Titel: Harry Potter und der Erbe von Slytherin

Autor: Luka

Feedback: lukath@muenster.de

Altersbeschränkung: 12

Inhalt: Kapitel 18: Eifersucht ist ein schlimmes Gefühl. Es macht so ohnmächtig. Gut ist es, wenn man Freunde hat, die einen dann auffangen. Von diesen Freunden erfährt Harry dann auch die Lösung...

Disclaimer: Die vorliegende Geschichte ist eine FanFiction zu Harry Potter. Dies zu schreiben macht in erster Linie mir Spaß und liegt fern jedes kommerziellen Gedankens. Dies zu lesen soll allen Spaß machen, die eine neue Geschichte von Harry Potter haben wollen. Sie sollen das tun können ohne eine müde Mark auszugeben. Alle Charaktere gehören Joanne K. Rowling, bis auf die, die in der Geschichte noch entwickelt werden müssen und die nicht von JKR sind. ( So z.B. Helene Baumann und Henri Perpignan der in dieser Geschichte auch wieder eine, wenn auch nicht so wichtige Rolle spielt)

18. Die Lösung

Die Tage nach dem Lichterfest verliefen in einer fast beruhigenden Einförmigkeit. Fast alle Gäste verschwanden wieder, nur diejenigen, die eine sehr weite Anreise hinter sich hatten, nahmen Henrys Angebot, sich noch ein paar Tage zu erholen, dankbar an. Aber schließlich reisten auch sie ab und es kehrte Normalität auf Perpignans Place ein.

Die engsten Freunde, oder, wie Harry sie insgeheim bezeichnete, ehemaligen Freunde blieben, so es ihnen möglich war die restlichen Tage der Ferien und gaben sich alle Mühe, Harry und Hermine eine Kompaktausbildung zu geben. Wie schon im Herbst sträubte sich Harry zunächst, denn in den Ferien wollte er alles Andere, nur nicht lernen. Aber offensichtlich hatten die Druiden ein vollkommen anderes pädagogisches Konzept, so dass Harry schnell in den Bann ihrer Erzählungen gezogen wurde.

Nach dem Frühstück unternahm Harry meist in Begleitung von Hermine, Sirius, Helene, oft auch Remus und immer einem der Freunde Henrys einen ausgedehnten Spaziergang. Meist war es so, dass dieser Freund mehr oder weniger zufällig neben Harry oder zwischen ihm und Hermine ging und ein Gespräch anzettelte. Harry fiel es kaum auf, dass dieses Gespräch mit System gesteuert wurde und ihm und Hermine in diesen zwei Stunden des Vormittagsspazierganges eine ungeheure Menge an Wissen vermittelt wurde.

Ihm fiel auf, dass er bestimmte Teile der Gespräche mit ganz bestimmten Abschnitten der vielen unterschiedlichen Wege verband, dass Landschaftsbilder Erzähltes in seine Erinnerung zurückholte. Andererseits verband er mit ganz bestimmtem Wissen, über das er nachdachte, Bilder der Wege, die er gegangen war und, was noch eigenartiger schien, war die Tatsache, dass die Landschaftsbilder immer mehr verblassten und durch Stimmungen und Gefühle ersetzt wurden. Fasziniert beobachtete Harry, wie die alten und weisen Druiden es verstanden, Verteidigungszauber mit dunklen und bedrohlichen Landschaften zu verbinden, wie sie es anstellten, Zauber, welche die Naturgewalten beeinflussten, durch verschiedene Farben des Himmels in sein Gedächtnis einzuprägen.

Auf diese Art und Weise hatte er noch nie gelernt. Manchmal wünschte er sich, in Hogwarts würden die gleichen Methoden angewandt. Langsam aber sicher verspürte er ein gewisses Grundverständnis über die Abläufe in der Natur zu entwickeln. Es öffneten sich ihm Türen und Fenster, durch die er selbst, ohne Zutun der Druiden Dinge begriff, die er niemals ohne dieses Verstehen auch nur im Ansatz bedacht hätte. Er verstand, was die Macht einer Quelle war, er begriff den Wind, das Licht und die Zeit. Er lernte spielerisch die alte Sprache, auch wenn nur einen ganz kleinen Teil davon, aber er lernte sie mit so viel Freude, dass er ganz begierig darauf war, mit diesem Freund, mit William, den Spaziergang zu machen.

Wenn sie dann zurückgekehrt waren, gab es einen Imbiss im Salon. Danach zogen sie sich in ihre Gemächer zurück. Manchmal legte sich Harry auf das Bett und dachte an das, was ihm erzählt worden war. Oft spielte er auch mit Hermine irgendein Kartenspiel. Snape explodiert hatte inzwischen seinen Reiz verloren. Die Regeln waren zu simpel, und die Variationen, die sie sich in den letzten vier Jahren ausgedacht hatten, waren auch schon ausgereizt. Hermine zeigte Harry einige Muggel-Spiele wie Bridge oder Canaster. Waren weitere Spieler nötig, schaffte Hermine es, den dritten oder gar den vierten Stapel Karten zu beleben, so dass dieser die Regeln beherrschte und ganz von allein spielte.

Drei Tage nach dem Lichterfest klopfte Hedwig, die nun schon fast zweiundsiebzig Stunden auf Mäusejagd gewesen war, an das Fenster zu Harrys Zimmer. Sie sah etwas zerzaust aus, was sicherlich kein Wunder war, wenn man sich drei Tage in der Wildnis herumtreibt, und sie hatte etwas im Schnabel, das Harrys Herz höher schlagen ließ. Hedwig war unterwegs auf Pigwidgeon gestoßen, auf die kleine Eule von Ron und hatte von ihr einen Brief übernommen, der an Harry gerichtet war. Pig hatte ihn dankbar an Hedwig übergeben, denn der Brief war für die meisengroße Eule schwer, und der Weg, den sie schon hinter sich hatte, lang gewesen.

