Titel: Harry Potter und der Erbe von Slytherin

Autor: Luka

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Altersbeschränkung: 12

Inhalt: Kapitel 21: Endlich können sie das Geheimnis von Salazar Slytherin ergründen. Eine unerwartete und schreckliche Gefahr lauert jedoch auf sie.

Disclaimer: Die vorliegende Geschichte ist eine FanFiction zu Harry Potter. Dies zu schreiben macht in erster Linie mir Spaß und liegt fern jedes kommerziellen Gedankens. Dies zu lesen soll allen Spaß machen, die eine neue Geschichte von Harry Potter haben wollen. Sie sollen das tun können ohne eine müde Mark auszugeben. Alle Charaktere gehören Joanne K. Rowling, bis auf die, die in der Geschichte noch entwickelt werden müssen und die nicht von JKR sind. ( So z.B. Helene Baumann und Henri Perpignan der in dieser Geschichte auch wieder eine, wenn auch nicht so wichtige Rolle spielt)

21. Der See der Erinnerung

„Unglaublich!", stieß Hermine aus. „Ich würde am liebsten sofort wieder hineinspringen. Was ich da alles erfahren könnte! Und das aus erster Hand!"

„Genau das, was Hermine noch gefehlt hat.", grinste Ron.

„Dann spring doch hinein!", schlug Draco vor.

„Langsam, langsam!", sagte Remus beschwichtigend. „Ich befürchte, Hermine, dass wir dafür keine Zeit haben werden. Wir sollten uns sputen und herausfinden, wie wir weiter kommen."

Remus wies mit der Hand auf die Rückwand der Höhle, die sich zum Entsetzen aller nach einem flachen, nicht besonders breitem Plateau in etwa ein duzend Gänge aufteilte.

„Welchen sollen wir nehmen?", fragte Remus provokant.

Ratlos sahen sie sich an. Nur Helene ging auf die Wand zu, die genau so aussah, wie die anderen Wände der Halle. Sie war mit feinen grünen und blauen Mosaiksteinchen beklebt und es war kein Hinweis darauf zu entdecken, welchen Weg sie nun wählen sollten. Aber Magister Baumann ließ sich durch das blaugrüne Einerlei nicht beirren. Mit ihren Fingern tastete sie über das Mosaik, stets auf der Suche nach Unregelmäßigkeiten. Immer wieder hielt sie inne und betrachtete eine Stelle besonders genau. Aber schließlich kehrte sie ratlos zu der Gruppe zurück.

„Tja, sagte sie. Es ist nichts zu entdecken. Sollten wir es wirklich aufs gerate Wohl versuchen?" Es klang so, als hätte sie die Hoffnung aufgegeben. Eine Weile schwiegen sie und dachten angestrengt nach. Dann meldete sich Draco.

„Wie wäre es, wenn wir alle in den See springen? Vielleicht finden wir die Erinnerung, welcher Gang der richtige ist!"

„Ich glaube, da kannst Du weit schwimmen.", sagte Harry. „Unsere beiden Erinnerungen lagen dicht beieinander und waren doch so verschieden."

„Harry hat recht.", meinte Hermine. „Aber ich bin mir sicher, Slytherin hat diesen See nicht ohne Sinn angelegt. Vielleicht gibt es ja ein System, nach dem man die Erinnerungen aufsuchen kann. Mir sind so seltsame Muster aufgefallen, als wir über diesen Steg gelaufen sind. Es sind Striche, die Muster bilden. Und wenn man von der Seite schaut, dann sieht das aus wie...wenn ich doch nur wüsste, woran mich das erinnert..."

„Stimmt, das ist mir auch aufgefallen. Es könnte ein Code sein.", überlegte Remus. „In der Zeit, als ich mich vor den Zauberern verstecken musste habe ich sehr viel Zeit mit Muggeln verbracht. Es sieht aus wie ein Interferenzmuster oder wie ein Hologramm."

„Was ist das, ein Interfenzmuster?", fragte Ron.

„Ein Interferenzmuster. Das ist, wenn sich zwei Wellen unterschiedlicher Richtung überlagern. Stoßen Wellenberge aufeinander, verstärken sie sich. Bei zwei Wellentälern ist es genau so. Nur wenn ein Wellenberg und ein Wellental zusammenstoßen, löschen sie sich aus. Beim Hologramm ist das ähnlich, da überlagern sich zwei Bilder. Ist man zu nahe dran, dann sieht man nur ein Muster."

„Dann kann es ja nur eines geben.", rief Ron begeistert. „Lasst uns mit den Besen hoch fliegen und schauen!"

„Versuch es.", sagte Remus gelassen und zeigte mit dem Finger nach oben. Wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, dass die Decke gar nicht so hoch war. Nur das einheitliche Grünblau, das sowohl den Boden als auch die Wände und die Decke bekleidete, ließ den Eindruck entstehen, dass der Raum unendlich groß war. Jetzt, als alle mit den Augen der Hand von Remus folgten, sahen sie, dass die Decke vielleicht zwei Besenlängen über ihnen hing, was bei Leibe nicht genug war, um sich einen ordentlichen Überblick zu verschaffen.

„Ich bin eher der Meinung", fuhr Remus fort, „dass wir versuchen sollten herauszufinden, wo diese Gänge hinführen. Harry, dieses wunderbare Instrument, das Du zum Verschließen des Eingangs benutzt hast, es kann doch auch einen langen Faden erzeugen, nicht wahr?"

Harry griff in die Tasche und angelte den Arachno-Xylografen heraus.

„Natürlich.", nickte er. „Soll ich damit in die Gänge gehen?"

„Ja. Das Beste ist, Du fängst mit dem ersten dort links an."

Harry nahm seinen Besen auf, klebte einen silbrig schimmernden Faden an die Mauer neben dem Eingang und ging los. Der Gang, dessen Wände im Eingangsbereich noch mit dem gleichen seltsamen Mosaik bedeckt waren, machte nach wenigen Metern eine Kurve und der blanke Fels kam zum Vorschein. Die Kurve ging in einen weiten Bogen über, an dessen Ende der Gang aufhörte und in eine weitere, kreisrunde Halle überging. Harry blieb stehen. Er ließ seinen Blick herumschweifen. Seltsamerweise war die Halle in ein eigenartiges Licht getaucht, nicht hell, aber doch soweit ausreichend, dass jede Einzelheit erkennbar war.

