Titel: Harry Potter und der Erbe von Slytherin
Autor: Luka
Feedback: lukath@muenster.de
Altersbeschränkung: 12
Inhalt: Kapitel 19: Rückkehr nach Hogwarts. Harry trifft alte Freunde und die staunen nicht schlecht. Aber er wird Schmerzen erleiden. Schreckliche Schmerzen...
Disclaimer: Die vorliegende Geschichte ist eine FanFiction zu Harry Potter. Dies zu schreiben macht in erster Linie mir Spaß und liegt fern jedes kommerziellen Gedankens. Dies zu lesen soll allen Spaß machen, die eine neue Geschichte von Harry Potter haben wollen. Sie sollen das tun können ohne eine müde Mark auszugeben. Alle Charaktere gehören Joanne K. Rowling, bis auf die, die in der Geschichte noch entwickelt werden müssen und die nicht von JKR sind. ( So z.B. Helene Baumann und Henri Perpignan der in dieser Geschichte auch wieder eine, wenn auch nicht so wichtige Rolle spielt)
19. Des Erben KraftDer nächste Morgen stand ganz im Zeichen des Aufbruchs. Henry hatte seine Hausangestellten angewiesen, ein fürstliches Frühstück vorzubereiten. Harry war sehr schweigsam. Abschiedsschmerz machte sich in ihm breit. Die letzten zwei Wochen waren wie im Fluge vergangen, zumindest hatte er jetzt das Gefühl, wo der Abschied so nahe gekommen war. Nicht immer während der Ferien hatte er sich wohl gefühlt, oft hatte er unter der Last des Lernens gestöhnt, auch wenn Henry und seine Brüder sich alle Mühe gaben, es ihm so einfach, wie möglich zu machen.
Harry fühlte sich mit Wissen vollgepumpt, dass er fast den Eindruck hatte, wie ein Luftballon zu platzen, wenn auch nur noch ein winziges Teil hinzugefügt würde. Aber er fühlte auch eine unendliche Dankbarkeit, dieses Wissen erlangt zu haben. Er spürte die Macht der Druiden immer deutlicher. Zwar wusste er noch nicht, woher sie kam, aber er ahnte, dass die Ruhe und Gelassenheit, die Zeit, die sie sich für ihre Zauber nahmen, diese Macht erzeugte. Eine Macht, die schier unbeugbar war.
Nach dem Frühstück sah Henry seinem jungen Freund tief in die Augen und sagte:
„Du willst mit mir noch über eine Herzensangelegenheit sprechen. Was hältst Du davon, dass wir uns ein wenig die Beine vertreten?"
Im ersten Augenblick war Harry sehr verwundert. Was meinte Henry?
„Welche Herzensangelegenheit?", fragte er daher.
„Du hast einen Freund. Du kannst ihm gegenüber nicht so ehrlich sein, wie Du es wünschst..."
Henry meinte ganz offensichtlich Ron. Woher wusste Henry von seinen Problemen. Woher wusste Henry, dass er sich vorgenommen hatte, mit Henry über genau dieses Problem zu sprechen? Konnte er in den Gedanken lesen? Ohne ein Wort stand Harry auf. Ein Blick genügte, um Henry zu verstehen zu geben, dass er mit dem Spaziergang einverstanden war. Sie traten durch die hohe Hallentür hinaus in einen kalten, feuchten Januarmorgen. Obwohl Harry sich einen dicken Pullover übergestreift hatte, kroch die Kälte sofort unter seine Kleider. Automatisch beschleunigte er seinen Schritt, so dass Henry ihn etwas bremsen musste.
„Halt, halt, mein Junge. Ich kann nicht mehr so schnell.", lachte er auf.
„Mir ist kalt.", stöhnte Harry.
„Ich verstehe.", brummte Henry. „Was hältst Du von dieser Muggelerfindung?"
Er zog ein silbern glänzendes Etui aus der Tasche und hielt es Harry hin.
„Schieb es in die Tasche. Es ist so etwas wie ein kleiner Ofen. Ich habe es etwas verändert, so dass es auch ohne Kohle funktioniert."
Neugierig nahm Harry den silbernen Gegenstand in die Hand. Augenblicklich breitete sich eine wohlige Wärme um ihn herum aus.
„Das ist toll!", meinte er, nachdem er den Ofen in seine Tasche geschoben hatte. „Und was ist mit Dir? Du frierst jetzt oder?"
Henry lachte leise.
„Mach Dir mal keine Sorge. Ich habe noch einen. Den anderen schenke ich Dir. Dort oben, in Hogwarts ist es manchmal lausig kalt, oder?"
„Nein. Sie haben super Heiz-Zauber entwickelt. Jetzt strahlen auch die Wände und die Fußböden Wärme aus. Nur im Herbst, oder im Frühjahr, wenn die Zauber noch nicht angewandt wurden oder schon entfernt wurden, dann ist es manchmal ziemlich kühl. Aber, weißt Du, wo er mir wirklich helfen wird?"
Henry schüttelte den Kopf.
„Beim Quidditch-Training!", rief Harry begeistert. „Was habe ich da schon gefroren!"
„Na, dann wist Du ihn ja gut brauchen können. Was wolltest Du mich wegen Ron Fragen?", änderte Henry unvermittelt das Thema. Sie hatten den Innenhof verlassen und bogen nun in den unbefestigten Weg ein, der vor dem Tor entlang führte. Schwarz ragten die laublosen Kastanien in den grauen Himmel.
„Woher weißt Du, dass ich mit Dir darüber sprechen will?", fragte Harry erstaunt.
