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Mit geschlossenen Augen lehnte Sam sich gegen das kalte Metall der Iris, mit der einen Hand fuhr sie die Strukturen des Chevrons neben ihr nach. All das, was sie zuhause nicht gefunden hatte, war hier vereint. Ein Stück verwirklichter Traum unter ihrer Hand greifbar – sie hatte ihren Traum verwirklicht – warum fühlte sie sich so leer? Sollte dies die Schattenseite an Träumen sein, dass wenn sie erfüllt waren nicht die Freude nach ihnen zuließen sondern nur eine erneute Ruhelosigkeit nach etwas anderem hinterließen? Konnte der Mensch nur existieren, wenn er etwas hatte, was er suchen konnte, viele Träume also? Sie aber hatte sich bis jetzt nur auf einen Traum konzentriert, und dabei keinen Raum für Andere gelassen. Diese Erkenntnis war wie eine kalte Dusche am Morgen, und doch erfrischender. Sie hatte ihre ganze Energie über die Jahre in den Traum von Weltall gesteckt und jetzt wo er für sie im Grundgedanken verwirklicht war, hatte sie eine Schutzmauer um ihre Seele gebaut um nicht in der Gefahr zu laufen durch neue, vielleicht nicht erfüllbare Träume enttäuscht zu werden. Und sie begann zu verstehen, dass sie jene Mauer durchbrechen musste, wenn sie eine Zukunft haben wollte, in der sie keine innerliche Leere mehr verspüren sollte.

Dieser Blick des Wächters vor dem Torraum war schon ein wenig merkwürdig gewesen, aber vermutlich hatte sich der arme Mann nur gewundert, wie man das Weihnachtsfest freiwillig hier verbringen konnte, anstelle bei seiner Familie. Nun, er konnte nicht wissen, dass diese Einrichtung das emotional familienähnlichste war, was Jack O'Neill hatte, eine Familie, die das Stargate vereinte. Dies war der Grund warum er sich hier unten wieder fand. Als jedoch die Tür zum Torraum aufging und er einen Blick hinein erhaschen konnte, verstand er augenblicklich die Reaktion des Wächters. Sam öffnete einfach die Arme, und ohne auch nur eine Sekunde zu zweifeln trat er in ihre Umarmung. In diesem Moment fiel das Licht aus.

„Da war ein Geräusch – oder?" Daniel sah Janet zweifelnd an. „Da! Schon wieder!" Janet schlüpfte wieder in ihre Schuhe, die sie kurzzeitig abgelegt hatte und schlich Daniel hinterher. Die Tür zum Tor-Raum stand offen und fast mussten sie lächeln über den Anblick, der sich ihnen da bot: vor der Iris auf der Rampe saßen Sam und Jack, jeweils im Arm des Anderen. Wortlos ergriff Janet Daniels Hand und zog ihn mit zu ihren Freunden. Es mussten keine Worte gewechselt werden, sie verstanden sich auch so. Und als einige Minuten später, die Tür noch einmal aufging und Cassandra eintrat, brauchte sie kein Wort der Entschuldigung äußern, denn ihre Mutter nahm sie einfach schweigend und dankbar in den Arm.

Der Wachs einer einsamen roten Kerze tropfte auf das Gitter der Rampe und still wachte das Stargate über jene Menschen, die sich zu dort versammelt hatten, wo vermutlich niemand sonst Weihnachten verbringen mochte. Für diese Menschen jedoch war es der vermutlich schönste Ort, denn er hatte ihnen gezeigt, dass sie das, wonach sie sich alle gesehnt hatten, schon lange besaßen:

Eine Familie .

Ende

© Anne Schüler, 2002/2003