Zwölf Eingänge führten in regelmäßigen Abständen in Tunnel, die dem wie ein Ei dem Anderen ähnelten, in dem Harry gerade stand. Die Mitte der Halle wurde durch ein Podest bestimmt, auf dem ein zwölfeckiger Tisch aus schwarzem, schwerem Holz stand. Bis zur Höhe der Tunneldecken bestanden die Wände aus blankem Fels, nur unterbrochen von eckigen Säulen, die zwischen den Tunnelöffnungen standen ein fußhohes Fries aus weißem Sandstein trugen. Das Fries verlief um die ganze Halle und war verziert mir seltsamen Schriftzeichen, die Harry gänzlich fremd waren. Sie glichen nicht einmal den Runen, die er in den Büchern von Henry gefunden hatte.

Als er den Blick höher wandern ließ, sah er, dass das Licht oben aus dem Fries sickerte und das ebenmäßige und mit wunderbaren Fresken verzierte Gewölbe beschien. Die Bilder schienen zu leben. Sie zeigten Szenen aus der alten Druidenwelt. Weißbärtige Männer in langen grauen Kutten standen um eine Quelle herum. Sie hielten ein Tuch über die Quelle gespannt, auf dem eine Sammlung aus frischen Zauber-Kräutern lag. Sie bewegten die Lippen, als würden sie Beschwörungen murmeln.

Ein anderes Bild zeigte einen Druiden, der mit eigenartigen hölzernen Instrumenten die Sterne am Himmel zu vermessen schien. Auch gab es eine Prozession zu sehen, in der Druiden der untergehenden Sonne entgegen gingen. Das ganze strahlte in herrlichen Farben. Je länger Harry im Eingang des Tunnels stand, umso klarer und strahlender schienen die Bilder.

Ehrfurchtsvoll betrat er den Saal. Langsam ging er im Kreis herum und bestaunte die Bilder in der Kuppel. Als er schließlich auf der anderen Seite des Saales angekommen war und vor dem Eingang zum gegenüberliegenden Gang stand, beschloss er, zunächst einmal herauszufinden, wohin dieser Gang führte. Er hatte einen Verdacht, und, als er nach wenigen hundert Schritten am Ende des Tunnel angekommen war, stand er plötzlich wieder vor seinen Freunden. Diesmal war er aus einem anderen Gang in die Halle des Sees getreten.

„Wo kommst Du denn auf einmal her?", fragte Ron verwundert, der zufällig in die Richtung gesehen hatte, aus der Harry in die Halle trat.

„Von da!" Harry streckte den Arm aus. „Es ist wunderschön. Das müsst Ihr Euch anschauen."

Harry führte die Anderen durch den Gang in den kreisrunden Saal. Offensichtlich führte jeder der Wege zu einem der Eingänge. Daher versuchte Harry es mit einem anderen, als dem, durch den er gekommen war und fand sich bestätigt. Sie waren also am Ende des Bauwerkes angekommen. Staunend standen sie eine Weile still und betrachteten die Fresken.

„Wo ist nun das berühmte Buch von Slytherin?", fragte Draco mit spöttischen Unterton, als er den Tisch gesehen hatte, aber feststellen musste, dass er leer war. „Hat wohl Dein spezieller Freund mitgenommen?!"

„Du meinst Voldemort? Und wenn!", knurrte Harry, dem der Spott in Dracos Stimme nicht entgangen war. Bewusst sprach er den Namen des dunklen Lord klar und deutlich aus und mit Genugtuung bemerkte er, wie die Farbe aus Dracos Gesicht wich. „Dann könnten wir es auch nicht mehr ändern. Wir Gryffindors würden uns jetzt in aller Ruhe zurücklehnen und zusehen, wie die Slytherins aussterben. Meinst Du, das würde irgendeinen von uns stören?"

„Ich hasse Dich, Potter!", fauchte Draco mit zusammengezogenen Augenbrauen. Es ärgerte ihn, einsehen zu müssen, dass Harry recht hatte.

„Ruhig, Kinder.", beschwichtigte sie Helene. „Ihr glaubt doch nicht, dass das Buch Slytherin einfach nur ein profanes Buch ist? Ihr unterschätzt ihn noch ganz gewaltig."

Draco hielt beleidigt den Mund. Er begann, den Blick an die Decke geheftet, im Saal herum zu gehen.

„Was sind denn das für Hampelmänner?", fragte er nach einer Weile als wäre nichts gewesen und deutete auf die Prozession der Druiden. Allerdings klang seine Stimme nicht so forsch, wie man es von ihm gewohnt war. Er wirkte eher unsicher, als würde er ahnen, um wen es sich handelte. „Ist das hier das Zentrum von einer Sekte? Wenn ich so etwas machen soll, dann sag ich Euch gleich, dass das mit mir nicht läuft."

„Sieh genau hin, Draco.", antwortete Helene sanft. „Du hast doch sicher schon einmal etwas über Druiden gehört, nicht wahr?"

Draco sah sie an. Er schien nachzudenken. Schweigend ließ er den Blick über das Bild gleiten.

„Ja...", sagte er dann gedehnt. „Mom erzählte mir davon...Heißt das, Slytherin war ein Druide?"

Draco stieg langsam die Stufen zum Podest empor, auf dem der Tisch stand. Er lehnte sich an das schwarze, schwere Holz und sah nach oben. Seine schmale Gestalt hob sich seltsam hell von dem dunklen Hintergrund ab.

„Ja, Draco. Das war er. Wir sind endlich so weit, dass ich Euch alle einweihen kann. Das gilt auch für Dich, Ron."

„Einweihen?", fragte Ron erstaunt. „Ach, ist das die Geschichte, bei der Harry immer so geheimnisvoll wird?"

Helene sah prüfend zu Harry hinüber. Allerdings verwarf sie den Gedanken, der sich in ihr heranschlich sofort wieder, denn Harry konnte nichts über die Druiden erzählt haben, was ihm nicht erlaubt war. Schließlich lebte er ja noch.

