Titel: Harry Potter und der Erbe von Slytherin
Autor: Luka
Feedback: lukath@muenster.de
Altersbeschränkung: 12
Inhalt: Kapitel 24: Es regnet Z.A.G.s und am Ende wartet eine außerordentliche Überraschung. Harry hat einen neue Fan.
Disclaimer: Die vorliegende Geschichte ist eine FanFiction zu Harry Potter. Dies zu schreiben macht in erster Linie mir Spaß und liegt fern jedes kommerziellen Gedankens. Dies zu lesen soll allen Spaß machen, die eine neue Geschichte von Harry Potter haben wollen. Sie sollen das tun können ohne eine müde Mark auszugeben. Alle Charaktere gehören Joanne K. Rowling, bis auf die, die in der Geschichte noch entwickelt werden müssen und die nicht von JKR sind. ( So z.B. Helene Baumann und Henri Perpignan der in dieser Geschichte auch wieder eine, wenn auch nicht so wichtige Rolle spielt)
24. Alles Glück der ErdeDie Tage vergingen nun wie im Fluge. Nach jedem Training stellte Harry große Fortschritte im Team fest. Keiner machte mehr grobe Anfängerfehler, auch wenn Harry noch nicht recht davon überzeugt war, ob das, was sie zustande brachten, einer professionellen Mannschaft genügen würde. Dennoch erfüllte es ihn mit Stolz zu sehen, was er erreicht hatte.
Auch schulisch ging es voran, zumal der meistgehasste Lehrer zumindest vorübergehend ausgeschaltet worden war. Es geschah in der Woche vor den Prüfungen, als Harry dem Schulleiter im Flur des zweiten Stocks begegnete. Er war gerade auf dem Weg zum Unterricht für Verteidigung gegen die dunklen Künste. Harry freute sich ungemein auf die Schulstunde. Seit Remus Lupin den Unterricht übernommen hatte, machte es allen Spaß, nicht zuletzt deshalb, weil sie nicht den Eindruck hatten, etwas lernen zu müssen. Vielmehr schaffte es Remus, ihnen fast beiläufig die wichtigste Theorie zu vermitteln und verband sie meist mit einer äußerst spannenden Geschichte,. Harry war um einiges zu früh und allein im Flur. Daher flötete eine Melodie, die ihm während des Frühstücks in Erinnerung gekommen war, und ihm nun fortwährend im Kopf herum geisterte. Sie hallte so schön von den Wänden wider, wenn der Gang nicht mit dem Getrappel und den Stimmen der Mitschüler gefüllt war.
„Nanu, Harry, so fröhlich?", fragte plötzlich eine Stimme hinter ihm. Harry blieb stehen und sah sich um. Dumbledore war geräuschlos aus einem Seitenflur herausgetreten, stand nun vor Harry und sah ihn freundlich an.
„Ach, guten Morgen, Professor Dumbledore!", sagte Harry gut gelaunt.
„Es scheint wohl ein Fach zu sein, das Dir Spaß macht, habe ich recht?", fragte Dumbledore.
„Verteidigung gegen die dunklen Künste. Seit Remus es gibt, macht es wirklich Spaß, Professor."
„Aha, Verteidigung gegen die dunklen Künste.", wiederholte Dumbledore und strich sich durch den Bart.
„Sagen Sie, Professor", sprudelte es aus Harry heraus. „Können wir Remus nicht als Lehrer behalten?"
Dumbledore zog eine Augenbraue hoch. Er sah Harry fragend an.
„Ich meine", fuhr Harry hoffnungsfroh fort, „wo doch Professor Snape jetzt in der Klapse..."
Das letzte Wort verschluckte er mühsam.
„Mein lieber Harry.", Dumbledore wurde ein wenig streng. Er sah ihn aber immer noch freundlich an. „Professor Snape ist nicht in der – Klapse - , wie Du sagen wolltest. Er ist nicht verrückt."
„Aber, wir haben doch gesehen, wie..."
„Nun mal ganz langsam, mein Junge.", sagte der Schulleiter und hob beschwichtigend die Hände. „Professor Snape hat in diesem Schuljahr eine Menge an fürchterlichen Dingen erleben müssen. Denke doch daran, dass sein Haus Jahr keine Schüler bekommen hat. Kannst Du Dich erinnern, wie der Hausgeist der Slytherins reagiert hat?"
Harry nickte.
„Ich weiß noch gut, wie er durch die Wand gerauscht ist und laut geschimpft hat."
„Ja. So war es.", bestätigte Professor Dumbledore nickend. „Für den Blutigen Baron war es eine unendliche Schmach, die ihm noch lange den Spott der anderen Hausgeister eingetragen hat. Nun stell Dir vor, was Professor Snape als Hauslehrer mitmachen musste. Der Blutige Baron ließ all seinen Zorn an Severus Snape aus und machte ihn für das Fiasko verantwortlich."
Harry sah Dumbledore an und wusste nicht, ob er nun Mitleid oder, wie es zumindest in seinem Inneren zuging, Schadenfreude zeigen sollte. Er entschloss sich, ein möglichst teilnahmsloses Gesicht zu machen.
„Ihr Schüler habt es gar nicht mitbekommen, wie der Blutige Baron Snape jede Nacht in seinen Räumen heimgesucht und übelst beschimpft hat. Der arme Mann konnte im ganzen letzten Schuljahr kaum Schlaf finden und musste sich mit Zaubertränken wach halten. Ich glaube, dass kaum ein Anderer in der Lage gewesen wäre, das durchzuhalten, noch dazu mit solch einer äußeren Gelassenheit. Dafür bewundere ich ihn."
„Aber er hat Sie doch angegriffen, damals, als wir aus den Verließen gerettet wurden.", rief Harry fast entrüstet.
