Titel: Harry Potter und der Erbe von Slytherin
Autor: Luka
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Altersbeschränkung: 12
Inhalt: Kapitel 19: Rückkehr nach Hogwarts. Harry trifft alte Freunde und die staunen nicht schlecht. Aber er wird Schmerzen erleiden. Schreckliche Schmerzen...
Disclaimer: Die vorliegende Geschichte ist eine FanFiction zu Harry Potter. Dies zu schreiben macht in erster Linie mir Spaß und liegt fern jedes kommerziellen Gedankens. Dies zu lesen soll allen Spaß machen, die eine neue Geschichte von Harry Potter haben wollen. Sie sollen das tun können ohne eine müde Mark auszugeben. Alle Charaktere gehören Joanne K. Rowling, bis auf die, die in der Geschichte noch entwickelt werden müssen und die nicht von JKR sind. ( So z.B. Helene Baumann und Henri Perpignan der in dieser Geschichte auch wieder eine, wenn auch nicht so wichtige Rolle spielt)
20. In der Höhle des LöwenHarry wälzte sich von einer Seite zur anderen. Unbewusst spürte er einen Menschen in seiner Nähe. Irgendetwas zog ihn nachdrücklich aus den Tiefen der Bewusstlosigkeit an das Ufer.
„Er hat sich bewegt!", rief eine Stimme, die Harry vertraut erschien. Er schlug die Augen auf und starrte in ein Gesicht voller Sommersprossen, aus dem blaue Augen freundlich unter einen roten Haarschopf auf ihn hinabsahen. Ron Weasley saß neben dem Bett, in dem sich Harry wiederfand. Ron griff, als er das Gefühl hatte, von Harry erkannt zu werden, nach dessen Hand.
Eine wohltuende Wärme ging von seiner Hand aus. Harry konzentrierte sich auf seine Finger. Sie waren fast gefühllos. Langsam bekam er wieder Gewalt über seinen Körper. Er schloss die Hand um die von Ron, suchte dessen Blick und entspannte sich mit einem tiefen Seufzer. Der irrsinnige Schmerz, der ihn gerade noch durchschossen hatte, war wie von Geisterhand weggewischt, gerade so als wäre er nie da gewesen. Harry fühlte vorsichtig mit der anderen Hand nach seinem Kopf. Die Stelle, von der er meinte, sie sei ihm weggesprengt worden, fühlte sich etwas taub, aber durchaus noch vorhanden und unversehrt an.
Ein eigenartig leeres Gefühl schien sich an einer nicht näher lokalisierbaren Stelle in seinem Gehirn ausgebreitet zu haben. Das musste das Parsel gewesen, das nun nicht mehr Teil seines Ichs war. Harry trauerte dieser Eigenschaft nicht nach, denn sie hatte ihm enormen Ärger eingebracht. Sie war bei Draco Malfoy viel besser aufgehoben, denn dieser hatte nur Freunde, die selber sehr unangenehm und widerlich waren. Da machte eine schlechte Eigenschaft nichts kaputt, im Gegenteil, wahrscheinlich stieg Dracos Ansehen im Kreis seiner Getreuen.
Harry musste grinsen. Dann nahm er wieder Rons Gesicht wahr. Er sah die tiefe Sorge, die sich als Falte zwischen die roten Augenbrauen eingegraben hatte.
„Ron.", murmelte er. Zu einer lauten Äußerung fühlte er sich nicht fähig. „Du bist da."
„Ja, Harry. Ich bin so froh, dass Du wieder wach bist. Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Es sah sehr schlimm mit Dir aus."
„Was ist passiert?", fragte Harry. Mühsam hob er seinen Kopf und schaute nach links und nach rechts. „Wo ist Hermine?"
„Die schläft.", sagte Ron und zeigte auf einen Stuhl hinter sich, auf dem Hermine in unbequemer Stellung zusammengesunken war. „Wir haben uns abgelöst. Jetzt ist sie daran zu schlafen."
Harry ließ sich zurückfallen. Er starrte die Decke an.
„Was ist passiert?", fragte er. „Ich erinnere mich nur noch, dass es höllisch weh tat. Ich hatte ein Gefühl, als ob mir mein Gehirn herausgerissen würde."
„Ich weiß es nicht genau.", antwortete Ron. „Hermine hat mich geholt und gesagt, dass es Dir nicht gut geht. Dann erzählte sie, dass Du Malfoy das Parseln gegeben hast. Das verstehe ich nicht. Kann man das lernen?"
Harry rang sich ein Lächeln ab.
„Nein, Ron Das kann man nicht lernen. Magister Baumann hat einen Zauber angewandt, der mir das Parsel genommen, und es Malfoy gegeben hat. Ich weiß nur noch, dass sie ein paar sehr alte Worte gesprochen hat. Dann hat der Schmerz angefangen und ich bin irgendwann ohnmächtig geworden."
„Harry, du lebst!", war plötzlich Hermines verschlafene Stimme im Hintergrund zu vernehmen. „Was bin ich froh. Ich dachte Du würdest sterben. Du warst wie tot, als wir Dich hier her brachten."
„Wer wir?", fragte Harry.
„Helene und ich. Weißt Du, ich hatte mitbekommen, dass sie Dich in den Zaubertränke-Keller bestellt hatte. Ich bin Dir nachgegangen, um zu helfen, falls ich gebraucht würde. Dann hast Du plötzlich irrsinnig laut geschrieen. Ich bin hineingelaufen und habe Dich auf dem Boden gesehen. Du hattest die Gurte an Deinen Armen und Beinen durchgerissen."
„Ich? Das kann nicht sein. Sie waren so dick und aus Leder!" Harry zeigte mit Daumen und Zeigefinger die Dicke des Riemens.
„Du hast sie durchgerissen. Sie waren richtig zerrissen, nicht zerschnitten!"
„Ich habe mal gehört, dass Menschen ganz schön stark sein können, wenn sie Ihr Gehirn ausschalten.", grinste Ron. „Kein Wunder. Deins war aus. Was machen da schon so ein paar Riemchen?"
Harry lächelte mühsam. Er war froh, dass Ron seinen alten Humor wiedergefunden hatte.
„Helene sagt, wir sollten aufbrechen, wenn Du Dich wieder erholt hast.", begann Hermine. „Draco Malfoy wird mitkommen, Ron und ich auch..."
„Was ist mit Draco? Wie geht es ihm?", wollte Harry sofort wissen, als er dessen Namen hörte.
