Titel: Harry Potter und der Erbe von Slytherin
Autor: Luka
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Altersbeschränkung: 12
Inhalt: Kapitel 23: Was ist zwischen Harry und Hermine? Und was ist mit Snape? Seltsame Dinge geschehen.
Disclaimer: Die vorliegende Geschichte ist eine FanFiction zu Harry Potter. Dies zu schreiben macht in erster Linie mir Spaß und liegt fern jedes kommerziellen Gedankens. Dies zu lesen soll allen Spaß machen, die eine neue Geschichte von Harry Potter haben wollen. Sie sollen das tun können ohne eine müde Mark auszugeben. Alle Charaktere gehören Joanne K. Rowling, bis auf die, die in der Geschichte noch entwickelt werden müssen und die nicht von JKR sind. ( So z.B. Helene Baumann und Henri Perpignan der in dieser Geschichte auch wieder eine, wenn auch nicht so wichtige Rolle spielt)
23. FrühlingsgefühleDie nächsten Wochen verliefen erwartungsgemäß ruhig. Die sechs Geretteten erholten sich dank der Hilfe von Madame Pomfrey schnell. Draco schien nicht sonderlich mitgenommen, so dass er noch am Abend der Rettung entlassen wurde. Helene Baumann braute direkt, nachdem sie aus dem Krankenflügel entlassen wurde, für Remus einen großen Vorrat an Zaubertrank, um die Auswirkungen seiner Verwandlung zum Werwolf zu mildern. Zu seinem Erstaunen und zu seiner allerhöchsten Freude schaffte sie es, diesem Trank Früchte und Kräuter beizumengen, ohne dass die Wirkung in irgend einer Form beeinträchtigt wurde, und der Geschmack in keiner Weise mehr widerwärtig oder ekelhaft, sondern im Gegensatz zu vorher an einen leckeren Fruchtsaft erinnerte.
Als er sie befragte, wie sie das geschafft hätte, wo doch der Trank, den Professor Snape für ihn gebraut und dessen Rezept er in den Labors von Henry Perpignan immer wieder angewandt hatte, so einzigartig widerlich schmeckte, antwortete sie, dass sie nur dieses Rezept kenne, und das sei auch das in der Zaubererwelt gebräuchliche. Schließlich seien die Werwölfe mit ihrem Leiden genug belastet und die Erfinder des Trankes hätten allein aus diesem Grunde darauf geachtet, nicht auch noch die Medizin zu einem Schrecken für die armen, geplagten Menschen zu machen.
Remus Lupin sah sie an, sah, dass sie das Gesagte ernst meinte und begann zu verstehen. Wie sehr musste Severus Snape ihn hassen, dass er sich die Mühe machte, all die Ingredienzien, die in hochgefährlicher Wechselwirkung zueinander standen, zu vereinzeln und in neuer Form zusammen zu setzen, ohne dass der Trank an Wirkung verlor, oder unberechenbare Nebenwirkungen zeigte. Das zumindest musste man Snape hoch anrechnen, denn das setzte ein außergewöhnliches Können voraus.
‚Sirius hat Glück.', dachte er, als er dankbar die große, mehrere Liter fassende Flasche mit der wie Bernstein schimmernden Flüssigkeit vom Tisch hoch hob. ‚Sie ist eine wunderbare Frau, auch wenn sie noch etwas jung ist. Beneidenswert.' Er setzte die Flasche wieder ab. Warum machte er sich diese Mühe, gab es doch einfachste Zauber, um einen Gegenstand zu transportieren. Dieses Frauenzimmer brachte einen Mann ganz schön durcheinander. Er zog seinen Zauberstab hervor und murmelte „Vingardium Leviosa". Mühelos lies er die Flasche durch die Gänge und Flure der Schule schweben.
Noch jemand ging Remus durch den Kopf. Er hatte es nur undeutlich in der Dunkelheit der unterirdischen Gänge gesehen, aber für einen kurzen Augenblick hatte er den Eindruck gehabt, dass Hermine und Harry...Er konnte sich auch geirrt haben.
Er hatte sich nicht geirrt. Allerdings wussten es die direkt Beteiligten selber nicht so genau. Beide lagen in ihren Krankenbetten, dachten aneinander und glaubten fest daran, dass diese kurze Berührung der Hände in Wahrheit nur geträumt war. Obwohl die Krankensäle für weibliche und männliche Patienten nur durch einen Flur voneinander getrennt waren, und es ein leichtes für jeden der Beiden gewesen wäre, aufzustehen und den anderen zumindest formlos zu besuchen, taten sie es nicht. Keiner von beiden wollte sich eine Blöße geben, Harry, aufgrund seiner Erfahrungen und Körbe, die er von Hermine bekommen hatte und Hermine, weil sie wusste, dass Harry noch im letzten Herbst offen verliebt war, sich inzwischen einigermaßen beruhigt zu haben schien und eine derartige Offerte ihrerseits ihn in tiefste Gefühlsabgründe stürzen konnte.
Hermine lag allein in dem großen Saal. Madame Pomfrey hatte zwei Mädchen aus den Häusern Hufflepuff und Ravenclaw vorzeitig als geheilt entlassen. Es waren minderschwere Fälle einer in diesen Breiten üblichen Wintergrippe gewesen, die eigentlich nur in den Krankensaal aufgenommen wurden, um die Viren nicht unnötig unter die anderen Schüler zu streuen.
