! Ich konnte damals einfach nicht glauben, dass Narzissa Lucius freiwillig geheiratet hat. Das war vollkommen unmöglich. Und jetzt gerade, jetzt ist mir so etwas wie eine Erklärung eingefallen."
„Du sprichst in Rätseln.", sagte Jonny. „Mach es nicht so spannend!"
„Wenn Narzissa die Erbin von Slytherin ist, dann müsste sie Parsel sprechen. Ist das richtig?"
Alle nickten.
„Gut. Wenn Voldemort nicht der Erbe von Slytherin ist, dann stünden seins Chancen Parsel sprechen zu können Eins zu Hundert Millionen. Ist das richtig?"
Wieder nickten alle.
„Also, warum kann Voldemort Parsel? Ein weiterer Gedanke ist mir gekommen. Harry hat von dem Parsel etwas abbekommen, und zwar in einer Situation, die für jeden anderen tödlich gewesen sein konnte. Aber diese Fähigkeit gibt man nicht so einfach ab. Man verliert nicht mal eben so ein bisschen Parsel. Stimmt's?"
„Worauf willst Du hinaus?", fragte Archie ungeduldig. Harry war wie gebannt.
„Wart es ab. Ich bin mir selber noch nicht so ganz darüber im Klaren.", fuhr William fort. „Eine Überlegung jedenfalls zwingt sich auf: Wenn Voldemort nicht der rechtmäßige Erbe von Slytherin ist, woher kann er dann Parsel? Ich glaube, dass er es auf irgend eine Weise geschafft hat, einem echten Slytherin diese Gabe abzunehmen!"
„Aber...", begann Harry, „Er kann es nicht Malfoys Mutter abgenommen haben, denn er hat doch schon als Schüler die Kammer des Schreckens geöffnet. Myrthe ist Opfer des Basilisken geworden und er muss zu dem Basilisken gesprochen haben. Ich habe vor drei Jahren das Tagebuch von Tom Riddle gefunden, es hatte den Zauber, dass ich Riddle in der Kammer des Schreckens getroffen habe. Er muss damals schon Parsel gesprochen haben, und da war er doch noch Schüler..."
„Dann war mein Gedanke wohl falsch...", sagte William leise. „Schade."
„Ist er nicht mit Narzissas Vater in die Schule gegangen?", fragte Jonny. „Ich meine, so etwas gehört zu haben."
„Hm, meinst du er hat Narzissas Vater um seine Fähigkeit gebracht, Parsel zu sprechen?", fragte Henry und schüttelte den Kopf. „Ich meine, das ist etwas zu viel für einen sechzehnjährigen Schüler, auch wenn er noch so ehrgeizig ist. Das ist ein ganz großer Zauber."
„Aber er hat doch die Kammer des Schreckens geöffnet.", sagte Harry „Als Schüler! Er muss damals schon Parsel gesprochen haben."
„Hm...", machte William. „Mir kommt da ein Gedanke. Sag einmal, Harry, die Kammer des Schreckens wurde doch auch von Dir geöffnet, nicht wahr?"
„Ja", sagte Harry.
„Und, wenn ich mich recht erinnere, stand in der Zeitung, dass sie auch von einer kleinen Schülerin geöffnet wurde."
„Ginny!", entfuhr es Harry.
„Eine Frage, Harry. Kann diese kleine Ginny Parsel?"
„Nein!", sagte Harry verblüfft. Er verstand nicht, worauf William hinaus wollte.
„Ich frage mich...", fuhr William fort, „ob es eine Möglichkeit gibt, den Basilisken ohne Parsel heraus zu locken...."
„Könnte es vielleicht sein, dass Riddle den Vater von Narzissa gezwungen hat, den Basilisken zu rufen?", fragte Henry. „Ich glaube nämlich nicht, das Riddle von Natur aus Parsel konnte. Was außerdem für ein besonderes Verhältnis zwischen Riddle und Narzissa spricht, ist die Tatsache, dass sie sieben Jahre lang Malfoy nicht ausstehen konnte, und ihn danach geheiratet hat. Ich vermute, dass Malfoy, der schon lange hinter Narzissa her war, Riddle, beziehungsweise Voldemort, wie er sich ja später nannte, geholfen hat, Narzissa die Fähigkeit abzunehmen, und dafür eine Narzissa bekommen hat, die nicht mehr Herr ihrer eigenen Gedanken war."