„Du interessierst Dich in der letzten Zeit viel für Malfoy!?", fragte Hermine etwas konsterniert.
„Es ist weil..." Harry wusste nicht, wie er es ausdrücken sollte. Seit dem seltsamen Traum, der ihn und Draco zum Phoenix geführt hatte, fühlte er eine seltsam zwingende Verbindung zwischen sich und seinem ärgsten Widersacher an dieser Schule. Er hatte die Hoffnung gehabt, dass dieser Zwang zu Ende sei, wenn er Malfoy das zurückgegeben hatte, was Voldemort den Erben von Slytherin genommen hatte. Nichts hatte sich jedoch geändert. Im Gegenteil, er fühlte eine stärkere Bindung an diesen schrecklichen Jungen, wie je zuvor.
„Es ist...", begann er noch einmal, „...seltsam, aber ich komme nicht von ihm los. Vielleicht hat der Spuk ein Ende, wenn wir endlich dieses blöde Buch von Slytherin gefunden haben. Vielleicht lässt er mich dann in Ruhe."
Ron und Hermine waren zu sehr erleichtert, dass ihr Freund Harry wieder unter den Lebenden weilte, als dass sie sich durch Draco Malfoy von dieser Freude ablenken ließen. Ron kramte aus seiner Tasche einen Schokofrosch hervor. Die Packung war zwar schon etwas mitgenommen, aber dieser Frosch., es war der letzte aus Rons Süßigkeitenvorrat, war von ihm für Harry bestimmt worden. Selbst wenn Harry dieses Abenteuer nicht überlebt hätte, Ron hätte ihn nicht angetastet, sondern ihn Harry schlimmstenfalls sogar mit ins Grab gelegt. Das Bild, das Harry aus der Packung zog, schien jedoch ein Omen zu sein. Es war eines der überaus seltenen Bilder von Salazar Slytherin. Dieser schien sich Harry genau so nachdenklich zu betrachten, wie es Harry mit dem Bild tat.
***
Zwei Tage später wurde Harry von Madame Pomfrey als geheilt entlassen. Sie hatte ihn reichlich mit heilender Schokolade vollgestopft, so dass Harry, wenn auch nicht vollständig, aber dennoch so weit die Leere in seinem Kopf vergaß, dass er nicht mehr nur grübelnd an die Decke starrte. Helene Baumann war direkt nach Harrys Erwachen in Begleitung von Remus gekommen und hatte die Expedition in das Heiligtum Slytherins detailliert mit den Beiden besprochen. Zwar beobachtete Madame Pomfrey die drei an Harrys Krankenbett mit Argusaugen, hielt sich aber mit spitzen Bemerkungen zurück, denn Albus Dumbledore persönlich hatte sich dafür verbürgt, dass Helene und Remus Harrys Genesung nicht beeinträchtigen würde.
Dumbledore war von Helene mit Genehmigung des hohen Rates der Druiden über die wichtigsten Details in Kenntnis gesetzt worden. Er hatte es begrüßt, dass eine Lösung für die Slytherins gefunden war, allerdings mit einem schmerzhaften Ausdruck in seinem Gesicht. Er versprach, die Truppe um Harry in jeder Hinsicht zu unterstützen. Daher war er Helene vorausgeeilt, hatte Madame Pomfrey instruiert und sich eine geschlagene Stunde an Harrys Bett gesetzt, um ihn mit Ratschlägen zu versorgen. Harry freute sich über diesen Besuch. Er nahm das Gesagte begierig auf.
Kurz nachdem Dumbledore gegangen war, kam ein etwas betreten aussehender Draco Malfoy in das Krankenzimmer.
„Wie geht es Dir?", fragte er mit rauer Stimme. Unschlüssig blieb er vor dem Bett stehen. Harry sah ihn mit einer Mischung aus Neugier und ehrlicher Freude an.
„Freut mich, dass Du kommst.", sagte er. „Mir geht es schon wieder besser. Ist ein komisches Gefühl im Kopf. Und Du, Hast Du es schon ausprobiert? Funktioniert es?"
„Was soll sein?", antwortete Draco und hob die Schultern, bemüht, gleichgültig zu wirken. „Ich konnte es noch nicht ausprobieren. Hier auf Hogwarts gibt es nicht so viele Schlangen."
„Dann siehst Du mal, für was für ein wertloses Zeug ich in Kauf genommen habe, hier in der Krankenstation zu landen."
In Dracos Augen blitzte es auf. War das ein Angriff von Harry? Draco beschloss, ruhig zu antworten.
„Das Bescheuerte daran ist, dass es nicht wertlos ist. Es wird meiner Familie das Überleben ermöglichen. Das allerschlimmste ist aber, dass ich Dir auch noch dafür dankbar bin."
Draco sah unsicher und mit einem Anflug von Zorn zu Boden.
„Das bedeutet aber nicht, dass sich zwischen uns etwas ändern wird.", fügte er schnell hinzu.
„Keine Sorge, Malfoy. Ich sehe das genau so.", knurrte Harry grimmig.
Draco nickte zufrieden. Entschlossen drehte er sich um und ging mit festen Schritten zur Tür. Als er die Klinke hinuntergedrückt hatte, drehte er sich noch einmal um.
„Danke.", sagte er. Es klang richtig freundlich.
Gegen Mittag des Tages, an dessen Morgen er aus dem Krankenflügel entlassen wurde, packte er seinen Rucksack. Er freute sich auf ein Abenteuer mit Helene und Remus. Zu Remus hatte er schon im dritten Schuljahr absolutes Vertrauen gefasst. Aus dem Koffer, den er unter dem Bett hervorgezogen hatte, holte er den Arachno-Xylografen, der ihm schon in der Klosterruine, als er Voldemort gegenüberstand, gute Dienste geleistet hatte. Er fand den steinernen Allesschneider, welchen er von dem alten Druiden im Altmühltal geschenkt bekommen hatte. Dann nahm er den silbernen Speer zwischen seine Finger. Er hatte ihn, um ihn in dem Koffer unterzubringen, mit dem von Hermine gelernten Schrumpfzauber auf Bleistiftgröße verkleinert.
