Anmerkung: Vielen Dank für Eure lieben Worte für meine Geschichte.
@Chrisi: Leider habe ich "Ritter aus Leidenschaft" noch nicht gesehen:-( Aber ich werde mir Eure Geschichte trotzdem durchlesen.:-)
@Anders: It doesn't matter in which language you review as long as the reviews are that nice:-)
Es tut mir leid, dass ich diesmal so lange gebraucht habe, aber dafür ist das neue Kapitel doppelt so lang wie die vorherigen. Viel Spaß:-)
*******************
Stolz und Vorurteil, Kapitel 5: Ein neuer Wettstreit
Die folgenden Tage verliefen nicht anders als die vergangenen. Gwyneth war hauptsächlich damit beschäftigt, Boromir bei seiner Gesundung behilflich zu sein, während sich sein Vater mit der Aufgabe begnügte, ihn sowohl für die nächsten Kämpfe als auch für eine erwünschenswerte Hochzeit mit einer der Töchter eines benachbarten Herzogs einzustimmen. Ioreth, die um die Gesundheit des jungen Mannes besorgt war und die Art der Besuche des Vaters aus Gwyneth' Erzählungen kannte, bat den alten Statthalter möglichst nur einmal täglich zu kommen. Diesen Wunsch begründete sie mit Notwendigkeit, sich möglichst strikt an einen Plan zu halten, um die Genesung zu beschleunigen. So kam es, dass der Vater wahrhaftig nur einmal täglich zu Besuch kam. Um so heftiger fielen allerdings auch seine Ansprachen an seinen Sohn aus.
"Mein Sohn, einst wirst Du mein Nachfolger sein und dann wirst auch Du einen Nachfolger brauchen. Woher soll Dein Erbe kommen, wenn nicht von Deinen eigenen Kindern?"
Boromir unterbrach seinen Vater nicht und starrte unentwegt auf die grünen Hügel auf der Westseite Minas Tiriths, hinter denen bald die Sonne verschwinden würde. Denethor fuhr in seiner Rede fort.
"In drei Tagen werde ich ein großes Fest geben. Mein alter Freund Aranel, einer der ehrbarsten Männer Gondors und ein starker Feldherr, wird auch zugegen sein und mit ihm seine Töchter Mellyanna und Morwen...."
Denethor ließ seine Gedanken in der Luft hängen. Boromir begriff sicher seine Absichten. Schon lange wünschte er, seine Söhne mit den Töchtern seines mächtigen Nachbars und Freundes vermählt zu sehen. Der Bund der Ehe würde das Bündnis gegen Mordor stärken.
Boromir schwieg und blickte immer noch aus dem Fenster des Zimmers, in dem er die letzten Wochen verbracht hatte. Langsam wandte er sich um, sah seinem Vater direkt in die Augen und nickte. Natürlich wusste Boromir, was von ihm erwartet wurde. War er aber im Stande diese Erwartungen zu erfüllen? Die kommenden Tage sollten Klärung bringen. Nachdem sich Denethor zufrieden über das Verständnis seines Sohnes verabschiedet hatte, verließ auch Boromir sein Quartier für einige Zeit. Er lief zu den Hügeln, die er so gern beobachtete.
Auch Gwyneth war unterwegs. Eben war ein Bote eingetroffen, der Nachricht von Faramir brachte. Schon morgen Abend würden die Krieger siegreich zurückkehren. Diese Neuigkeit wollte sie Boromir übermitteln, der die letzten Tage in Unruhe über den Stand der Schlacht verbracht hatte. Mit einer Melodie auf den Lippen lief sie durch das hohe, feuchte Gras zu dem Ort, an dem sie ihren Patienten vermutete. Tatsächlich fand sie mit einem Bogen und Pfeilen auf eine Scheibe zielend und verstummte, um ihn nicht zu stören. Schmunzelnd beobachtete sie ihn eine Weile, bevor sie ihn unterbrach.
"Auch wenn Ihr Euch bereits wieder so stark wie ein Bär fühlt, solltet Ihr Euch noch nicht überanstrengen."
"Guten Abend, Gwyneth, sagte er, ohne sich umzudrehen und zu sehen, zu wem die Stimme gehörte. "Ich hatte Euch nicht erwartet," sprach er weiter und spannte die Sehne des Bogens erneut an.
"Und deshalb glaubtet Ihr wohl so einfach meine Anweisungen übergehen zu können?", fragte sie mit erhobenen Augenbraunen, während sie beständig auf ihn zulief.
