Date: December, 4th

Author: Tentakula

Category: Short Story

Characters: Dumbledore

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Ritual

Wie immer waren nur wenige Schüler in Hogwarts geblieben. Natürlich wollten die meisten bei ihren Familien feiern. Wer wollte dies nicht? Im engsten Kreis der Familie das schönste Fest des Jahres verbringen, Kekse naschen, beschaulich zusammen sitzen, die Schwierigkeiten miteinander einfach vergessen. Es war das grundlegende Wesen dieses Festes.

Auch in Hogwarts wurde diese Art Beschaulichkeit zelebriert. Auch wenn die Verbliebenen nicht blutsverwandt waren, an Weihnachten waren sie wie eine Familie. Lehrer und Schüler. Die Verbundenheit war gerade zu dieser Zeit überdeutlich zu spüren.

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Albus Dumbledore ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen. Die Schüler hatten sich an einen Tisch zusammengesetzt. Hufflepuffs saßen neben Ravenclaws, Griffyndors neben Slytherins. Häuser, Zugehörigkeit, war in diesen Tagen nicht von Belang. Sie waren einfach nur Menschen die miteinander die beschaulichsten Tage des Jahres verbrachten. Albus sah das unbesiegbare Trio, wie es fröhlich beisammen saßen und miteinander schäkerten. Es war eine Fügung des Schicksals gewesen, dass gerade diese drei sich gefunden hatten. Zusammen waren sei stark. Zusammen konnten sie die Welt aus den Angeln heben. Mehr als einmal hatten sie ihre Stärke bewiesen.

Weiter konnte er die roten Haarschöpfe der anderen Weasley Familie erkennen. Fred und Georg, die verschwörerisch die Köpfe zusammensteckten. Albus war überzeugt, dass er schon sehr bald erfahren würde, welchen Streich sie diesmal ausgeheckt hatten. Daneben Ginny, die schmachtend zu Harry sah. Gebannt hing sie an seinen Lippen und sog jedes Wort in sich auf. Noch ein Stück weiter unterhielten sich zwei Hufflepuffs mit einer Ravenclaw. Sie kicherte und gluckste in einer Art und Weise, in der es nur in der Jugend möglich war. Einige wenige Slytherin saßen abseits der anderen. Doch auch sie schienen in einer überaus vergnügten Stimmung zu sein. Nur selten bot sich ein dermaßen beruhigender Anblick, fuhr es Albus durch den Kopf.

Sein Blick streifte nun auch die verbliebenen Lehrer an seinem Tisch. Snape. Dieser Mann würde wohl immer ein Rätsel für ihn bleiben. Je näher Weihnachten rückte, desto schlechter wurde seine Laune. Gerade um diese Zeit verteilte er mit einer perfiden Genugtuung Unmengen von Strafarbeiten und Punkteabzügen. Auch Schüler aus seinem eigenen Haus mussten um diese Zeit zittern. Seine schlechte Laune machte nicht einmal vor ihnen halt.

Neben ihm saß Professor McGonagall. Eine hitzige Diskussion zwischen ihr und Severus war entbrannt. Ein leichtes Schmunzeln zog sich über Albus' Gesichtszüge. Auch ohne ein Wort von ihrem Streit gehört zu haben, wusste er nur zu gut, dass Minerva Severus auch dieses Jahr zu der Feier der Lehrer überreden wollte. Und wie jedes Jahr würde sich Severus mit Händen und Füßen dagegen wehren, schlussendlich aber doch erscheinen. Es war ein eingespieltes Ritual der beiden. Jeder kannte den Verlauf der Diskussion, und auch den Ausgang. Und doch ließen sie sich ihre Geplänkel nicht nehmen. Jedes Jahr aufs Neue.

Ein Stück weiter saß Remus Lupin und stocherte gedankenverloren in seinem Essen. Für ihn war Weihnachten eine Zeit des Nachdenkens, der Rekapitulation. Vergessenes noch einmal hervorzuheben, und denen zu gedenken, die schon lange gegangen waren. Remus war in den letzten Jahren immer stiller geworden, war mehr und mehr in sich gegangen. Doch keine Trauer oder Niedergeschlagenheit lag in seinen Blick, sondern einfach nur Frieden. Er hatte mit seiner selbstauferlegten Schuld abgeschlossen, hatte das Unwiderrufliche akzeptiert.

„Meinst du, die beiden werden je die Sinnlosigkeit ihres Verhaltens erkennen?" Sybill Trelawney hatte sich dicht zu Albus Ohr gebeugt. Mit einem leichten Nicken deutete sie auf Minerva und Severus. Albus sah ihr tief in die braunen Augen. Ein sanftes Lächeln huschte über seine Lippen. „Ich denke, das haben sie schon vor langer Zeit!" Sybill erwiderte sein Lächeln. In diesem Moment waren ihre Züge vollkommen gegensätzlich zu ihrem sonstigen Auftreten. Gefasst, wissend, beinahe weise. Die meisten ihrer Schüler hätten ihr niemals solche Eigenschaften zugetraut. Doch Albus wusste es, das der Schein oftmals nicht der Wahrheit entsprach.