Niemand war in der Nähe, mit dem Hermine sprechen konnte. Sicher, sie empfing Besuch von Parvati und Angelina, die ihr einen Strauß Blumen und eine Schachtel extrafeine Buttertrüffel mit Schlankheitsfüllung mitbrachten. So sehr sie sich über den Besuch freute, so bitter wurde ihr klar, dass die einzigen Menschen, mit denen sie über so tiefe Gefühle reden konnte, kein Mädchen aus ihrem Jahrgang und Haus, sondern zwei der Jungen waren, die nebenan im Krankensaal lagen. Und einer von den beiden war ausgerechnet auch noch der Grund dafür, dass sie jemanden für ein Gespräch brauchte. Noch dazu wusste sie genau, dass sie mit Harry oder Ron niemals über diese Art von Gefühlen reden würde, auch wenn die Beiden wirklich ihre besten und vertrautesten Freunde waren, denn solcherart Gesprächsthemen wurden gemeinhin ausschließlich unter Freundinnen besprochen. Außerdem fürchtete sie den Spott, der aus der Unsicherheit von Jungs in diesem Alter entspringen würde und alle Vertrautheit kaputt machen würde. So lag sie da, starrte gegen die weißgetünchte Decke und grübelte, und genoss und verfluchte das eigenartige Herzpochen in ihrer Brust gleichermaßen.
Harry hatte Hermine gegenüber einen eindeutigen Vorteil, auch wenn er diesen zunächst nicht geahnt hatte. Ron hatte nämlich auch etwas bemerkt. Während Harry mit ähnlichen Gedanken und Gefühlen im Bett lag und ebenfalls die Decke anstarrte, richtete Ron sich auf, sah nachdenklich zu Harry hinüber und fragte dann:
„Sag mal Harry...ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber... ist da irgend etwas zwischen Dir und Hermine?"
Harry war, als hätte jemand direkt neben seinem Ohr die Glocke von Big Ben angeschlagen. Instinktiv hatte er den Atem schon bei den ersten Worten seines Freundes angehalten, denn er wusste in dem Moment schon, was Ron wissen wollte. Nach einem ersten Moment der Lähmung drehte er ruckartig den Kopf und sah Ron mit aufgerissenen Augen an.
„Was?", fragte er, in seinen Grundfesten erschüttert. Es schockierte ihn zutiefst, dass Ron überhaupt etwas davon bemerkt hatte, etwas davon, wovon er selbst nicht glaubte, es sei wirklich geschehen. Es schockierte ihn die Erkenntnis, dass das, was er geträumt zu haben hoffte, wirklich geschehen war, und dass er womöglich jetzt mit der Konsequenz daraus leben musste. Wie diese Konsequenz aussah, lag noch jenseits jeglicher Vorstellungskraft, aber dass dieser Satz von Ron eine Konsequenz haben würde, dröhnte nach, wie der Klang einer gewaltigen Glocke.
„Ähm, tut mir leid, Harry, ich wollte nur..."
Ron verstummte. Harry versuchte irgendetwas abzuschütteln, und irgendetwas fiel auch von seiner Lähmung ab.
„Was hast du gesehen?", fragte er, mühsam um Fassung kämpfend.
Ron wurde rot. Es wurde ihm sichtlich unangenehm, überhaupt gefragt zu haben. Eine derartige Reaktion von Harry hatte er nicht erwartet. Wenn er es genau nahm, hatte er sich eigentlich gar keine Gedanken über eine Reaktion von Harry gemacht, um so mehr überraschte ihn, dass er sich von Harrys Frage überraschen ließ.
„Äh...äh", stotterte er und wurde rot. Was hatte er gesehen? Er überlegte. Ja, er hatte etwas gesehen, denn ihm war aufgefallen, dass Harry die Hand von Hermine gehalten hatte. Es war nur ein sehr kurzer Moment gewesen, in dem das Licht von Helenes Zauberstab über die beiden gehuscht war. Und dann hatten sich die Ereignisse überschlagen, also konnte Ron noch nicht einmal genau sagen, ob es eine Sinnestäuschung gewesen war oder nicht. Dennoch sammelte er all seine Gedanken, holte Luft und sagte:
„Ich habe gesehen, wie ihr beiden Händchen gehalten habt."
Erleichtert, es über seine Lippen gebracht zu haben, entspannte er sich. Er sah Harry an und wartete. Harry hatte sich auf den Rücken gedreht und starrte an die Decke. Dass in seinem Kopf ein Feuerwerk von Gedanken tobte, konnte Ron nicht sehen.
Harry versuchte, sich an die Einzelheiten der Situation zu erinnern. Aber es gelang ihm nicht, das Geflüsterte, den kurzen Augenblick, in dem er zu Hermine hinüber gesehen hatte oder das Gefühl, das durch ihn geströmt war, zu fassen, noch einmal zu fühlen, vor seinem geistigen Auge zu sehen, oder als noch leiseres, erinnertes Flüstern in sein Ohr zurück zu holen. Je mehr er sich bemühte, desto mehr entwand es sich ihm, und desto unsicherer wurde er sich darüber, was er Ron sagen sollte. Es war fast Dankbarkeit, die er dafür empfand, dass Ron nicht weiter in ihn drang.
Schließlich gab er sich doch einen Ruck. Er drehte sich auf die Seite, in Rons Richtung, sah ihn aber nicht an, sondern ließ seinen Blick durch das Fenster auf die Berge fallen, die in der Ferne den Horizont begrenzten.
„Ich weiß nicht mehr so recht, was ich glauben soll...", begann er zögernd. Dann erzählte er Ron, vorsichtig darauf bedacht, nicht zu tiefes aus seinen Empfindungen preiszugeben, von dem Eindruck, den Hermine im Herbst auf ihn gemacht hatte, als sie auf seine Einladung hin nach Perpignans Place gereist war und plötzlich in einer Weise vor ihm gestanden hatte, die ihn schlicht umgehauen hatte.
„Du, die sah scharf aus! Ich sage Dir, ich hätte nie gedacht, dass sie so gut aussehen kann. Früher sah sie doch aus wie eine richtige Streberin. Ich hätte niemals etwas mit ihr anfangen können. Ich habe mich oft gewundert, warum wir beide ausgerechnet mit ihr zusammenhängen. Aber jetzt..."
Und dann berichtete Harry von dem Korb, den sie ihm gegeben hatte. Er berichtete davon, wie mühsam er sich gefangen hatte, und wie oft er ihr wieder so nahe war, dass er sie am liebsten in den Arm genommen hätte. Aber sie hatte klipp und klar gesagt, dass sie von ihm nichts wolle. Meine Güte, wie hatte das weh getan, richtig weh getan, hier in der Brust...ein Gefühl der Beklemmung, ein Klos im Hals, er konnte an manchen Tagen an nichts anderes mehr denken, er hatte von ihr geträumt, ja, er hatte sich auf jede Nacht gefreut, denn dann war sie seine Geliebte.