"Nein, ich wollte nur sehen, wie gut ich beim Fest werde abschneiden können."
"Das solltet Ihr wohl, denn soeben erhielt ich Nachricht von Eurem Bruder. Faramir wird morgen zu dieser Stunde schon unter uns weilen. Wie Ihr wisst, ist er ein sehr guter Bogenschütze."
Boromir schritt auf die Scheibe zu und zog alle Pfeile wieder heraus.
"In der Tat, das ist er," antwortete er mit dem Rücken zu ihr gedreht.
Er stand nun neben ihr. Er bot ihr seinen Arm an und sie setzten sich in Bewegung. Sie schwiegen eine Weile und man hörte das Schleifen des Grases an ihren Beinen. In der Luft schwirrten Käfer und die Sonne war fast vollkommen hinter den Hügeln verschwunden. Gwyneth sprach zuerst wieder.
"Gerüchte von einer baldigen Hochzeit werden in der Stadt laut..."
"Mein Vater wünscht mich und möglichst auch Faramir mit den Töchtern von Aranel vermählt zu sehen."
"Morwen und Mellyanna?"
"Eben jene."
"Eine gute Wahl, was die ältere der Schwestern betrifft. Ihr kennt sie bereits?"
"Ich erinnere mich an eine Treffen mit Mellyanna. Doch damals waren wir noch halbe Kinder."
"Dann wisst Ihr sicherlich, dass sie von bezaubernder Schönheit und lieblichem Gemüt ist."
"Meiner Erinnerung verdanke ich dieses Wissen nicht, nur den Gerüchten."
"Dann glaubt mir. Ich bin sehr gut mit den Schwestern bekannt. Wir sind entfernt miteinander verwandt und standen uns einst sehr nah... Bis meine Eltern starben. Doch auch heute noch sehe ich sie zuweilen."
Während des Gesprächs blickte Gwyneth auf die Blumen, Boromirs Blick war auf die Hügel, die sich nun zu seiner linken befanden, gerichtet.
"Und was ist mit Morwen?", fragte er sie nun.
"Morwen - sie ist von gleicher Schönheit, doch die Lieblichkeit scheint vollkommen von Mellyanna Besitz genommen zu haben. Ich glaube nicht, dass Faramir den Bund mit ihr eingehen wird."
"Warum nicht?", fragte er, obwohl er die Frage für sich schon beantwortete. `Weil er Euch liebt, Gwyneth.', doch das sprach er nicht aus.
"Er wird eine andere wählen," antwortete sie mit einem Lächeln. "Es steht bereits in den Sternen. Und diese Wahl wird glücklicher sein."
Wieder Schweigen. Gwyneth überlegte, was sie als nächstes sagen könnte, um die nun leicht unangenehme Stille zu überbrücken, doch Boromir kam ihr zuvor.
"Ich werde beim nächsten Mal wieder mit in die Schlacht ziehen."
Erschrocken blickte sie ihn an.
"Ihr... Ihr seid noch nicht vollkommen gesund und ..."
"Aber ich fühle mich so."
Gwyneth blieb stehen.
"Es gibt dort draußen schlimmere Dinge als einen Ork-Pfeil und das wisst ihr."
"Und genau deshalb muss ich wieder kämpfen. Ich kann nicht ruhig in Minas Tirith sitzen, während das Böse so nah ist!"
Wieder ruhiger, fast flüsternd sprach er seine nächsten Worte.
"Wenn es mir bestimmt ist, Kinder in diese Welt zu setzen, so wünsche ich mir, dass sie nicht in der ständigen Bedrohung des Schattens aus dem Osten aufwachsen."
Boromir nahm noch einen Schritt in Richtung Gwyneth und legte eine Hand auf ihre Wange, ihren Blick mit dem seinen festhaltend.
"Ich danke Euch für meine Heilung. Ich bezweifle, dass Ich ohne Euch noch am Leben sein würde. Aber gebt mir nun eine Chance, Euch vor den Schrecken von Mordor zu bewahren."
Gwyneth seufzte fast unmerklich.
"Dann versprecht mir wenigstens, dass Ihr diesmal besser auf Euch acht geben werdet."
"Das werde ich. Zumal ich beim nächsten Mal wohl eine mir Versprochene zurücklasse."
"Richtig. Und was wäre die zukünftige Gemahlin des baldigen Truchsess von Gondor ohne letzteren?"
"In der Tat unvorstellbar."
So trennten sie sich und sollten sich erst beim Fest wiedersehen.