„Aber", begann Harry, „wenn sie Draco erzählt hat, dass sie von Slytherin abstammt, dann muss sie doch wieder wissen, was sie denkt, oder?"
„Das ist ein guter Einwand, Harry.", sagte Henry. „Aber wenn ich mich recht erinnere, erzähltest Du, dass sie krank ist, seit der Zauberstab vernichtet wurde?"
„Meinst du, dass sie durch die Krankheit wieder normal wurde?"
„Sie war nie verrückt, Harry. Sie stand unter Einfluss eines Zaubers, eines schrecklichen Zaubers. Aber eines Zaubers, der offensichtlich nicht richtig ausgeübt worden war. Ich erinnere mich an einen Zauber, den ich von Putty gelernt habe. Es war ein Beherrschungs-Zauber, der nicht vom Zauberei-Ministerium geortet werden konnte, da er nach ganz altem Ritual durchgeführt wurde. Ich wurde damals angewiesen, diesen Zauber niemals ohne Zustimmung des obersten Rates anzuwenden.
Der Zauber lässt jemanden ein scheinbar eigengewolltes Leben führen. Man erkennt keineswegs, dass der bezauberte unter Fremdeinfluss steht. Alles wirkt so, als wäre es seine freie Entscheidung, aber in Wahrheit wird man gelenkt, wie eine Marionette. Unter normalen Umständen hat niemand als der Zauberer die Macht, diesen Zauber aufzuheben. Wie jedoch alle alten Zauber, muss man sich genau an das Ritual halten. Man muss die Worte akzentfrei sprechen, und das erfordert eine lange Übung und die Hilfe erfahrener Druiden.
Diese Hilfe hatte Riddle nicht. Er hatte nur Teile von dem Buch Slytherin, wo dieser beschrieb, wie man den Zauber aufübte. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Riddle diesen Zauber sicherlich gut, aber eben nicht fehlerfrei ausgeübt hat. Jetzt, wo Narzissa krank ist, und wir können davon ausgehen, dass sie an einem mächtigen Zauber erkrankt ist, genau so mächtig, wie der Zauberstab, überdeckt die Krankheit den Beherrschungszauber, und die Erinnerung kommt zurück."
„Du könntest recht haben.", sagte William. „In diese Richtung habe ich auch schon gedacht. Und den Zauber, jemandem eine Eigenschaft zu nehmen und sie auf jemand anderen zu übertragen, kenne ich auch. Und ich bin der Meinung, dass das niemals ein sechzehnjähriger Schüler, sei er noch so genial, hinbekommen würde. Ich bin mir jetzt ziemlich sicher, dass Riddle erst vierzig Jahre alt werden musste, um diese Zauber zu beherrschen."
„Was ich dabei noch nicht ganz verstehe...", fragte Harry nachdenklich, „Warum konnte der Tom Riddle, dem ich in der Kammer des Schreckens begegnet bin, Parsel? Er sagte in Parsel ‚ Sprich zu mir, Slytherin, Größter der Vier von Hogwarts' . Er war nicht älter als sechzehn..."
„Er ist wirklich nicht schlecht, unser Tom.", antwortete Jonny. „Er versteht es, seine Erinnerung mit der Gegenwart zu mischen. Mal ganz ehrlich, Harry, glaubst Du, der sechzehnjährige Tom Riddle wusste dreißig Jahre vor Deiner Geburt, dass Du für ihn einmal eine entscheidende Rolle spielen würdest?"
Erstaunt sah Harry zu Jonny hinüber. Das war logisch.
„Das was ihr da sagt, überzeugt mich.", stellte Archie fest. „Gut, nehmen wir an, Narzissa und Draco Malfoy sind wirklich die wahren Erben Slytherins. Das ist eine tolle Information. Sie ist so toll, dass wir fast eine halbe Stunde darüber diskutieren mussten! Was wollen wir damit?"