„Nun", antwortete Henry, „Ich weiß, dass Ron Dein Freund ist. Dein bester Freund. Andererseits weiß ich natürlich auch, dass Du durch einen Schwur gebunden bist, durch einen sehr strengen Schwur. Zum Dritten hat Hermine mir von Eurem Streit erzählt und ich denke mir, dass Du in einer Zwickmühle steckst. Dann ist mir in den letzten Tagen noch Dein fragender Blick aufgefallen, jedes Mal, wenn wir beide uns begegnet sind. Da meiner Meinung nach alle Fragen bis auf eben diese geklärt sind, gehe ich davon aus, dass Du mich genau das noch fragen möchtest. Nur Du weißt nicht, wie, habe ich recht?"
Harry schwieg ein paar Schritte lang verlegen.
„Ja.", sagte er dann mit rauer Stimme. „Du hast in Allem recht. Ron ist mein bester Freund. Seit ich diesen komischen Traum mit Draco und dem Phoenix hatte, glaubt Ron, ich würde ihn wegen Malfoy im Stich lassen. Er wirft mir vor, dass ich seit Rumänien nicht mehr offen mit ihm spreche, dass ich ein Geheimnis vor ihm habe. Ich weiß nicht mehr, was ich ihm erzählen soll, denn alles, was ich sage ist gelogen, weil ich ihm die Wahrheit nicht sagen kann."
Das war förmlich aus Harry herausgesprudelt. Henry spürte den Druck, der auf Harrys Seele lastete.
„Du möchtest Dich nach den Ferien mit ihm aussprechen, nicht wahr?", fragte er besorgt.
Harry nickte.
„Gut.", sagte Henry fest. „Wir werden den Schwur etwas lockern müssen. Du darfst ihm folgendes sagen: Du bist Mitglied eines alten Zaubererordens geworden. Du wirst ihm gegenüber nur von dem ‚Orden' sprechen. Du sagst ihm, dass du bei Deinem Tode geschworen hast, niemandem, nicht einmal deinen nächsten Verwandten oder deinen besten Freunden gegenüber von dem Orden zu erzählen. Du sagst ihm, dass Du mit einem der Hohepriester über ihn gesprochen hast und eine Lockerung des Schwures nur für ihn erreicht hast. Du bittest ihn, nicht weiter zu fragen und nimmst ihm den Schwur ab, niemandem etwas darüber zu erzählen. Bei nächster Gelegenheit wird er vor den Orden gebracht und seine Aufnahme geprüft. Meinst Du, damit gibt er sich zufrieden?"
„Du willst ihn wirklich aufnehmen?", fragte Harry aufgeregt.
„Das weiß ich noch nicht. Ich muss natürlich prüfen, ob er einen Nutzen für unsere Gemeinschaft hat. Was kann er? Wie kann er unserer Idee helfen?"
„Aber, was kann ich denn?", fragte Harry aufgebracht. „Ich bin doch auch nur ein Schüler von Hogwarts!"
„Du Harry", sagte Henry freundlich, „Du bist für uns der Schlüssel zu Riddle. Reicht das nicht?"
Harry schwieg. Natürlich reichte das. Nur befürchtete er, dass die ihm übertragene Aufgabe seinen Mut und sein Können wiedereinmal bei weitem überstieg. Dann fiel ihm doch noch etwas ein, was er unbedingt fragen musste:
„Aber, der Schwur, den ich geleistet habe, er beruht doch auf einem Zauber?! Wenn ich Ron etwas erzähle, muss ich sterben!"
„Ich habe daran gedacht.", sagte Henry langsam. „Mach Dir keine Sorgen. Sobald Ihr im Auto sitzt, werde ich direkt hinunter gehen und den entsprechenden Zauber durchführen."
Harry atmete erleichtert auf. Nachdem sie eine Runde um das Anwesen gegangen waren, begab sich Harry auf sein Zimmer und packte die wenigen, noch nicht im Koffer verstauten Sachen zusammen. Er trug das Gepäck in die Eingangshalle und stellte es neben die Tasche und den Koffer von Hermine. Oben drauf platzierte er den leeren Käfig von Hedwig, die noch nicht von ihrem letzten Streifzug zurückgekehrt war.
Wenige Minuten später hatten sich alle verabschiedet. Harry saß mit Helene Baumann, Remus Lupin und Hermine im Fond des alten Bentley. Sie ließen sich von Arthur Tee und Gebäck reichen. Schweigend betrachtete Harry die vorüberstreichende Landschaft. Versuche von Hermine, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, scheiterten bereits im Ansatz. Harry brachte nur ein unwilliges Brummen hervor und starrte weiter, ohne auch nur einen Moment lang auszusehen in die graue, winterliche Landschaft. Erst als die Wälder dicht an die Straße heran rückten und keinen sehnsüchtigen Blick in die Ferne mehr erlaubten, wandte er den Kopf den Anderen zu, ohne sich jedoch an der ohnehin schleppenden Unterhaltung zu beteiligen.
Nach zweidreiviertel Stunden durchfuhren sie Hogsmead und kurvten die enge, gewundene Straße hinauf zum Schloss. Bald hatten sie die letzte Kurve hinter sich, der Wald brach auf und die Türme und Zinnen des alten, gotischen Bauwerks von Hogwarts kamen zum Vorschein.
Harry blickte auf. Es war das erste Mal, dass er sich nicht uneingeschränkt freute, als er das ehrwürdige Gebäude erblickte. Die Ferien, die er hinter sich hatte, waren aufregend und schön gewesen. Das, was er in den Ferien lernte, hatte ihm eine gehörige Portion Selbstbewusstsein und Zugehörigkeitsgefühl gegeben. Hier, in Hogwarts war er wieder der Schüler, genannt Harry Potter, der mit der blitzförmigen Narbe, aber dennoch der Schüler Potter. Hier war er nur einer von vielen, hatte Freunde, aber auch Feinde.
