Date: December, 3rd
Author: Sevvie
Category: Short Story
Characters: Snape
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~ I was never
grateful, that's why I spend my days alone
I'm forever black-eyed, a product of a broken home. ~
(Placebo - Black-Eyed)
Manche Dinge sind zu grausam, um sie wiederzugeben. Das hatte er schon früh mitbekommen. Er würde sich eher die Zunge abbeißen, als mit irgendjemandem darüber zu reden, was bei ihm zu Hause alles geschah. Und mit wem hätte er schon reden sollen? Er war zu klug, um das, was die Slytherins "Freundschaft" nannten, nicht als Zweckgemeinschaft zu erkennen, und hätte er außerhalb Slytherins Freunde gehabt, wäre er nicht einmal in diese Zweckgemeinschaft aufgenommen worden.
Er hätte sich Albus Dumbledore anvertrauen können, aber er tat es nicht. Er war einmal kurz davor gewesen - ein einziges Mal. Da hatte der Direktor ihn zu sich bestellt, scheinbar ohne Grund, aber er kannte den Grund ebenso gut wie alle anderen; so etwas übersah man nicht, selbst wenn man es gerne wollte. Und sie wollten es, doch das war ihm nur recht. Dumbledore jedoch war anders. Er hatte ihn geradeheraus darauf angesprochen, wo er die Schnittwunde quer über der Wange her hätte. Einen winzigen Moment hatte Severus gezögert - und dann gelogen. Natürlich hatte er gelogen. Er hatte sich geschämt.
Damals waren seine Augen noch braun gewesen.
Wie oft hatte er in seinem Zimmer auf Snape Manor sehnsüchtig aus dem Fenster geblickt, hatte dort stundenlang gestanden, die heiße Stirn gegen das kühle Glas gepresst, seine Tränen vergossen und nicht selten überlegt, ob er nicht einfach das Fenster öffnen und hinausspringen sollte. Einzig die Furcht, zu überleben und damit den unendlichen Zorn seines Vaters abermals auf sich zu ziehen, hatte ihn davon abgehalten - und winzig klein auch die Hoffnung auf bessere Tage. Nächtelang hatte er in seiner Schlaflosigkeit Pläne geschmiedet, den Todessern zu entkommen, und wusste doch, dass es kein Entrinnen gab. Sein Vater würde nie zulassen, dass er auf diese Weise Schande über die Familie brachte. Und eine Seite von ihm wollte seinen Vater auch stolz machen, wollte so verzweifelt von ihm geliebt und anerkannt werden.
Diese Seite nahm Überhand, als man ihn mit 16 darauf vorbereitete, in einem Jahr das Dunkle Mal zu erhalten um ihn für alle Zeiten zu einem Diener Voldemorts zu machen. Dieses eine Jahr schuftete und studierte er wie ein Verrückter, entwickelte sich von einem bislang schon tadellosen, fleißigen Schüler zu einem der Jahrgangsbesten. Er schlug sein Lager in der Hogwarts-Bibliothek auf, und wenn er zu Hause war, verließ er sein Zimmer nur zu den nötigsten Anlässen. Ihm war das Essen nicht mehr wichtig, er pflegte keine sozialen Kontakte mehr, er vernachlässigte sein Äußeres - er sah monatelang kein einziges Mal in einen Spiegel.
Als er es doch tat, waren es keine sieben Tage mehr bis zu der Nacht, da er sein Mal kriegen sollte. Es passierte auch eher aus Versehen, als dass es Absicht gewesen wäre. Während er vom Badezimmer wieder zurück auf sein Zimmer ging, blieb seine Robe am gezackten Rand des Flurspiegels hängen, der mit einem schrecklichen Scheppern zu Boden fiel und in tausend Teile zerbarst. Das Geräusch fuhr Severus durch Mark und Bein. Er hatte großes Glück, dass er allein im Hause war, denn obwohl er den Spiegel wieder reparieren konnte ohne die geringste Spur zu hinterlassen, wusste er, dass sein Vater dies gern als Anlass für eine sowieso mal wieder überfällige Tracht Prügel genommen hätte. Prügel - so nannten sie das, obwohl es mit Prügel im herkömmlichen Sinn nichts zu tun hatte. Magie kann viel verheerendere Dinge anrichten als Muskelkraft - und ist natürlich auch nur einen Bruchteil so anstrengend. Severus hatte schon so lange unter dem Cruciatus gestanden, bis die Adern in seiner Nase und in seinen Augen aufgeplatzt waren, bis er danach keinen Muskel mehr rühren konnte und sich in die Hosen gemacht hatte, und das Ganze kostete seinen Vater nichts als ein bisschen Willenskraft und das Murmeln eines Zauberspruchs. Er erledigte es grundsätzlich nebenbei, zum Beispiel wenn er gerade las oder beim Essen war; es hatte also nicht das Mindeste mit Prügel zu tun, und trotzdem nannten sie es so. Eine alte Gewohnheit.