„Ja, ich weiß.", entgegnete Dumbledore mit einem gütigen Lächeln in den Augen. „Ich hätte damals schon mit ihm reden sollen, dann wäre Euch Schülern dieser traurige Auftritt erspart geblieben. Ich habe ihn vor drei Wochen zum ersten mal besuchen können und wir redeten zwei ganze Stunden lang miteinander. Bei dieser Gelegenheit hat er mir erzählt, was während des Schuljahres vorgefallen ist. In der Nacht, bevor Ihr aus den Verließen gerettet wurdet, ist der Blutige Baron zum ersten mal nicht mehr erschienen. Das hat Professor Snape vollkommen aus dem Tritt gebracht, denn er hat die ganze Nacht gewacht und auf den Besuch gewartet. Tagsüber hat er sich dann gefragt, was passiert war. Bis sich heraus stellte, dass Ihr in dem Heiligtum von Salazar Slytherin einen Ersatz für den Zauberstab gefunden habt, bangte er um sein Leben. Der blutige Baron drohte ihm mehrmals damit, eines Tages zu kommen und ihm den ‚Garaus' zu machen"
„Meinen Sie, dass es wirklich geholfen hat?", fragte Harry.
„Das Wasser aus dem See der Erinnerung? Ja, das hat es offensichtlich, obwohl ich sagen muss, dass ich zunächst gar nichts von dem verstand, war ihr mir erzählt habt. Ich hatte Eurer Expedition nur zugestimmt, weil ich wusste, dass zwei absolut integere Lehrer dabei waren. Miss Baumann wollte mich zuerst nicht einweihen, worum es ging. Sie hat ein ziemliches Geheimnis darum gemacht. Sie sagte etwas von der Rettung von Slytherin und ich, auch wenn ich sehr misstrauisch war, habe ihr vertraut, weil ich gesehen habe, wie ernst es ihr war. Außerdem wusste ich, dass Ihr, Hermine, Ron und Du bisher immer einen Grund hattet, wenn Ihr Euch auf ein gefährliches Abenteuer eingelassen habt. Schließlich erzählte sie mir von Eurem Auftrag, und auch davon, was für eine Rolle sie bei dem ganzen Spiel gespielt hat."
Harry atmete auf. Insgeheim hatte er während der ganzen letzten Monate das Gefühl gehabt, Dumbledore eine Erklärung schuldig zu sein, was es mit Henry Perpignan auf sich hatte. Er hatte sich aber immer an den Schwur gebunden gefühlt. Jetzt plötzlich wurde klar, dass Dumbledore mehr wusste, als Harry jemals hätte erzählen dürfen. Der alte Mann lächelte wissend. Mit einem Mal ahnte Harry auch, dass es kein Zufall war, dass er und Dumbledore an diesem Tag und zu dieser Stunde aufeinander getroffen waren. Er war dankbar, dass ihm nicht eine Offenbarung des Geheimnisses abgezwungen wurde, sondern die Erklärung durch eine kompetentere Person stattgefunden hatte.
„Aber, was ist denn nun mit Professor Snape?", fragte Harry nach einer Weile.
„Severus Snape? Er ist auf dem besten Weg der Genesung.", verkündete Dumbledore fröhlich. „Es fehlte ihm nur eine Menge Schlaf. Noch ein paar Wochen der Erholung und ein schöner Urlaub auf den Bahamas, und er wird wieder ganz der Alte sein. Ich bin sicher, im nächsten Jahr wird er mit alter frische den Unterricht für die Verteidigung gegen die dunklen Künste übernehmen können."
Er klopfte Harry wohlwollend auf die Schultern.
„Jetzt bringe mal die Prüfungen gut hinter Dich und dann bin ich ja auch sehr gespannt auf das Quidditch-Match. Wie schätzt Du Eure Chancen ein?"
Harry war verblüfft.
„Äh, ja, weiß nicht.", stotterte er. „Die Mannschaft ist gut, glaube ich. Wir gaben vielleicht wirklich eine Chance."
„Das freut mich.", sagte Dumbledore und lächelte. „Ich habe auf Euch gewettet."
* * * *
Die Prüfungen waren, wie jedes Jahr, eine Zeit, in der eine ganze Reihe von Schülern nervöser waren, als es eigentlich nötig schien. Insbesondere betraf das diejenigen, die ohnehin schon gute Leistungen zeigten. Auch Hermine hatte der Prüfungsstress gepackt, und, um Harry zu helfen, und gleichzeitig ihre Prüfungen mit Auszeichnung abzulegen, arbeitete sie sechzehn Stunden am Tag. Wenn es darauf ankam, wurden die Tage noch länger. Seit vier Wochen schon strengte sie sich über alle Maßen an. Langsam zeichnete sich der Stress in ihrem Gesicht ab. Dunkle Ringe umrahmten ihre Augen. Sie schien müde und überdreht zugleich.
Harry kannte das. Es war jedes Jahr das Gleiche mit ihr. Jetzt war es an ihm, Hermine zu unterstützen. Auch wenn er es nicht dadurch schaffte, sie mit noch mehr Wissen voll zu stopfen, so konnte er sie doch immerhin ab und zu aus dem Stress des Lernens herausreißen. Er schleppte sie hinaus, auf Spaziergänge oder einfach nur zu einem wunderschönen Sonnenuntergang, den sie im Windschatten der Felsen genießen konnten, an denen sie damals den Brief von Dracos Vater gefunden hatten. Meist saßen sie dort, bis die Sonne untergegangen war. Manchmal schwiegen sie einfach, manchmal musste Harry Hermine bewusst aus ihrem Lernen herausreißen. Er machte es gerne, indem er ihr von den Dursleys erzählte, denn das waren Geschichten, die sie binnen Sekunden entweder zum Lachen oder zu einem zornigen Ausruf brachte. Dann war der Lernstoff augenblicklich vergessen.
Als aber die erste Woche der Prüfungen angebrochen war, reagierte Hermine fast ärgerlich, als Harry den Versuch machte, sie zu einem Abendspaziergang zu überreden. Sie hatte gleich am ersten Tag drei Prüfungen in den Fächern Arithmantik, ‚Vor- und Frühgeschichte der Zauberei' und ‚Kunde magischer Gegenstände' abgelegt. Natürlich hatte sie in jedem der Fächer einen Z.A.G. erlangt. Trotzdem kam sie völlig aufgelöst aus der letzten Prüfung, denn sie hatte vergessen, wie viel Kupfer maximal im Silber für magische Waffen und Werkzeuge sein durfte, ohne dass es seine magische Wirkung verlor.