Er überlegte, ob er ihn mitnehmen sollte. Schließlich steckte er ihn in den Rucksack, denn als Bleistift nahm er nicht viel Platz weg. Dann war da noch das Taschenspickoskop., das ihn vor Gefahren warnen konnte. Ron hatte es ihm aus Ägypten zum Geburtstag geschickt. Anfangs hatte er nicht an die Fähigkeiten des seltsamen Instrumentes geglaubt, die Meldungen eher ignoriert, weil das Ding ständig Alarm gegeben hatte. Nachdem er aber endlich den Grund erfahren hatte, warum es ständig rotiert und gepfiffen hat, denn Krätze, die Ratte von Ron hatte sich als der Animagus und Voldemort-Anhänger Peter Pettigrew herausgestellt, glaubte er fest an die Wirksamkeit dieses einfachen Instrumentes.
Zuletzt nahm er den Tarnumhang in seine Hand. Brauchte er ihn? Nun ja, er war leicht und ließ sich zu einem kleinen Päckchen zusammenlegen. Er wäre kein Ballast. Harry faltete ihn sorgfältig zusammen und verstaute ihn zu den anderen Dingen in seinem Rucksack.
Zu Mittag trafen sie sich, Hermine, Ron, Draco und Harry, Remus und Helene, im Büro von Magister Baumann, um dort einen letzten Imbiss vor dem Abenteuer zu sich zu nehmen. Sie es hatte sich gewünscht, dass das Mittagessen in ihrem Büro stattfand, weil sie eine letzte Besprechung vornehmen wollte, ohne dass Gesprochenes an fremde und unbefugte Ohren gelangte. Die Hauselfen waren so freundlich gewesen, für jeden ein reichliches Lunchpaket zu packen, das sich jeder nun in seine Tasche schob. Nachdem sie alle ihr Gepäck noch einmal auf Vollständigkeit überprüft hatten, begaben sie sich vor das Schloss.
Auf der Wiese neben Hagrids Hütte stiegen sie auf ihre Besen. Remus nickte mit dem Kopf, woraufhin sie sich wortlos in die Luft erhoben. In einem weiten Bogen ließen sie die Weide hinter sich und bogen am Waldrand nach Osten ab. Schon bald war Hogwarts nicht mehr zu sehen.
Die weite Waldfläche zog unter ihnen dahin. Der kalte Wind pfiff um die Ohren, die langsam rot anliefen. Es war kalt. Jeder der Sechs fragte sich, warum sie ausgerechnet im tiefsten Winter einen solchen Ausflug machen mussten. Sie flogen knapp über den Baumwipfeln. Grau und laublos streckten die Bäume ihre Äste in den trüben Winterhimmel. Hier und da wurde das Grau von dunklem, fast drohenden Grün durchbrochen, das von Gruppen aus Nadelbäumen stammte. Manch ein Baum reckte sich so hoch, dass man meinen konnte, er wolle die sechs vom Himmel pflücken.
Harry hatte sich noch auf Perpignans Place eine Karte nach den Angaben von Llyr gezeichnet. Diese hatte er nun an seinem Besen befestigt und verglich die Landschaft unter ihnen mit den Merkmalen, die er eingezeichnet hatte. Sie näherten sich unaufhaltsam dem Gürtel, den die Riesenspinnen um das Heiligtum von Slytherin zogen.
„Siehst Du den Felsen dort hinten, den mit den drei hohen Bäumen?", rief Ron von seinem Besen herüber. Er war mit Hermine hinter den drei Anderen geblieben. Jetzt hatte er seinen Besen beschleunigt und war zu Harry aufgeschlossen. Harry sah in die Richtung, in die Ron gezeigt hatte. Er erkannte den Felsen. Dort waren sie damals, im zweiten Schuljahr, den Riesenspinnen begegnet, als sie auf der Suche nach der Kammer des Schreckens waren. Wieder schloss sich ein Kreis. Harry nickte.
„Ja!", rief er zu Ron hinüber. „Dort müssen wir hin."
Ron sah besorgt aus. Er hasste Spinnen. Er fürchtete Spinnen. Er fürchtete sie so sehr, dass er, wenn er eine sah, vor Entsetzen gelähmt war. Er stellte sich vor, dass er sie auf dem Waldboden herumkrabbeln sah. Würde er erstarren und vom Besen fallen? Bei der Vorstellung schauderte ihn. Er flog näher an Harry heran. Vielleicht könnte Harry ihn retten, wenn er mitbekam, dass ihn schwindelte.
„Was ist da?", fragte Draco von der anderen Seite. „Ist dort diese komische Insel?"
„Ja, ungefähr.", erklärte Harry, „dort beginnt das Reich der Riesenspinnen. Sie bewachen sie."
„Das ist etwas für Dich Weasley!", grinste Draco. „Na, wollen wir einen Zwischenstop einlegen?"
Ron sah ihn gequält an.
„Lass Ron in Ruhe, Malfoy!", ertönte die Stimme von Hermine hinter ihnen. Auch sie hatte sich herangeschoben und den letzten Teil der Unterhaltung gehört.
„Was mischst Du Dich ein, Granger?", blaffte Draco. „Meinst Du, Dein Freund Weasley kann nicht selber antworten?"
„Draco, fang nicht an zu streiten!", sagte Harry bestimmt. „Wir haben uns geeinigt, dass wir das Ding gemeinsam durchziehen und uns nicht streiten. Du hast es versprochen. Wenn Du meinst, dass ein Versprechen von Dir nicht gilt, dann fliegen wir sofort zurück. Ich brauche die Slytherins nicht. Wir machen das nur für Dich!"
„Schon gut!", maulte Draco. Er beschleunigte seinen Besen, damit die anderen nicht sahen, dass ihn die Zurechtweisung ärgerte. Nach einer Weile ließ er sich zurückfallen und flog schweigend neben den anderen her.
Bald hatten sie den Felsen erreicht. Ron starrte eisern gerade aus. Er wollte in jedem Fall vermeiden, dass er eine Spinne sah. Vor ihnen streckte sich ein mehrere hundert Meter breiter, flacher Streifen aus, in dem öliges Wasser zwischen reifbedeckten trockenen Grasbüscheln hindurchschimmerte. Dieser Streifen umschloss eine ovale Erhöhung, aus der einige seltsam aussehende Felsen in die Höhe ragten. Es war die Insel im Sumpf, die Llyr beschrieben hatte.
Harry schlug vor, höher zu steigen und diese Insel zu umfliegen. Er wollte prüfen, ob man von oben aus sehen konnte, auf welcher Seite der Eingang lag. Außerdem erhoffte er sich Hinweise auf die Schutzzauber, welche die sechs erwarteten.