„Ja, Ron. Du und Draco seid diejenigen, denen ich mit Erlaubnis des hohen Rates über die Druiden erzählen darf. Du bist auf bitten von Harry dabei, Ron, und Du, Draco bist der Erbe von Slytherin."

„Heißt das, ich muss auch einer werden, wenn ich sein Erbe antreten soll?" In Dracos Stimme schwang immer noch ein Hauch von gedämpftem Widerwillen mit. Nochmals wandte er seinen Blick nach oben. Er betrachtete die Fresken in der Kuppel.

„Ja.", sagte Helene. Ihre Stimme klang dabei beinahe mütterlich, was Draco mit einem unwilligen Blick honorierte.

„Aber das Wissen der Druiden, das ist verloren gegangen. Sagte Mom...", rief er fast triumphierend

„Nein, Draco. Das Wissen ist wohl gehütet worden. Nur, weil die Druiden irgendwann von der Kirche verfolgt und ermordet wurden weiß keiner mehr, das es noch Druiden gibt."

„Verfolgt?", fragte er aufblickend.

„Nun ja, sicher ist verfolgt ein starkes Wort. Aber die Zeiten waren sehr unsicher, denn die religiösen Eiferer haben vor nichts zurückgeschreckt. Und wenn sie zufällig einen der Unseren in die Hände bekommen hatten, so wurde zumindest sein ganzer Besitz beschlagnahmt und zerstört. So manches wertvolle Wissen war in großer Gefahr. Damit das nicht überhand nahm, sind wir in den Untergrund gegangen."

Draco schwieg.

„Aber das ist nur ein Teil der Aufgaben, die vor Dir stehen.", fuhr Helene fort. „Du musst lernen, in einer Gemeinschaft zu handeln. Bisher kenne ich Dich nur als einen ziemlich eingebildeten Einzelgänger, der nichts anderes will, als Bewunderung zu erhaschen."

Draco wurde zornig.

„Ich habe Sie nicht gebeten, vor allen hier eine Psychoanalyse vorzunehmen.", fauchte er.

Helene lächelte.

„Es tut mir leid, Draco, aber ich muss es Dir in aller Deutlichkeit sagen. Ich will dich nicht analysieren, ich will Dir helfen, Dein Erbe anzutreten. Dazu musst Du aber Änderungen an Deinem Handeln und an Deiner Einstellung vornehmen, nicht nur, weil Du mit dem Erbe eine Macht erhältst, die seinesgleichen sucht. Ich will es Dir ganz deutlich sagen: Solange Du diese Eitelkeit und diesen falschen Stolz in Dir trägst, solange wirst Du nie der Erbe werden können."

„Ich will es gar nicht sein!", wehrte Draco vehement ab. „Ich habe nie jemanden darum gebeten!"

„Ich weiß, Draco. Das ist auch das, was es so schwierig für Dich macht. Wir sind jetzt hier am Ziel unserer Suche und ich habe die Erlaubnis, ganz offen mit Dir zu sprechen. Sicher hast Du Dich gewundert, dass ich anstelle von Professor Snape den Unterricht für Zaubertränke übernommen habe, nicht wahr?"

„Warum sollte ich mich darüber wundern?"

„Nun, Professor Snape war doch so lange bemüht, den Unterricht für die Verteidigung gegen die dunklen Künste zu übernehmen. Und auf einmal klappt es. Wundert Dich das nicht?"

Draco schüttelte den Kopf.

„Der eigentliche Grund für diesen Wechsel ist aber, dass Professor Dumbledore mich eine Woche, bevor der Unterricht im Herbst begann, aus Deutschland geholt hat. Ich kenne mich nun mal eher im Bereich der Zaubertränke aus. Zumindest in der normalen Magie. Wenn ich die Verteidigung gegen die dunklen Künste übernommen hätte, könnte ich Euch nur altes Druidenwissen vermitteln. Ich möchte nicht wissen, was Eure Eltern dazu gesagt hätten, wenn ihr plötzlich die alten Formeln rezitiert hättet."

„Dumbledore war doch in Durmstrang!", rief Harry aus, der die ganze Zeit wachsam zugehört hatte.

„Müssen die dabei sein?", fragte Draco ärgerlich. „Ich finde, dass es sie gar nichts angeht, was wir zu besprechen haben."

„Im Gegenteil, Draco.", sagte Helene ruhig. „Es ist wichtig, dass sie dabei sind, denn sie werden in Zukunft die einzigen sein, die Dich unterstützen werden. Alle anderen werden dich fallen lassen, wie eine heiße Kartoffel."

„Hey, Mann, ich will das nicht!", rief Draco. „Ich lasse mir nicht meine Freunde nehmen, um sie mir so einem Kroppzeug einzutauschen. Das lasse ich nicht zu!" Wütend sprang er vom Podest herunter. Dann wusste er aber nicht mehr weiter.

„Denk an Deine Mutter, Draco." Helene sah ihn nahezu liebevoll an.

„Was soll das? Warum bringen Sie meine Mutter ins Spiel? Potter, Du Miststück! Du hast ihr davon erzählt!"

Er wollte sich auf Harry stürzen, musste aber erkennen, dass er viel zu weit von ihm entfernt stand. In seiner Wut trat er mit so großer Wucht vor die Treppe des Podestes, dass ein Splitter aus der Stufe platzte. Zornig rieb er sich das Bein.

„Ich habe überhaupt nichts erzählt!", verteidigte sich Harry.

Draco schickte einen finsteren Blick zu ihm hinüber.

„Ich weiß es von Professor Dumbledore. Und ich weiß auch einiges aus dem Kreis der Druiden, die sich große Sorgen auch um Deine Mutter machen."

Draco starrte sie an.

„Wer macht sich Sorgen um meine Mutter? Geht es überhaupt jemanden an, was mit ihr ist?"

Die Worte waren eher gemurmelt, als gesprochen. Draco bückte sich und hob den Splitter auf, der vor seinen Füßen lag. Gedankenverloren drehte er ihn zwischen seinen Fingern.