Im Prinzip war es nur eine Kleinigkeit, die ihrer Note kaum einen Abstrich eingebracht hatte. Sie hätte es wissen müssen, denn es war zwar im Unterricht besprochen worden, als sie sich gerade nach ihrer Rettung in der Krankenstation befunden hatte. Eine Mitschülerin hatte ihr die Mitschrift gegeben, und darin hatte es gestanden. In dieser Zeit war sie jedoch sehr unkonzentriert, da viele ihrer Gedanken um die Beziehung mit Harry kreisten. Jetzt befürchtete sie, dass sie in diesen Wochen noch mehr übersehen hatte.
Harry hatte wie immer nicht viel für das Lernen übrig. Er ging mit Mut zur Lücke in die Prüfungen und war entsprechend nervös. Er schaffte es jedoch immer, mit dem, was er im Unterricht gelernt hatte, die Prüfungen zu überstehen. Dort, wo er gut Bescheid wusste, erzählte er so viel er konnte und erreichte damit, dass die anderen Fragen einfach aus Zeitgründen zu kurz kamen.
In zwei Fächern jedoch schaffte er etwas, das er zum Schuljahresbeginn niemals erträumt hätte. Er erhielt seine ersten Z.A.G.'s. Helene Baumann hatte ihren Unterricht selbstverständlich ganz anders gestaltet, als ihr Vorgänger. Nachdem Harry in den Winterferien erfahren hatte, dass auch sie eine druidische Hexe war, hatte er zudem viel aufmerksamer am Unterricht teilgenommen. Jetzt zahlte es sich aus. Selbst in der Situation, als sie von ihm wissen wollte, wie man einen Trank zubereitete, mit dem man die Geister in der Natur sichtbar machen konnte, blieb er die Antwort nicht schuldig.
Es war eine hochkomplizierte Prozedur, die Harry schildern musste. Man benötigte nicht nur eine Reihe von Pilzen, Wurzeln und Kräutern, die nur schwer in den umliegenden Wäldern zu finden waren. Man musste bei der Sammlung der Ingredienzien außerdem die Mondphasen und Tageszeiten berücksichtigen. Den Hebridenschleimpilz durfte man zum Beispiel nur bei abnehmendem Mond im letzten Viertel morgens vor der Dämmerung und auch nur mit einem silbernen Messer ernten.
Harry wunderte sich über sich selbst, als er feststellte, dass er genau diesen Trank bis in jede Einzelheit beschreiben konnte. Eigenartigerweise hatte er just an dem Tag besonders gut aufgepasst und, was er sonst höchst selten tat, mitgeschrieben. War da etwa ein alter druidischer Zauber im Spiel? Für Harry lag der Verdacht nahe.
Ganz anders lief es in der Prüfung der Verteidigung gegen die dunklen Künste. Hatte Helene Baumann ihn noch mit gespielter Strenge und ernstem Gesicht empfangen, grinste Remus Lupin den Schüler breit an.
„Na, Harry.", begrüßte er ihn fröhlich und bot ihm einen Platz in der ersten Bank an. Er selbst lehnte sich bequem gegen das Lehrerpult.
„Dann wollen wir mal sehen, was Du von meinem Unterricht behalten hast. Ist doch klar, dass ich Dich nur etwas fragen kann, was ich auch selbst unterrichtet habe. Also, was meinst Du, worin fühlst Du Dich heute besonders fit?"
Harry verschluckte sich und musste erst einmal husten.
„Ganz ruhig, Harry", sagte Remus, während er ihm auf den Rücken klopfte, „Du musst nicht nervös sein."
„Ich bin nicht nervös.", hustete Harry und wischte sich die Tränen aus den Augen. Nachdem er wieder Luft bekam, sagte er:
„Ich weiß nicht so recht. Eigentlich kannst Du mich alles fragen, was wir durchgenommen haben. Am spannendsten fand ich die Sache mit den Parasiten-Dämonen."
„So, sooo, die Parasiten-Dämonen.", sagte Remus langsam und rieb sich das Kinn. „Das ist interessant. Hm, also gut, Harry. Dann erzähle mir etwas über sie."
„Ja, also, die Parasiten-Dämonen...", begann Harry nachdenklich. „Die... Parasiten-Dämonen...sind ganz heimtückische Geister von der dunklen Seite. Sie befallen einen, ohne dass man etwas davon bemerkt. Und dann nisten sie sich ein und lenken einen, wie sie wollen. Sie sorgen dafür, dass man nur noch dunkle Magie ausübt und grund-böse wird. Die meisten Zauberer, die von einem Parasiten-Dämon befallen wurden, sind entweder verrückt, oder schlimme Verbrecher geworden."
„Gut, Harry, das war gut." Remus Lupin nickte zustimmend. „Was kann man denn gegen die Parasiten-Dämonen machen?"
Harry fühlte sich langsam sicherer.
„Man kann zwei Dinge machen.", antwortete er mir fester Stimme. „Man kann vorbeugen, indem man den Schutzzauber ausspricht, den wir im Unterricht geübt haben."
„Wie hieß dieser Zauber?", fragte Remus nach.
Harry musste einen Augenblick überlegen.
„Amaltea!", sagte er schnell.
„Sehr gut, Harry.", lobte Remus. „Und was ist die zweite Variante?"
„Die zweite Variante ist viel komplizierter. Ist ein Zauberer einmal von einem Parasiten-Dämon befallen, kann er eigentlich kaum noch davon befreit werden. Die Zauber, die dafür nötig sind, sind sehr kompliziert. Und sie sind auch lebensgefährlich für das Opfer. Man kann nur Zauberer und Muggel davon befreien, die noch nicht länger als drei Wochen befallen sind. Das Problem ist, dass die Dämonen sich lange Zeit ruhig verhalten können. Man bemerkt also nicht unbedingt rechtzeitig, ob jemand befallen ist oder nicht.
Es gibt ein einziges Merkmal, und das ist ein Leberfleck im Nacken, der die Form eines kleinen Schädels hat. In den ersten Wochen ist dieser Leberfleck aber so klein, dass man ihn nur mit einem Vergrößerungsglas erkennen kann."
„Kannst Du mir den Namen eines der Zauber sagen, Harry?"
„Ja, Famex Mortem."
„Weißt Du, was er bewirkt?"
„Er quält den Dämon. Er und weitere Zauber sollen den Dämon unter Druck setzen, dass er freiwillig geht. Anders bekommt man ihn nicht los. Das geht auch nur, solange er jung ist und sich noch nicht an seinen Wirt gewöhnt hat."