„Das will ich Dir sagen, Archie.", sagte William. Er sah Archie mit einer Mischung aus Ärger und Langeweile an. „Um Voldemort einen Teil seiner Macht zu nehmen, müssen die Erben von Slytherin wieder erstarken. Sie müssen wieder die wahren Erben mit aller Macht und aller Kraft werden. Haben wir das geschafft, dann wird sich auch das Problem des Hauses Slytherin lösen."
„Genau das ist es, meine lieben Freunde.", sagte Henry und richtete sich auf. „Genau dafür brauchen wir Eure Hilfe. Ich habe Euch zusammen gerufen, weil ich etwas in dieser Richtung geahnt habe. Und jetzt ist es unsere Aufgabe, Harry beizubringen, wie der Erbe von Slytherin seine Fähigkeiten und Macht wiedererlangen kann. Und wir müssen Harry helfen, das Buch Slytherin zu finden. Haben wir es, dann haben wir eine Vorstellung, was Voldemort an verbotenem Wissen besitzt. Nur so können wir ihn besiegen."
Henry stand auf, ging zu einem Regal und zog an einer langen Kordel, die dort von der Decke herunter hing. In der Ferne ertönte ein leiser, heller Glockenklang. Wenige Augenblicke später klopfte es an die Tür und Arthur steckte seinen Kopf herein.
„Mr. Perpignan haben gerufen?", fragte er.
„Arthur, wir haben jetzt gleich fünf Uhr. Ich möchte dass Sie heute den Tee hier in der Bibliothek servieren. Wie viele der Gäste sind noch da?"
„Es ist etwa die Hälfte bereits abgereist, allerdings war ein allgemeines Befremden zu spüren, dass Sie sich heute noch nicht gezeigt haben. Ich würde vorschlagen, dass Sie kurz in den Saal hinüber gehen und eine Ausrede formulieren."
„Ja, Sie haben recht. Bringen Sie mir bitte meinen Morgenmantel, ich werde wohl einen Kater haben."
„Sehr wohl, Sir."
Arthur verschwand. Er kam nach einigen Minuten mit einem Paket wieder, das er erst in der Bibliothek öffnete und daraus einen seidenen Morgenmantel holte. Henry warf ihn sich über die Schultern. Er trat vor einen Spiegel und fuhr sich durch das Haar, dass es etwas wirr aussah. Dann verließ er die Bibliothek. Harry war erstaunt, wie leicht Henry zu einer Ausrede fand, die offensichtlich gelogen war. Jonny, der Harry die ganze Zeit beobachtet hatte, bemerkte seinen fragenden Blick, grinste und sagte:
„Das lernt man mit der Zeit, wenn man viel mit Politik zu tun hat. Du würdest nicht schlecht daran tun, wenn Du Dir davon eine Scheibe abschneiden würdest. Diplomatie nichts anderes als die hohe Kunst der Lüge."
Verwirrt sah Harry den würdig wirkenden Herrn an. Wie Henry hatte er keinem der hier anwesenden, bis auf, nun ja, auf Archie und seine Frau Penelope, eine Lüge zugetraut. Noch dazu eine Lüge unter Ordensmitgliedern. Er schüttelte den Kopf, um den Gedanken weg zu wischen. Es war wohl so, wie Jonny eben gesagt hatte. Er musste noch viel lernen.
Zum Tee erschienen auch die anderen Freunde beziehungsweise Hermine und Remus. Wo Sirius und wo Helene Baumann steckten, wusste keiner. Remus winkte Harry zu und setzte sich auf das Sofa neben Archie. Auf dessen anderer Seite hatte sich inzwischen Penelope ihren Platz erobert. Hier konnte sie im Bedarfsfalle etwas mehr Einfluss auf ihren Gatten nehmen.