„Weißt Du, warum sie so krank ist?", fragte Helene sanft und holte ihn aus seinen Gedanken zurück.

Draco starrte schweigend zu Boden. Dann schüttelte er den Kopf. Langsam, unentschlossen.

„Doch, ich glaube, ich weiß es. Sie ist eine Slytherin... eine echte."

„Das ist nur ein Teil der Geschichte.", sagte Helene leise. „Hast Du eine Ahnung, wieso Deine Mutter Deinen Vater geheiratet hat? Nein, Du weißt es nicht... Sie wurde gezwungen. Sie wurde deshalb gezwungen, damit sie niemandem außerhalb des Freundeskreises Deines Vaters und seines Gebieters etwas über Salazar Slytherin und das Erbe, das ihr zustand, erzählen kann. Du erinnerst Dich daran, was Dein Vater so oft mit ihr getan hat, nicht wahr?"

Draco war bleich geworden. Er trat einen Schritt zurück und stolperte über die unterste Stufe des Podestes. Unmittelbar setzte er sich. Seine Hände suchten halt und klammerten sich an eine weitere Stufe, so fest, dass seine Knöchel hervortraten.

„Ja...", krächzte er mühsam. „Er...er hat sie geschlagen, an den Haaren gezerrt...eingesperrt. Wie hasse ich ihn dafür!"

„Ja, er hat sie geschlagen und an den Haaren in das Verließ unter Malfoy Mansion gesperrt. Kannst Du Dich erinnern, wann das war?"

Draco schüttelte den Kopf. „Es war... ich weiß nicht, ... immer im Sommer. Ist das wichtig?"

„Es war immer zur Sommersonnwende, nicht wahr, Draco?"

„Stimmt...", sagte er nachdenklich. „Aber... woher wissen sie das? Sie waren doch nicht dabei!"

„Das ist richtig.", antwortete sie. „Wir Druiden und druidischen Hexen sind schon lange, schon über dreißig Jahre auf der Suche nach der Wurzel des Übels, das Voldemort heißt. Dabei sind wir langsam aber sicher dahinter gekommen, woher er seine Macht bezog. Wir fanden heraus, dass er Zugang zu den Aufzeichnungen von Slytherin hatte. Und, wir fanden auch heraus, dass er die Kraft der Slytherin-Erben benötigte. Von dort aus war es nur noch ein kleiner Schritt zu Dir und Deinen Vorfahren, Draco.

Wir beobachten Deine Mutter und Dich und wir versuchen, Euch beide zu schützen, was uns nicht immer gelang. Besonders zur Mittsommernacht wurde es kritisch, denn das ist der einzige Tag, an dem Deine Mutter und Du die Kräfte mobilisieren könnt, die Euch zustehen. Voldemort hat Angst vor dem Tag, jedes Jahr, und deshalb hat er Lucius Malfoy befohlen, Deine Mutter ... und auch Dich auszuschalten. Er hat Dich auch eingesperrt, habe ich recht?"

„Bitte... nicht...", stammelte er. Bei der Erinnerung war er grau im Gesicht geworden.

Helene schwieg. Langsam ging sie auf Draco zu. Sie setzte sich neben ihn und nahm ihn in den Arm. Draco ließ es geschehen.

„Draco, ich weiß, dass all Dein Verhalten nur eine Schutzmauer ist. Du bist so ekelig zu anderen, weil Du nicht zugeben kannst, wie ekelig Dein Vater zu Dir und Deiner Mutter war. Der Vater, den Du bewundert hast! Du hast nie verstanden, was zwischen Deinem Vater und Deiner Mutter war, du hast nie verstanden, warum Dein Vater, den Du geliebt und verehrt hast, Deine Mutter so sehr gequält hat. Das durfte gar nicht bis in Dein Innerstes vordringen, drum hast Du gelernt, wie Dein Vater zu sein. Grausam...Aber das bist Du nicht. Du bist wie Deine Mutter, Du bist ein Slytherin, etwas wirklich besonderes. Du bist ein hochintelligenter Junge, der alles hinterfragt, der alles verstehen will. Aber Du bist gefangen. Genau so gefangen wie Deine Mutter. Mit dem Unterschied, dass Du Deine Fesseln jeden Morgen selber bindest."

„Warum....", flüsterte Draco entsetzt, „warum müssen die da es hören?"

Er sah zu Ron, Hermine und Harry hinüber. Remus hatte sich diskret in den Hintergrund begeben.

„Weil sie diejenigen sind, die Dich auffangen werden. Sie werden die sein, die Dir helfen, die Fesseln abzustreifen. Kein Crabbe und kein Goyle sind dazu in der Lage. Die gehören zur Partei Deines Vaters."

„Sie sollen rausgehen!", krächzte Draco.

Helene nickte.

„Geht.", sagte sie. „Ich hole Euch, wenn wir soweit sind."

Mit betroffenen Gesichtern verließen die drei Freunde den Saal. Sie liefen den Gang entlang zurück in die Halle, in welcher der See der Erinnerung lag. Schweigend setzten sie sich an den Rand des Wassers. Still und fast unsichtbar lag es da. Die Farben der Decke und der Wände verschmolzen zu einer Einheit und wäre nicht ab und zu ein leiser Atemzug zu hören gewesen, hätte man meinen können, die Zeit stehe still.

Sie saßen am seitlichen Rand des Wassers, dort, wo das Plateau langsam auslief und in die Wände der Halle überging. Die Wand war so nah, dass man sich anlehnen und die Füße fast ins Wasser hängen konnte. Harry machte es sich so bequem, wie es auf dem harten Boden möglich war. Entspannt lehnte er sich zurück, froh, nicht mehr die Hauptrolle in einem Spiel zu spielen, das ihm von Anfang an nicht recht behagt hatte. Sollte Malfoy zusehen, wie er mit seiner neuen Aufgabe klar kam. Das war nicht mehr Harrys Sache.

