A/N: Vielen, vielen Dank für alle Reviews:-) Ich bin ganz gerührt *g* Ich hoffe, dass Euch auch das neue Kapitel gefällt.

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Stolz & Vorurteil, Kapitel 7: Und der Vorhang der Geheimnisse hebt sich...

Der nächste Morgen kam mit strahlendem Sonnenschein und mindestens einer frühen Aufsteherin. Mellyanna schlich sich schon sehr früh ohne Frühstück aus ihren Gemächern und machte sich auf den Weg zu dem Haus, dass von Gwyneth und ihrer Tante bewohnt wurde. Mehrmals drehte sie sich um, um sich zu vergewissern, nicht in das Sichtfeld neugieriger Augen zu fallen. Gwyneth hingegen scherte sich nicht um Blicke auf ihrem Weg zu den Häusern der Heilung. Ihre Gedanken verblieben konstant bei den Ereignissen der letzten Nacht. Sie dachte an den Tanz, an das Gefühl, seine Hände in ihren zu spüren, an die Blicke, an... Den Kuss. Seine Lippen. Seine Umarmung. Der Blick seiner Augen, als sie sich verabschiedete. So in ihren Gedanken verloren bemerkte sie nicht, dass Mellyanna direkt auf sie zu kam und wäre beinahe mit ihr zusammengestoßen, hätte die andere nicht besser acht gegeben. "Mellyanna!" "Gwyneth," antwortete diese ruhiger und mit einem Lächeln, "ich war gerade auf dem Weg zu Dir. Ich möchte mit Dir reden - kannst Du ein paar Minuten für mich erübrigen?" "J... ja. Ich bin auf dem Weg zu den Häusern der Heilung. Wenn Ihr nichts dagegen habt, können wir beim Laufen reden." "Gern, die frische Luft wird mir gut tun. Aber lass die förmliche Anrede, Gwyn, wir kennen uns zu lange und zu gut dafür." Gwyneth lächelte nun auch. "Du hast recht." Sie liefen eine Weile schweigend neben einander her. Die eine sagte nichts, weil sie sich für ihre schönen Erinnerungen an den gestrigen Abend schuldig fühlte und die andere sprach nicht, weil sie noch nach den passenden Formulierungen suchte. Letztlich entschied sie sich dafür, so direkt wie möglich danach zu fragen, wonach es ihr eine Antwort verlangt. Mellyanna holte tief Luft und begann zu sprechen. "Was genau verbindet Dich und Boromir?" Die Frage war deutlich, doch Gwyneth glaubte, nicht richtig verstanden zu haben. Ihre Augen weiteten sich und sie schluckte. "Nichts," brachte sie zunächst hervor. "Wir hatten einige Auseinadersetzungen in den letzten Jahren. Als er verletzt aus der letzten Schlacht heimkehrte, habe ich mich um ihn gekümmert. Aber abgesehen davon haben wir rein gar nichts miteinander zu tun." Gwyneth blickte verzweifelt nach unten und spürte, wie ihr das Blut in den Kopf stieg. "Gwyn, ich habe Euch, seit ich hier ankam, beobachtet. Ich habe die Blicke gesehen, die er Dir schenkt. Ich hab Euch tanzen gesehen. Ich habe auch Euren Kuss gesehen." Wieder blickte Gwyneth sie erschrocken an. Mellyanna erklärte weiter. "Ich konnte nicht schlafen und wollte schon gestern mit Dir reden, aber Boromir kam mir zuvor." Sie lächelte. Gwyneth verstand nicht. Mellyanna ergriff Gwyns Hände. "Gwyn, es macht mir nichts aus. Im Gegenteil, ich freue mich für Dich und ihn." "Aber... Das was gestern zwischen mir und Herrn Boromir passierte, war ein Fehler. Er soll Dich zur Frau nehmen. Alles ist arrangiert. Wie kannst Du ..." "Das ist einfach. Mein Herz gehört einem anderen." Mellyannas Blick verfinsterte sich. "Wir haben viele schöne Stunden miteinander verbracht. Er bat mich auch, den Bund mit ihm einzugehen. Vater weiß und akzeptiert es.... Aber er will die Vermählung mit Boromir, denn mein Liebster ist seit drei Monaten nicht vom Schlachtfeld zurück gekehrt... Ich spüre es - er ist tot." Gwyneth ging ihrem Impuls nach, Mellyanna in die Arme zu nehmen. "Das ist es also..." "Ich dachte mir schon, dass Du es früher oder später bemerken würdest."