Er hatte außerdem keinerlei Vorstellung, was die nächsten Wochen für ihn bereit hielten. Was war mit Draco? Was mit Professor Snape? Wie sollte er Ron gegenüber stehen? Würde er ihn angrinsen, ‚Du Doofmann!' sagen und die Hand zum Gruß ausstrecken? Sein Gesichtsausdruck war sehr skeptisch, als der Wagen von der Straße in den Weg einbog, der zum Portal des Schlosses hinaufführte.
Oben angekommen, hielt der Wagen. Arthur öffnete den Verschlag von innen, stieg aus und hielt die Türe auf. Harry blieb sitzen, bis alle anderen den Wagen verlassen hatten, dann griff er nach seinem Koffer, seiner Tasche und dem Käfig. Als seine Füße den Schotterboden vor der großen Treppe berührten, sagte Arthur:
„Einen angenehmen Aufenthalt auf Hogwarts wünsche ich Ihnen, Master Potter. Ich hoffe, Sie besuchen uns wieder im Sommer."
Harry sah auf und blickte in das steinalte Gesicht des Butlers.
„Danke, Arthur. Ich hoffe, Dumbledore erlaubt, dass ich statt zu den Dursleys zu Henry fahren darf. Ich würde mich jedenfalls sehr freuen."
Er stellte den Käfig ab und reichte Arthur die Hand. Dieser nahm sie und drückte sie mit beiden Händen. Ein letzter stummer Blick, dann hob Harry seinen Käfig hoch und stieg die Treppe hinauf.
In der Halle war bereits wieder reges Treiben. Der Hogwarts-Express hatte schon am Vortag eine Menge Schüler in das Schloss geschwemmt. Heute Abend würden die restlichen Schüler aus London anreisen. Harry blieb kurz stehen, schaute zurück zur Eingangstüre und zog die Luft durch seine Nase. Es war ein scheußlich muffiger Geruch, der ihm so vertraut entgegenschlug. Es war der Muff von vielen hundert Jahren Schulbetrieb, von Tausenden von Schülern die ihren Mief in diesen Räumen gelassen hatten. Und doch war es der Geruch von Freiheit, einer Freiheit, die Harry erst im Alter von elf Jahren kennen und lieben gelernt hatte.
Dieser Geruch fiel Harry zum ersten mal in seinem Leben in aller Deutlichkeit auf. In den letzten zwei Wochen hatte er sich so oft an der frischen Luft befunden, wie noch niemals in all den Jahren zuvor. Nach dem nach Staub und alten Lumpen stinkenden und dunklen Verschlag unter der Treppe im Hause Dursley war ihm diese Halle und der Duft von Hogwarts wie der Himmel vorgekommen. All das ging durch Harrys Kopf, als er hinter sich jemanden seinen Namen sagen hörte.
„Potter! Es ist schon erstaunlich, dass Sie sich wieder in diese Mauern trauen, nachdem Sie sich diese Frechheit in der Prüfung geleistet haben. Freuen Sie sich auf die erste Stunde!"
Ein eisiger Schauer lief über Harrys Rücken. Diese schneidend kalte Stimme gehörte Professor Severus Snape. Langsam drehte Harry sich um. Er sah Snape gerade in die Augen und sein Blick zeigte alle Abneigung, die er jemals für Snape empfunden hatte. Nein. Er würde sich nicht mehr von Snape verunsichern lassen. Jetzt nicht mehr. Harry Potter war Druide. Er war ein Druide mit einer besonderen Aufgabe. Professor Snape war dagegen nur ein Lehrer, ein Lehrer, der es nötig hatte, Bestätigung zu finden, indem er ekelhaft zu Schülern war. Was für ein bedauerlicher Wicht.
„Ach Professor Snape!", sagte Harry mit freundlicher Stimme. „Auf diesen Augenblick haben Sie sich während der ganzen Ferien gefreut, nicht wahr? Schade, dass es so misslungen ist."
Harry sah an Snape vorbei und erblickte Remus und Helene, die hinter Snape am Fuß der weiten geschwungenen Treppe stehen geblieben waren und zu ihnen herüber schauten. Remus nickte breit grinsend.
„Mir scheint, Sie bilden sich auf ihre neuen Freunde ziemlich viel ein, Potter!", zischte Snape. Zornige Blitze schossen aus seinen schwarzen Augen. „Vergessen Sie nicht, dass Sie hier in Hogwarts sind, Potter. Hier sind Sie nur Schüler und Sie werden große Probleme bekommen, wenn Sie der Lehrerschaft nicht den nötigen Respekt zukommen lassen. Merken Sie sich das, Potter!"
„Es scheint, mein lieber Snape, dass Sie vergessen haben, dass man auch Schüler mit dem nötigen Respekt behandelt.", sagte Remus leise. Er war hinter Snape getreten. Dieser fuhr wie von einer Tarantel gestochen herum und starrte entgeistert in Remus immer noch grinsendes Gesicht.
„Was machen Sie hier?", fuhr Snape ihn an. „Solches Gesindel wie Sie wird hier in diesen Mauern nicht geduldet. Verschwinden Sie!"
„Dumbledore hat Sie nicht unterrichtet?", sagte Remus mitleidig lächelnd. „Das sollte Ihnen zu denken geben, mein lieber Severus."
„Was soll das heißen?", fragte Snape misstrauisch. „Doch nicht etwa, dass Sie wieder Lehrer an dieser Schule werden! Das werde ich zu verhindern wissen."
„Nein. Ich werde Harry helfen, Ihr Haus zu retten. Sie selber scheinen nicht in der Lage zu sein, etwas für das Haus Slytherin zu tun. Sie sind viel zu sehr damit beschäftigt, Schuldzuweisungen vorzunehmen."
Snapes Augen wurden zu Schlitzen. Hasserfüllt starrte er Remus Lupin an.
„Ich werde dafür sorgen, dass sie von hier verschwinden, Lupin!", flüsterte er. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und stampfte zornig davon.