Sie stiegen auf und flogen ein paar Meter über dem Sumpfgürtel um die Insel herum. Jetzt war die Gestalt der Insel und die Lage der Felsen besser erkennbar. Es schien wirklich die Hälfte eines in den Sumpf gefallenen riesigen Eies zu sein, aus dem wie dicke Stachel die Felsspitzen hervorstachen und, zum Erstaunen der sechs Flieger absolut naturgetreu das Skelett einer riesigen Echse darstellten. Man konnte nun auch erkennen, dass die Felsen nicht natürlichen Ursprungs, sondern kunstvoll gemauert worden waren.
Der Kopf der Echse war ein Bauwerk, dessen Fenster geschickt in die toten Augenhöhlen des Schädels eingepasst waren. Das Maul stand weit offen, umrahmt von weißen Zähnen, die trotz des nur schwachen Lichtes des trüben Nachmittags schimmerten, wie edles Porzellan. Ein seltsames und kaum wahrnehmbares, eher fühlbares Glimmen dämmerte aus dem Schlund. Es ließ vermuten, dass hier ein Zauber versteckt war.
„Dort ist es!", rief Harry aufgeregt. Er streckte seine Hand aus und deutete auf den Schlund. „Dort müssen wir hinein. Lasst uns landen."
„Meinst Du, direkt auf der Insel? Was ist mit dem Zauber?", fragte Draco. Die Sicherheit, die er sonst mit der Arroganz des Adels trug, war verschwunden. Jegliche Farbe war aus Gesicht seinem Gesicht gewichen.
„Ich glaube, dass wir landen können ohne Probleme zu bekommen.", antwortete Harry. „Der Zauber steckt da in dem Rachen. Ich fühle es."
Er steuerte den Besen hinunter und landete am Ufer des Sumpfes, nicht weit von dem Schädel der Echse. Remus war direkt hinterher geflogen, um Harry im Notfall helfen zu können. Zunächst hatte er vor gehabt, das Terrain zu erkunden, bevor sie landeten, aber Harry war ihm zuvor gekommen.
„Harry, Du bist unvorsichtig!", sagte er streng, nachdem er gesehen hatte, dass sie sich in Sicherheit befanden. „Wir hätten zuerst nachsehen müssen, ob wir sicher landen können!"
„Ich hatte es im Gefühl, dass uns nichts passiert.", verteidigte sich Harry. Remus sah ihn noch einmal besorgt an, dann zuckte er die Schultern.
Die Anderen taten es ihnen nach, als sie gesehen hatten, dass den Beiden nichts passiert war. Unsicher um sich blickend schnallten sie die Besen an ihre Rucksäcke.
„Was machen wir jetzt?", fragte Ron, der immer wieder ängstlich über den Sumpf hinüber sah. Auch wenn es ein fast unüberwindliches Hindernis war, spürte er doch die Nähe der Spinnen.
„Wir gehen jetzt da hinauf und schauen, dass wir hineinkommen.", bestimmte Magister Baumann. „Wir haben alles besprochen. Was hält uns zurück?"
Dabei sah sie die anderen auffordernd an. Sie blickte in betretene und unsichere Gesichter. Einzig Remus nickte zustimmend.
„Gut, dann gehe ich jetzt allein dort hinauf.", sagte sie, als sie die Unentschlossenheit der anderen registriert hatte. „Wer mir folgen möchte, soll es tun. Wer nicht mitkommen will, kann sich ja inzwischen um die Spinnen kümmern, die dort drüben versuchen über den Sumpf zu uns zu kommen."
Sie streckte den Arm aus. Vier Augenpaare folgten der Hand. Ron erstarrte.
„Sie..., sie kommen...", stammelte er. Augenblicklich raffte er seine Tasche und den Besen zusammen und lief den Hügel hinauf, direkt auf das Tor im Maul der Echse zu. Die andere taten es ihm unversehens nach. Von den Spinnen ging zunächst keine Gefahr aus. Sie kämpften sich in einer Entfernung von mehr als einhundert Yards durch den öligen Schlamm. Es sah nicht so aus, als würden sie entscheidend vorwärts kommen. Ihre Größe war jedoch selbst über diese Entfernung mehr als beeindruckend. Die größte von ihnen, und das war ausgerechnet die, deren Versuche über den Sumpf zu gelangen am ehesten von Erfolg gekrönt zu sein schienen, maß, ohne die acht Beine gerechnet, mehr im Durchmesser, als Ron Weasley in den Himmel ragte. Das war schon von Bedeutung, denn Ron war im letzten Jahr förmlich in die Höhe geschossen. Er überragte Harry inzwischen um einen ganzen Kopf.
„Igitt!", entfuhr es Draco. „Die sind ja riesig!"
„Dann lasst uns mal zusehen, dass wir hinein kommen.", sagte Remus munter und stapfte los. Harry, Hermine und Draco folgten ihm und erreichten nur wenige Augenblicke später den Eingang. Helene Baumann war inzwischen um den Schädel der Echse geschritten und hatte aufmerksam die glatten, perfekt ineinander gefugten Steine der Wand begutachtet. Hier und da hielt sie an. Sie fuhr mit den Fingern seltsamen Linien entlang, die in den Stein geritzt waren. Schließlich zog sich ein zufriedenes Lächeln über ihr Gesicht.
„Ich glaube, ich weiß, wie wir hinein kommen.", begann sie. „Es ist nicht der Zauber, den wir auf Perpignans Place vermutet hatten. Dennoch, es wird aber nicht einfach für Euch, besonders angesichts dieser Monster."
Harry atmete hörbar auf.
„Dann könne wir so hinein? Ohne Gefahr?"
„Ich fürchte, es ist viel raffinierter, als wir es uns haben träumen lassen. Slytherin hat einen wirklich guten Schutz für sein Denkmal ersonnen. Selbst wenn jemand die Runen, die ich gefunden habe, lesen kann und weiß, wie der Zauber zu überwinden ist, kommt er nicht hinein."
„Ein unüberwindlicher Zauber?", fragte Hermine, die sofort hellwach war und aufmerksam Wort für Wort von Helenes Lippen las. Ein unüberwindlicher Zauber fehlte noch in ihrer Sammlung. Er würde ihrem Wissen eine Krone aufsetzen. Auch Remus hatte aufmerksam den Kopf gehoben. Auch wenn er ein erfahrener Zauberer war, hatte er doch bisher sehr wenig vom Wissen der Druiden erfahren.