Harry hielt inne. Er hatte sich in die Erzählung hineingesteigert, gerade so, als wäre die Staumauer eines Sees geborsten und nun würde das Wasser unaufhaltsam in das Tal strömen. Genau so unaufhaltsam sprudelten die aufgestauten Gefühle aus ihm heraus. Ron bekam große Augen. Fasziniert beobachtete er Harrys Gesicht, dass sich je nach Situation, die er schilderte, je nach Gefühl, das er beschrieb, unbewusst in tiefe Trauer verzog, oder fast heilig, geistesabwesend verklärte.
Als Harry stoppte, erschrak er sich.
„Boahh.", stieß er hervor und starrte Harry mit offenem Mund an. „Dich hat es aber ganz schön erwischt."
Im selben Augenblick ärgerte er sich maßlos über seine platte Bemerkung. Aber nun war es geschehen.
Harry indes nahm gar nicht wahr, was Ron sagte. Vielmehr empfand er eine ungeheure Erleichterung, sich alles von der Seele zu reden. Er war Ron einfach nur dankbar dafür, dass er die Schleusen geöffnet hatte. Ungeachtet Rons Erstaunen fuhr er fort. Genüsslich beschrieb er die Übernachtung bei dem alten Druiden, wohl vermeidend, das Wort auszusprechen, was ihn in seinem Redefluss immer wieder stocken ließ, denn der Schwur, den er getan hatte, galt immer noch, weil niemand ihn davon entbunden hatte. Als er schließlich geendet hatte, strahlte er über das ganze Gesicht. Endlich hatte er Klarheit über seine Gefühle und gestand sie sich zu.
„Wenn ich das gewusst hätte, Harry...", kam eine Stimme von der Tür zum Krankensaal der Jungen. Harry fuhr herum. Dort stand Hermine. Sie war aus ihrem Bett geschlüpft und wollte den beiden Jungs einen von Madame Pomfrey nicht bemerkten Besuch abstatten. Deshalb hatte sie die Tür auch nahezu unhörbar geöffnet und war unvermittelt im Spalt stehen geblieben, als sie hörte, wovon Harry erzählte. Zuerst wollte sie sich diskret zurückziehen, aber dann war ihre Neugier doch zu groß gewesen, und sie beschloss, dass es sie ja gleichermaßen anging. Jetzt trat sie ein.
Harry lief schamrot an. Instinktiv zog er die Bettdecke über den Kopf. Alle, fast alle hätten es eher hören dürfen, als Hermine, so dachte er. Ron war genau so erschrocken, wie Harry, aber diesmal reagierte er sofort. Er schwang sich aus dem Bett, murmelte ein „Ich muss mal" und war, schnell wie ein Wiesel, durch die Tür verschwunden.
‚Nein! Du kannst mich jetzt nicht alleine lassen, Ron!', dachte Harry und merkte nicht, dass er den Namen ausrief.
„Harry!", sagte Hermine mit sanfter Stimme während sie sich auf die Bettkante von Harrys Bett setzte. Harry versuchte, im Kissen zu versinken, was ihm gründlich misslang. Zu seinem allergrößten Entsetzen nahm Hermine seine Hand auch noch in die Ihre, als sie zu sprechen begann. Diese Art von Berührung war ihm vollkommen fremd. Sicher, wie oft hatte er Hermines Hand genommen, manchmal zur Begrüßung freundschaftlich gedrückt, oder, wenn er ihr für etwas dankte, aber in diesen Situationen war klar, dass es sich um so etwas harmloses handelte, nicht um eine Berührung zwischen Mann und Frau, im engeren Sinne...
„Wenn ich gewusst hätte", wiederholte sie, „dass Du so für mich empfindest. Harry, niemals hätte ich Dir einen Korb gegeben. Ich mag Dich doch sehr, viel mehr, wie ich jemals einen Menschen gemocht habe, außer vielleicht meine Eltern, aber das ist ja etwas anderes.
Ich habe genau gespürt, wie Du gelitten hast, ich habe es Dir angesehen. Aber...irgendwie konnte ich nicht anders. Verstehst Du?"
Harry schüttelte den Kopf. Sie lockerte den Griff ein wenig und Harry nutzte die Gelegenheit, seine Hand zurück zu ziehen und unter der Bettdecke zu verstecken.
„Ich kann verstehen, dass Du sauer auf mich bist.", fuhr Hermine niedergeschlagen fort.
„Ich bin nicht sauer auf Dich.", verteidigte er sich. Nein, er war nicht sauer, keineswegs. Er hatte nur schreckliche Angst vor den nächsten Minuten. Er hatte Angst, seine Gefühle zu zeigen. Und er hatte Angst davor, etwas vollkommen blödes von sich zu geben, was diese wunderbare und gleichzeitig schreckliche Nähe für immer zerstören würde. Er hatte einfach keinerlei Erfahrung mit so gearteten Situationen und fühlte sich hoffnungslos unterlegen. Immerhin hatte Hermine schon einen Freund gehabt, mit dem sie händehaltend am See spazieren gegangen war. Viktor Krum. „Ich habe nur...verstanden, dass...dass Du ...nichts von mir willst. Und...daran habe ich mich ...na ja, eben gehalten."
„Weißt Du, Harry, ich habe Dich für so jung gehalten. Ich hatte immer das Gefühl, dass Du Dich mehr für Besen, als für Mädchen interessierst."
Harry runzelte die Stirn. Das wollte er sich nicht sagen lassen. Auch nicht von einer Hermine, die bekanntlich immer schon etwas altklug daher geredet hat. Bevor er aber etwas sagen konnte, fuhr sie fort.