„Harry, Du erstaunst mich!", sagte Remus anerkennend. „Ich dachte immer, Snape wäre ein Angstgegner für Dich."
Harry lächelte.
„Danke, dass Du mir geholfen hast, Remus. Nein, vor Snape habe ich keine Angst mehr. Ich habe erlebt, wie Neville mit ihm fertig geworden ist. Es war unglaublich, aber seitdem hat Neville seine Ruhe vor Snape. Dank Helene..."
Remus drehte sich um und sah Helene, die inzwischen näher gekommen war, verblüfft an.
„Du schaffst das, wofür ich ein ganzes Leben brauchen würde? Wie hast Du das gemacht?"
„Ach", antwortete Helene verlegen. „Ich habe nichts gemacht, nur, Neville machte einen so unglücklichen Eindruck. Ich habe ihm einen Trank gebraut, mit dem er ein wenig mehr Mut bekommen sollte. Ich hätte nie gedacht, dass er gleich ein ganzes Glas davon trinkt. Die Wirkung war wirklich umwerfend."
„Das hast Du gut gemacht.", sagte Remus anerkennend. Er klopfte Harry auf die Schulter, nahm seine Tasche auf und wandte sich zur Treppe. Harry atmete auf. Es war schön für ihn, unter den Erwachsenen Freunde zu haben, die einem halfen. Fast beschwingt stieg er die vielen Stufen hinauf, sprang über die magische Wechselstufe und schwenkte in den Gang hinein, der zum Haus der Gryffindors führte. Am Portrait der Fetten Lady flötete er ihr das Passwort zu und stieg durch das Loch, welches das zurückschwingende Gemälde frei gab, in den Gemeinschaftsraum ein. Er war wieder zu Hause.
Nach und nach tröpfelten auch die letzten Schüler ein. Ron war einer der letzten, die den Gemeinschaftsraum betraten. Harry hatte sich einen Sessel an das Feuer gezogen es sich dort bequem gemach und seine Füße auf den Ständer mit Holzscheiten gelegt. So harrte er zwei Stunden aus und starrte, in Erwartung seines Freundes auf die Öffnung in der Wand, die sich in fast regelmäßigen Abständen auftat und einen oder mehrere Schüler zugleich hereinließ. Es gab ein freudiges Hallo, wenn Freunde sich nach den Ferien wieder trafen. Auch Harry wurde gegrüßt, mal etwas beiläufig, oft aber sehr herzlich. Er aber hob nur die Hand, lächelte unverbindlich und versank danach sofort wieder in brütendes Schweigen.
Er hatte Angst. Es war keine Angst, die er kannte, Angst vor Spinnen, Fallen oder vor Voldemort. Er wusste nicht einmal, dass er Angst hatte, aber er spürte in seiner Magengegend ein unbestimmtes und sehr unangenehmes Drücken, ein Ziehen, das fast an Übelkeit grenzte. Er hörte die unbekümmerte Fröhlichkeit um sich herum wie aus weiter Ferne, aber sie war doch aufdringlich genug, um ihn immer wieder aus seinen Gedanken zu reißen und langsam aber sicher in Verbindung mit seiner Angst eine undefinierbare Gereiztheit zu erzeugen.
Hermine, die sich eine Weile zurückgezogen hatte, um, wie sie sagte, sich frisch zu machen – meine Güte, jetzt spinnt sie schon genau so herum wie eine erwachsene Frau, schoss ihm durch den Kopf – bemerkte sein dumpfes Grübeln, als sie wieder aus dem Mädchenschlafsaal kam. Sie ging zu im hinüber, stellte sich neben den Sessel und sagte, indem sie eine Hand auf seine Schulter legte:
„Was ist los, Harry? Geht es Dir nicht gut?"
„Ach lass mich!", knurrte er unwirsch und schob ihre Hand weg. Just in dem Augenblick schwang das Portrait zurück und ein roter Haarschopf wurde in der Öffnung sichtbar. Ron kam herein. Er zerrte seinen dicken und nur noch von ledernen Gürteln zusammengehaltenen Koffer rückwärts gehend durch das Loch, stellte ihn schwer atmend auf der anderen Seite ab, fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und drehte sich um. Sein Blick fiel auf Harry. Harrys Blick haftete auf Ron. Der Blick war fragend, unsicher und auch ein wenig zornig, weil Harry in diesem Augenblick seine Angst erkannte und wusste, dass das seltsame Unwohlsein genau jetzt seinen Höhepunkt fand.
Ron war sichtlich irritiert. Er starrte Harry an, öffnete den Mund, schloss ihn wieder, hob die Hand zum Gruß und brachte dann doch ein paar Worte über die Lippen.
„Hallo Harry.", sagte er mit rauer Stimme. Dann lächelte er und sprudelte los. „Hilfst Du mir mit dem Koffer? Das Ding ist saumäßig schwer. Ma hat mir noch ein Geschenk für Dich mitgegeben! Der übliche Pullover und Plätzchen."
Harry war perplex. Zuerst wusste er nicht, was er antworten sollte. Dann machte sich plötzlich eine unendliche Erleichterung in im breit.
„Klar!", rief er fast. „Packst Du vorne an und ich hinten? Mensch Ron ich freu mich..."
Gemeinsam hoben die das alte Ungetüm an den Ledergürteln, wuchteten es die Treppe zum Schlafsaal hinauf, ließen es in dem Gang zwischen ihren Betten fallen und hockten sich nebeneinander auf Rons Schlafstelle.
„Das war das erste mal, dass Du nach Hause gefahren bist.", sagte Harry. „Wie war es denn da? Hast Du ein schönes Weihnachten gehabt?"