Die Anderen hatten sich ebenfalls entspannt angelehnt. Sie schwiegen alle drei und gingen ihren Gedanken nach. Harry, der zunächst nur versucht hatte, den Wasserspiegel mit den Augen zu fixieren, verlor langsam die Orientierung im Raum. Einzig der Steg war ein Punkt, an dem sich der Blick fest haften konnte, jedoch kaum hatte man ihn ins Auge gefasst, verkehrte sich oben und unten. Harry schloss die Augen. Sekunden später war er eingeschlafen.

***

Eine Hand weckte ihn sanft aus seinem Traum. Er schlug die Augen auf und sah in Helenes Gesicht.

„Es ist gleich Mitternacht!", sagte sie leise. „Wach auf, ich muss Dir etwas zeigen."

Der kurze Schlaf hatte gut getan. Harry reckte sich und stand auf. Die Anderen waren schon wach. Sie waren an das Ufer getreten und blickten gebannt in das Wasser. Helene schob Harry sanft an den Rand des Wassers.

„Sieh hinein, Harry. Gleich werden wir sehen, wie wir zum Buch von Slytherin gelangen werden."

Kaum hatte sie ausgesprochen, ging ein leises Knirschen durch die Halle. Der Boden vibrierte leicht. Auch in das Wasser kam Bewegung, eine Bewegung, die Oberfläche kaum wahrnehmbar kräuselte. Mit einem Mal schien sich der Boden des Beckens aufzulösen. Die Mosaiksteinchen sprangen aus dem Verband heraus und legten sich an anderer Stelle nieder. Nach ein paar Sekunden hatte sich der See beruhigt und lag da, als wäre nie etwas geschehen.

„Wir haben uns", begann Helene nun zu sprechen, „die Inschrift etwas intensiver angesehen. Draco und ich konnten sie entziffern und sind dabei auf Erstaunliches gestoßen. Wir wissen nun, was das Buch Slytherin ist und wie wir daran kommen."

„Dracos Beitrag wird ja immens groß gewesen sein.", knurrte Ron spöttisch. Zu seinem Bedauern hallten die Worte von den Wänden wider und verteilten sich in der ganzen Halle. Draco sah zornig zu ihm hinüber. Ron zuckte gleichgültig mit den Schultern und grinste.

„In der Tat war Dracos Hilfe außerordentlich. Erst durch seinen Hinweis ist es mir gelungen, die Zeichen in die richtige Reihenfolge zu bringen. Während Ihr geschlafen habt, hat er ein Bad genommen und einiges aus der Erinnerung von Salazar Slytherin gelernt. Immerhin hat er dadurch das Geheimnis der Schriftzeichen herausgefunden."

„Ich könnte jetzt auch ein Bad brauchen.", sagte Ron und reckte sich, dass die Gelenke knackten.

„Spring doch hinein.", sagte Harry auffordernd. „Vielleicht triffst Du ja auf eine Erinnerung, mit der wir das ganze hier beschleunigen können. Ich finde, wir opfern Malfoy viel zu viel von unserer wertvollen Zeit."

„Jungs, hört auf.", wies sie Helene zurecht. „Man könnte fast meinen wir wären hier im Kindergarten."

Ron und Harry sahen sich an. Draco grinste gehässig. Ron blickte finster zu ihm hinüber und hob die geballte Faust.

„Also, hört zu:", begann Helene. „Es gibt zwei Dinge, die Salazar Slytherin uns hinterlassen hat. Einmal sind es seine persönlichen Erinnerungen, die wir, zumindest Hermine und Harry..., schon kennen gelernt haben. Ich fürchte nur, dass es ein ganzes Menschenleben dauert, bis alle Erinnerungen gelesen sind.

Es gibt aber noch ein Zweites, diesmal ähnelt es einem Buch schon eher. Nur dass es keiner lesen kann, der sich nicht ein bisschen in der alten keltischen Geschichte auskennt."

„Und, wo ist das Buch?", fragte Harry ungeduldig. Irgendetwas lag in der Luft, das in Harry eine eigenartige Beklemmung aufsteigen lies. Eine innere Stimme sagte ihm, dass sie bald sehr, sehr schnell sein mussten. Er konnte es nur noch nicht greifen.

„Hier.", sagte Helene. Sie streckte die Hand aus und deutete ins Wasser. „Das, was ihr gerade gesehen habt, das ist das eigentliche Buch Slytherin."

„Das verstehe ich nicht.", murmelte Harry. Nachdenklich kratzte er sich am Kopf.

„Gerade war Mitternacht.", fuhr Helene fort. „Stellt Euch vor, jede Nacht, pünktlich um Null Uhr verschieben sich die Steine des Mosaiks. Und das schon seit Tausend Jahren. Es ist wie ein Buch, das jede Nacht seine Buchstaben vertauscht. Schon nach wenigen Tagen kann man kein einziges Wort mehr entziffern."

„Unglaublich!", entfuhr es Hermine. „Dann müssen wir diesen Vorgang umkehren...und können das Buch lesen!"

„Genau, liebe Hermine.", sagte Helene mit Begeisterung in der Stimme. „Das allerschönste daran ist, dass wir auch den Schlüssel dazu in der Hand haben. Im Jahre 1002, am 13.Juli wurde dieses Mosaik angelegt. Seit dem sind 363622 Tage vergangen."

„363622 Tage? Wie hast du das so schnell ausgerechnet?", fragte Harry. Dann begann er zu grinsen. „Hast Du etwa einen Taschenrechner mit hierher genommen?"

„Taschenrechner?" Ron sah Harry zweifelnd an. „Was ist das denn?"

„Das ist ein Gnom, der in Deiner Tasche sitzt und rechnet!", tönte Draco von hinten und kicherte.

„Ach so...", sagte Ron gutgläubig, als er aber in die feixenden Gesichter sah, wurde er böse. „Nehmt mich ruhig auf den Arm. Mit einem Ron Weasley kann man es ja machen!"

Wütend drehte er sich um und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ach komm, Ron, jetzt hab Dich nicht so!", sagte Hermine begütigend. „Ein Taschenrechner ist ein Muggel-Gerät. Das kannst Du nicht wissen. Draco, das war jetzt echt nicht fair von Dir."

Draco zog es vor zu schweigen. Helene berührte Ron und sah ihn an .