Mit der Rückkehr Faramirs zog auch Boromir zurück in seine eigentlichen Gemächer, denn sein Aufenthalt in den Häusern der Heilung hatte sich seinem Ende genähert. Der jüngere Bruder war erleichtert über die Genesung des älteren. Schlimmes hatte er befürchtet, doch sah er nun, dass Gwyneth' Heilkünste wahre Wunder bewirken konnten und sein Herz war froh.
~*~*~*~*~*~*~
Und so kam der Tag des erneuten Festes. Es war noch recht hell, als sich die Gäste und Bewohner von Minas Tirith auf einer Lichtung einfanden, um dem Wettbewerb der Bogenschützen zuzusehen. Unter den vielen Schützen befand sich jedoch nur eine einzige Frau, die unter den Zuschauern viel Aufsehen erregte. Die Wettstreiter standen in einem Halbkreis rund um den Feldmarschall Rubeus, der letzte Anweisungen gab.
"Da wir am heutigen Tage unter uns nur ein zarteres Wesen begrüßen können," sagte der Alte mit einem Lächeln an die einzige Teilnehmerin gewandt, "werdet Ihr im gemeinsamen Wettkampf mit den Herren antreten. Doch solltet Ihr," er wandte sich an die Herren, " die Kraft von Gwyneth nicht unterschätzen. Sie hat schon einige starke Männer in Duellen bezwingen können. Und nun: Auf einen fairen Wettstreit!"
Während sich die Bogenschützen zu ihren Plätzen begaben, ruhten die Augen des ältesten Sohnes des Truchsess auf Gwyneth, die sich noch in einem heiteren Gespräch mit dem jüngeren befand. Boromir musste unweigerlich schmunzeln.
`Nicht nur Faramir wird sich heute also als hartnäckiger Gegner erweisen,' dachte er bei sich und erinnerte sich mit einem Schmunzeln an die vergangenen Duelle. Sein Blick schweifte über das Publikum. Dort, in der Ehrenloge, saßen neben seinem Vater Denethor, der Herzog Aranel, sowie seine Töchter Mellyanna und Morwen. Gwyneth hatte Recht behalten: die beiden Schwestern waren wirklich schön. Boromir hoffte inständig, mit der Zeit ein stärkeres Gefühl für Mellyanna entwickeln zu können, denn ohne Liebe, so hatte er sich einst geschworen, wollte er sich keine Frau nehmen. Mellyanna lächelte ihm zu und er neigte sein Haupt, bevor er sich noch einmal tief durchatmend zur ersten Aufgabe begab.
Die Schützen standen nebeneinander und warteten auf den Startschuss. Als Rubeus das Zeichen gab, spannte einer nach dem anderen den Bogen und schickte den Pfeil in Richtung der winzigen, jedoch nicht zu weit entfernten Scheiben. Nur die Hälfte der Schützen schaffte es jedoch, die Mitte der Kreise zu treffen und kam in die nächste Runde. Unter ihnen waren Faramir, Gwyneth und Boromir. Das Publikum applaudierte. Gwyneth nutze diese kleine Unterbrechung, um die Ehrenloge nach Mellyanna abzusuchen, die sie noch nicht hatte begrüßen können. Sie lächelte ihr zu und bekam eine ebenso freundliche Begrüßung zurück. Allerdings bemerkte sie auch Morwens unbeteiligte Miene, die sich nie zu ändern schien. Gwyneth wandte sich wieder dem Geschehen des Wettbewerbs zu.
Für die zweite Runde wurden die Zielscheiben noch um einiges von den Schützen entfernt. Auch das stellte für die drei erwähnten Wettstreiter, sowie drei andere keine Hürde dar. Wieder spendete ihnen das Publikum anerkennenden Beifall.
Die dritte Aufgabe schließlich stellte die Bogenschützen vor die Aufgabe, eine große Scheibe zu treffen, die an Seilen geschwind hoch und wieder runter gezogen wurde. Einige Pfeile gingen vorbei, Faramir traf einen der äußeren Ringe, doch die Pfeile von Boromir und Gwyneth trafen exakt den selben Punkt, ganz nah an der Mitte. Es sollte ein Stechen geben.
Faramir lächelte beiden zu, bevor er sich im Rund umsah. Alle blickten gespannt auf die beiden letzten Wettstreiter. Rubeus unterhielt sich mit einem der anderen älteren Männer und kam schließlich auf Boromir und Gwyneth zu.