„Entschuldige mich bitte! Ich muss noch einigen Papierkram aufarbeiten." Mit seinem gewohnt freundlichen Lächeln erhob er sich und verließ den großen Saal.

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Mit jedem Mal, mit dem Albus die Treppen zu seinem Domizil emporstieg, schienen sie höher zu werden. Es liegt wohl am Alter. sprach er sich selbst zu. Und in gewisser Weise hatte er auch recht. Doch nicht nur seine Gelenke machten ihm zu schaffen, sondern etwas, gegen das es niemals einen Zaubertrank geben könnte. Besonders um diese Weihnachtszeit wurde es schlimmer, ließ ihn um einiges schneller altern.

Treppe um Treppe kam er seinen Büro näher. Er trat in den geräumigen Raum ein und besah seine Besitztümer. Seine Bücher, sein Teleskop, seine Bilder. All seine Schätze. In liebevoller Kleinarbeit zusammengetragen über Jahrzehnte. Langsam ließ er sich in seinen Sessel fallen und ließ seine Gedanken schweifen.

Albus mochte Weihnachten, er freute sich darauf, und dennoch hatte es einen bitteren Beigeschmack. Einen schleichenden, nagenden Unterton, dem er sich einfach nicht entziehen konnte. Wie lange war es her, seit er an Weihnachten glücklich war? Diese Erinnerung stimmte ihn melancholisch.

Langsam öffnete er die oberste Schublade seines Schreibtisches und holte eine fast vollständig vergilbte Fotografie heraus. Eine junge Frau mit wallenden Haaren zwinkerte ihm fröhlich von der Fotografie entgegen. Ihre Züge hatten auch nach über einem halben Jahrhundert nichts an Schönheit verloren. Noch immer umgarnte ihr Lächeln Albus. Trieb ihm ein bitteres Lächeln auf die Lippen. Auch nach all dieser Zeit verfiel er ihren Reizen, konnte seinen Blick, trotz der miteinhergehenden schmerzlichen Erinnerung, nicht abwenden.

„Es war Weihnachten, bevor ich Grindelwald besiegte. Kannst du dich noch erinnern?" Dumpf, unheimlich hallte Albus Stimme von den Wänden seines Zimmers wieder. Wie zur Bestätigung zwinkerte die Frau auf dem Foto. „Es war unser letztes gemeinsames Weihnachten. Hätte ich damals gewusst, dass uns nur noch so wenig Zeit bleibt. Ich hätte..." er konnte den Satz nicht zu Ende führen. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte. Vergangenes konnte man nicht ungeschehen machen. Auch wenn man sich es so sehr wünschte. „Ich erinnere mich noch, wie dein Gesicht gestrahlt hat, als du das Medaillon in deinen Händen hin und her gewendet hast. In diesem Moment war ich wohl der glücklichste Mensch auf Erden. Wusstest du das?" Fröhlich drehte sich die Frau um die eigene Achse und warf ihm einen verstohlenen Blick über die Schulter zu. „Fröhliche Weihnachten!" Albus Hände hatten leicht zu zittern angefangen. Die letzten Worte waren beinahe unerträglich für ihn.

Er wollte gerade das Bild zurück an seinen angestammten Platz legen, als sein Blick auf das Medaillon fiel. Rußgeschwärzt und anklagend lag es in der Schublade. Schien ihn zu verspotten. Ihm seine Fehler vorzuhalten. Unwillkürlich brachen auch die Erinnerungen über ihn herein.

Ihr zitternder Körper, der schwer in seinen Armen lag. Ihr schmerzverzerrtes Gesicht. Und ihre blauen Augen, die ihn ein allerletztes Mal voll Liebe und Güte ansahen. Und das schallende Gelächter. Es verfolgte ihn, auch nach all diesen Jahrzehnten ließ es ihn nicht los, schlich sich in seine Träume. Er hatte über ihn gelacht, ihn verhöhnt. All seine Macht demonstriert. Doch dies war auch Grindelwalds letzte Tat gewesen. Albus hatte es geschworen, und er hatte seine Versprechen stets gehalten.

„Fröhliche Weihnachten" murmelte er noch einmal bedächtig in seinen Bart und drehte sich zu dem geräumigen Fenster um. Er ließ seinen Blick einfach über die Ländereien von Hogwarts schweifen. Auch dieser Teil gehörte für ihn zu Weihnachten. Ein alljährliches Ritual.