„Es war toll.", antwortete Ron und strahlte über das ganze Gesicht. „Weißt Du, seit Fred und George mit den Scherzartikeln richtig Geld verdienen und einiges Zuhause abliefern, geht es uns richtig gut. Pa hat das Haus repariert, Ma hat sich neue Vorhänge genäht und zu Weihnachten gab es Gans und wir hatten einen richtigen Tannenbaum, nicht nur so ein trauriges Gesteck. Wir haben richtig Weihnachten gefeiert!"
Ron klemmte seine Hände zwischen die Knie. Er sah Harry mit leuchtendem Gesicht an.
„Wie war es bei Dir?", fragte er. „Hast Du Sirius gesehen?"
Harry sah ihn an und überlegte.
„Ich muss Dir etwas sagen, Ron."
Rons Gesicht wurde ernst.
„Es tut mir leid, Harry, ich glaube, ich war vor den Ferien ziemlich ungerecht zu Dir. Du glaubst nicht, wie erleichtert ich war, als ich Deinen Brief bekommen habe. Du bist ein richtiger Freund, weil Du es mir nicht übel genommen hast. Ich sag auch nichts mehr wegen Malfoy. Es ist Dein Ding. Geht mich nichts an. Okay?"
„Das ist es nicht, Ron. Ich muss Dir etwas sagen, weil Du mich verstehen sollst. Weißt Du, ich durfte Dir nichts sagen, wie es mich mein Leben gekostet hätte. Ich musste schwören, zu niemandem zu sprechen, nicht einmal zu Dir oder Sirius. Es ist mir höllisch schwer gefallen, es nicht laut hinaus zu schreien, verstehst Du?"
Ron schüttelte den Kopf.
„Ich bin Mitglied eines alten Zaubererordens geworden. Das hat mich vor Voldemort gerettet, als er im Herbst hinter mir her war. Es sind mächtige Leute, die mich aufgenommen und beschützt haben. Ich musste bei meinem Leben schwören, niemandem etwas zu erzählen und der Schwur ist mit einem Zauber gefestigt worden."
„Du bist in einen Geheimbund eingetreten? Dann ist dieser Henry also auch...", fragte Ron gespannt. „Kann ich da auch rein?"
„Das weiß ich nicht. Aber ich habe mit Henry gesprochen, und er möchte Dich in den nächsten Ferien näher kennen lernen. Du musst mir versprechen, keine Fragen zu stellen. Es muss Dir genügen zu wissen, was mit mir ist. Mehr darf ich Dir nicht sagen."
„Mann ist das spannend!", rief Ron. „Das muss ich Fred und George erzählen! Die platzen vor Neid!"
„Ron, bitte! Bitte behalte es für Dich. Du musst mir schwören, niemandem etwas zu erzählen. Es könnte mich das Leben kosten."
Erschrocken starrte Ron ihn mit offenem Mund an. Dann nickte er langsam.
„Gut.", sagte er. „Ich werde meinen Mund halten. Das schwöre ich Dir."
Harry ließ einen Seufzer entweichen. Er richtete sich auf.
„Ich muss Dir noch etwas sagen, Ron. Malfoy ist der Erbe von Slytherin. Ich habe etwas, was ihm gehört. Ich kann Parsel und das steht nicht mir, sondern ihm zu. Voldemort hat es den Slytherins gestohlen und ich muss es ihm zurück geben. Heute Abend. Dann ist das Haus Slytherin gerettet. Malfoy muss mir dafür helfen, das Tagebuch von Slytherin zu finden. Darin finden wir einen Weg, Voldemort zu besiegen."
„Mann, ich fasse es nicht.", rief Ron und schlug sich vor die Stirn. „Ich Trottel mach einen auf eifersüchtig und verpasse fast die spannendste Geschichte meines Lebens. Harry, Du darfst Idiot zu mir sagen!"
„Idiot!"
„Danke.", sagte Ron grinsend. „Jetzt geht es mir besser. Wieso ist das Haus Slytherin gerettet, wenn Malfoy wieder parseln kann? Kann er dann besondere Zauber oder was?"
„Nein, besonders gut Zaubern kann er dann auch nicht. Aber es gibt wieder einen echten Slytherin. Nicht nur so einen Krüppel. Weißt Du, mit dem Zauberstab ist das Letzte kaputt gegangen, was das Haus Slytherin am Leben erhalten hat. Es gab keinen echten Slytherin mehr, seit seine Mutter oder sein Großvater um das Parseln gebracht wurde. Nur der Zauberstab, von dem keiner außer Voldemort etwas wusste, hat bewirkt, dass Es immer noch Slytherins gibt."
„Warum ist Voldemort nur nicht auf die Idee gekommen, den Zauberstab schon vor vierzig Jahren kaputt zu machen. Dann hätten wir heute keinen Ärger mit den Slytherins!"
„Ich glaube nicht, Ron. Stell Dir vor, Malfoy wäre ein Gryffindor geworden!" Harry lachte kurz auf, bevor sein Blick plötzlich wieder sehr ernst wurde.
„Nein, Ron", fuhr er fort. „Es gab etwas, was Voldemort gehindert hat. Was wäre der vermeintliche Erbe von Slytherin, für den er sich ja gerne hielt, wenn er kein Haus Slytherin mehr hätte? Ein Nichts!"
„Gut", meinte Ron nachdenklich, „wäre das nicht eine Art, ihn zu besiegen?"
„Er ist zu mächtig, als dass man ihn damit auch nur kitzeln könnte. Die Leute aus... aus dem Geheimbund, wie Du ihn vorhin nanntest, wollen erst herausfinden, welche Zauber Slytherin beherrschte, und was davon Voldemort herausgefunden hat, als er das Buch Slytherin entdeckt hat. Und dazu müssen wir das Buch Slytherin finden."
„Aber, wenn es Voldemort gefunden hat, dann hat er es doch?"