Jetzt, da er sicher sein konnte, dass ihm so etwas nicht drohte, kniete er sich langsam hin und griff nach einer der Scherben. Behutsam und ohne sich zu schneiden hob er sie hoch, an sein Gesicht, und schaute hinein. Was er sah, entsetzte ihn.
Seine Augen waren kohlrabenschwarz geworden.
Severus schrie auf, schleuderte die Scherbe von sich und sprang auf die Füße. Das waren die Augen seines Vaters, die ihn da angesehen hatten. Seine Hände, zu Fäusten geballt, öffneten und schlossen sich automatisch; er schwitze und zitterte zugleich vor Kälte. "Reparo!", spie er hervor, bevor er herumwirbelte, auf sein Zimmer rannte, sich auf sein Bett schmiss und dort eine Weile regungslos und mit zusammengekniffenen Augen dalag, bevor die Schluchzer kamen.
In dieser Nacht gab er auf. Die Angst kam zurück und legte sich wie eine schwere, stählerne Hand um sein Herz und drückte zu. In seinem Leben war es ihm nicht bestimmt, glücklich zu sein, das hatte er jetzt begriffen, und er konnte nichts tun, als sich damit abzufinden. Er wollte es nicht, wollte nicht so sein wie sein Vater, wollte nicht sein Leben lang anderen schreckliche Dinge antun, aber hatte er eine Wahl? Hätte er nein gesagt, wäre sein Leben so gut wie verwirkt gewesen, und obwohl das einen gewissen Reiz hatte, wusste er doch, dass sie ihn nicht einfach umbringen, sondern stundenlang quälen würden. Das wollte er seiner Mutter nicht antun. Er wusste, dass sie ihn liebte, dass sie jedoch Angst vor dem Vater hatte, und obwohl er das verstand, hasste er sie manchmal dafür. Niemand hatte sich in seinem Leben je für ihn eingesetzt, niemand hatte ihm je geholfen, und mit großer Bitterkeit, die sich bleiern in sein Herz ergoss, wurde ihm klar, dass sich das auch nie ändern würde.
Die Tränen flossen noch eine Weile aus seinen schwarzen Augen, bevor sich langsam ein kalter Glanz auf sie legte und sie für immer erhärtete.
Als er eine Woche später, an seinem siebzehnten Geburtstag, im Kreis der höchsten Todesser das Dunkle Mal eingebrannt bekam, vergoss er weder eine Träne noch schrie er auf, als sich der Totenkopf und die Schlange in die empfindliche Haut seines Unterarms fraßen. Er zeigte auch keine Regung, als sein Vater den Arm um ihn legte und stolz verkündete, nun sei er wirklich einer von ihnen. Er nahm ausdruckslos die Glückwünsche entgegen, schüttelte Hände und bedankte sich. Er bekam mit, wie sein Vater einem Todesser erzählte, er sei ja so beruhigt, dass sich sein Sohn doch noch in die richtige Richtung entwickelt habe. Eine strenge Erziehung stähle eben den Charakter, und er habe weiß Gott Jahre gebraucht, um Severus in dem Maße auf das hier vorzubereiten, wie er es getan hatte. Er würde ein ausgezeichneter, loyaler Todesser werden, da sei er sich sicher.
In Severus flammte unerwartet Zorn auf. 'Sei dir da nur nicht zu sicher, Vater', dachte er grimmig und war im gleichen Augenblick erstaunt, dass er noch über so etwas wie innere Gegenwehr verfügte. Zu Lebzeiten seines Vaters jedoch würde er diese nie zum Ausdruck bringen, das wusste er genauso sicher wie er wusste, dass Zorn nicht der Antrieb war, aus dem sie entstand. Hätte jemand hinter die Schwärze dieser harten, unergründlichen Augen blicken können, hätte er den wahren Kern gesehen: Severus hatte Angst. Hinter der undurchdringlichen Maskerade seiner Miene war er zerfressen von Angst, die er niemandem zeigen durfte. In dieser seiner Welt gab es keinen, der ihn verstanden hätte, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als all das Schreckliche, was um ihn herum oder mit ihm geschah, durch die Augen seines Vaters zu sehen. Er war für immer gekennzeichnet, und was das Schlimmste war: Er hatte es zugelassen. Daran würden ihn diese schwarzen Augen immer erinnern.
Severus beschloss, nie wieder in einen Spiegel zu sehen.