„Nein, Hermine. Nicht unüberwindlich. Aber er ist nur überwindbar für Menschen, die sehr weise sind und die über sich selbst hinaus wachsen können. Wenn ich Euch so ansehe, dann muss ich fürchten, wir kommen nicht hinein."
„Ach was.", Ron winkte mit einer heftigen Handbewegung ab. „Wisst Ihr noch, wie wir zum Stein des Weisen gekommen sind? Hermine hat das Rätsel mit den Zaubertränken blitzschnell gelöst. Was soll uns zurückhalten? Wir sind sechs, und jeder ist auf seine Art gut!"
„Es ist viel subtiler, als Ihr es Euch vorstellen könnt. Slytherin kannte die Menschen genau. Er wusste um die Schwächen, die jeder hat. Nur der, der nicht hinein will, kommt hinein. Je stärker der Drang, hinein zu gelangen, desto stärker der Widerstand, der einem entgegen gesetzt wird."
Ron blickte immer wieder und mit wachsender Unruhe zum Sumpf hinunter. Die Spinnen hatten nach mehreren vergeblichen Versuchen auf eine neue, gemeinsame Strategie geeinigt. Die kleineren und leichteren Spinnen verketteten sich zu einem langen Seil, das sie vorsichtig von Grasbüschel zu Grasbüschel schoben. Hatten sie festen Untergrund erreicht, klammerten sie sich fest und bildeten eine Brücke für die großen und schweren, die nun mit beängstigender Geschwindigkeit näher kamen.
„Supertoll!", brummte Harry ärgerlich. „Ron hat Angst vor den Spinnen und wünscht sich nichts lieber, als dort hinein zu verschwinden. Draco hat nur seine Slytherins im Kopf. Und wenn nicht, dann will er wenigstens etwas über seine Vorfahren wissen. Also, auch er will hinein. Und was ist mit Dir, Hermine? Wisst Ihr was? Ich habe keine Lust mehr. Dieser ganze Mist geht mir auf die Nerven. Macht Euren Kram alleine. Ohne mich. Ich fliege wieder nach Hause!"
„Harry!", sagte Helene lächelnd. „Das ist ja wunderbar. Du willst nicht. Komm, lass uns beide hineingehen. Wir sehen zu, ob wir den Zauber beseitigen können."
„Was?", fragte Harry überrascht. Noch ehe er sich besinnen konnte, zog Helene ihn am Ärmel hinter sich her.
„Was ist Hermine?" Magister Baumann wandte ihr den Kopf zu. „Du willst doch auch nicht wirklich, oder?"
„Natürlich will ich. Schließlich will ich Harry helfen!"
„Willst Du nur Harry helfen, nichts anderes? Dann komm. Ron, Draco, wollt Ihr beiden das Frühstück der Riesenspinnen werden, oder Harry helfen? Was ist mit Dir, Remus?"
„Nein!" lautete der entsetzte Schrei von Ron und Draco. "Wir wollen Harry helfen!"
„Na, dann konzentriert Euch darauf. Es darf nur nicht der Eindruck entstehen, dass Ihr hinein wollt. Ihr wollt nur Harry helfen. Verstanden?"
„Na klar!", rief Ron. „Draco, das ist es. Wir wollen nur Harry helfen. Wir wollen da gar nicht rein!"
„Dann kommt. Schnell, bevor Ihr es Euch anders überlegt!"
Magister Baumann lief voraus. Sie kam dem Glimmen immer näher. Jeder Schritt, der sie weniger von dem Zauber trennte, ließ das Glimmen immer mehr zu einem Leuchten werden, einem Leuchten ohne Licht, einem Leuchten ohne Farbe. Ein strahlendes inneres Leuchten schien aus ihr heraus zu quellen. Dann stieß sie hinein, ein Blitz leuchtete auf und sie war auf der anderen Seite verschwunden. Ohne nachzudenken ließ Harry sich von ihr hinein ziehen. Ein kribbeln lief über seine Haut. Den Blitz sah er kaum, eher spürte er ihn als kurzes Aufleuchten in seinen Augenwinkeln.
„Harry! Wir kommen!" hörte er hinter sich, dann war es plötzlich still, nur das Trappeln der Füße und das Keuchen der anderen war zu hören. Dann prallte er auf Helene, die stehen geblieben war.
„Wir haben es geschafft.", stellte sie fröhlich fest.
„Das war ja wirklich einfach!", rief Draco, der zum ersten mal in seinem Leben etwas Farbe in seinem Gesicht hatte. Er schien aufgeregt. Remus, der als letzter gelaufen war, lächelte zufrieden.
„Die alte Magie ist etwas wunderbares.", stellte er fest.
„Wie hast Du das geschafft?", fragte Harry zu Helene gewandt. „Du bist vorausgelaufen. Wie hast Du es geschafft, nicht hinein zu wollen?"
Helene lächelte.
„Ich habe an jemanden gedacht, zu dem ich immer will. Jeder Gedanke dreht sich um diesen Menschen. Da war es ganz leicht."
„Verstehe.", murmelte Harry. „Du meinst Sirius, nicht wahr?"
Helene nickte.
„Gut, wir sind hinein gekommen, was nun?", fragte Hermine.
„Schauen wir uns doch um.", meinte Remus.
Sie sahen sich um. Das Innere des Schädels war wie ein großer, gewölbter Keller geformt. Zu beiden Enden hin lief er spitz zu, das eine Ende führte nach draußen, das andere mündete in einem Gang, der mit leichtem Gefälle gerade aus in die Dunkelheit führte. Der Raum war erfüllt von leichtem rötlichen Leuchten, das von dem Sand her rührte, der den Boden mit einer dünnen Schicht bedeckte.
„Kommen die Spinnen herein?", fragte Ron mit zitternder Stimme, Er wurde jetzt wieder von einer leichten Panik ergriffen.
„Das weiß ich nicht.", antwortete Helene. „Ich fürchte, dass sie es schaffen, denn sie wollen nicht hier herein, sie wollen zu uns. Wir sollten zusehen, dass wir weiter kommen."
„Harry, hast Du dieses Ding mit, das Hagrid in der Drachenhöhle gefunden hat? Diesen Arachno-Xilografen?" Hermine sah Harry fragend an. Harry nickte. Er griff in die Tasche und holte das Holz hervor.
„Meinst Du, ich sollte ein Netz spannen?"