Hastig brach Harry das Siegel auf. Einen Brief von Ron hatte er nicht erwartet. Was schrieb er? Wie hatte er auf Harrys Schreiben reagiert? Plötzlich stand Harry wieder im Gemeinschaftsraum von Gryffindor und hörte Rons Zornesausbruch. Es hatte ihn doch mehr getroffen, als er sich und Hermine gegenüber jemals hätte zugeben können. Er las.

„Hallo Harry,

vielen Dank für Deine Wünsche zu Weihnachten. Ich glaube, ich habe mich ziemlich blöd benommen. Warum ich das mit Malfoy gesagt habe weiß ich gar nicht mehr. Das hat mir im nächsten Augenblick schon wieder leid getan, aber dann konnte ich irgendwie nicht mehr zurück. Ich finde es total megastark, dass Du mir trotzdem geschrieben hast. Ich hätte sonst nicht gewusst, wie ich Dir sagen soll, dass es mir leid tut, dass ich mich wie ein Idiot benommen habe. Schade, ich hätte gerne Henry näher kennen gelernt. Aber vielleicht erzählst Du mir ja nach den Ferien, wie es war.

Mom war richtig glücklich, dass ich Weihnachten mal wieder zu Hause war. Klar, sie hat etwas gemuckert und nervt mich ständig mit Fragen, ob irgendetwas zwischen Dir und mir wäre. Du kannst mir glauben, dass mir das keinen Spaß macht. Sie hat Dir wieder einen Pullover gestrickt und ihn nach Hogwarts geschickt. Sagte sie zumindest. Ich habe auch wieder einen bekommen, aber diesmal endlich mal mit einigermaßen brauchbaren Farben, Blau mit weißen Blitzen. Sieht stark aus.

Charly heiratet. Er hat in Rumänien eine Perle aufgetan. Er hat nie etwas erzählt. Und plötzlich sagt er durch den Kamin, dass er heiratet und uns alle im Sommer nach Rumänien einlädt. Soll ne Riesenparty werden. Ich bin mal gespannt, wie die aussieht. So langsam habe ich das Gefühl, dass wir jetzt jeden Sommer nach Rumänien fahren. Endlich mal richtigen Urlaub.

Ich hoffe, Du bist mir nicht mehr böse. Ich freue mich auf jeden Fall, wenn wir uns nach Weihnachten wiedersehen.

Viele Grüße, auch von Mom, Pa, Fred und George und vor allen Dingen von Ginny ( Sie hat mich ganz schön genervt! ‚Schreibst Du Harry auch Grüße von mir? Bitte, bitte, bitte...' )

Ron"

Erleichtert ließ Harry den Brief sinken. Ron war nicht bis in alle Ewigkeit sauer auf ihn. Nach den Ferien würde er Ron etwas mehr einbeziehen. Nur, wie sollte er Ron die ganze Wahrheit sagen, wenn er nichts über die Druiden erzählen konnte? Insgeheim war Harry froh, dass Ron über Weihnachten nach Hause gefahren war, denn so konnte Harry sich hier offen bewegen. Wie viel schwieriger wäre es gewesen, wenn Ron hier wäre. Er nahm sich vor, mit Henry über Ron zu reden. Vielleicht fand dieser ja eine Lösung für den Konflikt.

Zu Harrys großem Ärger fand er kaum Gelegenheit, mit Sirius zu sprechen. Er hatte sich vorgenommen, so viel Zeit, wie möglich mit seinem Paten zu verbringen. Gut, wie man es nahm, Sirius nahm sich durchaus Zeit für Harry, machte lange Spaziergänge mit ihm und erzählte einiges über Harrys Eltern, aber Harry hatte sich viel mehr vorgenommen. Er wollte alle Zeit der Ferien mit Sirius verbringen, alles über seine Eltern erfahren. Das, was er von Sirius bekam, reichte nicht, um seine Sehnsucht, die er fünfzehn Jahre mit sich herumgetragen hatte, zu stillen.

Und woran lag es, dass Harry nicht zu seinem Recht kam? Allem Anschein nach war er Sirius nicht wichtig genug, jedenfalls nicht so sehr wichtig, wie es eine andere Person zu sein schien. Eine Person, die Harry durchaus mochte, sogar in einem gewissen Maße bewunderte. Eine Person, der er aber dennoch niemals erlauben würde, ihm, Harry Potter, so viel von seinem Paten wegzunehmen, ihm, der doch noch nie Eltern gehabt hatte und sich so auf Sirius Black gefreut hatte. Und diese Person war Helene Baumann! Sie erdreistete sich, Sirius zu umgarnen, ihn mit ihren weiblichen Reizen einzufangen und sein ganzes Bewusstein auf sich zu lenken. Sie stahl Harry die wertvollen Minuten, die diese Ferien in sich bargen, die Harry so fest verplant hatte. Sie veranlasste Sirius, nach dem Mittagessen, mitten im Gespräch mit Harry, plötzlich auf die Uhr zu sehen und erschrocken auszurufen:

„Meine Güte, ich komme schon wieder zu spät! Harry, tut mir leid, aber ich muss los."

Anfangs begriff Harry noch nicht so recht, was los war. Aber irgendwann kam er auf den Gedanken, dass Sirius sich in Helene verliebt hatte. Das verwirrte Harry, denn er war bislang davon ausgegangen, dass Sirius ein Mensch war, der über alles erhaben war, fast so etwas wie einen Heiligen darstellte. Er war der beste Freund und Vertraute seiner Eltern, jemand, der nur für Harry da sein konnte. Dieser Jemand verliebte sich? Tat so etwas irdisches?

Harry brauchte ein paar Tage, bis er vollends verstand, war mit seinem Idol passiert war. Ein paar weitere Tage brauchte er, um seine Gefühle zu ordnen. Nach diesen Tagen fühlte er eine so unbändige Eifersucht, wie er sie noch nie im Leben gefühlt, wie er noch nie in seinem Leben ein Gefühl gefühlt hatte. Nicht einmal die Erkenntnis, dass er nicht allein auf der Welt war, sondern sie mit einem so unglaublich wunderbaren Paten teilen konnte, und das damit verbundene höchste Glücksgefühl kam an den bohrenden Schmerz in seiner Brust heran.