„Zauberer verwenden gewöhnlich einen einfachen Rechenzauber. Damit geht es ganz schnell. Kennst Du ihn nicht?"

„Doch, natürlich. Das war der erste Zauber, den Mom mir beigebracht hat. Sie meinte, ich soll erst einmal etwas nützliches lernen. Also gut. Ein Taschenrechner ist der Rechenzauber der Muggel. Habe ich verstanden. Und was ist nun mit den Dreihunderttausenddingsda?"

„Wir müssen dieses Uhrwerk, das wir vor uns sehen nur um diese Anzahl von Tagen zurückschrauben.", erklärte Helene. „Also, passt auf:"

Sie hob beschwörend die Hände, schloss die Augen und begann, einen für die fünf Anderen unverständlichen Spruch in alter keltischer Sprache zu murmeln. Mit einem Mal begann der Boden zu vibrieren, viel stärker, als gerade eben noch. Die Wasseroberfläche kräuselte sich, Blasen stiegen auf, bis schließlich der ganze See zu kochen schien. Wie ein wildgewordener Ameisenhaufen begannen die Mosaiksteinchen über den Grund zu wandern, links und rechts, vorwärts und rückwärts, sich ständig austauschend und einem unsichtbaren Muster folgend.

Nachdem die Mosaiksteine eine Weile hin und her gesprungen waren, kamen sie langsam zur Ruhe. Entgegen der allgemeinen Erwartung sah der Boden des Sees immer noch vollkommen wirr aus. Große Enttäuschung war in die Gesichter geschrieben.

„Und, was soll das jetzt gebracht haben?", fragte Draco mit unverkennbarer Häme in der Stimme. „Toller Versuch!"

„Halts Maul, Malfoy.", sagte Ron zornig. „Wir machen das alles nur wegen Dir. Du hast am wenigsten Grund zu meckern!"

„Dann hör doch weg, wenn es Dir nicht passt.", antwortete Draco.

Harry fasste Ron am Ärmel.

„Lass ihn, es lohnt sich nicht."

„Das verstehe ich nicht.", murmelte Helene nachdenklich. Sie starrte ungläubig ins Wasser. „Ich hatte gedacht, dass das in den Zeichen zu lesen war. ... Ich bin mir sicher, dass das darin stand. Was habe ich falsch gemacht?"

Niemand wusste eine Antwort. Allgemeine Ratlosigkeit machte sich breit. Harry gähnte herzhaft und setzte sich wieder auf den Boden. Ron setzte sich neben ihn. Den Rücken an die Wand gelehnt starrten sie in das blaugrüne Einerlei der Halle.

„Ich hab's!", drang plötzlich Hermines Aufschrei durch die Stille. Unnatürlich schrill wurde ihre Stimme von den Wänden zurückgeworfen.

„Was?", fragte Helene und sah sie gespannt an.

„Wir haben die Kalenderumstellung vergessen!", rief Hermine aufgeregt.

„Kalenderumstellung?", fragte Ron verständnislos. „Meinst Du etwas Sommer und Winterzeit? Ich wüsste nicht, was das damit zu tun haben soll?"

„Ach Ron denk nach! Hast Du noch nie etwas über den Gregorianischen Kalender gehört? Früher galt der Julianische Kalender, in dem das Jahr genau mit 365,25 Tagen bemessen wurde. 1603 hat aber Christoph Clavius in seinem Buch 'Explication Romani Calendarii a Gregorio XIII P.M. restituti' die Grundlagen des Gregorianischen Kalenders beschrieben. Danach ist das Jahr nur 365,2425 Tage lang. Der Julianische Kalender war in der Zeit, in der er galt, ganze 12 Tage vorausgeeilt. Hier in Großbritannien wurde der Kalender im Jahr 1752 auf den Gregorianischen umgestellt. Sie haben zwischen dem 2. und dem 14. Sep. einfach ein paar Tage herausgeschnitten. Stellt Euch vor, 12 Tage. Wir sind 12 Tage zu viel zurück gegangen!"

„Hä?", fragte Ron. „Was erzählst Du da? Gregor und Julius? Ich verstehe nichts mehr."

„Ich erkläre es Dir ein anderes Mal. Helene, wir müssen das Ganze um 12 Tage zurück spulen. Schaffst Du das?"

Helene sah Hermine mit Verblüffung ins Gesicht.

„Natürlich.", sagte sie langsam. „Du hast vollkommen recht, Hermine. Natürlich schaffe ich das."

Sie lächelte aus Erleichterung, keinen Fehler in ihrem Zauber gemacht zu haben. Ein schlichter Denkfehler war es gewesen, und er war so leicht zu korrigieren. Helene trat an das Wasser, hob wieder beschwörend die Hände und murmelte noch einmal die magische Formel. Nochmals begann das Wasser zu rauschen und auf Boden des Beckens tanzten die Steine. Als die Bewegung schwächer wurde, begann sich klar und deutlich zuerst ein Muster, dann eine Folge aus Zeichen auf dem Boden zu zeigen. Schließlich, als das Wasser wieder ruhig und klar vor ihnen lag, war der Boden mit gleich hohen Zeilen aus alten, keltischen Schriftzeichen vollgeschrieben.

„Draco?"

Helene winkte in seine Richtung und bedeutete ihm, zum See zu kommen. Fast feierlich sagte sie:

„Sieh her, das ist das Testament Deines Vorfahren. Lies es. Du erhältst damit eine unfassbare Kraft. Es liegt an Dir, diese Macht richtig zu verwenden. Wir vertrauen Dir. Missbrauche unser Vertrauen nicht, denn, wenn Du uns zwingst, gegen Dich vorzugehen, wirst nicht nur Du, sondern die halbe Welt ins Unglück gestürzt werden."

Draco starrte auf die Schriftzeichen am Grunde des Sees. Ein seltsamer Glanz lag in seinen Augen. Dadurch, dass er kurz zuvor noch von dem Wasser der Erinnerung benetzt war, hatte er die Erinnerung erhalten, was diese seltsamen Zeichen bedeuteten. Er konnte sie lesen. Harry sah finster zu Draco hinüber. Neid lag in seinem Herzen. Was hatte er alles auf sich genommen, welche Gefahren hatte er hinter sich lassen müssen, und nun kam Draco Malfoy und erntete die Früchte. Harry konnte sie nicht einmal erkennen, denn er durfte nicht im See der Erinnerung baden und lernen, was im Testament stand.