„Kannst Du mir noch sagen, was man mit einem Zauberer machen muss, der von einem Parasiten-Dämon beherrscht wird?"
„Man muss ihn einfangen. Er kommt nach Askaban, in den Hochsicherheitstrakt. Aber das ist nicht einfach und sehr, sehr gefährlich. In den meisten Fällen musste man solche Zauberer töten."
Remus nickte. Er fragte Harry nun ziemlich wahllos über Bereiche, die sie im letzten halben Jahr durchgenommen hatten. Sobald er eine Unsicherheit bemerkte, wechselte er das Thema, wobei er immer darauf bedacht war eines zu finden, bei dem er schon im Unterricht das Gefühl hatte, es hätte Harry interessiert. Schließlich nahm er aus der Schublade des Lehrerpultes einen Bogen Pergament, strich ihn vor sich glatt und trug in das vorgefertigte Schriftstück Harrys Namen und eine Zensur ein.
„Sehr gut, Harry.", sagte er und reichte ihm das Pergament. Es war ein Z.A.G., der zweite, den Harry bekam, auf den er aber so stolz war, dass er es am liebsten laut hinaus geschrieen hätte. „Ich bin sehr zufrieden mit Dir. Nur eine Frage könntest Du mir noch beantworten."
Harry sah von dem Dokument auf.
„Was?", fragte er.
„Ich würde gerne wissen, Harry, warum Du ausgerechnet über das schwere Kapitel Parasiten-Dämonen so viel wusstest. Es ist blanke Theorie gewesen, bis auf den Amaltea-Zauber haben wir nur darüber gesprochen. Ich kenne Dich, glaube ich schon ein wenig und bin bisher immer davon überzeugt gewesen, dass Du viel lieber praktisch arbeitest. Hast Du vielleicht einen konkreten Fall im Sinn?"
Harry hob die Schultern.
„Ja, kann schon sein. Irgendwie erinnert mich das an Voldemort. Sag, Remus, kann Voldemort auch von so einem Dämon besessen sein? Er ist so,...böse, wie ein normaler Mensch eigentlich gar nicht sein kann."
„Hm!", machte Remus. „Weißt Du, ich habe die Parasiten-Dämonen nicht ganz ohne Grund im Unterricht durchgenommen. Aber ich muss Dir sagen, dass ich es nicht weiß. Ich kann es nur vermuten, und genau so wie Du habe ich einen gewissen Verdacht. Aber es ist nur ein Verdacht."
„Wenn Voldemort auch von einem Dämon besessen ist, dann können wir doch nichts ändern, oder, Remus?"
Remus knurrte unwillig.
„Das macht ihn nur um so gefährlicher. Wir können kein bisschen Menschlichkeit mehr von ihm erwarten. Er ist nach so vielen Jahren auch nicht mehr Herr über sich selbst. Der Dämon hat schon vor Ewigkeiten vollkommene Macht über ihn erlangt. Er hat die Persönlichkeit von Tom Riddle zerstört. Ich fürchte, Du hast recht, Harry. Es wird sehr schwer werden, ihn zu besiegen."
Harry nickte niedergeschlagen.
„Kopf hoch, Harry.", sagte Remus heiter. „Jetzt freue ich mich erst einmal über Deinen Z.A.G. Bin mal gespannt, was Sirius dazu sagen wird. Ich glaube, er freut sich ein Loch in den Bauch."
„Oh ja. Ich freue mich schon darauf, es ihm zu sagen. Danke, dass Du mir dabei geholfen hast."
„Habe ich das?", fragte Remus grinsend. „So, schick Ron herein. Ich werde ihn als nächstes dran nehmen, dann musst Du nicht so lange auf ihn warten."
* * * *
Am Freitag Mittag wurden die letzten Prüfungen abgelegt. Die Schule beruhigte sich jedoch nicht, wie es sonst üblich war. Die Schüler nutzten nach den Prüfungen die ersten wirklich ruhigen und entspannten Stunden und Tage um nach Hogsmead zu gehen oder sich dem Müßiggang hinzugeben. Normalerweise genoss man den Nachmittag des Freitags, genoss den Samstag und begann, am Abend vor der Abreise die Koffer zu packen. Sonntags verabschiedete man sich dann voneinander, nachdem die Fahrt im Hogwarts-Express einem die letzten schönen und gemeinsamen Stunden beschert hatte und ging in die Ferien.
Dieses Jahr allerdings lag ein Ereignis in der Luft, das sie vibrieren lies. Am späten Nachmittag versammelten sich die Schüler von Hogwarts vor dem Schloss. Die Sonne stand noch hoch am Himmel, sie hatte jedoch schon den westlichen Horizont im Visier. Langsam wurde es kühler. Vom See her wehte ein leichter Wind, der die Hitze des Tages davon blies. Die Schüler standen in Grüppchen beieinander, laut schwatzend und giggelnd, und warteten auf die Ankunft der Mannschaft aus Durmstrang. Harry hatte sich zu seiner Mannschaft gesellt. Als Kapitän oblag ihm die Aufgabe, die Quidditch-Mannschaft von Durmstrang willkommen zu heißen.
Harry war nervös und angespannt, denn er suchte verzweifelt nach den richtigen Worten für eine geeignete Begrüßung., Je mehr er suchte und je mehr er gewahr wurde, wie viele Menschen ihm dabei zusehen würden, desto leerer erschien ihm sein Kopf. Hermine, die neben ihm stand, aber etwas Abstand hielt, schien ebenso nervös zu sein. Sie erwartete einen Viktor Krum, der im Herbst letzten Jahres noch mit ihr zusammen war, dem sie viele Liebesbriefe geschrieben und dem sie in ihrem letzten Brief vor Ostern mitgeteilt hatte, dass sie nun mit Harry ging. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie sie Viktor begegnen sollte, ob sie ihm überhaupt ins Gesicht schauen konnte. Immerhin hatte sie ihm keine Gelegenheit gegeben, mit ihr darüber zu reden, auch wenn Viktor in seinem letzten Brief vorgeschlagen hatte, sich per Kamin-Telefon noch einmal zu unterhalten. Hermine hatte es einfach abgelehnt. Nun plagte sie ihr Gewissen.