Gleichzeitig verstand er, was mit Sirius geschah, denn noch vor kurzem hatte er sich selber in einer solchen Situation befunden. Zu allem Unglück jedoch ging es Sirius erheblich besser, denn dessen Gefühle wurden von der Frau seines Interesses ganz offensichtlich erwidert. Und das schmetterte Harry vollends nieder.

Glücklicherweise ließen die Druiden um Henry ihm kaum Zeit, darüber nachzudenken. Allerdings fiel Henry eine gelegentliche geistige Abwesenheit von Harry auf. Auch die manchmal etwas zornigen Blicke, die Harry zwischen Sirius und Helene hin und her sandte, blieben nicht unbemerkt. Allmählich begann Henry, sich um Harry zu sorgen, denn auch er hatte das zarte Liebesspiel zwischen der jungen deutschen Lehrerin und seinem neuen Freund bemerkt und wusste um Harrys ganz besondere Beziehung zu Sirius.

Eines Tages, Harry war mitten während des Dinners, die Serviette zu einem Knäuel gepresst und auf den Tisch geworfen, aufgesprungen und hinausgelaufen, beschloss er, mit seinem jungen Ordensbruder zu reden. Harry konnte die zärtlichen Blicke zwischen den beiden nicht mehr ertragen. Zu groß wurde die Beschämung, dass er bei Hermine nicht erfolgreich war, während Sirius, der schon fast die besten Jahre hinter sich hatte und beileibe, so hatte er sich noch vor Kurzem ausgedrückt, mit den Weiberleuten so gut wie gar nichts anfangen konnte, sein Glück wie auf einem Silbertablett serviert bekam. Es wurde für ihn unerträglich.

Henry suchte Harry in dessen Zimmer auf. Er saß im Halbdunkel am Sekretär, einen Arm auf die Tischplatte gelegt, mit dem Anderen die Lehne des Stuhls umklammernd und starrte mit finster grübelndem Blick hinaus auf den dunklen Hof. Henry war, nachdem er auf sein Klopfen keine Antwort erhalten hatte, einfach eingetreten. Er drückte die Türe leise ins Schloss und wartete.

Harry hatte sein Eintreten bemerkt. Er wandte den Kopf zur Tür, um zu sehen, wer gekommen war. Überrascht stellte er fest, dass Henry neben der Tür stand. Er hatte Hermine erwartet, er hatte zumindest gehofft, dass sie kommen würde, denn immer, wenn es ihm schlecht ging, war Hermine da und er konnte sich seine Sorgen von der Seele reden. Henry war nun eine vollkommen neue Variante. Er wusste nicht so recht, was er damit anfangen sollte.

„Darf ich rein kommen?", fragte Henry vorsichtig. Er sah Harry mit einer Mischung aus Sorge und Trost an.

Harry quälte sich mühsam ein Lächeln ab. Er nickte stumm. Henry trat auf das Bett zu und setzte sich auf die Kante. Dann fragte er:

„Was bedrückt dich Harry?"

„Nichts!", sagte Harry unwillig. Er drehte wieder seinen Kopf zum Fenster und er starrte ins Leere.

„Ich kann verstehen, Harry, wenn Du nicht mit mir darüber reden möchtest. Schließlich kennen wir uns noch nicht so lange."

„Das ist es nicht.", stellte Harry fest.

„Das freut mich. Weißt Du, ich beobachte Dich schon ein paar Tage. Du machst einen sehr unzufriedenen Eindruck. Und natürlich beobachte ich auch Sirius und bei ihm habe ich wiederum den Eindruck, dass er sehr glücklich ist. Stört es Dich, dass Sirius Interesse an Helene hat?"

Harry antwortete nicht. Als Henry den Namen Sirius erwähnte, verfinsterte sich sein Blick.

„Wenn ich wüsste, was Dich daran stört, könnte ich Dir vielleicht mit Rat zur Seite stehen.", fuhr Henry leise fort. „Ist es Helene? Magst Du sie?"

Harry hob ruckartig den Kopf.

„Was meinst Du?", fragte er mit hohler Stimme.

„Ich meine, ob Du vielleicht in Helene verliebt bist? Sie ist eine schöne..."

„Um Gottes Willen! Niemals! Das brauchst Du nicht von mir zu denken!", unterbrach ihn Harry ärgerlich. Henry ließ erleichtert etwas Luft aus seinen Lungen entweichen.

„Keine Angst, Harry, das hätte ich Dir auch, ehrlich gesagt, nicht wirklich zugetraut. Aber ich habe das Gefühl, dass ich auf dem richtigen Weg bin, nicht wahr?"

Harry sagte nichts. Mit düsterer Miene starrte er durch das Fenster in die Dunkelheit.

„Hm.", machte Henry. „Magst Du nicht mit mir darüber reden?"

Harry holte tief Luft und ließ sie mit einem leisen Zischen entweichen. Er drehte sich um. Henry sah ihn freundlich und mit einer erwartungsvollen Miene an.

Nach einer Weile sagte Harry:

„Doch. Ich...", er stockte. „Ich weiß nicht, was mich genau daran stört. Weißt du, ich gönne es Sirius doch so, dass er eine Freundin gefunden hat. Aber, ich habe mich so sehr darauf gefreut, endlich mehr als nur ein paar Stunden mit Sirius zusammen zu sein. Er ist mein Pate! Der einzige Mensch auf der Erde, ..."

Er hielt inne, als wäre ihm gerade ein Gedanke gekommen. Dabei sah er Henry nachdenklich an.

„Nun ja...", begann er wieder und lächelte sinnierend, „stimmt eigentlich nicht. Er ist nicht mehr der einzige Mensch auf der Erde, bei dem ich das Gefühl habe, er sei meine Familie. Vielleicht muss ich es anders sagen: Er ist der erste Mensch, bei dem ich das Gefühl hatte, er sei meine Familie. Und seit ich ihn kenne, gibt es auf einmal viele Menschen um mich herum, die irgendwie zu mir gehören. Das ist schon seltsam."