Sicher, das war ausschließlich für den Erben bestimmt. Und Harry wollte mitnichten die Rolle des Erben übernehmen, das gönnte er Draco geradezu mit einem ordentlichen Maß Genugtuung. Aber er wollte wissen, was in diesem Testament stand. Er wollte wissen, wofür er sich in Gefahr begeben hatte. Aber er wusste, dass er, wenn Draco es ihm nicht erzählte, es niemals erfahren würde. Harry seufzte und lehnte sich an die Wand. Unbeteiligt sah er Draco zu, wie dieser am Ufer entlang schritt und die Zeichen las, die unter der Wasseroberfläche wie unter einer Lupe vergrößert schienen, sie auf ein Blatt Papier kritzelte.

Draco schickte sich an, seinen Besen zu nehmen und mit ihm durch die Halle zu fliegen, zu lesen und zwischendrin auf dem schmalen Steg zu landen und seine Aufzeichnungen zu vervollständigen. Wie viele Stunden würde das dauern? Harry ließ sich neben Hermine niederlassen, um gemeinsam mit ihr einen Teil des Proviants zu verspeisen, den er noch in seinem Ranzen aufbewahrt hatte.

Allzu viel Zeit konnten sie nicht mehr hier unten verbringen, denn in den vielen Stunden ihres Aufenthaltes hatten sie mehrmals Rast gemacht und die von den Hauselfen so liebevoll zusammengestellten Vorräte waren sichtlich zusammengeschmolzen. Vielleicht eine Mahlzeit war noch vorhanden, wenn sie die jetzt folgende nicht mehr mitrechneten. Also konnten sie vielleicht noch etwa fünf Stunden hier unten bleiben, dann war es sicher angebracht, nach Hogwarts zurückzukehren und an einem anderen Tag wiederzukommen.

Allerdings mussten sie dafür offensichtlich wieder an den Spinnen vorbei und nicht nur Harry hatte die Hoffnung, sie hätten es inzwischen aufgegeben und wären umgekehrt. Vielleicht konnten sie ungesehen aus der Höhle entkommen, vielleicht beim nächsten Mal etwas besser ausgestattet sogar einen Angriff der Riesenspinnen vermeiden. Gerade wollte Harry seinen Ranzen aufschnallen, als Helene zu ihnen an die Wand kam und sie ansprach.

„Während Draco das Testament erforscht, könnten wir ihm helfen und eine neue Reliquie schaffen. Was haltet ihr davon?"

„Was stellst Du Dir denn als Reliquie vor?", fragte Harry neugierig.

„Dumme Frage.", antwortete Hermine für die Lehrerin, „denk mal nach. Was ist wohl besser geeignet, als ein bisschen Wasser aus dem See der Erinnerung?"

„Das verdunstet doch!", protestierte Harry. „Humbug!"

„Nicht, wenn man es luftdicht verschließt. Denk an die Tränen von Maria, oder das Blut von Jesus Christus, das über 2000 Jahre in einem Glasgefäß überdauert hat."

„...und eingetrocknet ist...", grinste Harry.

„Lass Deinen Sarkasmus, Harry.", schimpfte sie. „Es kommt auf das Symbol an, auf nichts anderes!"

Harry zuckte die Schultern.

„Ist ja schon gut", sagte er, „reg dich nicht auf. Ich hab doch gar nichts dagegen. Wenn Du meinst, dass das geht, dann machen wir es auch. Wie siehst Du das, Helene?"

Helene nickte nur. Sie hatte das Gespräch nicht ganz mitverfolgt, denn in der Ferne der Halle hatte Draco einen lauten Ruf ausgestoßen. Helene hatte gebannt in die Halle gelauscht, aber keinen Ruf mehr vernommen

Sie wandte sich noch einmal kurz zu Hermine um.

„Hast Du eine Flasche dabei?", fragte sie. „Fülle bitte von dem Wasser hinein und schraube sie fest zu. Ich hoffe, es ist nichts passiert."

Dann lauschte sie wieder auf das Wasser hinaus.

Harry zog seine Flasche aus dem Ranzen. Sie war inzwischen leer und eher ein unnötiges Gewicht gewesen. Einzig die Unberührtheit des Ortes hatte ihn zurückgehalten, sie in den See zu werfen und treiben zu lassen. Er reichte sie Hermine hinüber, die sich zum Wasser hockte und die Flasche langsam füllte.

Harry sah jetzt ebenfalls auf das Wasser hinaus.

„Soll ich mit meinem Besen hinfliegen und nachschauen?", wandte er sich an Helene. Bevor sie antworten konnte, kam Draco auf seinem Besen herangeschossen. Er fuchtelte wild mit den Armen.

„Sie kommen!", kreischte er panisch. „Die Spinnen! Sie haben es geschafft! Hunderte, sie kommen über den Steg!"

Ron war aufgesprungen und stand nun mit vor Entsetzen aufgerissenen Augen starr da. Remus war ebenfalls aufgesprungen, hatte jedoch mit Entschlossenheit im Blick gleich nach seinem Zauberstab gegriffen. Draco sprang von seinem Besen, als er die Freunde erreicht hatte. Auch er griff sofort nach seinem Zauberstab.

„Wie weit sind sie?", fragte Remus.

„Nicht weit! Vielleicht eine viertel Stunde.", antwortete Draco gehetzt.

„Na dann!", Remus versuchte munter zu klingen, man konnte aber durchaus bemerken, dass auch er plötzlich ziemlich angespannt war. „Dann lasst uns mal die Messer schleifen. Auf zum Gefecht!"

Schon nach wenigen Minuten drang das viel hundertfache und von den Wänden unheimlich zurückgeworfene Klicken der Beißwerkzeuge der Spinnen an ihr Ohr. Sie stellten sich in einer Reihe vor Wand, von der aus die Gänge in den kreisrunden Saal führten. Ron bewegte sich wie in Trance. Harry schüttelte ihn heftig.