"Oh, Mel, es tut mir so leid." "Nein, das braucht es nicht. Ich habe die Liebe erfahren. Du darfst sie Dir nicht nehmen lassen!" "Boromir wird heute auch anders über... den Kuss denken. Er wird den Fehler eingesehen haben. Boromir befolgt die Wünsche seines Vaters und Denethor wünscht die Vermählung seiner Söhne mit den Töchtern des Hauses von Aranel." "Du bist aus dem gleichen Haus, Gwyn." "Du weißt, dass das schon lange nicht mehr der Fall ist..." "Mein Vater wird über seine Fehler der Vergangenheit hinwegkommen. Es ist verrückt, die Familie Deines Vaters für den Tod von ihm und Deiner Mutter verantwortlich zu machen. Anstatt Dich zu verstoßen, hätte er für die Tochter seiner Schwester sorgen müssen." Mellyanna war nun aufgebracht. Sie konnte ihrem Vater in dieser Hinsicht nicht so schnell verzeihen, wie es Gwyneth offenbar getan hatte. "Mel, ich bin glücklich, so wie es jetzt ist. Ich will nicht mehr Prinzessin sein. Ich kann es nicht mehr sein." Gwyneth seufzte schwer und zwang sich zu einem Lächeln. "Lass uns besser von etwas anderem reden. Wie geht es Morwen? Ich hatte noch nicht das Vergnügen, Deine kleine Schwester zu begrüßen." "Sie ist nicht von der Idee begeistert, Faramir zu heiraten - so gut sie sich auch verstehen. Aber auch Morwen hat ihr Herz schon einem anderen geschenkt."

"Wem? Melkor persönlich?" Mellyanna konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. "Nein, unsere Kleine hat sich einen aus Faramirs Gefolgschaft erwählt. Da sie ihren Willen bekanntlich durchsetzt, wird es wohl auch hier nichts mit dem Bund zwischen den beiden Häusern." Mittlerweile waren sie an den Häusern der Heilung angekommen. "Gwyn, überleg Dir gut, was Du willst..." "Das werde ich - aber ich glaube nicht, dass Boromir irgend etwas damit zu tun haben wird." Damit verschwand Gwyneth in den Häusern. "Wir werden sehen, Gwyneth, wir werden sehen...," sagte Mellyanna leise lächelnd.