"Ich werde einen Apfel in die Luft werfen. Wenn er den höchsten Punkt erreicht hat und gerade wieder beginnt, der Erde entgegen zu fallen, soll jeder von Euch auf die Frucht zielen. Wer ihn am weitesten im Innern trifft, wird zum Sieger ernannt. Seid Ihr einverstanden?"
Die beiden sahen sich an und nickten. Sie gingen auf den Punkt zu, von dem aus sie zielen sollten und konzentrierten sich auf Rubeus' Bewegungen. Es war so still, man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Rubeus holte aus und warf den Apfel so hoch er konnte. Er stieg in die Lüfte, höher und höher und kaum, dass er wieder nach unten fiel, trafen ihn zwei Pfeile. Die beiden Schützen und Rubeus gingen auf den Apfel zu, blickten sich gespannt an und hielten die Frucht in die Luft, so dass sie von jedem gesehen werden konnte. Boromirs Pfeil hatte den Apfel seitlich getroffen, doch Gwyneth' durchbohrte ihn genau in der Mitte. Das Publikum brach in Begeisterungsstürme aus und Boromir verneigte sich anerkennend vor der Siegerin. Diese strahlte und war gar ein wenig überrascht von ihrem Triumph. Faramir war gleich zur Stelle, nahm ihre Hand und geleitete sie zur Ehrenloge, wo Denethor die Siegerehrung vornehmen würde. Der ältere Bruder folgte ihnen in etwas Entfernung.
Als sie beim Truchsess und seinen Gästen ankamen, verneigten sich die Herren, während Gwyneth und die anderen beiden Damen einen Knicks vollführten. Denethor überreichte der Siegerin einen Kranz aus Zweigen als Kopfschmuck und einen speziell angefertigten Bogen aus ganz besonderem Holz. Nach dieser offiziellen Beglückwünschung wandte sich Denethor seinen Söhnen zu, doch die Lady Mellyanna schritt auf Gwyneth zu. Letztere fand sich noch immer entzückt von der Schönheit der anderen: ihren blonden Locken, dem zarten Gesicht und der zierlichen Gestalt. Doch ihre Augen... Sie wirkten müde, fast bekümmert. Doch all dies wusste Mellyanna mit einem gekonnten Lächeln zu überspielen.
"Wie schön Euch zu sehen, Gwyneth. Es sind viele Jahre seit unserem letzten Treffen vergangen."
Dem folgte eine herzliche Umarmung, die nicht unbeobachtet blieb.
"Ich freue mich ebenso, Mellyanna. Unsere Wege kreuzen sich wahrlich nicht mehr so oft, wie sie es einst taten."
"Vielleicht lässt sich das aber in Zukunft ändern..."
Gwyneth lächelte und nickte, konnte jedoch nichts mehr sagen, weil sich Aranel, Mellyannas Vater an sie wandte.
"Komm Mellyanna, wir werden im weißen Turm zum Essen erwartet."
Mit diesen Worten wandte er sich um, ohne auch nur ein Wort an Gwyneth zu verschwenden. Boromir kam auf die beiden zu, um Mellyanna zum weißen Turm zu geleiten, wie es von ihm erwartet wurde. Das Mädchen lächelte zu ihm auf und nahm seinen Arm, während sie sich noch einmal an Gwyneth wandte.
"Wir sehen uns doch heute Abend?"
"Sicher," bejahte sie diese Frage und nickte.
Die Gesellschaft aus dem Truchsess und seinen Söhnen, sowie Aranel und seinen Töchtern setzte sich in Bewegung; die beiden älteren Herren im Gespräch, gefolgt von Faramir, der die schwarzhaarige Morwen geleitete und Boromir, der mit Mellyanna den Schluss bildete.
Gwyneth, die Siegerin des Bogenschießens, blickte ihnen nach und fühlte sich allein. Niemand würde sie zu Hause erwarten, denn ihre Tante war mit den Vorbereitungen für das Fest beschäftigt. Niemandem würde sie von ihrem Sieg erzählen können. Gwyneth ging auf ihr Quartier zu, allein, schweigend und ohne das Wissen, von zwei Paar Augen beobachtet zu werden: das eine traurig und voller Sorgen, das andere unsicher ob bestimmter Gefühle und voller Zweifel über sich selbst. Wie sehr hätte sie ihren eigenen Gemütszustand in ihnen wiedererkannt...