„Nein.", sagte Harry bestimmt. „Sie vermuten, dass er nur einen kleinen Teil davon gefunden hat. Sonst hätte er den Geheimbund schon längst angegriffen. Weißt Du, sie sind sehr mächtige Zauberer und Slytherin ..." Harry brach ab. Er wusste nicht, wie viel er Ron erzählen durfte. Als er den Namen Slytherin erwähnte, fühlte er eine dumpf aufsteigende Angst.
„Du jetzt auch?", fragte Ron ungläubig. „Bist Du jetzt auch ein mächtiger Zauberer?"
Harry schüttelte den Kopf.
„Nein, keine Sorge Ron. Da muss ich noch ganz schön viel lernen."
Harry und Ron unterhielten sich noch eine ganze Weile. Sie packten währenddessen ihre Sachen in die Spinde. Harry probierte den neuen Pullover an und stellte fest, das er wie alle anderen vorher auch wie maßgeschneidert saß. Er war ein wenig poppig in der Farbgebung, aber gerade das gefiel Harry. Ron ließ wiedereinmal den Spruch hören, dass er sich auch einmal einen so schönen Pullover von seiner Muter wünschte. Er bekam immer nur Pullover, die aus Sonderangebotswolle gestrickt waren, und daher nicht immer Rons Farbvorstellungen entsprach. Sie hatte diese Angewohnheit nicht abgewöhnt, obgleich sich die wirtschaftliche Lage der Familie in den letzten Monaten entscheidend verbessert hatte.
Nach dem Abendessen trat Magister Baumann an den Tisch der Gryffindors. Sie beugte sich zu Harry hinunter und sagte leise:
„Kommst Du bitte um acht in den Keller für Zaubertränke? Draco und ich werden dort auf Dich warten."
Harry nickte.
„Ich werde da sein.", sagte er.
„Gut.", sagte sie. „Ich muss mit Draco noch ein paar Dinge vorbereiten, vor allen Dingen muss ich ihm noch genau erzählen, was wir machen."
Magister Baumann lächelte ihn an und ging zum Tisch der Slytherins hinüber. Sie nickte Malfoy zu, der daraufhin sofort aufstand und ihr folgte.
„Du?", fragte Lavender und sah Harry neugierig an. „Sie duzt Dich?"
„Hat sie das?", fragte Harry unbeteiligt. Gerade wollte er etwas zu Ron sagen, da hörte er wieder Lavenders Stimme.
„Was macht ihr denn schönes mit Malfoy? Schmusibusi?"
„Zu dritt?!", kicherte Parvati.
„Das geht Euch gar nichts an.", brummte Harry ärgerlich. „Wir arbeiten!"
„Komm, erzähl schon.", sagte Seamus „Was ist los mit Dir und Malfoy? Ihr habt ja vor den Ferien schon so oft zusammen gesteckt. Seid Ihr jetzt etwa Freunde geworden?"
„Bestimmt nicht!", fauchte Ron. „Sie versuchen Slytherin zu retten!"
„Slytherin retten?" rief Lavender entrüstet. Was hast Du mit Slytherin zu tun?"
Harry antwortete nicht. Er schickte nur einen finsteren Blick zu ihr hinüber.
„Ist doch klar!", vernahm er Parvatis heisere Stimme. „Er ist der Erbe von Slytherin. Er hat doch die Kammer des Schreckens geöffnet."
„Seid ihr jetzt alle verrückt geworden?", ereiferte sich Ron. Harry legte seine Hand auf Ron Arm.
„Lass sie Ron. Solange sie etwas zu spekulieren haben, gehen sie uns anderweitig nicht auf die Nerven. Komm wir gehen."
Er stand auf und verließ des Speisesaal. Ron stolperte hinterher. An der Treppe, die in den Keller führte, blieb Harry stehen.
„Tut mir leid, Ron, aber ich muss allein da hinunter. Sei mir nicht böse."
Ron zuckte mit den Schultern. Er war unsicher, was er antworten sollte. Schließlich murmelte er ein „Ist schon Ok.", versuchte zu lächeln und stieg die Stufen zum Gryffindor-Turm hinauf. Harry sah ihm nach. Er fühlte sich nicht wohl dabei, seinen Freund schon wieder wegschicken zu müssen. Er ärgerte sich, dass sein Schwur sich immer wieder und vor allen Dingen an den unpassendsten Zeitpunkten zwischen ihn und Ron stellte.
Er wandte sich ab und lief die gewundene Treppe in das Untergeschoss hinunter. Seine Schritte hallten in dem düsteren Gang, der in mehreren Windungen und an einigen eisenbeschlagenen Türen entlang immer tiefer unter das Schloss führte.
Die Tür zum Labor war verschlossen. Harry klopfte. Von drinnen war ein dumpfer Ruf zu hören.
„Einen Augenblick, Harry, wir sind gleich so weit."
Wenige Sekunden später öffnete Helene Baumann die Tür und winkte Harry herein. Der Raum war vollkommen verändert. Die Labortische waren in einer Ecke des Gewölbes aufgestapelt und aneinander gerückt worden, so dass eine große freie Fläche entstanden war. In der Mitte dieser Fläche stand der Tisch, an dem Snape über viele Jahre hinweg gesessen und seine Experimente durchgeführt hatte. Harry erkannte ihn daran, dass unter dem weißen Leinentuch die verbrannte Seite eines Tischbeines hervorsah. Das Tischbein war das Ergebnis eines schiefgegangenen Experimentes, bei dem der Kessel eines Schülers am Nachbartisch explodiert und den Fußboden in Brand gesetzt hatte. Zwar war das Feuer schnell gelöscht worden, aber es hatte gereicht, dass die Flammen auf den Lehrertisch übergegriffen und ihre Spuren hinterlassen hatten.