„Ich verstehe langsam.", sagte Henry. „Du hattest Angst, dass Helene ihn Dir wegnimmt. Habe ich das richtig verstanden?"

Jetzt lächelte Harry seinen Ordensbruder offen an.

„Ja. Ich glaube...nein, ich weiß, dass es das war. Ich hatte Angst, wieder ganz allein auf der Welt zu sein. Und ich wollte auch nicht mehr zu den Dursleys zurück müssen. Das ist ein so schrecklicher Gedanke für mich...weißt du, sie sind eben meine einzigen wirklichen Verwandten. Aber kannst Du Dir vorstellen, dass sie mir fremder sind, als jeder hier in diesem Haus?"

„Ich habe nie solche Verwandtschaft gehabt. Ich stelle es mir schrecklich vor. Mein Onkel war ein sehr netter Mensch. Er war der Bruder meines Vaters und ist oft hier gewesen. Er hatte nie Familie und ich glaube, er hat so etwas hier gefunden. Nachdem meine Mutter gestorben war, hat er oft viele Wochen hier verbracht. Für meinen Vater war es Trost und für mich..., ich war noch sehr klein, als es passierte. Ich erinnere mich kaum noch an ihr Gesicht. Für mich war es immer ein Riesenspaß, wenn er da war."

„Deine Mutter ist gestorben?", fragte Harry interessiert nach. Plötzlich war jeglicher Groll in ihm verschwunden.

„Früher oder später wird jeder sterben. Für mich war es viel schlimmer, als mein Vater danieder lag und ich wusste, dass er nur noch Stunden zu leben hatte. Er war damals mein einziger Verwandter und ich habe ihn über alles auf der Welt geliebt. Wäre Arthur nicht gewesen...ich glaube, ich wäre ins Moor gegangen."

„Du hättest Dich...?", fragte Harry erschrocken.

„Nun ja, ich war gerade achtzehn geworden und noch reichlich dumm. Von der Welt kannte ich nur die paar Hektar um Perpignans Place herum, Hogwarts und ab und zu die Ausflüge nach Newcastle. Wenn Du wüsstest, was für eine schmutzige Stadt das damals war. Die Bergleute wohnten unter erbärmlichen Bedingungen und waren arm. Entsprechend wenig war in der Stadt los. Ein paar armselige Läden und schmuddelige Pubs. Inzwischen ist es eine ganz schmucke Stadt geworden, und, seitdem man sich mehr um die Arbeitersiedlungen kümmert, fast sehenswert.

Ich schweife ab. Meine Welt ist zusammen gebrochen. Es gab mich nicht mehr. Arthur hat dafür gesorgt, dass ich zur Druidenschule ging. Er war die nächsten Jahre so etwas wie Vater und Mutter zugleich. Er hat mir seine Meinung gesagt, wenn ich wiedereinmal etwas angestellt hatte und beinahe von der Schule geflogen wäre."

Henry grinste.

„Was reden wir eigentlich über mich?", fragte er plötzlich. „Du hast also Sorge, dass Helene Dir Sirius wegnimmt!"

„Nein...", antwortete Harry mit leicht gequältem Gesichtsausdruck. „So schlimm ist es auch nicht. Ich freue mich sogar für Sirius. Vielleicht bin ich eifersüchtig, aber einen wirklichen Grund dafür habe ich eigentlich nicht. Ich meinte gerade eher, dass ich nicht mehr nur Sirius als Familie habe, sondern viel mehr Menschen. Hermine gehört fast dazu, auch wenn ich sie nie zur Schwester haben wollte. Und bei Dir fühle ich mich zu Hause. Remus Lupin ist ein guter Freund geworden. Ich glaube, ich brauche mich nicht zu beschweren."

„Ich freue mich darüber, dass Du Dich hier so wohl fühlst. Manchmal habe ich die Vorstellung, dass mein Sohn, wenn ich einen gehabt hätte, so sein könnte wie Du. Oder mein Enkel. Manchmal bereue ich es, mich nur in meinen Beruf gestürzt und die eigentlich wichtigen Dinge des Lebens, wie eine Familie verpasst zu haben. Manchmal bin ich froh, dass Du in mein Leben geschneit bist, denn seit wir beide uns kennen ist wieder Leben auf Perpignans Place. Und ich habe eine Menge sehr interessanter Leute kennen gelernt."

Harrys Miene hatte sich während des Gesprächs wieder aufgehellt. Er war froh, dass Henry mit ihm gesprochen hatte. Mehr noch. Er erkannte mit einem Mal, dass nicht mehr nur Sirius für ihn da war. Er war in den letzten Monaten in eine große Familie hineingewachsen. Auf ein mal war seine ganze Eifersucht wie weggeblasen und das Gegenteil eingetreten. Er spürte, dass er Sirius das Glück von Herzen gönnte. Jetzt, nach dem Gespräch mit Henry konnte er Sirius loslassen.

„Danke.", sagte er und sah Henry an. Henry lächelte zufrieden.

„Ich glaube", meinte Henry, „dass manches, wenn man es versucht, aus einem anderen Winkel zu betrachten, nicht ganz so schlimm ist, wie es zunächst aussieht."

Henry wandte sich zur Tür. Als er schon die Klinke in der Hand hatte, drehte er sich noch einmal um.

„Übrigens", sagte er, „Morgen erwarte ich Llyr. Er möchte Dich sprechen. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, hat er eine Idee, wo das Buch von Slytherin zu finden ist und wie Du hin kommen kannst. Also, Harry, bis morgen! Gute Nacht."

„Gute Nacht.", sagte Harry.

In dieser Nacht schlief er bedeutend besser, als in den vorhergehenden. An den letzten Abenden hatte ihn vor dem Einschlafen Gedanken mit einer Mischung aus Eifersucht, Zurückgewiesenheit und Verletzung beschäftigt. Immer wieder waren sie in einem scheußlichen Kreislauf in sein Bewusstsein geraten und hatten ihn dazu gebracht, sich hin und her zu wälzen, ohne Schlaf zu finden. Entsprechend müde und abgespannt wirkte er am Tage, wobei er, sich dessen durchaus bewusst, hoffte, von Sirius bemerkt und zur Rede gestellt zu werden. Es war nicht Sirius, sondern Henry gewesen, der das getan hatte. Jetzt fühlte Harry, dass es für ihn und seinen Paten besser war, denn der Groll und die Furcht waren von seiner Seele verschwunden.