...Fortsetzung folgt
© 2002 Galenturiel
PS Falls ihr wissen wollt, welches Bild mich immer wieder inspiriert (*g*):
http://www.herr-der-ringe-film.de/hdr/media/neuenews/hiddenvideo17.jpg
@Chrisi: Leider habe ich "Ritter aus Leidenschaft" noch nicht gesehen:-( Aber ich werde mir Eure Geschichte trotzdem durchlesen.:-)
@Anders: It doesn't matter in which language you review as long as the reviews are that nice:-)
Es tut mir leid, dass ich diesmal so lange gebraucht habe, aber dafür ist das neue Kapitel doppelt so lang wie die vorherigen. Viel Spaß:-)
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Stolz und Vorurteil, Kapitel 5: Ein neuer Wettstreit
Die folgenden Tage verliefen nicht anders als die vergangenen. Gwyneth war hauptsächlich damit beschäftigt, Boromir bei seiner Gesundung behilflich zu sein, während sich sein Vater mit der Aufgabe begnügte, ihn sowohl für die nächsten Kämpfe als auch für eine erwünschenswerte Hochzeit mit einer der Töchter eines benachbarten Herzogs einzustimmen. Ioreth, die um die Gesundheit des jungen Mannes besorgt war und die Art der Besuche des Vaters aus Gwyneth' Erzählungen kannte, bat den alten Statthalter möglichst nur einmal täglich zu kommen. Diesen Wunsch begründete sie mit Notwendigkeit, sich möglichst strikt an einen Plan zu halten, um die Genesung zu beschleunigen. So kam es, dass der Vater wahrhaftig nur einmal täglich zu Besuch kam. Um so heftiger fielen allerdings auch seine Ansprachen an seinen Sohn aus.
"Mein Sohn, einst wirst Du mein Nachfolger sein und dann wirst auch Du einen Nachfolger brauchen. Woher soll Dein Erbe kommen, wenn nicht von Deinen eigenen Kindern?"
Boromir unterbrach seinen Vater nicht und starrte unentwegt auf die grünen Hügel auf der Westseite Minas Tiriths, hinter denen bald die Sonne verschwinden würde. Denethor fuhr in seiner Rede fort.
"In drei Tagen werde ich ein großes Fest geben. Mein alter Freund Aranel, einer der ehrbarsten Männer Gondors und ein starker Feldherr, wird auch zugegen sein und mit ihm seine Töchter Mellyanna und Morwen...."
Denethor ließ seine Gedanken in der Luft hängen. Boromir begriff sicher seine Absichten. Schon lange wünschte er, seine Söhne mit den Töchtern seines mächtigen Nachbars und Freundes vermählt zu sehen. Der Bund der Ehe würde das Bündnis gegen Mordor stärken.
Boromir schwieg und blickte immer noch aus dem Fenster des Zimmers, in dem er die letzten Wochen verbracht hatte. Langsam wandte er sich um, sah seinem Vater direkt in die Augen und nickte. Natürlich wusste Boromir, was von ihm erwartet wurde. War er aber im Stande diese Erwartungen zu erfüllen? Die kommenden Tage sollten Klärung bringen. Nachdem sich Denethor zufrieden über das Verständnis seines Sohnes verabschiedet hatte, verließ auch Boromir sein Quartier für einige Zeit. Er lief zu den Hügeln, die er so gern beobachtete.
Auch Gwyneth war unterwegs. Eben war ein Bote eingetroffen, der Nachricht von Faramir brachte. Schon morgen Abend würden die Krieger siegreich zurückkehren. Diese Neuigkeit wollte sie Boromir übermitteln, der die letzten Tage in Unruhe über den Stand der Schlacht verbracht hatte. Mit einer Melodie auf den Lippen lief sie durch das hohe, feuchte Gras zu dem Ort, an dem sie ihren Patienten vermutete. Tatsächlich fand sie mit einem Bogen und Pfeilen auf eine Scheibe zielend und verstummte, um ihn nicht zu stören. Schmunzelnd beobachtete sie ihn eine Weile, bevor sie ihn unterbrach.
"Auch wenn Ihr Euch bereits wieder so stark wie ein Bär fühlt, solltet Ihr Euch noch nicht überanstrengen."
"Guten Abend, Gwyneth, sagte er, ohne sich umzudrehen und zu sehen, zu wem die Stimme gehörte. "Ich hatte Euch nicht erwartet," sprach er weiter und spannte die Sehne des Bogens erneut an.
"Und deshalb glaubtet Ihr wohl so einfach meine Anweisungen übergehen zu können?", fragte sie mit erhobenen Augenbraunen, während sie beständig auf ihn zulief.
