Ich hoffe, ihr wisst noch, was zuletzt geschah. Wenn nicht, hier eine kleine Zusammenfassung: Boromir hat Gwyneth geküsst und sie ist geflüchtet. Trotzdem wird er nicht Mellyanna, die Tochter von Aranel, heiraten. Die beweint nämlich den Verlust ihres Geliebten, der vor einigen Monaten nicht aus einer Schlacht zurückkehrte. Außerdem wissen wir jetzt, dass Gwyneths Mutter Melian die Schwester von Aranel war und dieser seine Nichte seit dem tragischen Tod von Melian und Curufin nicht beachtet. Tja, alles schön tragisch, also könnte es ruhig mal wieder ein wenig Sonnenschein geben, bevor es zum ganz tragischen Ende kommt.
Galenturiel
Stolz & Vorurteil, Kapitel 8: Flaschenpost
Mit langen, kraftvollen Schritten stürmte Faramir einige Tage später die Flure entlang, die ihn zum Zimmer seines Bruders führten. In der Hand hielt er ein Stück vergilbtes Papier fest umschlossen. Nachdem er an der Türe zu den Gemächern des älteren Bruders angeklopft hatte und hinter ihr verschwunden war, verschloss sich eben jene auch wieder und verursachte bei nicht wenigen Bediensteten ein Staunen. Man wunderte sich über die plötzliche Eile, mit der wohl ein nächster Feldzug geplant wurde.
"Boromir, sieh, was ich heute Morgen gefunden habe!"
Boromir verließ seinen Platz am Fenster und ging zu Faramir, der ein Stück Papier auf dem schweren Holztisch ausbreitete. Was er dann sah, versetzte ihn in großes Erstaunen.
Nur wenige Stunden später sattelten die Stallburschen bereits die Pferde, mit denen die Jungen Herren von Gondor und eine kleinere Gruppe ihrer Gefolgsleute in Kürze losreiten würden. Alle hatten sich bereits auf dem runden Platz in der Mitte der Stadt versammelt. Es war nur noch eine Frage von Minuten, bis sich die Soldaten auf ihre edlen Schlachtrösser schwingen würden. Einige, vor allem die jüngeren, verlagerten nervös ihr Gewicht von einem Bein auf das andere, die übrigen verabschiedeten sich von ihren Lieben oder blickten sich schweigend in der Runde um.
Wie schon am Morgen fand Faramir seinen älteren Bruder in Gedanken verloren und nach irgend etwas Ausschau haltend. Er grinste zufrieden, bevor er den Befehl zum Besteigen der Pferde gab. Bei ihrer neuesten Aufgabe hatte er die Führung übernommen - zum einen, weil Boromir sich noch etwas geschwächt fühlte, zum anderen aber auch, weil er die Flasche mit der Botschaft gefunden hatte. Und dabei war dies purer Zufall gewesen. Er hatte sie vom Ufer des Sees gefischt und geöffnet. Enthalten war ein Hilferuf, geschrieben auf einem Stück Papier, dass das Siegel Aranels trug. Kein Absender war zu erkennen, nur der Ort der Gefangenschaft, unweit des Ephel Duath.
Die Krieger ritten zunächst südlich, um dann einen Weg weiter östlich einzuschlagen. Als die Nacht alles in ihren schwarzen Mantel hüllte, beschloss die Gemeinschaft aus Gondor Rast zu machen, bis die Sonne ihre ersten Strahlen am Morgen schicken würde. Sie zündeten kein Feuer an, um zu vermeiden, von Orks oder noch schlimmerem entdeckt zu werden. In Decken gehüllt saßen und lagen sie dicht bei einander. Viele schliefen bereits, als Boromir immer noch mit offenen Augen den großen, hellen Mond anblickte. Trotz ihn immer mehr übermannender Müdigkeit vermochte er nicht zu schlafen. Unruhig warf er sich von einer Seite auf die andere, was seinen Bruder aus einem leichten Schlaf erweckte. So konnte er noch sehen, wie sich Boromir auf einen Platz ein wenig abseits von der Gruppe begab, um dort ebenso unruhig wie zuvor den Mond zu betrachten. Faramir folgte ihm und nahm neben ihm, wohl unbemerkt, Platz.
"Boromir, was quält dich so sehr, dass du keinen Schlaf findest? Bereitet dir deine Wunde Schmerzen?", flüsterte Faramir.
"Ja. Die Wunde, die wird es wohl sein," antwortete Boromir nur knapp.