Am nächsten Morgen, es war der letzte Tag der Ferien angebrochen, fiel Harry auf, dass Sirius ihn nachdenklich betrachtete. Als er merkte, dass Harry seinen Blick aufgefangen hatte, senkte er wie schuldbewusst den Blick, sah dann aber sofort wieder auf und Harry ins Gesicht. Dabei lächelte er, und es war ein gütiges und liebevolles Lächeln. Harry fasste es so auf, als hätte Sirius gesagt:

‚Es tut mir leid Harry. In Zukunft werde ich mich besser um Dich kümmern. Aber versteh bitte, dass ich Helene mag. Gib mir Zeit.'

Harry lächelte zurück. Er blickte sich zu Helene um. Auch sie sah ihn an, prüfend, aber freundlich. Er verstand, dass Henry mit den beiden noch in der Nacht geredet haben musste.

„Hast du nachher Zeit für einen Spaziergang?", richtete Harry seine Frage an Sirius.

„Ja.", antwortete dieser kurz, aber bestimmt. Dieser Spaziergang sollte ausschließlich Harry gehören.

Wie angekündigt traf nach dem Frühstück Llyr ein. Er begrüßte Harry herzlich und bat ihn und Hermine, mit in die Bibliothek zu kommen. Harry war ein bisschen aufgeregt, denn während der letzten Tage hatte er zwar vieles über die Druidenkunst erfahren und einiges des alten Wissens erlangt, aber jetzt sollte es um geheimnisvollen Vorgänge auf Hogwarts gehen. Er setzte sich in den ihm angebotenen Sessel. Hermine nahm auf dem Kanapee platz. Sie schien die Ruhe selbst zu sein.

Llyr, der sich auf einen der freien Sessel neben den beiden Schülern gesetzt hatte, betrachtete sie. Er schien zu überlegen, wie er anfangen konnte. Harry war etwas verunsichert davon, aber er traute sich nicht, irgendetwas zu sagen. Nach einer Weile räusperte sich Llyr und sagte:

„Tja, es tut mir leid, dass ich mich in den Ferien nicht so sehr um Euch beide gekümmert habe. Leider sind sie ja nun bald zu Ende. Aber ich kann Euch versichern, dass ich viele Stunden über das nachgedacht habe, was Ihr mir erzählt habt. Wie ist es denn überhaupt in den letzten Tagen gewesen? Habt Ihr viel gelernt?"

„Das weiß ich gar nicht...", sagte Harry überrascht. „Ich habe nicht das Gefühl,  so wie in der Schule gelernt zu haben. Aber ich fand es total spannend, was die Brüder uns erzählt haben. Und ich habe eine Menge behalten."

„Das war der Zweck, den wir verfolgten, Harry. Du hast nach einer Uralten Methode gelernt, so wie es schon Tausende von Druiden vor Dir gelernt haben. Ich auch... Und, wie hast Du es empfunden, Hermine?"

„Ich fand es ganz gut, aber ich muss zugeben, dass mir Bücher manchmal lieber sind. Bei solchen Spaziergängen geht doch so viel Zeit verloren."

„Ja, ja, so kenne ich Dich, Hermine.", sagte Llyr lachend. „Aber, meine Liebe, Du hast es mit Druiden zu tun. Das, war wir Dir beibringen wollen, kannst Du nur verstehen, wenn Du die Zusammenhänge in der Natur erkennst. Tust Du das, dann eröffnen sich Dir die Dinge fast von allein. Es ging nicht darum, spazieren zu gehen, um das Lernen so angenehm wie möglich zu machen, sondern es ging darum, das, was Dir die Druiden erzählten, sofort in der Umgebung zu erkennen."

„Das ist nicht meine Methode.", entgegnete Hermine und setzte ihre wichtige Mine auf. „Ich kann besser zuerst die Theorie lernen und dann die Anwendung. Bei Büchern ist es so, dass ich sie fast auswendig kann, wenn ich sie gelesen habe. Vielleicht ist es ein photographisches Gedächtnis, dass es mir so leicht fällt. Ich finde auch alles sofort in den Büchern wieder. Wenn man es mir aber nur erzählt, dann fehlen die Buchstaben und die Seiten eines Buches und ich kann es mir nicht gut merken."

„Dann hast Du ein Problem, Hermine.", sagte Llyr und sah sie ernst an. „Nur ganz geringer Teil unseres Wissens ist in Büchern aufgeschrieben. Noch dazu in einer Schrift, die nur sehr wenige Druiden lesen können. Die Alten vor Zweitausend Jahren kannten gar keine Schrift und sie hielten es auch für viel zu gefährlich, das Wissen in Büchern aufzuschreiben. Stell Dir nur vor, dieses Wissen gelangt, wie bei Voldemort, in die falschen Hände. Nein, Hermine aufschreiben wäre Wahnsinn gewesen."

„Aber die ganzen Bücher hier?", fragte sie und zeigte auf die vielen Meter ledergebundener Folianten, die um sie herum in den Regalen standen.

„Das ist nur ein Bruchteil unseres Wissens. Das, was wir als Buch verantworten können. Tausend Mal mehr wissen ist nur in unseren Köpfen. Um das zu vermitteln haben wir ja auch eine Lehrmethode entwickelt, die in kürzester Zeit Unmengen von Wissen weitergeben kann, denn sonst müsste man ein ganzes Leben lernen, und würde lange nicht alles erfahren."

Hermine antwortete nicht. Sie war schwer beeindruckt. Natürlich hatte sie sehr viel in den letzten Tagen gelernt, aber, wie auch immer, hatte sie das Gefühl, dass es wesentlich mehr hätte sein können.