"Nein, ich wollte nur sehen, wie gut ich beim Fest werde abschneiden können."
"Das solltet Ihr wohl, denn soeben erhielt ich Nachricht von Eurem Bruder. Faramir wird morgen zu dieser Stunde schon unter uns weilen. Wie Ihr wisst, ist er ein sehr guter Bogenschütze."
Boromir schritt auf die Scheibe zu und zog alle Pfeile wieder heraus.
"In der Tat, das ist er," antwortete er mit dem Rücken zu ihr gedreht.
Er stand nun neben ihr. Er bot ihr seinen Arm an und sie setzten sich in Bewegung. Sie schwiegen eine Weile und man hörte das Schleifen des Grases an ihren Beinen. In der Luft schwirrten Käfer und die Sonne war fast vollkommen hinter den Hügeln verschwunden. Gwyneth sprach zuerst wieder.
"Gerüchte von einer baldigen Hochzeit werden in der Stadt laut..."
"Mein Vater wünscht mich und möglichst auch Faramir mit den Töchtern von Aranel vermählt zu sehen."
"Morwen und Mellyanna?"
"Eben jene."
"Eine gute Wahl, was die ältere der Schwestern betrifft. Ihr kennt sie bereits?"
"Ich erinnere mich an eine Treffen mit Mellyanna. Doch damals waren wir noch halbe Kinder."
"Dann wisst Ihr sicherlich, dass sie von bezaubernder Schönheit und lieblichem Gemüt ist."
"Meiner Erinnerung verdanke ich dieses Wissen nicht, nur den Gerüchten."
"Dann glaubt mir. Ich bin sehr gut mit den Schwestern bekannt. Wir sind entfernt miteinander verwandt und standen uns einst sehr nah... Bis meine Eltern starben. Doch auch heute noch sehe ich sie zuweilen."
Während des Gesprächs blickte Gwyneth auf die Blumen, Boromirs Blick war auf die Hügel, die sich nun zu seiner linken befanden, gerichtet.
"Und was ist mit Morwen?", fragte er sie nun.
"Morwen - sie ist von gleicher Schönheit, doch die Lieblichkeit scheint vollkommen von Mellyanna Besitz genommen zu haben. Ich glaube nicht, dass Faramir den Bund mit ihr eingehen wird."
"Warum nicht?", fragte er, obwohl er die Frage für sich schon beantwortete. `Weil er Euch liebt, Gwyneth.', doch das sprach er nicht aus.
"Er wird eine andere wählen," antwortete sie mit einem Lächeln. "Es steht bereits in den Sternen. Und diese Wahl wird glücklicher sein."
Wieder Schweigen. Gwyneth überlegte, was sie als nächstes sagen könnte, um die nun leicht unangenehme Stille zu überbrücken, doch Boromir kam ihr zuvor.
"Ich werde beim nächsten Mal wieder mit in die Schlacht ziehen."
Erschrocken blickte sie ihn an.
"Ihr... Ihr seid noch nicht vollkommen gesund und ..."
"Aber ich fühle mich so."
Gwyneth blieb stehen.
"Es gibt dort draußen schlimmere Dinge als einen Ork-Pfeil und das wisst ihr."
"Und genau deshalb muss ich wieder kämpfen. Ich kann nicht ruhig in Minas Tirith sitzen, während das Böse so nah ist!"
Wieder ruhiger, fast flüsternd sprach er seine nächsten Worte.
"Wenn es mir bestimmt ist, Kinder in diese Welt zu setzen, so wünsche ich mir, dass sie nicht in der ständigen Bedrohung des Schattens aus dem Osten aufwachsen."
Boromir nahm noch einen Schritt in Richtung Gwyneth und legte eine Hand auf ihre Wange, ihren Blick mit dem seinen festhaltend.
"Ich danke Euch für meine Heilung. Ich bezweifle, dass Ich ohne Euch noch am Leben sein würde. Aber gebt mir nun eine Chance, Euch vor den Schrecken von Mordor zu bewahren."
Gwyneth seufzte fast unmerklich.
"Dann versprecht mir wenigstens, dass Ihr diesmal besser auf Euch acht geben werdet."
"Das werde ich. Zumal ich beim nächsten Mal wohl eine mir Versprochene zurücklasse."
"Richtig. Und was wäre die zukünftige Gemahlin des baldigen Truchsess von Gondor ohne letzteren?"
"In der Tat unvorstellbar."
So trennten sie sich und sollten sich erst beim Fest wiedersehen.