„Es ist doch unzerreißbar, oder nicht?"
„Das stimmt. Lass und in den Tunnel gehen. Dann verschließen wir ihn."
Von draußen war bereits das Klicken der Beißwerkzeuge der Spinnen zu hören. Sie mussten den Sumpf überwunden haben und direkt vor dem Tor sein. Es war höchste Zeit zu verschwinden. Ron lief vom Schrecken getrieben voraus, in den Gang, die anderen folgten. Harry drehte sich um, wartete bis auch Remus an ihm vorbei in den Gang geflohen war, dann hob er das knorrige Holz und berührte das Symbol, das ein Spinnennetz zeigte. Ein dünner, silbriger Faden schoss aus der Spitze hervor. In Windeseile wob der Faden ein fast unsichtbares, engmaschiges Netz vor den Eingang des Tunnels und verschloss ihn so vor den Verfolgern. Als er sich umdrehte, gewahrte er Remus, der stehe geblieben war. Dieser hatte den Zauberstab gezogen und einen Zauber gemurmelt. Nun quoll ein grellrotes Licht aus der Spitze des Stabes hervor und legte sich wie ein Film um das feine Spinnengewebe.
„Sicher ist sicher...", grinste er und steckte den Zauberstab wieder in seine Tasche. In dem Moment klang das Klicken hohl und hallend aus dem Gang zu ihnen herein und nur einen Augenblick später krabbelten Hunderte medizinballgroße behaarte Spinnenkörper heran. Sie stürzten sich auf das Spinnengewebe und versuchtes es mit ihren Beißwerkzeugen zu zerreißen. Ron war totenbleich geworden und stand erstarrt und mit Entsetzen im Gesicht da. Er konnte sich nicht mehr bewegen, sein weit geöffneter Mund zeigte einen stummen Schrei. In dem Moment, als die erste Spinne das Netz berührte, blitzte es und der runde Spinnenkörper fiel enthaart und beinlos zu Boden. Der Blitz hatte das Tier binnen Sekunden gegrillt. Sofort stürzten sich die anderen Spinnen auf ihren dampfenden Artgenossen, zerrissen ihn und fraßen ihn auf.
Erleichtert standen die sechs Freunde da, erleichtert, dass sie eine große Gefahr überwunden hatten, erleichtert auch, dass sie so leicht in das Innere des Heiligtums von Slytherin vorgedrungen waren, aber ratlos, was sie nun machen sollten. Harry zuckte die Schultern.
„Ja, was... wie soll es jetzt weiter gehen? Wollen wir hier stehen bleiben, oder wollen wir den Gang entlang gehen?"
Gleichzeitig befiel ihn aber eine seltsame Unentschlossenheit. Warum stand er noch da? Was war los? Die anderen sahen ihn gleichgültig an. Plötzlich begann das Taschenspickoskop in Harrys Tasche wild zu rotieren und zu piepen. Remus packte Harry am Arm.
„Kommt alle mit!", rief er aufgeregt. „Wir müssen schnell fort von hier."
„Warum?", hörte Harry Draco wie durch einen Nebel sagen. „Wieso? Was ist denn los?"
„Nehmt Euch an der Hand und lauft!", schrie Remus und begann Harry vorwärts zu zerren. Instinktiv griff er zu und erfasste den Umhang von Ron. Er ließ sich von Remus den Gang entlang zerren, ohne zu ahnen, was er vor hatte. Völlig willenlos stolperte er hinterdrein und zerrte Ron hinter sich her.
Sie liefen den Gang entlang. Harry sah bunte Nebel, die sie umwaberten. Alles schien mit Watte ausgepolstert. Langsam wurden die Nebel blasser, die Watte dünner, bis schließlich, als sie erschöpft und schwer atmend stehen blieben, alles wieder klar und wirklich war. Ohne zu bemerken wohin, waren sie gelaufen und gelaufen, waren dem Gang oder vielleicht vielen Gängen gefolgt. Keiner wusste mehr zu sagen, ob sie irgendwo in einen Seitengang eingebogen oder immer gerade aus gelaufen waren.
Jetzt jedenfalls langten sie in einer endlos scheinenden Halle an, die in bläulichen und grünlichen Farben mit Mosaiken ausgelegt war. Ein schwaches Licht tauchte die Halle in ein unwirkliche Dämmerung, in der die Farben der Wände mit der Luft verschmolzen und es nahezu unmöglich machten, die Größe der Halle abzuschätzen. Beim Eintreten bemerkten die Sechs, dass sie mit kristallklarem Wasser gefüllt war. Nur schmaler steinerner Steg führte in das Wasser hinein und verlor sich im Hintergrund.
„Es sieht wunderschön aus!", staunte Hermine, die immer noch einen leicht verklärten Eindruck machte. Die Worte hallten lange nach, was darauf hin deutete, dass die Halle riesige Ausmaße haben musste.
„Was war das gerade?", fragte Harry.
„Das war ein Zauber, der total Willenlos macht.", antwortete Remus. „Wir wären immer dort geblieben und irgendwann verhungert und verdurstet, ohne es zu merken."
„Wie haben Sie es gemerkt?", fragte Draco. „Wie konnten Sie es merken? Sie sind doch auch nur ein Mensch!"
„Ich habe eine gute Ausbildung hinter mir, Draco. Eine Ausbildung, die Sie hoffentlich auch erhalten wollen, wenn Sie wirklich in die Fußstapfen von Salazar Slytherin treten wollen."
Draco sah ihn unsicher an und schwieg. Früher hatte er den damaligen Lehrer für die Verteidigung gegen die dunklen Künste schlichtweg verachtet. Als Professor Snape eines Tages mitgeteilt hatte, dass Remus Lupin ein Werwolf sei, hatte er ihn gehasst und gefürchtet. Jetzt langsam schlich sich jedoch eine Unsicherheit ein, die fast so etwas wie Bewunderung war.
„Weiß irgendwer, wo wir hier sind?", fragte Ron, der sich langsam wieder erholt hatte.
„Irgendwo tief unter der Erde.", maulte Draco. „Wir sind wie die Idioten drauflos gelaufen und keiner hat sich gemerkt, welchen Weg wir genommen haben. Ein supertolles Abenteuer!"
„Warum hast Du dir denn nicht gemerkt, wo wir entlang gelaufen sind?", fragte Harry verärgert. „Warst Du in der Lage dazu?"