„Ich habe vorhin Voldemort angesprochen.", fuhr Llyr fort. „Wie Ihr beide inzwischen wisst, leite ich die Druidenschule. Ich habe in den Tagen seit dem Lichterfest viel zeit damit verbracht, über das, was Ihr erzählt habt, nachzudenken und mit meinen Brüdern und Schwestern zu besprechen. Wir haben auch Deine Karte analysiert, Hermine, die Karte, die Du in der Deckenkassette der Bibliothek in Hogwarts entdeckt hast. Du hast mit Deiner Vermutung fast richtig gelegen."

„Wirklich?", fragte Hermine aufgeregt. „Dann gibt es doch einen geheimen Weg von der Kammer des Schreckens aus?"

„Nein, die Kammer des Schreckens ist nur eine geschickte Irreführung. Ihr habt von dem Verirrspiel erzählt. Da genau ist der Ansatz. Oder das Ende, wie man es nimmt."

Harry und Hermine richteten sich auf und starrten gebannt auf Llyrs Lippen.

„Aber dort können wir uns niemals hineinwagen...", stieß Harry hervor.

„Das müsst ihr auch nicht.", schmunzelte Llyr. „Ich sagte gerade, dass es auch das Ende sein könnte, nicht wahr?"

Hermine nickte aufgeregt. Sie begann, eine Ahnung von dem zu bekommen, was Llyr ihnen sagen wollte.

„Also", sprach Llyr weiter, „Ihr kennt den verbotenen Wald. Wir haben uns alte Karten aus dem dreizehnten Jahrhundert angesehen, die einige Druiden aufgrund einer damaligen Dämonenjagd angefertigt haben. Und, siehe da, wir haben erstaunliches entdeckt."

Llyr stand auf und trat an den Kamin. Er beugte sich hinein und rief:

„Schick mir mal die Karte, Glen!"

Ein kurzes Poltern erklang und eine Karte fiel aus dem Kamin heraus. Llyr fing sie auf, schritt fast feierlich zu den Freunden zurück und rollte das alte Pergament auf dem Boden aus. Hermine stieß einen unterdrückten Schrei aus. Llyr grinste.

„Ich höre, Du hast es wiedererkannt. Ganz genau. Legt man Deine Zeichnung darüber, hat man genau das Wegemuster und hier" - er deutete mit dem Finger auf eine Anhäufung von Rechtecken und Quadraten – „hier ist eine alte Ruine. Das, und nichts Anderes, das ist der Ort, wo Slytherin sein Geheimnis verwahrt hat!"

„Heißt das, dass der verbotene Wald deshalb verboten ist?", fragte Harry.

„Das ist anzunehmen. Wir vermuten, dass die Ruinen durch einen bestimmten Zauber geschützt sind. Enganar mortiferum heißt er, tödliche Täuschung. Es ist im dreizehnten Jahrhundert zu einigen unerklärlichen Todesfällen gekommen. Mehrere Schüler, dumme Kinder, die gemeint hatten, sie würden sich in ein aufregendes Abenteuer begeben und sich zu weit in den Wald gewagt hatten, waren grauenhaft getötet worden. Man fand sie nicht mehr alle. Seltsamerweise waren sie auch nicht an dem Ort gefunden worden, an dem sie starben. Durch ihre Verstümmelungen und die schwarze Färbung ihrer Leichnahme hat man vermutet, dass es sich um Dämonen gehandelt hat. Man veranstaltete eine Dämonenjagd, fand aber nie auch nur eine Spur von ihnen. Daraufhin wurde der Wald zum verbotenen Wald erklärt."

„Ich dachte immer, dass es wegen der Monster war, die dort rumlaufen.", murmelte Harry.

„Nein. Die Monster dort sind harmlos. Sie würden sich nicht auf den Wald beschränken, wenn sie wirklich gefährlich wären. Kein Zauber der Welt könnte sie aufhalten. Es ist dieser tödliche Fluch."

„Aber was nützt es uns", fragte Hermine, „wenn wir wissen was für ein Fluch es ist. Hinein kommen wir doch trotzdem nicht."

Jetzt lächelte Llyr verschmitzt.

„Fragt mich doch mal...Ich würde Euch nicht davon erzählen, wenn ich nicht wüsste, wie man den Fluch ausschalten könnte. Wozu bin ich Druide?"

Er grinste.

„Slytherin hat einen sehr alten Zauber ausgeübt. Diesen Fluch beherrschen nur sehr wenige Druiden. So einer war auch Slytherins Vater, der aus einem sehr alten und nicht immer zweifelsfreien Geschlecht stammt. Damals war es üblich, dass das Wissen nur vom Vater auf den Sohn weitergegeben wurde. Es war gar kein Wunder, dass die Druiden, die damals von Hogwarts um Hilfe gebeten wurden, diesen Fluch nicht erkanten, denn wie sein Name schon sagt, er ist eine tödliche Täuschung. Wer ihm begegnet, begegnet schrecklichen Dämonen, wer ihm entkommt, ist gezeichnet für sein Leben."

„Dann kann man ihn überleben?", fragte Harry hoffnungsvoll.

„Unter gewissen Umständen schon. Dieser Fluch wird üblicherweise zum Schutz eines Ortes angewandt. Nur wenn man ihm zu nahe kommt, gibt es kein Zurück und keine Rettung mehr. Diese Druiden waren aber auf der Suche nach Dämonen oder etwas, das die Schüler getötet hatte. Sie gingen mit äußerster Vorsicht und langsam vor. So war es kein Wunder, dass sie nicht bis in die tödliche Zone kamen. Sie sahen die Dämonen, die grauenhaften Visionen, die mit dem Fluch einhergehen, und als sie keinen Weg fanden, sie zu vertreiben, kehrten sie um."

„Und seit dem ist der Wald verboten!?", fragte Hermine.

„Ja, so kann man es sagen. Die Eltern der getöteten Schüler liefen Sturm und der Leiter von Hogwarts musste seinen Rücktritt erklären. Dem Nachfolger des Schulleiters war es zu gefährlich geworden. Er verbot kurzerhand das Betreten des Waldes, was bisher zu Studienzwecken durchaus noch üblich gewesen war. Seit dem ist es der verbotene Wald. Inzwischen ist es so etwas wie ein Reservat für einige letzte seltene, magische Spezies."