„Oh, Harry, jetzt habe ich Dich gekränkt. Das wollte ich nicht. Aber ich weiß nicht, wie ich es Dir erklären soll. Sieh mal, Viktor lebt und stirbt für Quidditch, aber er hat mit zugehört, er war sehr einfühlsam und ich konnte mit ihm über Gefühle sprechen. Darum bin ich mit ihm gegangen. Er hat meine Gefühle ernst genommen und er hat, wenn er mit mir geredet hat, nicht an Quidditch gedacht. "
„Das mache ich auch nicht!", platzte Harry entrüstet heraus.
„Ich weiß doch.", sagte Hermine mit gequältem Gesichtsausdruck. „Aber bis vor kurzem habe ich geglaubt, das, was Du mir gesagt hast, wäre nur, ...ja, ..., halt so eine Schwärmerei, und mehr nicht. Erst heute, gerade eben, habe ich gehört, wie ernst es Dir ist."
„Wie kommst Du darauf, dass es nur eine Schwärmerei ist?" Harry verstand nichts mehr. Er begann, sich über Hermine zu Ärgern. „Wieso hast Du dann da unten gesagt, dass Du mich..."
„Dass ich Dich lieb habe?" Hermine sah ihn zärtlich an. „Weil es so ist. Und, weil ich geglaubt habe, wir kommen nie mehr dort unten heraus. Und dann, als die Sache mit Remus geschehen war, wirktest Du so abweisend, dass ich mich nicht mehr getraut habe, zu Dir zu kommen. Ach, warum ist es nur so kompliziert?"
Sie ballte ihre Faust und schlug auf die Matratze. Danach schwiegen sie. Hermine starrte aus dem Fenster und suchte nach Worten, Harry starrte aus dem Fenster und hatte das Gefühl, irgendjemand hätte seinen Kopf geöffnet und sein Gehirn herausgenommen. Jedenfalls hatte er keinen Gedanken mehr, sondern fühlte nur noch eine unendliche Leere.
Die Landschaft draußen war in schneeloser Kälte erstarrt. Während ihres Aufenthaltes in den Gewölben von Salazar Slytherin war die Temperatur dramatisch gesunken. Tagsüber schien eine gefrorene Sonne in einem tiefblauen Winterhimmel, nachts wärmte nicht einmal das halbwegs freundliche Licht. Der übliche Schnee war ausgeblieben, dafür hatte die Kälte den herrschenden Nebel niedergezwungen und als glitzernden Reif über die Bäume und Wiesen gezogen. Der See war von einer fast meterdicken Eisschicht bedeckt und spiegelte den kalten Himmel wider.
Plötzlich schien ein Sonnenstrahl durch das Fenster. Sie war um die Ecke des Schlossflügels gekrochen und beschien nun das westliche Portal, hinter dem die Krankensäle lagen. Der Strahl fiel auf das Haar von Hermine und tauchte es in ein goldenes Schimmern. Wie von einer fremden Macht gesteuert hob Harry die Hand und ließ seine Finger durch ihr Haar gleiten. Hermine zuckte leicht zusammen, als sie aber die Zärtlichkeit der Berührung spürte, neigte sie ihren Kopf und legte ihn in Harrys Hand. Sie schloss die Augen.
***
Das innige Glück weilte nicht lange. Plötzlich polterte es in vertrauter Weise gegen die Tür. Instinktiv rückte Hermine einen halben Meter von Harry ab. Die Tür wurde ein geöffnet und ein Kopf wurde durch den Spalt geschoben. Er war umrahmt von einer zottigen Mähne und einem wirren, ehemals schwarzen und jetzt mit grauen Strähnen durchzogenen Bart. Rubeus Hagrid machte einen Krankenbesuch.
„Ach, da treffe ich die Beiden ja gleich auf einmal!", brummte Hagrid freundlich zur Begrüßung und stieß die Tür vollends auf. Er musste sich bücken, um durch die für ihn niedrige Öffnung zu treten. Glücklicherweise waren die Decken im Schloss so hoch, dass wenigstens in den Räumen aufrecht stehen konnte.
„Kinder, Kinder, was habe ich mir Sorgen gemacht!", fuhr er fort, als er die wenigen Schritte zu Harrys Bett gemacht und sich ächzend auf dem von Ron niedergelassen hatte. Das Bett knarrte verdächtig, aber es hielt. Hagrid hielt drei etwas schlampig eingepackte Geschenke in der Hand, von denen er jetzt zweie Hermine und Harry hinstreckte.
„Wo ist Ron?", fragte er und sah sich um.
„Mal eben draußen.", antwortete Harry. Er deutete zur Tür. Hagrid nickte.
„Hab mir gedacht, dass es Euch wieder ein bisschen aufpäppeln wird. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, Hunger zu haben. Ich könnte das nicht aushalten. Wenn es etwas gibt, womit man mich foltern kann, dann ist es Hunger."
Harry riss das Papier auf und wickelte eine Blechdose aus. Sie enthielt eine ganze Menge von Hagrids leckeren, aber fürchterlich klebrigen Sirupbonbons, die so gerne jede Unterhaltung unterbanden, da sie die Eigenschaft hatten, die Zähne fest aneinander zu kleben.
„Oh, danke, Hagrid!", sagte Harry sichtlich erfreut. Weniger über die Bonbons, die man einfach nicht in aller Öffentlichkeit genießen konnte, sondern darüber, dass Hagrid ihnen einen Besuch abstattete und sich überhaupt die Mühe gemacht hatte, jedem ein kleines Geschenk mitzubringen freute er sich. Zu seine Schande musste er sich eingestehen, dass Hagrid dort unten in den Verließen Slytherins sehr weit weg gewesen war und in seinen Gedanken so gut wie keine Rolle gespielt hatte. Er schämte sich ein wenig dafür.
„Mensch, Harry, Hermine, was bin ich froh, dass Ihr es wieder herauf geschafft habt.", fuhr Hagrid fort. „Was wäre aus unserer Schulmannschaft geworden? Oder auch keine Hermine, die mit Sicherheit eine der besten Lehrerinnen an dieser Schule werden könnte und vielen jungen Zauberern das magische Handwerk beibringen könnte. Stellt Euch nur vor, es gäbe keinen Ron mehr!"