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Auf einem anderen Weg ging Boromir der Sonne entgegen in Richtung Osten - zum Haus von seinem treuen Feldmarschall Rubeus. Seit Tagen hatte ihn die Frage gequält, inwiefern Gwyneth mit den Töchtern von Aranel verwandt war. Was kümmerte ihn das überhaupt? Gwyneth... die selbst gestern gesagt hatte, es dürfe nicht sein. Was darf nicht sein? Liebe? Boromir war von seinen eigenen Gedanken überrascht. Liebe. In der Tat, es war Liebe! Zum Verzweifeln bestimmte Liebe, denn er würde in wenigen Tagen Mellyanna um ihre Hand bitten müssen, wie es die Väter wünschten. Boromir stimmte mit Gwyneth, was Mellyannas Qualitäten betraf, überein: sie war schön und lieblich wie der Morgen. Doch es fehlte etwas. Liebe. Wenn er aber heiraten wollte, musste Liebe sehr wohl vorhanden sein. 'Nun, wir werden sehen, was sich in dieser Hinsicht tun lässt,' dachte er, während er an die Tür des Hauses von Rubeus klopfte. Der grauhaarige Mann öffnete die Tür und schien sich über den frühen Besucher zu freuen. "Boromir! Kommt rein," bat er ihn hinein und führte ihn in einen vom Sonnenlicht durchfluteten Raum. "Ioreth hat gerade Pfannkuchen gemacht und von denen müsst ihr einen Happen nehmen, wenn ihr wirklich wieder zu Kräften kommen wollt." Rubeus strahlte über das ganze Gesicht, als er Boromir verhieß, einen Platz zu nehmen. "Nichts geht natürlich über Gwyneth' Heilkünste, doch auch mein Weib hat so ihre Geheimnisse." Boromir spürte, wie er bei der bloßen Erwähnung von Gwyneth errötete und blickte auf seinen Teller. "Doch nun sagt, was führt Euch zu so früher Stunde hierher?" Boromir überlegte, wie er es am besten ausdrücken könnte, doch ihm fiel noch nichts ein und so begann er vom gestrigen Abend zu erzählen. "Das Fest war wirklich sehr schön. Aranels Töchter werden den Komplimenten, die ihnen voraus eilen, gerecht." Rubeus lächelte noch immer. "Tja ja....," schmunzelte er. "Aber hat Euch Mellyanna nicht schon recht früh allein gelassen?" "Ja." "Aber immerhin war Gwyneth diesmal bereit, mit Euch zu tanzen." Boromir bejahte auch dies, bevor er mit seiner Frage förmlich herausplatzte. "Inwiefern ist Gwyneth mit den Töchtern von Aranel verwandt, Rubeus? Wenn ich mich recht entsinne, so ward ihr schon früher mit Gwyneth' Familie bekannt... Nicht, dass es von Bedeutung wäre.." "Aber es interessiert Euch," unterbrach Rubeus den Redeschwall. Boromir blickte ihn an. "Ja," ließ er sich wieder vernehmen. Rubeus kratzte sich nachdenklich am Kopf. "Das ist eine sehr lange Geschichte. Aber vor allem ist sie den meisten unbekannt, denn außer mir und Ioreth verdrängten es viele, die es wussten." Der Feldmarschall machte eine Pause, bevor er weitersprach. "Gwyneth' Mutter, Melian, war wie ihr Bruder Aranel eine Halbelbe. Die Familie gehörte zu den größten Herrschen in Gondor. Von so hohem Rang hätte Melian ebenfalls einen Herzog heiraten sollen, doch als sie durch einen Zufall nach Minas Tirith kam, verliebte sie sich in Curufin - meinen sehr guten, aber armen Freund - und er sich in sie und schließlich gingen sie den Bund miteinander ein. Melians Eltern und Aranel waren zunächst erbost über die nicht standesgemäße Hochzeit, doch bald beruhigten sie sich. Aranel aber vermutete lange, dass Curufin sie nur geheiratet hätte, um so ein angenehmeres Leben führen zu können. Er stand dem Gatten seiner Schwester immer misstrauisch gegenüber - und so konnte er auch für Melians Tochter nie besonders viel Liebe aufbringen. So sehr Melian ihren Bruder auch liebte, sie zog es vor, mit ihrem geliebten Mann und ihrer Tochter in Minas Tirith zu leben. Wie Ihr wisst, bewohnten die drei ein kleines Haus, das niemals verraten hätte, wie viel ihnen wirklich zustand. Als Melian und Curufin bei einem Ausritt von Orks getötet wurden, machte Aranel Curufin dafür verantwortlich. In der Folge verbannte er Gwyneth. Das Mädchen, das unter dem Tod ihrer Eltern sehr litt, lebte fortan unter dem Schutz von Curufins Schwester und uns." Rubeus blickte in das verwirrte Gesicht von Boromir. Dann beantwortete er die Frage, die dem jüngeren Mann im Gesicht zu stehen schien. "Gwyneth ist von gleichem Rang wie Aranels Töchter. Sie stammt aus dem gleichen Haus."