Mit der Rückkehr Faramirs zog auch Boromir zurück in seine eigentlichen Gemächer, denn sein Aufenthalt in den Häusern der Heilung hatte sich seinem Ende genähert. Der jüngere Bruder war erleichtert über die Genesung des älteren. Schlimmes hatte er befürchtet, doch sah er nun, dass Gwyneth' Heilkünste wahre Wunder bewirken konnten und sein Herz war froh.
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Und so kam der Tag des erneuten Festes. Es war noch recht hell, als sich die Gäste und Bewohner von Minas Tirith auf einer Lichtung einfanden, um dem Wettbewerb der Bogenschützen zuzusehen. Unter den vielen Schützen befand sich jedoch nur eine einzige Frau, die unter den Zuschauern viel Aufsehen erregte. Die Wettstreiter standen in einem Halbkreis rund um den Feldmarschall Rubeus, der letzte Anweisungen gab.
"Da wir am heutigen Tage unter uns nur ein zarteres Wesen begrüßen können," sagte der Alte mit einem Lächeln an die einzige Teilnehmerin gewandt, "werdet Ihr im gemeinsamen Wettkampf mit den Herren antreten. Doch solltet Ihr," er wandte sich an die Herren, " die Kraft von Gwyneth nicht unterschätzen. Sie hat schon einige starke Männer in Duellen bezwingen können. Und nun: Auf einen fairen Wettstreit!"
Während sich die Bogenschützen zu ihren Plätzen begaben, ruhten die Augen des ältesten Sohnes des Truchsess auf Gwyneth, die sich noch in einem heiteren Gespräch mit dem jüngeren befand. Boromir musste unweigerlich schmunzeln.
`Nicht nur Faramir wird sich heute also als hartnäckiger Gegner erweisen,' dachte er bei sich und erinnerte sich mit einem Schmunzeln an die vergangenen Duelle. Sein Blick schweifte über das Publikum. Dort, in der Ehrenloge, saßen neben seinem Vater Denethor, der Herzog Aranel, sowie seine Töchter Mellyanna und Morwen. Gwyneth hatte Recht behalten: die beiden Schwestern waren wirklich schön. Boromir hoffte inständig, mit der Zeit ein stärkeres Gefühl für Mellyanna entwickeln zu können, denn ohne Liebe, so hatte er sich einst geschworen, wollte er sich keine Frau nehmen. Mellyanna lächelte ihm zu und er neigte sein Haupt, bevor er sich noch einmal tief durchatmend zur ersten Aufgabe begab.
Die Schützen standen nebeneinander und warteten auf den Startschuss. Als Rubeus das Zeichen gab, spannte einer nach dem anderen den Bogen und schickte den Pfeil in Richtung der winzigen, jedoch nicht zu weit entfernten Scheiben. Nur die Hälfte der Schützen schaffte es jedoch, die Mitte der Kreise zu treffen und kam in die nächste Runde. Unter ihnen waren Faramir, Gwyneth und Boromir. Das Publikum applaudierte. Gwyneth nutze diese kleine Unterbrechung, um die Ehrenloge nach Mellyanna abzusuchen, die sie noch nicht hatte begrüßen können. Sie lächelte ihr zu und bekam eine ebenso freundliche Begrüßung zurück. Allerdings bemerkte sie auch Morwens unbeteiligte Miene, die sich nie zu ändern schien. Gwyneth wandte sich wieder dem Geschehen des Wettbewerbs zu.
Für die zweite Runde wurden die Zielscheiben noch um einiges von den Schützen entfernt. Auch das stellte für die drei erwähnten Wettstreiter, sowie drei andere keine Hürde dar. Wieder spendete ihnen das Publikum anerkennenden Beifall.
Die dritte Aufgabe schließlich stellte die Bogenschützen vor die Aufgabe, eine große Scheibe zu treffen, die an Seilen geschwind hoch und wieder runter gezogen wurde. Einige Pfeile gingen vorbei, Faramir traf einen der äußeren Ringe, doch die Pfeile von Boromir und Gwyneth trafen exakt den selben Punkt, ganz nah an der Mitte. Es sollte ein Stechen geben.
Faramir lächelte beiden zu, bevor er sich im Rund umsah. Alle blickten gespannt auf die beiden letzten Wettstreiter. Rubeus unterhielt sich mit einem der anderen älteren Männer und kam schließlich auf Boromir und Gwyneth zu.