„Viel hätte auch nicht mehr gefehlt.", sagte Harry. Ein Schauer lief über seinen Rücken, als er plötzlich von der Erinnerung überwältigt wurde. Hagrid sah ihn ernst und mitfühlend an.
„Wollt Ihr mir davon erzählen?", fragte er.
Sie nickten beide. Dann begann Hermine zu erzählen. Zwischendrin warf auch Harry etwas ein, wenn er den Eindruck hatte, Hermine hätte etwas vergessen oder er müsse es aus seiner Sicht schildern. Auch wenn die Erzählung dadurch etwas wirr wurde, hörte Hagrid aufmerksam zu. Hier und da fragte er nach, gerade so, als wolle er es aus irgendeinem Grund sehr genau wissen. Aber es war reine Anteilnahme. Als sie zu dem schrecklichen Moment kamen, in dem Remus sich in einen Werwolf verwandelt hatte, tropften ihm die Tränen von den Wangen in den buschigen Bart. Geräuschvoll zog er den Inhalt der Nase hoch und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen.
Schließlich berichtete Hermine über ihre Eindrücke in den letzten wachen Momenten. Natürlich waren sie anders, als die, welche Harry erlebt hatte, aber auf eine Art ähnelten sie sich. Hermine war auf ihre geliebten Großeltern zugelaufen, die sie mit offenen Armen empfingen und sie freudig ins Jenseits begleiten wollten. Die Stimmen ihrer Eltern hatte sie auch gehört, aber sie wusste, dass dies nur Erinnerungen waren, Erinnerungen an die schönsten Momente in ihrem Leben.
Harry hatte kaum Menschen, die er über alles liebte, zumindest konnte er sich kaum an seine Eltern erinnern. Dennoch waren sie ihm so klar erschienen, wie es nicht einmal der Spiegel Nerhegeb zustande gebracht hatte.
„Was mich wundert", überlegte Harry, „ist, dass ich Sirius gesehen habe. Er ist doch nicht tot, oder weiß ich da etwas noch nicht?"
Er war blass geworden und blickte Hagrid sorgenvoll ins Gesicht.
„Sirius? Sirius Black?", fragte Hagrid nach. Harry nickte.
„Ja, er und sogar Remus. Bei Remus habe ich das verstanden, weil ich ihn für tot hielt. Aber als Sirius auch noch kam, habe ich Angst bekommen. Ich wollte nicht, dass Sirius tot ist."
„Ich glaube nicht, dass Sirius tot ist.", sagte Hagrid vielleicht eine spur zu schnell, als er es beabsichtigt hatte. Das machte Harry misstrauisch.
„Hagrid, gibt es da etwas, was ich nicht wissen soll? Haben ihn die Dementoren gefunden?" Harrys Stimme vor Sorge laut geworden.
„Nein Harry.", mischte sich Hermine ein. „Denk doch einmal nach! Wenn die Dementoren ihn erwischt hätten, hätten sie ihm die Seele aus dem Leib gezogen und nicht umgebracht. Dann hätte er Dir niemals in dem Traum erscheinen können, wenn nur Tote darin vorkommen konnten. Und Du hast doch auch erzählt, dass Remus auch da war."
Harry dachte nach.
„Ja, stimmt.", murmelte er.
„Weißt Du, Harry, man muss nicht unbedingt tot sein, wenn man eine geistige oder seelische Verbindung zu einem anderen Menschen hat.", begann Hagrid, „Oft ist es bei alten Ehepaaren so. Wenn dem einen was passiert, dann spürt es der andere. Habe ich gehört, weißt Du? Ich selber bin ja nicht..., auch wenn ich es mir mit ... hehe, ... na ja, äh, sprechen wir nicht darüber... So wird es zwischen Dir und Sirius wohl auch gewesen sein. Ihr steht Euch halt sehr nahe."
Bei dem Gedanken an Madame Maxime, die Schulleiterin von der französischen Zaubererschule Beauxbaton musste Hagrid unweigerlich grinsen. Auch über die Gesichter von Hermine und Harry flog ein wissendes Lächeln. Beiden war jedoch bewusst, dass sie ihrem großen Freund niemals erzählen durften, wie sie das fatale Gespräch zwischen ihm und ihr belauscht hatten, als Hagrid sie darauf ansprach, ob sie ebenfalls Halbriesin sei. Zornentbrannt war sie aufgestanden und weggelaufen.
Plötzlich wurde Hagrids Blick streng und prüfend.
„Warum lacht ihr?", fragte er.
„Wir?" Hermine und Harry bemühten sich, unschuldig auszusehen. „Äh, wir...wir lachen nicht, Hagrid. Bestimmt nicht. Wir dachten nur, Du hättest eine Freundin? Das hätte uns echt gefreut..."
„Ach Kinder...", seufzte Hagrid. Er faltete die Hände in seinem Schoß und sah wieder ganz versöhnlich aus. „Was bin ich froh, dass sie Euch gefunden haben. Was hätte ich gemacht, wenn es Euch nicht mehr gäbe." Dabei kullerte ihm eine kleine Träne über die faltige Wange und tropfte in den buschigen, verfilzten Bart.
***
Remus hatte das Abenteuer anscheinend mit den wenigsten Blessuren überstanden, denn er lehnte jede Fürsorge von Madame Pomfrey ab und behauptete, eine ordentliche Mütze Schlaf würde ihn wieder herstellen.
Für die vier Schüler war eine ganze Woche Unterricht ausgefallen, was von den meisten Lehrern toleriert wurde. Sie gaben den Vieren die nötigen Unterlagen an die Hand und teilten Ihnen die Aufgaben mit, welche die anderen Schüler bis zur nächsten Stunde zu erledigen hatten.
Anders war es im Unterricht von Professor Snape. Dieser kam mit wehendem Umhang in den Klassenraum gerauscht, in der einen Hand seinen Zauberstab, in der anderen trug er das Buch, welches in diesem Schuljahr Grundlage für den Unterricht zur Verteidigung gegen die dunklen Künste war. Er warf das Buch auf das Lehrerpult, dass der Knall die in flüsternde Unterhaltung vertieften Schüler aufschreckte und schlagartig für Ruhe sorgte. Professor Snape baute sich vor den Schülern auf, schlug mit dem Zauberstab rhythmisch leicht auf seine linke Hand und musterte jeden einzelnen durchdringend.