Ron fühlte die Anspannung und hielt sich gleich in gebührendem Abstand. Er stand mit Seamus Finnigan zusammen und unterhielt sich. Mit einem mal erhob sich ein Murmeln in der Schar. Einzelne Schüler deuteten auf den See, dessen Wasseroberfläche begann, sich zu kräuseln. Es wurde milchig weiß. Hier und da bildeten sich Schaumnester, die plötzlich aufwallten. Ein brodelndes Geräusch wehte vom Wasser herüber. Das Brausen und Blubbern im See wurde immer stärker, er begann zu kochen und da waren sie.
Die Spitze eines alten, hölzernen Segelschiffes mit kahlen Masten tauchte aus dem See auf. Bald sah man die ganze Takelage, das Deck, die Aufbauten und schließlich schoss der Rumpf aus dem Wasser. Es schaukelte ein paar mal wild hin und her und glitt schließlich auf einer gigantischen Welle zum Ufer. Dort bremste es unvermittelt, der See beruhigte sich schlagartig und dann lag das Schiff leise schaukelnd am Ufer. Sekunden später fiel das Reep herunter, schlug in das weiche Ufer und dann war Stille. Einzig die Tropfen des Wassers, die aus den Spanten auf das hölzerne Deck fielen trommelten ein Stakkato auf die Planken. Als auch das verstummte, knarrte plötzlich eine Tür. Sie wurde aufgestoßen und einige Gestalten in schwarzen Umhängen kamen auf das Deck.
Allen voran ging Viktor Krum, der Sucher der bulgarischen Nationalmannschaft und Schüler im letzten Schuljahr der Schule Durmstrang die Fallreep herunter. Viktor war ein Jahr älter, als die ältesten Schüler von Hogwarts, was daran lag, dass die Schulen auf dem Festland acht, statt sieben Schuljahre bis zum Abschluss brauchten. Hinter den Schülern im schwarzen Umhang erschienen nach und nach weitere Schüler auf dem Deck. Sie waren allesamt zwar in gedeckten, aber durchaus freundlicheren Farben gekleidet. Offensichtlich war schwarz die Farbe der Durmstrang Mannschaft.
Harry richtete sich auf und stapfte los. Er ging zögernden Schrittes auf den Kapitän der Durmstrang-Mannschaft zu. Nach ein paar Metern beschleunigten sich seine Schritte und wurden mutiger. Viktor blieb am Ende des Reeps stehen und wartete. Als Harry so nah war, dass sie sich die Hand reichen konnten, nahm Viktor die von Harry und zog ihn zu sich. Dann umarmte er ihn freundschaftlich zur Begrüßung und sagte:
„Mein Freund Harry. Es freut mich, Dich zu sehen. Wir werden eine Menge Spaß miteinander haben. Ich gehe davon aus, dass Du so viel geübt hast, dass ich wahrscheinlich aus dem Staunen nicht heraus komme. Habe ich recht?"
Dabei lachte er über das ganze Gesicht, das normalerweise recht mürrisch aussah, was sicher auch an den dichten, buschigen Augenbrauen lag. Heute sah es zwar dunkel aus, aber die tiefblauen Augen blickten freundlich auf Harry.
„Ich weiß nicht.", sagte Harry verlegen. „Klar habe ich geübt, aber ob ich jemals so gut werde wie Du,...,herzlich willkommen, Viktor. Herzlich willkommen, Du und Deine Mannschaft."
Mit einem Mal war es ihm leicht ums Herz und er konnte sich richtig freuen. Auch die anderen Spieler aus Hogwarts waren jetzt zur Begrüßung nach vorn getreten. Viktor und Harry stellten ihre Mannschaften vor.
„Das hier sind Svenja Hallatsch, Miroslav Kalay und Jannina Bartikowa, unsere Jäger. Ivan Petroschenkov und Ferdinand Sackmüller sind die Treiber und Michal Pandraschin ist unser Hüter. Und hier die Ersatzleute: Sergej Abrahamowitch, Jiri Koslovski und Melina Brancusi, die Tochter von unserem Schulleiter."
Man schüttelte sich ausgiebig die Hände. Dann stand Viktor plötzlich vor Hermine, die ihn mit unsicherem Blick ansah. Viktor lächelte sie an.
„Herminne", sagte er nach einem Moment der Überraschung, „es ist schön, Dich zu treffen. Ich freue mich für Dich, dass Du einen Freund gefunden hast. Darf ich Dir übrigens meine Freundin vorstellen?"
Hermine nickte stumm. Harry sah, dass sich ihre Lippen, die zu einem schmalen und fast weißen Strich zusammen gepresst waren, entspannten. Viktor drehte sich um und nahm Melina an die Hand.
„Melina und ich", begann er zögernd, „wir sind seit Weihnachten zusammen. Ich wollte mit Dir sprechen, aber etwas hat uns gehindert..."
Jetzt schlug Hermine beschämt die Augen nieder. Dann lächelte sie.
„Es tut mir leid, Viktor. Ich war dumm. Ich freue mich so für Dich."
Sie streckte Melina die Hand hin. Melina nahm sie und drückte sie freundschaftlich. Harry atmete hörbar auf. Genau diese Situation hatte er sich in den letzten Tagen in finstersten Farben ausgemalt. Fast war er schon wieder eifersüchtig auf Viktor geworden, zumal er natürlich bemerkt hatte, das Hermine sich nicht wohl in ihrer Haut fühlte. Jetzt war er einfach nur unendlich erleichtert.
Harry sah sich nach Ron um. Dieser stand in der ersten Reihe der Hogwarts-Schüler und trat verlegen und unruhig von einem Bein auf das andere. Sein Blick war auf das obere Ende der Reep gerichtet und in seinem Gesicht schien sich die Farbe seiner Haare fortzusetzen. Harry folgte seinem Blick und musste grinsen. Dort stand Vera. Ron hatte sie in Durmstrang kennen gelernt. Sie war ein Jahr älter als er und hatte ihn bei einem schicksalsschweren Ausflug begleitet. Vor ihren Augen war er von Todessern entführt worden.