Auf den Tisch hatte Helene eine Schale mit Räucherwerk und zwei Öllampen gestellt, die mit ihrer seltsam bläulichen Flamme den Rauch in ein unwirkliches Licht tauchten. Die Luft war von einem schweren und fast betäubenden Duft durchzogen. Auf der einen Seite des Tisches standen zwei mit Armlehnen versehene Stühle, Rücken an Rücken. Draco Malfoy saß auf einem dieser Stühle, eigenartig bleich und mit abwesendem Blick aus leicht glasig wirkenden Augen.
Harry sah sich um. Dann fragte er Helene:
„Hast Du ihn hypnotisiert?"
Helene schüttelte lächelnd den Kopf.
„Nein. Ich musste ihn ein wenig vorbereiten.", sagte sie freundlich, „Es ist fast so etwas, wie eine Operation und er musste seinen Geist öffnen."
„Ich kriege noch alles mit.", hörte Harry plötzlich Draco sagen. Draco hatte seinen Blick auf Harry gerichtet. Seine Augen starrten ihn so durchdringend an, dass Harry ein kalter Schauer über den Rücken lief. Aber Dracos Blick war nicht, wie gewöhnlich voller Hass, sondern sie strahlten eine Stärke und Ruhe aus, wie Harry sie selten bei einem Menschen gesehen und niemals bei diesem dünnhäutigen und fahlen Slytherin erwartet hatte.
„Hallo Draco.", grüßte Harry verlegen.
„Würdest Du Dich bitte auf den anderen Stuhl setzen, Harry?", fragte Helene und wies mit einer Hand auf den noch freien Stuhl hinter Draco. Harry ging um den Tisch herum und setzte sich auf den freien Stuhl.
„Ich wusste, dass uns etwas ganz besonderes verbindet.", flüsterte Draco, als er Harrys Rücken an seinem spürte. „Ich begreife auch langsam, warum wir immer gegeneinander gekämpft haben. Du hast etwas, das mir gehört."
„Aber...ich konnte nichts dafür!", verteidigte sich Harry.
„Ich weiß.", sagte Draco. „Vor dem heutigen Tag wusste ich es aber nicht. Ich wusste gar nicht, dass das Parsel mir zusteht. Ich wusste nur, dass ich Dich hasse."
„Hasst Du mich immer noch?", fragte Harry mit belegter Stimme.
„Ich weiß nicht.", antwortete Draco. „Vielleicht gibt es in ein paar Minuten keinen Grund mehr dafür. Vielleicht ist es aber auch so tief in mir drinnen, dass ich nicht anders kann."
„Sicher, wir werden nie Freunde werden. Aber ich wünsche mir, dass wir uns dann wenigstens in Ruhe lassen. Mich nervt es fürchterlich, ständig darauf aufzupassen, ob ein Malfoy plötzlich hinter mir steht und irgendwelche blöden Sprüche loslässt."
Draco lachte kurz und trocken auf.
„Mal sehen.", sagte er. „Es hat unheimlichen Spaß gemacht, Dein blödes Gesicht zu sehen, wenn ich einen passenden Spruch hatte. Aber vielleicht schließen wir erst einmal so etwas, wie einen Waffenstillstand. Immerhin tust Du etwas für mich, das ich niemals für Dich getan hätte. Das finde ich gut."
„So ihr Zwei, wir können gleich beginnen.", meldete sich Helene, die während der kurzen Unterhaltung von Harry und Draco ein Buch aus ihrer Tasche geholt und es auf den Tisch gelegt hatte. „Ich bitte Euch, eure Rivalität einmal für eine halbe Stunde ruhen zu lassen. Wir müssen uns konzentrieren. Harry?"
Harry wandte seinen Kopf in ihre Richtung.
„Wir, das heißt Draco und ich haben ein kleines Vorbereitungsritual hinter uns gebracht. Ich musste seinen Geist öffnen, wie ich vorhin schon gesagt hatte. Außerdem wollte ich ihm erst einmal alles erzählen, was für ihn wichtig ist.
Das, was jetzt folgt, ist ein sehr schwerwiegender Eingriff. Du wirst das Gefühl haben, zerrissen zu werden. Es ist ein Schmerz, den ich nicht betäuben kann, denn er kommt nicht aus Deinem Körper, sondern aus Deiner Seele. Wenn das Ritual angefangen wurde, muss es zuende gebracht werden. Jeder Abbruch hat fatale Folgen für Dich. Er kann Dich Deine Seele kosten. Ich bitte Dich in Henrys Namen: Halte es aus."
Harry schluckte.
„Wird es sehr wehtun?"
„Ich weiß nicht, wie sich dieser Schmerz anfühlt, denn ich habe ihn noch nie verspürt. Aber dieses Buch enthält Hinweise darauf und ich wollte Dich vorher darüber informieren. Bist Du mit der Prozedur einverstanden?"
Harry schwieg. Jetzt konnte er noch zurück. Er hatte keine Lust darauf, Schmerzen auszuhalten. Und erst recht nicht für Draco Malfoy. Auf der anderen Seite stand aber Henry Perpignan. Llyr und Putty Cedor, Sirius und Remus tauchten vor seinem geistigen Auge auf. Sie standen für eine große Familie, für eine unübersehbare Schar wertvoller Freunde. Würde er einem von Ihnen jemals wieder in das Gesicht sehen können, wenn er jetzt versagte.
Harry holte tief Luft und ließ sie durch die geschlossenen Zähne entweichen. Ein leises Zischen war zu hören.
„Musst Du noch einmal parseln, bevor Du es nicht mehr kannst?", fragte Draco hinter ihm. „Nun mach schon, entscheide Dich! Ich habe auch nicht ewig Zeit!"
„Ja...Nein! Du kannst mir glauben, dass mir Parsel nie Spaß gemacht hat. Erinnere Dich an das zweite Schuljahr. Ich weiß noch zu gut, was für eine Panik das ausgelöst hat." Dann wandte Harry sich wieder Helene zu. „Ist Okay, ich bin bereit."