„Es freut mich, dass Sie auch wieder die Muße haben, an meinem Unterricht teilzunehmen.", begann er grußlos. „Ich hoffe, Sie hatten eine Menge Spaß auf Ihrem Ausflug."
„Wir waren in Lebensgefahr!", rief Hermine entrüstet. „Wie..."
Harry, der neben ihr saß, versuchte sie zu beruhigen.
„Ich kann mich nicht erinnern, Sie um Ihre Meinung gefragt zu haben, Miss Granger!", fauchte Snape. Dann, ruhiger, aber nicht minder böse nahm er ihren Ausruf auf und fuhr fort.
„So, so, in Lebensgefahr haben Sie sich befunden. Ich erinnere mich, dass Sie und dieses asoziale und verkommene Pack sich gerne in Lebensgefahr begeben. Es vergeht kein Schuljahr, in dem sich nicht einer von Ihnen durch die eigene Dummheit in Lebensgefahr begibt. Aber was soll man auch von einem Nachkommen des widerwärtigsten Quartetts erwarten, das Hogwarts jemals gesehen hat. Und nun verleitet sie auch noch der schlimmste von ihnen, dieser Werwolf, dazu, seine Streiche mit zu machen."
„Sprechen Sie nicht so über Remus!", stieß Harry hervor.
„Remus?", fragte Snape und hob die Augenbrauen. „Per Du? Aha, daher weht der Wind. Wenn Sie meinen, dass Sie in Hogwarts wieder eine so verkommene Bande aufbauen können, dann haben Sie nicht mit mir gerechnet. Ich werde rechtzeitig einschreiten und dafür sorgen, dass Sie endgültig von der Schule verwiesen werden."
Da stand Draco auf. Er hatte die ganze Zeit zugehört. Diesmal war seine Mine keineswegs spöttisch.
„Professor Snape!", begann er. „Die drei haben mir geholfen..."
„Malfoy!", fauchte Snape zur Überraschung aller. Und dann ergoss sich sein Zorn über Draco Malfoy, der doch immerhin über die letzten viereinhalb Jahre Snapes Lieblingsschüler gewesen war – so konnte man zumindest den Eindruck gewinnen, wenn man Snapes fast rührende Hingabe an den blassen Jungen richtig zu interpretieren vermeinte. Davon war in diesem Augenblick nichts zu spüren. Snape steigerte sich immer mehr in seinen Zorn hinein. Er beschimpfte Draco wild und zügellos. Er beleidigte seine Mutter, und als Draco, selber in Zorn geraten, begann, sie vehement zu verteidigen, wurde er gnadenlos von Snape niedergeschrieen. Snape hatte einen roten Kopf bekommen, seine Augen waren weit aufgerissen. Er schwitzte und Speicheltropfen flogen durch die Luft. Draco sackte in sich zusammen.
„Jetzt dreht er völlig durch!", flüsterte Hermine. Die ganze Klasse duckte sich hinter dem Vordermann, soweit es möglich war. Die Schüler in der ersten Reihe waren auf ihren Stühlen so weit wie möglich nach hinten gerutscht. Schließlich sprang Hermine auf und rannte aus dem Klassenzimmer hinaus. Harry wollte sie noch zurückhalten, denn er erwartete, dass Snape sich auf sie stürzen würde, aber sie war flink durch die Reihen gelaufen und bei der Tür angekommen, bevor Snape reagieren konnte.
Wenige Minuten später wurde die Tür aufgerissen und ein ziemlich aufgeregter Professor Dumbledore, gefolgt von Madame Pomfrey und Hermine kam herein. Snape fuchtelte gerade wild mit dem Zauberstab vor Rons Nase herum und drohte damit, ihn in eine Kröte zu verwandeln.
„Severus!"
Professor Dumbledore hatte nicht sehr laut gesprochen, aber seine Stimme enthielt die Autorität, die eines Schulleiters würdig war. Snape drehte sich um, richtete sich auf und sah Dumbledore mit unruhigem Blick an.
„Dumbledore!", knurrte er. „Was fällt Ihnen ein, meinen Unterricht zu stören? Mischen Sie sich gefälligst nicht ein!"
„Ich glaube nicht, dass man das noch Unterricht nennen kann, wenn Sie unsere Schüler in Kröten verwandeln wollen. Erklären Sie mir bitte, was hier vorgeht."
„Nichts werde ich erklären!", schrie Snape außer sich vor Wut. „Es wird Zeit, dass Sie hier verschwinden, Dumbledore! Nur Ihnen haben wir es zu verdanken, dass in dieser Schule alles drunter und drüber geht!"
„Er ist allem Anschein nach ein wenig verwirrt.", meldete sich Madame Pomfrey.
„Bitte, Poppy.", sagte Dumbledore beschwichtigend. „Nicht vor den Schülern."
Dann wandte er sich wieder Professor Snape zu.
„Was ist los Severus?", fragte er ruhig. „Geht es Ihnen nicht gut? Brauchen Sie Urlaub?"
„Urlaub?", polterte Snape. „Ich und Urlaub? Ich war noch nie so klar wie jetzt! Ich werde Euch alle fertig machen! Es wird Zeit, dass hier an der Schule wieder Ordnung herrscht! Als aller erstes werde ich diesen Versager von Schulleiter ausschalten!"
Kaum hatte er das ausgesprochen, hob er seinen Zauberstab. Bevor er aber einen Zauberspruch sagen konnte, wurde er an sein Pult geschleudert und der Zauberstab flog aus seiner Hand.