„Hol Deinen Zauberstab raus, Ron. Du musst uns helfen!"

„Ich...ich ...", stotterte Ron. Er zitterte am ganzen Körper. Seine Hände zuckten unkontrolliert. Harry griff in Rons Umhang. Nervös suchte er nach seinem Zauberstab, zerrte ihn schließlich mühsam hervor und drückte ihn in Rons zitternde Hand.

„Welchen Zauber sollen wir nehmen?", brüllte Harry. Das Klicken der Spinnen war zu einem drohenden Brausen angewachsen.

„Créatúr buailte linn!", rief Helene. „Versucht es wenigstens!"

„hast Du gehört?", fragte Harry und stupste Ron in die Seite. Ron starrte ihn an. Langsam nickte er.

Dann waren sie da. Wie eine schwarze Walze krabbelte und taumelte es den schmalen Steg entlang. Obwohl er viel zu schmal war, schafften es die Spinnen zu vielen nebeneinander und übereinander her zu krabbeln. Sie klapperten mit den Zangen und reckten drohend die Beine in die Höhe. Eine gab der anderen Halt, eine stieg über die andere hinweg. Keine kümmerte sich darum, wenn eines der Monster in den See fiel und durch die anderen, die darüber hinweg kletterten, unter das Wasser gedrückt wurde und kläglich ersoff.

Remus bedeutete den Anderen zu warten, dann, als die Tiere an der Lücke des Steges angekommen waren, hob er den Stab und rief laut: „Créatúr buailte linn!" Glühende weiße Funken stoben aus seiner Zauberstabspitze und fuhren zwischen die behaarten, schwarzen Leiber. Die Spinnen, die getroffen wurden zerplatzten mit ohrenbetäubendem Knall. Klebriger grauer Schleim spritzte herum und bedeckte die anderen Ungeheuer. Die ließen sich nicht beirren und begannen, mit ihren Leibern eine lebendige Brücke zu bilden. Sie verhakten in Windeseile ihre Beine ineinander, andere Spinnen krochen über sie hinweg und bauten eine neues Brückenelement, und mit beängstigender Geschwindigkeit kamen sie auf das Ufer zu.

„Los, helft mir!", schrie Remus und seine Stimme schaffte es kaum über den Lärm hinweg, der jetzt die Halle füllte. Harry hob seinen Zauberstab und brüllte „Créatúr buailte linn!" Auch aus seinem Zauberstab schossen Funken und trafen die vorderen Tiere. Jetzt fassten auch die anderen Mut und ließen ihre Flüche in die schwarze, wabernde Masse fahren. Nur Ron starrte gelähmt auf die Spinnen.

Mit einem Mal riss er den Mund auf und ein unmenschlicher Schrei entfuhr ihm. Er riss den Zauberstab hoch und brüllte: „Avada Kedavra!" Ein giftgrüner, grell leuchtender Blitz zischte auf die Spinnen los. Doch Ron hatte den Zauberstab nicht weit genug hoch gerissen. Kurz vor den Spinnen traf der Schwarze Fluch das Wasser. Augenblicklich füllte sich die Halle mit schwefelgelbem Dampf. Der schwarze Blitz durchschlug die Wasseroberfläche und fuhr in den Boden. Eine gigantische Explosion schleuderte Wasserfontänen hoch an die Decke und warf die Spinnenleiber durcheinander.

„Was hast Du getan?", schrie Remus mit überschlagender Stimme. „Schnell in die Gänge, die Decke stürzt ein!"

Er packte Ron am Arm und rannte los. Ron taumelte willenlos hinterher. Jeder rannte auf einen der Eingänge zu. Hinter ihnen stürzten große Brocken aus der Decke und zerquetschten die schwarzen Monster auf dem Grunde des Sees. Das Wasser färbte sich schleimig grau. Losgerissene Spinnenbeine und Körper schwappten auf den aufschäumenden Wellen. Unglaubliches Getöse füllte die Halle. Der Berg schrie förmlich, als er zusammenbrach.

Die sechs Gefährten trafen im runden Saal aufeinander. Das Licht, das die Kuppel beleuchtet hatte, wurde schwächer. Gehetzt sah sich Harry um. Aus den Gängen quollen dichte Staub und Dampfwolken zu ihnen herein. Sein Blick fiel auf einen Gang, der schwarz durch den Nebel stach. Ohne lange zu überlegen lief er auf diesen Gang zu.

„Kommt mit, hier hinein!", rief er gegen das Getöse an. Die Anderen zögerten nicht. Es war der einzige Gang, durch den keine Wolke drang. Mit etwas Glück führte er nicht in die Halle zurück. Harry lief, so schnell er konnte. „Lumos!" keuchte er und ein kleiner, aber heller Lichtstrahl drang aus der Spitze seines Zauberstabes. Der Gang wand sich durch den blanken Fels. Er war trocken und führte leicht bergauf, was das Laufen ungemein erschwerte. Der Staub, der wie eine Wand auf sie zu gerollt war, hüllte Harry nun ein und erschwerte das Atmen noch zusätzlich.

Hinter sich hörte er die Schritte und das Keuchen der Anderen, aber er war viel zu sehr mit der eigenen Flucht beschäftigt, um sich umzusehen. Irgendwann bekam er kaum noch Luft. Seine Seiten schmerzten stechend und jeder Atemzug war eine Qual. Er blieb stehen. Nur wenige Augenblicke später waren die Anderen bei ihm, keuchend und schwitzend, mit zitternden Knien. Sie waren grau im Gesicht, im Haar, auf den Kleidern. Nur die Augen glänzten feucht durch die fast steinerne Maske, die sie nun trugen.

Als sie wieder zu Atem kamen, sahen sie sich an. Die dichte Staubwolke hatten sie hinter sich gelassen. Die Wände waren aus blankem Fels. Hier schienen sie zunächst in Sicherheit. Aber in den schwach beleuchteten Gesichtern war keine Erleichterung zu sehen. Angst, schiere Angst stand in den Augen.

„Wie kommen wir da jetzt wieder heraus?", fragte Hermine mit zitternder Stimme.

Niemand antwortete.