„Etwa diese Riesenspinnen?" Harry erinnerte sich noch gut an den Besuch bei Aragog und die Rettung durch Weasleys verzaubertes Auto, das ebenfalls in diesem Wald ein Zuhause gefunden hatte.

„Oh nein, diese Riesenspinnen wurden ausgesetzt, um alle Lebewesen von dem gefährlichen Ort fern zu halten. Sie leben in einem Kreis von einer Meile um den Ort. Nun ja, sie haben sich ein wenig verselbstständigt, sie haben vergessen, weshalb sie in dem Wald leben."

„Oh wie, dann müssen wir an diesen Spinnen vorbei.", stöhnte Harry mit sorgenvollem Blick auf Hermine. Auch Hermine sah nicht glücklich aus. Sie hatte zwar nicht die Phobie, unter der Ron litt, aber Spinnen waren ihr keine angenehmen Zeitgenossen. Als Harry ihr nach diesem Erlebnis von dem Klicken ihrer Zangen erzählt hatte, war ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken gelaufen.

Mit einem Mal sah sie auf. Sie fragte:

„Ich dachte immer, Hagrid hätte Aragog ausgesetzt. Waren die Spinnen denn schon früher da?"

„Hagrid?", fragte Llyr. „Ach ja, Remus erzählte mir von ihm. Es kann durchaus sein, dass er sich eine dieser Spinnen im verbotenen Wald gefangen hat. War er nicht ein Liebhaber besonders großer Monster? Er hatte doch auch mal einen jungen Drachen, nicht wahr?"

„Ich dachte auch immer, dass die Spinnen von Hagrid ausgesetzt wurden. Aber es stimmt wohl, eine allein kann sich nicht vermehren und als wir damals im Wald waren, gab es dort Tausende von diesen Viechern!"

Er schüttelte sich. Llyr hob beruhigend die Hände.

„Das Beste wird sein", sagte er, „ihr fliegt mit Euren Besen, dann kommt Ihr mit den Spinnen nicht in Berührung. Schaut her!"

Er zog mit dem Finger einen Kreis auf der Karte, der die Quadrate und Rechtecke mit etwas Abstand umfasste.

„Hier ist die Zone. Ihr müsst in dieser Entfernung landen. Hier sind dann die Spinnen. Keine Sorge, sie trauen sich nicht näher heran. Ihr werdet von Beklemmung befallen sein. Ihr werdet richtige Angst spüren. Solche Angst, dass Euch die Spinnen wie das kleinere Übel vorkommen werden. Ich werde Euch gleich nachher eine alte keltische Formel beibringen. Die müsst ihr in einen bestimmten Ritual sprechen. Damit öffnet ihr ein kleines Fenster in den Fluch, nur für ein paar Minuten. Ihr müsst schnell sein. Steigt auf Eure Besen und fliegt hinein. Drinnen seid Ihr sicher."

„Was werden wir darin finden?", fragte Hermine angespannt. Sie spielte nervös mit ihren Fingern. Auch Harry war die Anspannung anzumerken.

„Das kann ich Euch nicht sagen.", antwortete Llyr ernst. „Wir vermuten, dass Ihr in eine Art Memorium kommen werdet. Slytherin schätze ich so ein, dass er ein gewisses Maß an Geltungsbedürfnis gehabt hat. Ich bin mir sicher, er wollte sich ein Denkmal setzen. Ich hoffe nur für Euch, dass er nicht noch weitere Fallen eingebaut hat."

„Was könnten das für Fallen sein?", fragte Harry.

„Da ist der Phantasie keine Grenze gesetzt. Daher würde ich vorschlagen, dass Remus und Helene Euch begleiten. Remus kennt sich in den dunklen Künsten aus und erkennt Gefahren rechtzeitig. Helene ist druidische Hexe. Sie kennt die großen Zauber. Und, was noch wichtiger ist, sie kennt die alten Schriftzeichen. Wir wissen, dass Slytherin sich der megalithischen Runen bedient hat. Ihr beiden könntet sie nicht lesen."

Harry und Hermine schüttelten einträchtig den Kopf. Hermine erinnerte sich. Sie hatte diese seltsamen Zeichen auch in der Kammer des Schreckens gesehen. Sie wusste, das es alte Runen waren, aber, auch wenn sie den Laut einiger weniger Zeichen wage aus Büchern kannte, wusste sie doch nicht, was sie bedeuteten, welche Worte sie formten.

Llyr machte nun ein ernstes Gesicht. Er fuhr fort zu sprechen, wobei seine Stimme leise, aber sehr eindringlich wurde.

„Ich möchte, dass Ihr jetzt genau zuhört. Steht bitte auf."

Sie erhoben sich. Llyr nahm Hermines hand in seine Linke, Harrys Hand in seine Rechte und bedeutete beiden, sich an der Hand zu halten. Er hob den Kopf und schloss die Augen.

„Ihr solltet zu fünft gehen. Helene und Remus werden Euch beide begleiten. Der fünfte im Bunde ist der wahre Erbe von Slytherin, Draco Malfoy. Harry, Du wirst ihm etwas geben müssen, was er nicht mehr hat."

„Was ist es?", fragte Harry.

„Es ist Deine Fähigkeit, Parsel zu sprechen. Wir haben Helene beauftragt, die Zeremonie durchzuführen. Es wird nicht sehr angenehm für Dich sein, aber wir müssen es tun. Nur der wahre Erbe von Slytherin wird auch das Erbe antreten können."

Harry nickte stumm. Parsel zu sprechen war eine Eigenschaft, die ihm zwar schon sehr geholfen, ihn aber immer mit Angst und Sorge erfüllt hatte. Oft hatte er sich gewünscht, es los zu werden, denn genau so, wie es ihm Angst machte, ängstigte es auch seine Mitschüler.

Hermine hatte den Kopf gehoben und stellte nun eine Frage:

„Ich dachte, der dunkle Lord hätte das Erbe angetreten? Er ist doch nicht der Erbe von Slytherin. Wie hat er das geschafft?"