"Ich werde einen Apfel in die Luft werfen. Wenn er den höchsten Punkt erreicht hat und gerade wieder beginnt, der Erde entgegen zu fallen, soll jeder von Euch auf die Frucht zielen. Wer ihn am weitesten im Innern trifft, wird zum Sieger ernannt. Seid Ihr einverstanden?"
Die beiden sahen sich an und nickten. Sie gingen auf den Punkt zu, von dem aus sie zielen sollten und konzentrierten sich auf Rubeus' Bewegungen. Es war so still, man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Rubeus holte aus und warf den Apfel so hoch er konnte. Er stieg in die Lüfte, höher und höher und kaum, dass er wieder nach unten fiel, trafen ihn zwei Pfeile. Die beiden Schützen und Rubeus gingen auf den Apfel zu, blickten sich gespannt an und hielten die Frucht in die Luft, so dass sie von jedem gesehen werden konnte. Boromirs Pfeil hatte den Apfel seitlich getroffen, doch Gwyneth' durchbohrte ihn genau in der Mitte. Das Publikum brach in Begeisterungsstürme aus und Boromir verneigte sich anerkennend vor der Siegerin. Diese strahlte und war gar ein wenig überrascht von ihrem Triumph. Faramir war gleich zur Stelle, nahm ihre Hand und geleitete sie zur Ehrenloge, wo Denethor die Siegerehrung vornehmen würde. Der ältere Bruder folgte ihnen in etwas Entfernung.
Als sie beim Truchsess und seinen Gästen ankamen, verneigten sich die Herren, während Gwyneth und die anderen beiden Damen einen Knicks vollführten. Denethor überreichte der Siegerin einen Kranz aus Zweigen als Kopfschmuck und einen speziell angefertigten Bogen aus ganz besonderem Holz. Nach dieser offiziellen Beglückwünschung wandte sich Denethor seinen Söhnen zu, doch die Lady Mellyanna schritt auf Gwyneth zu. Letztere fand sich noch immer entzückt von der Schönheit der anderen: ihren blonden Locken, dem zarten Gesicht und der zierlichen Gestalt. Doch ihre Augen... Sie wirkten müde, fast bekümmert. Doch all dies wusste Mellyanna mit einem gekonnten Lächeln zu überspielen.
"Wie schön Euch zu sehen, Gwyneth. Es sind viele Jahre seit unserem letzten Treffen vergangen."
Dem folgte eine herzliche Umarmung, die nicht unbeobachtet blieb.
"Ich freue mich ebenso, Mellyanna. Unsere Wege kreuzen sich wahrlich nicht mehr so oft, wie sie es einst taten."
"Vielleicht lässt sich das aber in Zukunft ändern..."
Gwyneth lächelte und nickte, konnte jedoch nichts mehr sagen, weil sich Aranel, Mellyannas Vater an sie wandte.
"Komm Mellyanna, wir werden im weißen Turm zum Essen erwartet."
Mit diesen Worten wandte er sich um, ohne auch nur ein Wort an Gwyneth zu verschwenden. Boromir kam auf die beiden zu, um Mellyanna zum weißen Turm zu geleiten, wie es von ihm erwartet wurde. Das Mädchen lächelte zu ihm auf und nahm seinen Arm, während sie sich noch einmal an Gwyneth wandte.
"Wir sehen uns doch heute Abend?"
"Sicher," bejahte sie diese Frage und nickte.
Die Gesellschaft aus dem Truchsess und seinen Söhnen, sowie Aranel und seinen Töchtern setzte sich in Bewegung; die beiden älteren Herren im Gespräch, gefolgt von Faramir, der die schwarzhaarige Morwen geleitete und Boromir, der mit Mellyanna den Schluss bildete.
Gwyneth, die Siegerin des Bogenschießens, blickte ihnen nach und fühlte sich allein. Niemand würde sie zu Hause erwarten, denn ihre Tante war mit den Vorbereitungen für das Fest beschäftigt. Niemandem würde sie von ihrem Sieg erzählen können. Gwyneth ging auf ihr Quartier zu, allein, schweigend und ohne das Wissen, von zwei Paar Augen beobachtet zu werden: das eine traurig und voller Sorgen, das andere unsicher ob bestimmter Gefühle und voller Zweifel über sich selbst. Wie sehr hätte sie ihren eigenen Gemütszustand in ihnen wiedererkannt...
...Fortsetzung folgt
© 2002 Galenturiel
PS Falls ihr wissen wollt, welches Bild mich immer wieder inspiriert (*g*):
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