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Derweil war Mellyanna auf dem Weg zu ihrem Vater, der wohl gestimmt auf einer Terrasse stand und die Ländereien von Minas Tirith beobachtete. "Guten Morgen, Vater," begrüßte sie ihn und gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Guten Morgen meine liebe Mellyanna. Ich hoffe, du hast gut geschlafen? Immerhin wirst du in Zukunft mehr Nächte hier verbringen... Wenn auch nicht im gleichen Zimmer." Aranel lächelte seiner Tochter zu. "Darüber wollte ich gerade mit Dir reden, Vater." Mellyanna rieb nervös ihre Handflächen aneinander und überlegte, wie sie ihrem Vater mitteilen sollte, dass sie nicht im geringsten beabsichtigte, den zukünftigen Truchsess von Gondor zu ehelichen. "Ich KANN Boromir nicht heiraten." Als ihr Vater zu sprechen beginnen wollte, brachte sie ihn mit erhobener Hand zum Schweigen. "Lass mich bitte erst ausreden. Du wolltest nie, dass ich jemanden zum Manne habe, den ich nicht liebe und der mich genauso wenig liebt. Boromir mag tapfer, stark und gut sein, doch einem anderen gehört mein Herz..." Mellyanna blickte zum Boden, als ihr Vater hörbar seufzte. "Aber ER ist wohlmöglich tot," sagt er leise und verständig. "Die Hoffnung stirbt zuletzt. Bis ich keine Nachricht habe, die seinen Tod bestätigt, werde ich an seine Rückkehr glauben." Aranel strich seiner Tochter liebevoll über ihr seidiges Haar. "Was wird Boromir dazu sagen? Hast du schon mit ihm gesprochen?" "Das noch nicht, aber ich bin mir sicher, dass er nicht leiden wird." Jetzt schmunzelte sie wieder. "Ich habe ihn gestern beobachtet. Er ist offenbar ganz hingerissen von meiner lieben Cousine..." Doch sie konnte nicht aussprechen, wozu sie so eben angesetzt hatte, denn der noch eben gut gelaunte Aranel drehte sich wutentbrannt zum Geländer der Terrasse. "Gwyneth?! Er verschmäht meine Tochter wegen eines Mädchens, dass es nicht mehr verdient, überhaupt noch zu leben? Die Tochter eines Schufts, der meine geliebte Schwester in den Tod trieb? Hätte Melian damals nicht diesen Unwürdigen geheiratet, würde sie noch immer am Leben sein!" "Vater, das -" "Nun, er soll sie nicht haben. Es wird ihm unmöglich sein, jemanden ehelichen zu können, auf der soviel Schmach liegt." Mellyanna wollte ihren Vater erneut unterbrechen. "Aber du könntest deine Entscheidung zurück nehmen. Du könntest sie wieder in unserer Familie aufnehmen, wie es ihr zusteht." "Nein, Mellyanna, der Entschluss steht und ich werde ihn nicht zurück nehmen. Gwyneth gehört nicht länger zu unserer Familie. Das ist mein letztes Wort... Pack deine Sachen, wir fahren. Wenn du und Morwen sowieso nicht die Söhne von Denethor heiraten werdet, können wir genauso in unsere Festung zurückkehren."

So machten sie sich wenige Stunden später auf den Weg. Mellyanna hatte keine Möglichkeit mehr, sich von Gwyneth zu verabschieden und Morwen ließ den jungen Soldaten, dem sie ihr Herz geschenkt hatte, nur ungern zurück, doch Aranel war entschlossen zur Abreise. Gwyneth stand auf den Hügeln im Westen, als sie die Wagen sah, die Aranel, Mellyanna und Morwen zurück auf ihre Festung brachten.

...Fortsetzung folgt

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