„Der dunkle Lord hat aus gründen, die wir noch nicht kennen, Zugang zum alten Wissen erhalten. Allem Anschein nach hat es ihn vor dem drohenden Unheil bewahrt. Wir wollen mit Eurer Hilfe herausfinden, was Voldemort weiß. Gut, lasst mich weiter erzählen, wie Ihr vorgeht:

Wenn Ihr in dem Kreis zwischen dem Enganar mortiferum und den Riesenspinnen angekommen seid, schließt den Kreis wie wir es jetzt tun. Öffnet Euer inneres Auge, indem Ihr das Äußere schließt. Richtet Eure Gedanken auf den Fluch. Draco muss ein Räucherwerk aus Kräutern entzündet haben, die ich Euch noch geben werde. Solange es raucht, habt ihr Zeit, in die geschützte Zone zu gelangen. Alle Fünf sprecht diese Worte:

Go n_éirí an bóthar leat …, le cúnamh Dé!

Danach soll Draco sagen:

Póg mo thóin!"

"Was heißt das?", fragte Harry, nachdem sie den Satz laut wiederholt hatten.

„Der erste Teil heißt: ‚dass ansteige der Weg mit dir, so Gott will'.  Nun ja, der zweite Teil ist etwas unanständig, den möchte ich nicht übersetzen." Llyr lächelte verlegen. „Die alten Druiden hatten einen etwas zweifelhaften Humor... Habt Ihr Euch den Spruch eingeprägt?"

Zuerst wollte Harry protestieren, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass man einen Gälisch gesprochenen Zauber durch einfaches Wiederholen lernen konnte. Aber als er versuchte, sich an die Worte zu erinnern, flossen sie durch sein Gedächtnis, wie ein klarer Bach. Er war erstaunt.

„Ja!", sagte er langsam. „Eigenartig."

Llyr kramte aus seiner Kutte ein winziges Säckchen, das er Hermine in die Hand drückte. Als sie es öffnete, sah sie darin ein kleines Stückchen Kohle und ein noch kleineres Häufchen zerstoßener Kräuter.

„Wie lange wird es halten?", fragte sie.

„Zwei bis drei Minuten. Vielleicht auch vier, aber nicht länger. Es reicht gerade, um ein Tor zu öffnen und in die geschützte Zone zu fliegen. Ihr müsst Euch beeilen."

Llyr drückte beiden die Hand. Es war ein seltsamer Händedruck, denn er war begleitet von einem fast hypnotisierenden Blich aus den stahlgrauen Augen des alten Druiden. Es war ein Abschied und eine eindringliche Ermahnung. Die beiden jungen Leute verstanden, was der Blick sagen wollte. ‚Seid vorsichtig und alles Glück mit Euch!' Stumm verabschiedete sich Llyr. Er sprach noch für einen kurzen Moment mit Henry und machte sich dann auf den Weg, zurück in die Druidenschule.

Nach einem einfachen Lunch fand Harry endlich Gelegenheit, mit Sirius allein einen Spaziergang zu machen. Harry erzählte ihm von seinen Sorgen, und wie Henry es geschafft hatte, ihn von diesen Sorgen zu befreien. Sirius verstand wohl. Er bat um Verzeihung und versuchte Harry zu erklären, dass er in Helene eine wunderbare Frau gefunden hatte und dass sie die erste Frau seit fast fünfzehn Jahren war, die ihm so nahe gekommen war. Harry sagte ihm, dass er sich nicht zu rechtfertigen brauche. Er sei sein Pate, was aber nicht bedeute, dass er Harry gehörte.

Der Nachmittag verging viel zu schnell. Henry hatte sich für den Abend noch einmal ein feines Menü überlegt. Ein Streichquartett spielte Stücke von Mozart, Schubert und Brahms. Ein besonders schönes Stück war eine Interpretation von Ralph Vaughan-Williams: ‚The Lark Ascending'. Harry wurde von solcher Schwermut und Süße zugleich gepackt, dass es ihn schauderte.

„Das ist schöne Musik.", bemerkte er leise.

„Es ist Schubert, das Stück davor stammte von Brahms.", klärte ihn Henry auf. „Ich liebe diese Streichquartette."

„Sind das nicht alles Muggel-Komponisten?", fragte Hermine und es klang so, als würde die Musik nicht diese tiefen Gefühle in ihr auslösen, die Harry gerade empfand. Es klang – schnippisch. Henry lächelte gütig. Zu oft war er mit seiner Vorliebe für klassische Musik und Muggel-Komponisten auf Spott und Unverstand gestoßen.

„Doch, doch, meist sind es Muggel, die solch eine schöne Musik erfunden haben. Kompositionen kann man nicht zaubern, man muss sie fühlen. Ich kenne nur einen großen Zauberer, der auch ein begnadeter Komponist war: Wolfgang Amadeus Mozart, übrigens auch ein Bruder unseres Ordens."

„Von dem habe ich schon gehört.", sagte Harry. „Er ist sehr früh gestorben, nicht wahr?"

„Gestorben? Sicher. Aber nicht so früh. Er wurde zum Chef unseres Ordens gewählt. Da hatte er nicht mehr viel Zeit zum Komponieren. Das wäre den Muggel natürlich aufgefallen. Die Druiden damals haben kurzerhand ein kleines Schauspiel inszeniert und ihn sterben lassen. Für W.A., wie er dann nur noch genannt wurde, war das aber kein Problem. Ich habe noch einige Manuskripte von ihm, die niemals in der Muggelwelt veröffentlicht wurden, aber unter Druiden als die wahren Meisterwerke von W.A. gelten."

Als Harry abends im Bett lag, wusste er nicht, ob er sich auf Hogwarts freuen, oder traurig sein sollte, dass die schönen Tage auf Perpignans Place zu Ende waren. Eines war ihm jedoch klar geworden. Er hatte jetzt eine richtige Familie. Eine Familie aus Freunden, und das konnte eine viel bessere Familie sein, als eine, die aus hysterischen Tanten, cholerischen Onkels und nervigen Cousins bestand.