„Expelliarmus!" war aus vier Mündern gleichzeitig gerufen worden. Ohne lange nachzudenken waren Hermine, Harry, Ron und Draco gleichzeitig aufgesprungen und hatten ihre Zauberstäbe gezückt. Jetzt sprangen sie hinter ihren Tischen hervor und stellten sich im Kreis um den verdutzten Professor Snape herum, der mit verwirrtem Blick auf dem Boden saß und nach seinem Zauberstab suchte. Sie richteten ihre Stäbe auf ihn um ihn in Schach zu halten.
„Waaaahh!", brüllte Snape auf, als er begriffen hatte, was geschehen war. „Sie haben einen Lehrer angegriffen! Sie werden jetzt endlich von der Schule fliegen! Fort mit Euch, Gesindel! Ihr habt kein Recht mehr, hier zu sein!"
„Ich fürchte, Poppy, Sie haben recht. Lassen sie ihn uns auf die Krankenstation bringen. Ich werde ihn jetzt erst einmal in Tiefschlaf versetzen, dann bringen wir ihn hoch."
Dumbledore trat in den Kreis der Schüler, holte seinen Stab hervor und murmelte „Dormes!" Snape sackte zusammen und begann zu schnarchen. Dumbledore murmelte einen weiteren Zauberspruch, der Snape aufrichtete und vom Boden hob. Sein Kopf pendelte hin und her, wie der einer Puppe, die man am Bauch hielt. Er lenkte Snape zur Tür und trat in den Flur. Madame Pomfrey stiefelte hinterher. Einen Augenblick später steckte Dumbledore noch einmal den Kopf durch die Tür, lächelte und sagte:
„Der Unterricht ist für heute beendet. Es ist möglich, dass er für den Rest des Schuljahres nicht mehr von Professor Snape gegeben werden kann. Aber ich glaube, mir fällt da eine sehr gute Lösung ein."
Er grinste und zwinkerte Harry zu. Dann schloss er die Tür.
***
Das Grinsen hatte durchaus seinen Grund. Harrys Ahnung bestätigte sich bereits in der nächsten Woche. Ein äußerst gut gelaunter Remus Lupin betrat die Klasse und wurde von den meisten der Schüler mit begeistertem Beifall empfangen. Sogar Draco unterließ jegliche bissige Bemerkung, auch wenn er nicht sonderlich glücklich über diesen Umstand war. Lediglich einige der Slytherin murrten. Harry fragte sich, wie Dumbledore es schaffen würde, die Eltern der Schüler davon zu überzeugen, dass diese Entscheidung weise und ohne Gefahr für die lieben Kleinen war. Eines schien jedoch sicher, Draco Malfoy würde seinen Eltern gegenüber nichts davon erwähnen zu wollen, was er zwar nicht ausdrücklich sagte, was aber eigenartigerweise in seinem Gesicht zu lesen war, wenn er mit Harry, Ron und Hermine zusammentraf.
Professor Snape schien ernsthaft krank zu sein. Selbst Madame Pomfrey gab nach vielen Experimenten und Heilungsversuchen auf und empfahl die Einweisung in das Anthony-Wilmsby-Sanatorium für seelisch kranke Zauberer. Eines Abends, als es schon dunkel geworden war und die Schüler bis auf wenige Ausnahmen beim Abendessen saßen, fuhr eine vierspännige schwarze Kutsche vor das Hauptportal des Schlosses. Sie besaß zwei Reiseabteile, von denen eines stabil mit Eisenbeschlägen und vergitterten Fenstern ausgestattet war. Zwei riesenhafte Kerle in weißer Pflegerkleidung stiegen aus der Kutsche, durchquerten eiligen Schrittes die Eingangshalle, ohne sich um das fröhliche Gemurmel aus dem Speisesaal zu kümmern und liefen die Treppe hinauf.
Wenige Minuten später kamen sie wieder herunter. In ihrer Mitte führten sie einen blassen Snape, der mit irrem Blick und zuckendem Gesicht, jedoch ohne sich zu wehren und festen Schrittes durch die Halle dem Ausgang zustrebte. Augenblicke später zogen die vier Pferde an und die Kutsche rollte die Auffahrt zum Schloss hinunter. Das war für dieses Schuljahr der vorerst letzte Auftritt von Professor Snape in Hogwarts.
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Die nächsten Wochen und Monate wären in eintönigem Schultrott verlaufen, wenn nicht am Ende des Schuljahres ein ganz besonderes Ereignis geplant gewesen wäre. Ein Ereignis, das ganz besonders Harry und seine Schulmannschaft betroffen hatte. Jede freie Minute beschäftigte Harry sich mit Quidditch. Er dachte über Spielzüge nach, studierte Bücher, die er in der Schulbiliothek und sogar in der Londoner Zentralbibliothek für Zauberer LZZ lieh. Hermine, die zwar nicht viel von Quidditch verstand, aber immer schon gerne Bücher gelesen hatte, unterstützte ihn nach besten Kräften. Wo immer Harry ein Problem hatte, fragte sie nach entsprechenden Stichworten und begann, dickste Wälzer danach zu durchforsten.
Anfangs fühlte sich Harry unsicher. Seine Trainingsstunden, die er alle zwei Tage angesetzt hatte waren zuerst sehr unstrukturiert und sorgten im Team für Unmut.
„Wie sollen wir denn so gewinnen?", fragte Geoffrey Rondstadt, nachdem er zum wiederholten mal beim Versuch die Schraube zu üben vom Besen gefallen war und sich Blaue Flecken am ganzen Körper geholt hatte. „Was hat das für einen Sinn, dass wir Treiber diesen Schwachsinn lernen? Es reicht doch, wenn Du und die Jäger das üben. Ich bin Treiber! Versteht Du? Ich bin Treiber!"
„Du hast überhaupt kein Konzept, Potter!", höhnte Arthur Bletchley, der von den Slytherins gestellte Hüter.
„Ich möchte, dass Ihr besser und schneller seid, als die Treiber von Durmstrang.", verteidigte sich Harry. Seine Stimme klang jedoch mutlos und er musste sich eingestehen, dass er wirklich kein konkretes Konzept verfolgte, sondern eine Idee, von der er selbst noch nicht wusste, ob sie funktionieren würde. Er wollte, dass alle, nicht nur die Jäger und die Sucher, äußerst wendig sein sollten.