Sie hatte es sich nicht nehmen lassen, als Fan ihrer Mannschaft mit zu reisen. Jetzt stand sie oben auf dem Reep, hielt sich mit der einen Hand an der Reling fest und winkte mit der anderen Ron zu. Ron hob schüchtern die Hand , allein um ihr ein Zeichen des Wiedererkennens zu geben. Er wurde von einem Maßlosen schlechten Gewissen getrieben, denn dafür, dass er das Gefühl hatte, mit ihr zusammen gewesen zu sein, wenn auch nur für ganz kurze Zeit, hatte er ihr fast ein halbes Jahr lang nicht geschrieben.
Die Angekommenen waren noch ein wenig förmlich und steif, so wie sie nun vor den Hogwarts-Schülern standen, aber bald schon hatte man das Thema gefunden, über das es sich unbedingt zu reden lohnte: Quidditch. Kaum begann man, die Besen der Spieler aus Durmstrang zu betrachten – sie waren alle mit den neuesten Feuerblitzen ausgestattet, was an sich nichts besonderes war, denn auch Hogwarts hatte seiner Schulmannschaft die neuesten Feuerblitze spendiert. Allerdings hatte Durmstrang noch etwas Geld in das Tuning gesteckt. Kaum hatte also ein Hogwarts-Schüler begonnen einen Durmstrang–Besen zu betrachten, ging die Fachsimpelei schon los. Das Tuning begann an einer Überarbeitung des Stiels und hörte am anderen Ende des Besens mit vollkommen neuem Reisig auf. Dieses war aus besonders geraden Zweigen der Zaubernuss geschnitten, exakt Stromlinienförmig gebunden und gestutzt. Zu aller Verwunderung war auch noch jeder einzelne Zweig handgeschält.
„Die Zaubernuss bringt glatte 5 Meilen mehr in der Stunde.", verkündete Ivan Petroschenkov, ein riesenhafter Kerl, blond, blauäugig, mit breiten Wangenknochen und leicht slawischem Gesichtsschnitt.
„Wieso ist das geschält?", fragte Ron, der mit der Hand bewundernd über das glatte Reisig strich. Er war auf Vera zugegangen und hatte sie schlechten Gewissens begrüßt. Sie hatte ihn angelächelt und einfach gesagt:
„Wie geht es Dir, Ron? Schön Dich zu sehen!"
Ein großer Stein war von seinem Herzen gefallen. Er hatte befürchtet, dass sie mitkam und erwartet, dass sie ihn nicht eines Blickes würdigen würde. Jetzt stand sie neben ihm.
„Ach, das ist nur wegen der Schönheit. Es sieht einfach besser aus.", antwortete Jannina grinsend auf Rons Frage.
„Nein, das stimmt nicht!", rief Michal Pandraschin. „Wir haben es gemacht, weil die Luft besser durch geschältes Reisig gleiten kann, als durch ungeschältes. Dadurch ist der Besen besser zu steuern. Er reagiert sofort."
„Ahhh!", hörte man von mehreren Hogwarts Schülern gleichzeitig.
Zusammen mit Viktor führte Harry den kleinen Zug von Quittitch-Spielern an. Die Spieler aus Hogwarts und die aus Durmstrang bildeten nun ein bunt durcheinander gewürfeltes Grüppchen. Hinter ihnen reihten sich die anderen Schüler ein und folgten den Mannschaften.
Im Laufe des späten Nachmittages trafen eine ganze Reihe von Gästen ein. Von vielen Schülern waren die Eltern gekommen. Sie hatten ein verlängertes Wochenende eingeplant und wollten auf dem Rückweg gleich ihre Sprösslinge mit nach Hause nehmen. In diesem Jahr würde der Hogwarts-Express ziemlich leer nach London zurück fahren.
Stargast war, wie nicht anders zu erwarten, Ludo Bagman. Wieder einmal hatte er sich in seinen alten Wespen-Anzug gezwängt, der allerdings über die Jahre etwas zerschlissen war und inzwischen, da Ludo lange nicht mehr Sport getrieben hatte, auch an einigen Stellen kniff. Ludo störte es nicht, denn mit dem Anzug konnte er eindeutig demonstrieren, dass er einmal zu den Wimbourner Wespen gehört hatte. Diese hatten sich in der Liga einen herausragenden Namen gemacht. Die guten Zeiten waren allerdings vorbei und Bagman verdiente sich sein Geld im Ministerium als Leiter für magische Spiele und Sportarten. Er war auch durch seinen Hang zum Glücksspiel kleineren Gaunereien nicht abgeneigt. Dennoch gehörte er sozusagen fast schon als Inventar zu einem solchen Ereignis.
Die Nachricht über das Spiel war sogar bis nach London gedrungen. Über Wochen war es von Kommentatoren im Tagespropheten diskutiert worden. Daher reisten auch einige Sportinteressierte aus London und den Städten, die um Hogwarts herum lagen, ebenfalls an. Sogar Reporter der magischen Zeitungen wollten in Scharen das Schulgelände stürmen, jedoch hatte Professor Dumbledore dem einen Riegel vorgeschoben. Er hatte den Zeitungsleuten generell das Betreten des Schulgeländes untersagt. Zusätzlich legte er einen Zauber über die Stellen, von denen man von Außerhalb einen Blick auf das Schloss und die Anlagen erhaschen konnte. Sollte es dann doch einem Reporter gelungen sein, ein Photo von einem Schüler zu schießen, sah man darauf zwar das Schloss, der Schüler jedoch versteckt sich hinter dem Rand des Bildes und war mit keinem Mittel dazu zu bewegen, in das Bild hinein zu gehen. Persönlichkeitsschutz nannte der Schulleiter diesen Zauber, als er an einem Abend im Mai beim gemeinsamen Abendmahl einige Informationen über das bevorstehende Match bekannt gab.
Um diesen Menschenmassen Herr zu werden, hatte Dumbledore außerdem einen Teil der hinter dem Schloss liegenden Wiesen in einen mit allen sanitären und technischen Einrichtungen versehenen Campingplatz verwandelt. Ein Kiosk, der von Hagrid und Madame Rosmerta aus Hogsmead betrieben wurde, versorgte die Camper mit allem Lebensnotwendigen.