Draco schüttelte den Kopf. Er fühlte sich hilflos, und das war ein Gefühl, das ihn schon immer wütend gemacht hatte. Er erinnerte sich plötzlich daran, wie sein Vater, den er immer geliebt hatte, seine Mutter zwang, auf Malfoy Mansion ein trauriges Leben zu fristen, und wie unglücklich er als kleiner Junge war, denn er konnte nicht verstehen, wie zwei Menschen, die er doch liebte sich so sehr hassen konnten. Helene Baumann hatte ihm erzählt, was mit seiner Mutter oder ihrem Vater geschehen sein muss. Voldemort hatte die Nachkommen Slytherins, deren Letzter er war ins tiefe Unglück gestürzt. Sein eigener Vater war Voldemorts Werkzeug. Er hatte seine Mutter gequält und Draco oft genug gezwungen, dabei zu sein und zuzusehen. Wie oft hatte er vor Wut Tränen in den Augen gehabt und konnte doch nichts gegen seinen Vater machen. Jetzt verstand er und war fast noch hilfloser als vorher. Niemals, niemals würde er das jedoch einem Harry Potter gegenüber zugeben.
„Ich glaube, uns bleibt nichts übrig, als diesem Steg zu folgen. Er scheint über das Wasser zu führen." Helene Baumann war bis an den Steg getreten und hatte sich umgesehen. In dem Gang, aus dem sie gekommen waren schimmerte noch der bunte Nebel nach. Es war unmöglich, dort zurück zu gehen. Auch wenn der Gang einfach nur gerade aus geführt hätte, dann wären sie wieder zu den Spinnen zurück gekehrt und diese Aussicht war auch für Helene nicht besonders angenehm.
Ein ganz leichter, kaum wahrnehmbarer Wind strich über die Wasseroberfläche und sorgte für eine leichte Kräuselung. Das Wasser war klar wie Glas und ließ ungehinderten Blick auf den Boden des Beckens zu. Hier setzte sich das Mosaik fort, die Steinchen formten jedoch schwache Muster die jedoch keineswegs erkennbare Formen, sondern Striche bildeten, die sich ähnlich der Strichcodes auf den Getränkedosen der Muggel über den Boden zogen. Da die Farben der Steinchen nur in Blau- und Grüntönen schimmerten, waren diese Striche kaum zu erkennen. Nur ein aufmerksamer Beobachter sah sie.
„Was soll dieser See?", fragte Ron. „ist das eine weitere Falle?"
„Ich weiß es nicht.", antwortete Helene. „Ich würde vorschlagen, wir gehen über diesen Steg. Dann werden wir sehen, wohin er führt. Nur durch Vermutungen kommen wir auch nicht weiter."
Ron nickte nachdenklich. Wie auf eine Schnur gefädelt betraten sie den schmalen Steg, der gerade breit genug für eine Person war. Harry ging vorweg, langsam und vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend, dann folgten die Anderen. Zuletzt ging Remus. Er übernahm die Aufgabe, nach hinten zu sichern. Immer wieder blieb er stehen und sah sich um. Es blieb jedoch still.
Nach ein paar Minuten wurden Harrys Schritte zuversichtlicher. Der Steg erwies sich als schmal, aber stabil. Er führte ohne die geringste Kurve immer weiter in den See hinaus. Die Wände der Halle verloren sich im grünblauen Dämmerlicht. Je weiter sie sich vom Ufer entfernten, desto weniger hallten auch ihre Schritte, bis sie selbst vom nahen Boden nur noch gedämpft zu ihren Ohren drangen. Keiner hatte mehr ein Zeitgefühl
Sie wanderten bereits über zwei Stunden, als mit einem Male die Wände der Halle wieder auf sie zu liefen. Endlich war auch ein Ende des Sees zu erkennen. Er verflachte zusehends und lief in einem flachen Ufer aus. Harry blieb stehen.
„Was ist los?", fragte Hermine, die fast auf ihn aufgelaufen war.
„Der Steg!", sagte Harry. „Er ist unterbrochen!"
„Was heißt das, unterbrochen?", fragte Draco von hinten.
„Es fehlt ein Stück. Ich glaube, wir müssen ein paar Meter schwimmen!"
„Kannst Du nicht eine Brücke zaubern, Hermine?", fragte Ron.
„Was redet Ihr für einen Blödsinn? Wir können hinüberfliegen.", bemerkte Hermine. „Wir haben doch jeder einen Besen dabei."
Harry griff nach hinten an seinen Rucksack und versuchte den Besen los zu knüpfen.
„Ich komme nicht dran.", stellte er fest. „Hilf mir mal, Hermine."
Harry drehte sich etwas zur Seite, um Hermine besser an den Besen heran zu lassen. sie begann, die Lederriemen zu lösen, mit denen Harry seinen Besen an seinem Rucksack festgeknotet hatte.
„Was hast Du da für Knoten gemacht, Harry?", beschwerte sie sich, nachdem sie sich eine Weile vergeblich daran versucht hatte. „Ich bekomme sie nicht auf! Warte, ich werde sie aufzaubern."
Sie trat einen Schritt zurück, stieß dabei an Helene, verlor das Gleichgewicht und ruderte mit den Armen in der Luft. Bevor sie fiel griff sie in die Luft. Sie erwischte den Ärmel von Harrys Umhang, doch sie konnte sich nicht mehr fangen. Unweigerlich verlor sie nun endgültig den Halt und stürzte mit einem lauten Aufschrei ins Wasser. Harry hatte noch versucht, nach ihrer Hand zu greifen, doch da verlor auch er das Gleichgewicht. Augenblicke später fühlte er das Wasser über seinem Kopf zusammenschlagen.
Er tauchte unter. Zu seinem Erstaunen war das Wasser nicht tief. Noch ehe er begriffen hatte, dass er in den See gefallen war, stieß er an den steinernen Grund. Er zog die Beine an und stieß sich ab. Statt langsam nach oben zu tauchen, schoss er aus dem Wasser in die Luft und fiel wieder hinein. Jetzt streckte er die Beine aus und stellte fest, dass er bequem stehen konnte. Das Wasser reichte ihm gerade einmal bis zur Brust. Er wischte sich das Wasser aus den Augen und sah sich um.