„Das freut mich, Harry.", sagte Helene. „Bitte verstehe es nicht falsch, aber ich muss Deine Hände und Füße am Stuhl festbinden. Es ist zu Deiner eigenen Sicherheit. Solltest Du aufspringen, geht die Prozedur schief und die Folgen..."
„Bitte", antwortete Harry, „ich habe damit kein Problem. Fangen wir an, dann haben wir es schneller hinter uns."
Helene sah in noch einmal prüfend an. Dann griff sie in ihre Tasche, die unter dem Tisch an ein Tischbein gelehnt stand und holte vier breite Gurte heraus. Sie kniete vor Harry nieder und schlag je einen der Gurte um Harrys Bein und das Stuhlbein. Harry sah auf ihren Scheitel hinunter. Trotz des betörenden Duftes des Räucherwerks strömte von ihr ein angenehmer leiser Geruch nach Schweiß auf und nistete sich in seinen Gedanken ein. Er nahm ihre Weiblichkeit wahr, deutlicher als er jemals die Nähe einer Frau gespürt hatte.
Vorsichtig zog sie das Ende durch die Schnalle, bis Harry spürte, dass er seine Beine nicht mehr bewegen konnte. Ein Gefühl der Panik flammte in ihm auf. Er bewegte die Füße, aber er war nicht mehr in der Lage, seine Beine vom Stuhlbein zu lösen. Noch während er mit dem Gefühl der Hilflosigkeit kämpfte, hatte sie bereits seine Handgelenke an die Armlehnen gefesselt. Harry sah in Ihr Gesicht. Sie lächelte ihn an.
„Es wird vorbei gehen, Harry.", sagte sie mit beruhigender Stimme. „Denke immer daran, es wird vorbei gehen."
Helene stand auf und ging um den Tisch herum. Sie öffnete das Buch und begann darin zu blättern. Es sah aus wie eines der Bücher, die Harry in Henrys Bibliothek gesehen hatte. Plötzlich erinnerte er sich an die Szene im Labor unter Perpignans Place. Henry hatte eine Formel aus einem solchen Buch vorgelesen, als er Harry und Hermine den Schwur abnahm, niemandem außerhalb des Ordens von den Druiden zu erzählen.
„Ich werde zuerst einen Zauber ausführen, der Euch in die Lage versetzen wird, alles zu verstehen, was ich sage.", erklärte Helene, nachdem Sie die gesuchte Seite gefunden und glatt gestrichen hatte. Sie hob beide Hände, die Handflächen nach oben gerichtet und begann, Worte aus dem Buch vorzulesen. Diese Worte waren Harry vollkommen fremd, sie klangen nicht einmal nach der Sprache, die Henry bei seinen Beschwörungen verwandt hatte. Aber kaum waren sie verklungen, wusste Harry, dass er sie verstanden hatte:
„Bei den Geistern der Quellen,
Bei den Kräften der Winde,
Bei der großen Mutter Erde,
die uns nährt und trägt
Nach dem Willen aller Götter
Wirst Du, Draco und Du, Harry
Verstehen."
Während sie sprach, verfinsterte sich das Licht im Labor. Die bläulich leuchtenden Öllichter flackerten. Sie verloschen fast und es war schon das Zischen des Dochtes zu hören, als sie plötzlich wieder aufflammten. Das Licht, das sie jetzt jedoch verstrahlten war nicht sichtbar. Es leuchteten nur die Personen und Gegenstände im Raum und es leuchtete das Buch, das sein Licht in Helenes Gesicht warf und es unheimlich erstrahlen ließ.
Harry fühlte nichts. Kein Schmerz, nicht einmal ein leises Kribbeln störte sein Wohlbefinden. Er dachte über die Worte nach, die er so fremd gehört und die er trotzdem verstanden hatte. Er war so mit den Worten beschäftigt, dass er nicht hörte, wie Helene weitersprach. Wortfetzen drangen an sein Ohr.
„...gib ihm die Kraft...
...es steht ihm zu...
...erstarke..."
Noch ehe Harry begriff, dass die eigentliche Zeremonie begonnen hatte fühlte er plötzlich, dass sein Kopf anschwoll. Nicht sein äußerer, durch den Schädelknochen gehaltener Kopf, sein innerer, sein Gehirn, sein Ich schwoll an, wurde größer, größer, wuchs über den begrenzten Raum hinaus, drängte durch Mund, Nase, Ohren und Augen, blähte seine Stirn und ließ seinen Kopf in einem unendlichen, plötzlichen Schmerz explodieren. Wie ein sich öffnender Reißverschluss zog der Schmerz von seiner Stirn bis in den Nacken. Der Schädel klaffte auf und setzte sein Gehirn frei, das herausquoll und weiterwuchs. Seine Augen schossen aus den Höhlen. Er riss den Mund auf und ließ die Luft, die er in der ersten Panik in seine Lungen gepresst hatte, in einem unmenschlich lauten Schrei entweichen.
Als die Lungen leer waren, riss er neue Luft in sich hinein, pumpte die Lungen bis zum Platzen voll und schrie wieder, als wolle er mit dem Schrei den Schmerz hinausschleudern. Wund und bloß fühlte er das Gehirn da liegen. Brennende Nadeln fuhren in sein Bewusstsein. Dann riss auch das Gehirn auf und entleerte sich vollends. Wie an einer Zange wurde etwas herausgezogen. Gnadenlos endgültig entriss ihm der Zauber die Gabe der Schlangensprache und ließ eine schmerzende, offene Wunde und ein unheimliches Gefühl der Leere in seinem Kopf zurück. Mit dem letzten Zug der Zange schwand das Parsel endgültig aus ihm. Endlich schwand sein Bewusstsein und erlöste ihn von dem Schmerz.