Hermine war etwas irritiert, dass Harry den ganzen Tag mit Henry und den anderen Vier verbracht hatte. Sie schob sich den frei gewordenen Sessel neben Harry und fragte ihn, was er den ganzen Tag gemacht hätte. Harry erklärte es ihr. Hermine verstand und war wieder versöhnt. Sie wiederum klagte, dass Helene Baumann auch nicht aufzufinden war. Sie war doch gerade dabei, freundschaftliche Gefühle für die Lehrerin zu entwickeln. Dazu kam, dass Helene Baumann den Eindruck vermittelte, sich ebenfalls für Hermine zu interessieren. Stundenlang hatten die beiden Frauen miteinander über Männer, Beziehungen und Mode geredet und waren sich dabei ziemlich nahe gekommen.
Harry sah Hermine an.
„Hast du nicht bemerkt, dass sie auch ein Auge auf Sirius geworfen hat?", fragte er ungläubig, denn er war inzwischen überzeugt, dass es für Frauen nichts wichtigeres als Beziehungen gab. Sie hätte es lang vor ihm bemerken müssen.
„Natürlich, das weiß ich doch schon lange!", sagte sie mit leicht überheblichem Tonfall. „Sie hat es mir ausführlich erzählt. Aber dass sie mich jetzt den ganzen Tag sitzen lässt!"
Harry konnte es nicht fassen. Was war los mit Hermine?
„Gestern hast Du noch gesagt, ich sollte akzeptieren, dass Sirius auch ein Mensch mit Gefühlen ist. Da ist dann nicht viel Platz übrig für andere. Das hast Du gesagt, Wort für Wort!"
„Aber ist das ein Grund, überhaupt gar keine Zeit mehr für mich zu haben?"
„Ich verstehe Dich nicht.", sagte Harry erschüttert. „Ich habe langsam das Gefühl, dass Du... Du Dich...äh...noch nie verliebt hast!"
Hermine sah ihn unwillig an.
„Wieso? Natürlich hab ich. Du weißt doch, Viktor! - Was willst Du?"
„Nun ja, ich meine...", stotterte Harry verlegen, „als ich...äh...als ich in Dich..., weißt du, da habe ich tagelang an nichts anderes mehr gedacht. Und wenn es Sirius und Miss Baumann genau so geht, dann kann ich verstehen..."
„So ein Quatsch.", sagte Hermine stirnrunzelnd. „Ich war..., nein, ich bin in Viktor richtig verliebt, aber ich kann doch deswegen meine Freunde nicht im Stich lassen. Oder die Schule vernachlässigen, stell Dir das einmal vor!"
„Hast Du denn nie dieses Schwirren im Kopf gespürt?", fragte Harry verwundert. „Ich meine, dieses Schwirren, das einen einfach nicht mehr an etwas Anderes denken lässt? Und dazu noch dieses Ziehen im Bauch, und diese Atemnot, wenn man sie...Verzeihung, ihn sieht?"
„Nein, muss man das?"
„Hermine, du erstaunst mich. Wie kannst Du sagen, dass Du in Viktor verliebt bist, wenn Du das alles nicht kennst? Wie...was hast Du denn gefühlt, wenn Du mit Viktor zusammen warst?"
„Ach, wir konnten uns so toll unterhalten. Und ich fand seinen Akzent so süß. Er war charmant, konnte gut tanzen, einfach ein netter Junge mit Manieren. Ist das nichts?"
„Und...Ist da irgendwas zwischen Euch...na ja, Du weißt schon..."
„Waaas? Aber niemals!"
Hermine schien richtig aufgebracht. Harry begann, eine unendliche Erleichterung zu spüren. Zwischen ihr und Krum war nie etwas gelaufen! Das war ja phantastisch! Nicht, dass Harry sich jetzt besondere Chancen bei Hermine ausmalte, aber es war ein sehr befriedigendes Gefühl für ihn, dass Viktor Krum im Grunde nicht mehr von Hermine gehabt hatte, als er, Harry Potter!
Hermine hatte den Gesichtsausdruck beobachtet, der sich in dem Prozess der Erkenntnis zu einem breiten Lächeln geändert hatte.
„Ist irgend etwas, Harry?", fragte sie verunsichert.
„Nee.", sagte Harry fröhlich. „Ich finde es nur toll, dass wir Freunde sind."