Die letzten Gäste trafen bei anbrechender Dunkelheit ein. Dann langsam wurde es etwas ruhiger. Man saß vor den Zelten an magischen, manchmal violett, manchmal grün oder rosa scheinenden Lagerfeuern, trank Tee oder Butterbier, das man noch schnell am Kiosk erstanden hatte und redete miteinander. Hier und da war Musik zu hören, die einzelne begabte Zauberer auf Flöten selbst oder schlicht von magischen Harfen spielen ließen. Schließlich krochen alle in die Zelte und es wurde ruhig.
* * * *
Der Morgen überflutete die Landschaft mit warmem und hellem Junilicht. Die Turmuhr schlug die letzte halbe Stunde der Nacht an. Harry hatte eine sehr unruhige Nacht hinter sich, als er gähnend und sich reckend vor dem Spiegel im Waschraum stand. Er blickte in sein Gesicht. Es wurde von den durchs Fenster hereinfallenden Sonnenstrahlen beschienen. Über die letzten Jahre in Hogwarts hatten sich seine kindlichen Züge verwandelt. Es sah ihm ein Jugendlicher entgegen, in dessen Gesicht schon das des erwachsenen Menschen zu ahnen war.
Wann hatte er sich das letzte mal so eingehend betrachtet? Warum tat er es heute? Es war sein großer Tag, der Tag des ersten internationalen Spieles, das er zu bestreiten hatte. Er war der Kapitän der Schulmannschaft. Er hatte die Verantwortung für sieben weitere Spieler und die Ersatzleute. Heute würde es sich herausstellen, ob er es in den letzten drei Monaten geschafft hatte, die Mannschaft zu einer Einheits zusammen zu schmieden. Es mutete ihm seltsam an, dass er jetzt, da er vor dem Spiegel stand und sich ansah, nicht die geringste Spur von Nervosität spürte. Er müsste doch flattern vor Sorge, in den letzten Monaten versagt zu haben.
Harry öffnete den Wasserhahn. Das eiskalte Wasser, das nur unwesentlich wärmer war als im Winter, floss über seine Hände. Er formte sie zu einer Schale, ließ sie voll laufen und warf sich die Ladung ins Gesicht. Es erfrischte ungemein.
Was war heute Nacht gewesen? Er hatte miserabel geschlafen, war aufgewacht und über Stunden hatte er mit offenen Augen dagelegen und die vielen möglichen Spielzüge durchdacht., Aber Angst hatte er nicht. Er war die Ruhe selbst, und gerade das erschreckte ihn maßlos. Vielleicht lag es daran, dass er sich darauf freute, gegen Viktor Krum anzutreten. Er konnte ihm zeigen, dass er, der kleine Schüler Harry Potter, das, was er von Viktor lernte, noch wesentlich verfeinert und geübt hatte. Er konnte sich nun seinem direkten Widersacher zumindest ebenbürtig erweisen. Vielleicht hatte es auch der gestrige Abend gemacht, an dem Harry mit einem mal tiefe Freundschaft zu Viktor Krum verspürt hatte, nachdem die Angelegenheit mit Hermine auf so wunderbar einfache Weise geklärt worden war.
Mit einem Ruck riss er sich von seinem Spiegelbild los, das er bei den letzten Gedanken gar nicht mehr richtig wahrgenommen hatte. Er griff zum Handtuch, rieb sich trocken, warf es über die Schulter und ging festen Schrittes über den kalten Steinboden in den Schlafsaal. Rasch zog er sich an und begab sich in den Speisesaal. Er war der erste an diesem Morgen und stellte überrascht fest, dass die Hauselfen bereits alle Tische gedeckt hatten.
Harry setzte sich an seinen Platz und griff nach einem Toast. Wie wunderbar war der Zauber, der sie über Stunden warm und frisch hielt. Auch der Speisesaal mit seiner verzauberten Decke war vom morgendlichen Frühlingslicht durchflutet. Es würde herrliches Quidditch-Wetter geben, das stand fest. Genüsslich biss er in den gebutterten Toast und schlürfte den heißen, mit viel Milch verdünnten Kaffee.
Nach dem spärlichen Frühstück – Harry aß nie viel am Morgen – ging er hinaus, vor das Schloss, blieb stehen und genoss das Licht. Dann ging er los. Er wanderte um den See, langsam, mit verschränkten Händen hinter seinem Rücken. Die Gedanken kreisten um das Spiel, das nun unweigerlich nahe gerückt war. Einige Spielzüge stellte er sich so plastisch vor, dass er nahezu das Getöse der Zuschauer im Stadion hörte. Überrascht sah er hoch und musste enttäuscht feststellen, dass ihn nur die Stille des Sees und des nahen Waldes umgab.
Als er halb um den See herum gegangen war, konnte er neben dem Schloss, halb verdeckt durch den Gryffindor Turm das Schulstadion erkennen. Professor Dumbledore hatte es um einige Reihen von Sitzen erweitern lassen, so dass es jetzt fast so groß wie das Schloss wirkte. Harry sah hinüber zu Hagrids Hütte und überlegte, ob er zu ihm hinüber gehen sollte. Er entschied sich dagegen. Viel lieber wollte er die Stunden des Vormittages nutzen, sich ein wenig einzufliegen, noch etwas an seinem Flugstil zu feilen, sich zu sammeln und auf das Spiel vorzubereiten. Er wusste, dass er im Laufe des Nachmittags nervös werden würde, und dann wäre in der letzten Stunde vor dem Spiel ein Besuch bei Hagrid wesentlich angebrachter, denn das würde ihn ablenken.
Also schwenkte er, als er am Ausgangspunkt seines Rundweges angekommen war, auf den Weg zum Schlossportal ein und trat in die große Halle. Vom Speisesaal aus, schallte das morgendliche Gemurmel der Schüler zu ihm herüber. Es klang ein wenig aufgeregter, als sonst. Sicher war das Match heute am frühen Abend das wichtigste Gesprächsthema an den Tischen.
Gerade wollte er die geschwungene Treppe zum Gryffindor-Turm hinauf steigen, als er hinter sich eilige Schritte und Hermines Stimme hörte.
„Da bist Du ja, Harry!", rief sie durch die Halle. „Ich habe Dich schon gesucht."