Da grinste Faramir, kramte kurz in seiner Tasche und gab dem Bruder dann ein winziges Fläschchen und einen Brief, bevor er wieder in sein Nachtlager verschwand.
Boromir drehte die Viole vorsichtig in seiner Hand und faltete den Brief
auseinander. Es war zwar dunkel, doch das Licht des Mondes war ihm im Moment
genug, um die wenigen Zeilen zu lesen, die dort mit feinerer Hand geschrieben
waren.
Wenn ihr das lest, seid Ihr trotz meinem Ratschlag
bereits wieder in den Kampf gegen fürchterliche
Unholde gezogen. Wohlwissend sende ich Euch diese
Viole, die ein Wässerchen enthält, das Euch Kraft
geben sollte. Fürchtet Euch nicht, an jedem Morgen
drei Tropfen davon einzunehmen; weder schmeckt es
all zu scheußlich, noch möchte ich Euch entgegen all
Eurer Vermutungen umbringen.
Kehrt wohlbehalten zurück. Die Welt hält noch viele
Wunder für Euch bereit.
Gwyneth
Mit einem wohligen Gefühl im Bauch ging Boromir zurück zu den anderen
und legte sich zufrieden nieder. Welche Wunder sie wohl meinte? Nun war er
noch ungeduldiger darauf bedacht, die Mission so schnell wie möglich
zu beenden und nach Minas Tirith zurückzukehren. Drei Tage lang hatte
er sie nicht gesehen. Und mit jedem Tag wurde die Sehnsucht stärker,
ihr all das zu sagen, was ihm nach jenem Abend in den Kopf gekommen war.
Mit diesen Gedanken schlief er ein und träumte einen gar wundervollen
Traum.
Sehr früh erhoben sich die Krieger von ihrem Lager und machten sich
nach einem kräftigen Frühstück daran, ihren Weg durch den
morgendlichen Nebel fortzusetzen. Boromir hatte, wie Gwyneth ihm im Brief
befohlen hatte, drei Tropfen von der im Tageslicht roten Flüssigkeit
eingenommen. All zu scheußlich schmeckten sie wirklich nicht, doch
war es genug, um Boromir zumindest für ein paar Sekunden sein Gesicht
verziehen zu lassen. Als er bemerkte, dass Faramir ihn grinsend beobachtet
hatte, lachte er.
Gegen Mittag hatten sie einen dichten Wald durchquert und entdeckten an
seinem Rand eine Horde von Orks. Es waren nicht viele und die sollten leicht
zu überwältigen sein. Da sahen sie, wie einige der Orks mit Stöcken
auf etwas einzuschlagen schienen, was sich bei näherer Betrachtung als
eine kleine Gruppe von Männern entpuppte. Ohne weiter über
einen Angriff nachzudenken, schwangen sich die Männer aus Gondor von
ihren Pferden, stürmten mit Kampfgebrüll auf die Orks zu und erstachen
einige sofort. Der Kampf verlief schnell und zu ihren Gunsten. Es war fast
zu einfach, als plötzlich von den Bäumen herab Pfeile auf sie niedergingen.
Erschrocken blickten sie nach oben und entdeckten fünf weitere Orks,
die mit Bogen bewaffnet aus ihrem Baumversteck auf sie zielten. Sofort gingen
die mitgekommenen Bogenschützen aus Gondor in Stellung, als ein Pfeil
schon sein Ziel gefunden hatte und direkt in Boromirs alter Wunde steckte.
Wie durch ein Wunder empfand er aber nur ein leichtes Ziehen und konnte den
Pfeil entfernen, ohne eine riesige neue Wunde zu entblößen. Es
lag wohl an dem Wässerchen. Schnell besann er sich aber wieder auf den
Kampf. Nur ein Ork war noch übrig, der auch schon zu Boden ging, bevor
er ihn noch mit seinem Schwert niederstrecken konnte. Schnell eilten sie
nun auf die Gefangen der Orks zu und befreiten sie von ihren Fesseln. Die
Gefangenen sahen müde und hungrig aus.
"Mein Name ist Faramir," ergriff jener das Wort. "Das ist mein Bruder Boromir.
Wir sind die Söhne von Denethor, dem
Truchsess von Gondor. Und wer seid Ihr?"
Einer von ihnen hustete, bevor er antworten konnte.
"Mein Name ist Everard und ich stehe im Dienst des edlen Herren Aranel
von Gondor."
...Fortsetzung folgt
© 2002 Galenturiel
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