Die Treiber sollten nicht nur in der Luft herumdümpeln und dann den Klatscher schlagen, wenn er zufällig in ihrer Nähe war, sondern sie sollten gezielt hinter dem Ball herjagen und dem Gegner keine Chance geben, den Klatscher gegen Hogwarts-Spieler anzuwenden. Hüter sollten seiner Meinung nach nicht nur verteidigen, sondern die Jäger die in Quaffelbesitz waren, angreifen. Er wollte so früh wie möglich den Gegner stören. Er wollte Quidditch verändern.
Es fehlten ihm die Worte um diese Idee, diesen unformulierten Gedanken an die anderen Spieler zu vermitteln. Er wusste selbst nicht einmal, woraus seine Idee genau bestand, und warum er sie hatte. Vielmehr wollte er sehen, wohin seine Anweisungen beim Training führten. Er wollte aus den Spielzügen, die sich im Training ergaben, aus den Fähigkeiten und Neigungen der Spieler, die er erkannte, wenn er ihnen zusah, ein Konzept machen. Aber das brauchte Zeit. Und diese Zeit billigte man ihm nicht zu.
Hermine war es, die ihm in den folgenden Wochen den Rücken stärkte. Sie beriet ihn, wie er die Spieler überzeugen konnte. Sie richtete ihn wieder auf, wenn er abends nach dem Training zutiefst betrübt vom Spielfeld kam und von Selbstzweifeln geplagt wurde. Sie las alles über Quidditch, auch wenn sie nicht das natürliche Interesse an dem Sport hatte, wie es bei Harry der Fall war. Aber sie war einfach unschlagbar, wenn es um die Theorie ging.
Zusätzlich zu den Büchern, die sie für die Prüfungen ausgeliehen hatte, schleppte sie dicke Wälzer mit sich herum, die alle vom Tagespropheten jemals berichteten Quidditch-Spiele enthielten und die über viele Jahrzehnte von begeisterten Fans gesammelt und gebunden worden waren. Es dauerte nur wenige Wochen, und sie kannte alle Spiele seit Neunzehnhundertdreiundzwanzig, alle Torwürfe und alle Schnatzfänger und deren außergewöhnliche Flugmanöver.
Wenn Harry darüber brütete, wie er einen Angriff der Gegner abzublocken hatte oder eigene Angriffsstrategien plante, war Hermine bei ihm, half ihm und wusste immer ein Match zu zitieren, wo eine Strategie besonders wirkungsvoll war. Harry war ihr dankbar, dass er es nicht alle selbst lesen brauchte, was allerdings eines Tages zu einem Streit zwischen ihnen führte, denn Hermine fühlte sich als Lexikon mit vereinfachter Suchfunktion missbraucht. Harry versuchte ihr klar zu machen, dass das Spiel für ihn wichtiger war, als alles andere auf der Welt, was sie ihm so übel nahm, dass sie sogar ihre Beziehung für beendet erklärte.
Harry fiel in ein tiefes Loch. Nicht einmal Remus konnte ihm da heraushelfen, auch wenn er offen auf Harry zu ging und ihn zur Rede stellte, warum er so niedergeschlagen und geistig abwesend war. Harry wollte seinen Kummer nicht zugeben und gab ausweichend zur Antwort, er hätte Probleme bei Training. Es kümmerte ihn nicht, weiter, dass Remus es ihm nicht glaubte. Dann aber lud Hagrid ihn auf einen Tee in seine Hütte. Als Harry durch die Tür trat, saß dort eine traurige Hermine mit verweiten Augen und sah Harry flehend an.
Wie sich heraus stellte, hatte Remus mitbekommen, dass zwischen Hermine und Harry etwas vorgefallen war. Nachdem sein Versuch gescheitert war, zwischen beiden zu vermitteln, denn er hatte nicht nur mit Harry, sondern auch mit Hermine gesprochen und war bei ihr genau so vor eine Wand gelaufen, war er zu Hagrid gegangen, denn dort wusste er, dass eine tiefgreifende Freundschaft bestand. Hagrid hatte geschafft, mit Hermine zu reden und weil er wusste, dass er zum Zusammenkitten auch Harry brauchte, hatte er ihn eine Stunde nach Hermine eingeladen.
Er hatte Hermine erklärt, dass Jungs einfach andere Dinge für wichtig halten, als Mädchen. Beziehungen seien in einem Jungenleben sicher sehr wichtig, und er sei auch sicher, dass Harry sie sehr, sehr gerne mochte, aber dass er halt, wie alle Jungs eine Aufgabe wie dieses Quidditch-Spiel über alle Maßen wichtig fand. Und jetzt erklärte er Harry, dass Mädchen eben eine Beziehung viel wichtiger fanden, als so ein blödes Quidditch-Spiel, und dass halt gerne etwas mehr Zeit mit ihm verbringen würde. Harry traute sich nicht zu weinen, auch wenn ihm danach zumute war. Er entschuldigte sich bei Hermine, sie tat es genau so mit ihm.
Die nächsten Wochen verliefen prompt wesentlich mehr zur beiderseitigen Zufriedenheit. Harry, der sich bewusst aus dem Spiel herausnahm, ging mit Hermine spazieren, redete mit ihr, kurz, verbrachte mehr Zeit mit ihr und spürte, dass es ihm gut tat. Hermine dagegen nahm auch sich ein wenig zurück und ließ ihm mehr Freiraum und wurde mit einem Harry belohnt, der viel mehr gute Laune hatte und sich mehr Zeit für sie nahm.
Harry fasste wieder allen Mut zusammen und stürzte sich auf das Training. Mit nie gekanntem Selbstbewusstsein dirigierte er die Spieler über das Feld. Kritik schien es auf einmal nicht mehr zu geben, vielmehr spürte die Mannschaft auf einmal eine Spannung und eine Begeisterung, dass schließlich alle nur noch eines im Sinn hatten: Die Schulmannschaft von Durmstrang zu schlagen. Der große Tag konnte jetzt kommen.