Harry blieb stehen, drehte sich um und wartete auf sie. Sie begrüßte ihn mit einem flüchtigen Kuss auf die Wange, was sie jedes Mal tat, wenn sie sich länger als eine Stunde nicht gesehen hatten. Harry hatte sich inzwischen das reflexartige Wischen mit dem Handrücken über die Wange abgewöhnt, nachdem Hermine zwei mal in kurzer Zeit völlig beleidigt auf dem Absatz kehrt gemacht und einen ganzen Tag nicht mit ihm gesprochen hatte. Harry beantwortete die Begrüßung, indem er sie kurz mit einem Arm umfing, drückte und dann wieder los lies. Er selber mochte sie nicht gerne küssen und er hatte das Gefühl, sich nie daran gewöhnen zu können. Viel schöner fand er den Gebrauch der Inuit ( Eskimos), die zur Begrüßung die Nasen aneinander rieben.
„Ich habe einen Spaziergang gemacht.", sagte er. „es war so früh, als ich aufgestanden bin, und ich konnte nicht mehr einschlafen. Da habe ich schon einmal gefrühstückt und einen Spaziergang gemacht. Ich habe gleich vor, noch ein bisschen zu trainieren. Magst Du mitkommen?"
„Gerne", antwortete Hermine, die jetzt, nach den Prüfungen, endlich wieder Zeit für Harry hatte. Er nahm es ihr nicht übel, dass sie sich kaum um ihn gekümmert hatte. Schließlich kannte er sie und wusste, dass das Lernen immer die höhere Priorität hatte als alles andere in ihrem Leben. Es war ihm sogar entgegen gekommen, denn so konnte er sich mit Ron treffen wann immer er wollte, ohne sich mühsam Ausreden einfallen zu lassen. Natürlich war es ihm dadurch auch möglich, viel Zeit im Quidditch-Stadion verbringen.
„Ich möchte mich nur noch schnell umziehen.", meinte Hermine. „Ich glaube, es wird heiß heute."
Harry nickte.
„Du bist nervös, nicht wahr?", fragte sie und setzte einen besorgten Blick auf.
„Nö.", brummte Harry und schüttelte den Kopf. „Nö. Nicht besonders. Ich gehe mal meinen Besen holen."
Er nahm gleich zwei Stufen auf einmal, als er die Treppe hochstieg. Das fand er in der letzten Zeit chic und wollte insgeheim dadurch auch demonstrieren, dass er ziemlich in die Länge geschossen war. Hermine trabte hinterher. Als sie sich im Gemeinschaftsraum der Gryffindors trennten, jappste sie ein atemloses „Bis gleich, ich komme zum Spielfeld." und verschwand im Mädchenschlafsaal.
Harry holte seinen Besen unter dem Bett hervor. Liebevoll strich er über den glatten Stiel, dann legte er ihn sich über die Schulter und ging hinunter zum Spielfeld. Unten angekommen, schwang er sich auf den Besen, stieg hoch und flog eine Runde um das Stadion. Dann blieb er in der Luft stehen, ganz ruhig, lauernd, wie er es schon so oft gemacht hatte, um den Schnatz zu entdecken. Ganz langsam drückte er die Spitze des Besenstiels nach unten. Ein kaum merkliches Zittern ging durch den Besen und mit einem Mal schoss er nach unten, auf den Rasen zu. Immer weiter trieb Harry den Besen zur Erde. Schon konnte er jeden einzelnen Grashalm sehen, da riss er den Besen hoch und schoss mit einem eleganten Bogen wieder hinauf in die Luft.
Jemand klatschte Beifall. Harry drehte den Kopf und sah zum Fuß der Tribüne hinunter. Dort standen drei Personen, Hermine und...Henry Perpignan! Der dritte jedoch, und das verwunderte Harry maßlos, war Rattle, der Stallknecht von Perpignans Place. Harry hätte jeden anderen an Henrys Seite erwartet, jedoch nicht den Stallknecht. Er muss Henry eindringlich darum gebeten haben, ihn mit zu nehmen. Also, schloss Harry daraus, musste er wohl ein ausgesprochener Quidditch-Fan sein. Harry lenkte langsam den Besen zu den Dreien. Er stoppte kurz vor ihnen und sprang auf den Rasen.
„Ich nehme an, das war der berühmte Wronsky-Bluff, den ich da gesehen habe?", fragte Henry grinsend. „Damit könnt ihr nur gewinnen."
„Henry!", rief Harry erfreut. „Das ist ja eine Überraschung. Wusste gar nicht, Rattle, dass Du Dich so sehr für Quidditch interessierst?"
„Ich wollte Dich unbedingt spielen sehen.", sagte Rattle mit seltsam belegter Stimme. Er sah Harry ernst in die Augen. „Ich hatte so lange keine Gelegenheit dazu."
„Was ist los, Rattle?", fragte Harry verwundert. Statt zu antworten, kramte Rattle in der Tasche seines etwas zerschlissenen Mantels. Er zog eine Flasche mit einer grünlich schillernden, undurchsichtigen Flüssigkeit hervor. Er zeigte sie Harry einen Augenblick und ließ sie dann wieder in die Tasche zurück gleiten.
„Nur ein Schluck.", sagte er leise. „Nur ein Schluck, jede Stunde."
Harry riss die Augen auf. Dann beugte er sich zu Rattle hinüber und flüsterte:
„Sirius! Ist das nicht gefährlich?"
„Wenn Barty Croutch ein ganzes Schuljahr unerkannt als Moody herum laufen konnte, kann ich es für ein paar Stunden auch."
„Rattle war so freundlich und hat ein paar Haare spendiert.", erklärte Henry. „Ich kann Sirius voll und ganz verstehen. Es ist selten genug, dass er unters Volk kommt. Und dieses Ereignis? Was kann es in einem Schuljahr wichtigeres geben, als ein ordentliches Quidditch – Match?"
Harry nickte zustimmend. Dann schüttelte er den Kopf. Er konnte es nicht fassen. Er wusste nicht, wo er seine Freude lassen sollte. Das, und nichts anderes hatte er sich sein ganzes Leben gewünscht, dachte er. Dass Vater oder Mutter dabei sein würden, wenn er etwas besonderes erlebt. Und wenn nicht sie, dann sein Pate Sirius. Jetzt war es fast nicht mehr möglich, dass sie das Spiel verlieren würden. Bei so viel Glück!