Was war geschehen? Wo war er? Von seinen Freunden war weit und breit nichts zu sehen. Er stand in einem Wald und sah hinter einer Reihe Bäume eine Weide. Die Weide kam ihm seltsam bekannt vor, es schien die Wiese hinter Hagrids Hütte zu sein, auf der die Drachen für das Trimagische Turnier untergebracht worden waren. Nur wo war die Hütte? Harry wandte seinen Kopf und sah das Schloss von Hogwarts, doch wie sah es aus? Die Sonne beschien strahlend weiße Mauern. Baugerüste standen um den Turm, der zum Haus Ravenclaw gehörte.
Ohne dass er sich bewegte, setzte sich das Bild, das er vor Augen hatte in Bewegung. Es wackelte, als würde er gehen und er näherte sich dem Waldrand. Dort blieb er stehen. Von der Seite her vernahm er plötzlich die Stimme eines Mannes. Das Bild drehte und er sah in das Gesicht eines Zauberers mittleren Alters, der ein freundliches Gesicht hatte und ihn aus dunkelbraunen Augen ansah.
„Es ist schön, nicht wahr?", fragte dieser Zauberer.
Dann hörte Harry die rauchige Stimme eines anderen Zauberers und sie schien direkt aus ihm selbst zu kommen.
„Ja, von außen schon. Aber ich bin noch nicht mit der Decke im Speisesaal zufrieden."
„Lass uns heute Abend darüber reden. Komm in meine Räume, wir können zusammen ein Glas Met trinken, was meinst Du?"
In diesem Augenblick spürte Harry, dass viele Hände nach ihm griffen und ihn hoch hoben. Jäh wurde er aus dem Bild gerissen. Jetzt auf einmal spürte er wieder, dass er vollkommen durchnässt war. Sein Blick klärte sich wieder und er sah seine Freunde. Hermine stand tropfend zwischen Ron und Draco und sah Harry verstört an.
„Hast Du auch das gesehen, was ich gesehen habe?", fragte sie.
„Warst Du etwa auch in diesem Wald?", fragte Harry zurück.
„Welcher Wald? Nein.", antwortete sie. „Ich war plötzlich in Hogwarts. Lauter Fremde sind dort herumgelaufen. Das war wie in einem Film, ich war wie ferngesteuert. Unglaublich..."
„Was mag das sein?", fragte Harry an Helene gewandt, die nun an erster Stelle auf dem Steg stand.
„Ich weiß es nicht.", antwortete sie. „Wir haben nur gesehen, dass Ihr beide vollkommen geistesabwesend dagestanden seid. Da haben wir Euch herausgezogen."
Harry schüttelte den Kopf.
„Mir war, als hätte ich Hogwarts in einer anderen Zeit gesehen. Es war, als würde ich mich daran erinnern."
„Lasst uns hinüber zum Ufer fliegen.", schlug Helene vor. „Dort können wir uns den See vielleicht etwas näher ansehen. Und Ihr zwei könnt euch trocknen lassen, ja?"
Alle waren damit einverstanden. Hermine löste den Knoten an Harrys Rucksack mit Hilfe eines Zaubers. Sie schwangen sich auf die Besen und schwebten zum Ufer.
„Ich frage mich, warum wir nicht gleich geflogen sind.", schimpfte Draco. „Zuerst verlieren wir zwei Stunden, weil wir wie die Blöden über einen Steg balancieren müssen und jetzt müssen wir noch eine Pause machen um diese beiden Idioten zu trocknen!"
„Malfoy, halt den Mund!", fuhr ihn Ron an. „Hast Du denn schon irgend etwas für dein bescheuertes Haus getan? Bisher hat dieser Idiot Harry alle Last und alle Schmerzen auf sich genommen, um Deinem Haus den Hintern zu retten!"
„Jungs, bitte!", mischte sich Helene ein. „Es nützt uns gar nichts, wenn Ihr Euch jetzt zerfleischt. Wir sollten uns eher mal darum kümmern, was mit dem See los ist. Kommt mal her, ihr beiden."
Sie winkte Hermine und Harry zu sich. Als sie vor ihr standen, zog sie ihren Zauberstab aus der Tasche, hob ihn und murmelte „Tourna Aeoles!" , woraufhin sich ein Wirbelwind um die beiden erhob, der sie binnen Sekunden trocken blies. Hermines vorher noch halbwegs geordnete Mähne stand nun in alle Himmelsrichtungen am und verlieh ihr das Aussehen eines riesigen Wollknäuels.
„Seht mal, ein Woolwoody!", lachte Harry. Hermine musste auch lachen, jedoch erst, nachdem sie Harry einen sehr strengen Blick zugeworfen hatte.
„Was könnte es denn nun mit dem See auf sich haben?", fragte sie, nachdem das Lachen abgeebbt war.
„Kann es sein, dass es so etwas wie ein See der Erinnerung ist?", warf Remus ein. „Es wäre ein unglaublich großer Zauber, aber wie ich Slytherin inzwischen einschätze, traue ich es ihm durchaus zu."
„Das ist durchaus möglich, Remus.", stimmte Helene zu. „Die altvorderen Magier kennen eine Menge Zauber, die Großes bewirken können. Erzählt doch einmal, was ihr gesehen habt, Hermine und Harry!"
Harry berichtete kurz, was er erlebt hatte. Helene fragte nach, besonders, als Harry den anderen Zauberer erwähnte. Harry versuchte ihn zu beschreiben. Nachdem er mit seinem Bericht fertig war, nickte sie nur und wandte sich Hermine zu.
Hermine begann zu erzählen.
„Ich war plötzlich wieder in Hogwarts. Das Komische daran ist, dass es Sommer war. Brütend heiß! Ich bin die Treppe von der Haupthalle in den zweiten Stock hinaufgegangen. Die Schüler, die mir entgegen gekommen sind, haben mich alle gegrüßt, so als wäre ich ein Lehrer. Bei manchen hatte ich das Gefühl, sie hätten Angst vor mir gehabt."
„Und dann?", fragte Harry, der aufmerksam zugehört hatte.
„Dann bin ich aus dem Wasser gezogen worden.", sagte Hermine. Ein Hauch von Enttäuschung schwang in ihrer Stimme mit.
„Ich habe das Gefühl, Harry hatte mit seiner Vermutung Recht.", sinnierte Remus. „Es sieht so aus, als wäre es wirklich ein See der Erinnerung. Wenn man Deine Schilderung von der Baustelle und dem Speisesaal nimmt, Harry, dann könnte man fast glauben, dass Ihr in der Gründungszeit von Hogwarts gewesen seid. Dieser See enthält die Erinnerungen von Salazar Slytherin!"
