"So, das war hoffentlich der Letzte!" Glinn Daro entließ ihren
wissenschaftlichen Mitarbeiter und betrachtete die Probe, die sie soeben
von einem Bakterienherd in einem der Gästequartiere genommen hatte. Nachdem
Dr. Mera'ahl sie informiert hatte, dass die Lähmungen der Atemwege durch
eine Bakterieninfektion hervorgerufen wurden, die immer mehr Opfer
forderte, hatte sie sich sofort daran gemacht, mit ihren Mitarbeitern die
Herde aufzuspüren. Leider ließ sich kein logisches Muster erkennen. Einige
Betroffene hatten die Bakterien über die Nahrungs-Replikatoren in ihren
Quartieren aufgenommen, andere waren in öffentlichen Bereichen infiziert
worden. In einer ganzen Sektion der Gästequartiere waren die Bakterien über
die Lebenserhaltungs-Systeme verteilt worden - glücklicherweise hatten die
meisten betroffenen Quartiere leer gestanden.
Daro brachte die neuen Proben in ihr Labor. Sie warf einen Blick auf die
Nährlösungen im Simulator, aber die Kulturen mussten jetzt warten, die
Sicherheit der Station hatte Vorrang. Während Dr. Mera'ahl dabei war, ein
Anti-Serum zu entwickeln, um die Opfer zu behandeln, würde Glinn Daro
versuchen, die Art der Bakterien zu bestimmen. Seufzend machte sie sich an
die Arbeit. Sie konnte nur hoffen, dass ihr die Bestimmung diesmal nicht so
schwer fiel.
Gul Basra las besorgt den vorläufigen Bericht der Stationsärztin und des
Wissenschafts-offiziers. Eine Bakterien Epidemie war in diesem Moment so
unpassend wie immer - wenn nicht sogar mehr. Soeben hatte er die Nachricht
erhalten, dass sich das erste Transportschiff der Station näherte. An Bord
befanden sich beinah hundert Zivilisten, hauptsächlich Frauen und Kinder,
alles Angehörige der hier stationierten Offiziere und anderen Mitarbeitern.
In wenigen Stunden würde auch das Schiff eintreffen, auf dem sich seine
eigenen Familie befand. Er mochte kaum daran denken, was alles geschehen
konnte.
Doch der Bericht seiner Offiziere besagte, dass keine unmittelbare Gefahr
bestand. Die bestehenden Herde waren eliminiert worden und ab sofort wurden
von der Ops aus regelmäßige Scans durchgeführt. Es gab keinen logischen
Grund, warum die Schiffe nicht andocken sollten. Trotzdem hatte Kotan Basra
kein gutes Gefühl, als er die Erlaubnis zum Andocken übermittelte.
*** ***
Gilora Macet betrachtete ihr Spiegelbild. Ihr Bauch wölbte sich
mittlerweile stark vor - viel stärker, als er dass getan hatte, als sie mit
Linaya im sechsten Monat schwanger gewesen war. Seufzend strich sie ihr
Kleid glatt. Offensichtlich würde ihr Sohn ein sehr kräftiger Neugeborener
sein - was die Aussicht auf die Geburt nicht unbedingt verbesserte.
Sie verließ das Schlafzimmer und ging in das Zimmer ihrer Tochter. Nachdem
sie den Verdunkelungs-Schirm vom Fenster entfernt hatte, trat sie an das
Bettchen. Linaya lächelte im Schlaf, wahrscheinlich träumte sie. Jetzt, wo
es im Zimmer hell war, würde sie jeden Moment aufwachen. Gilora setzte sich
auf einen Stuhl und betrachtete ihre Tochter, während diese blinzelnd aus
dem Schlaf erwachte.
"Guten Morgen, mein Schatz!" Gilora strich zärtlich mit ihrem Zeigefinger
über die Gesichtsridges des Kindes, das ihr glücklich seine Arme entgegen
streckte.
"Guten Morgen, Mutter!"
Gilora hob die Kleine aus dem Bett, drückte sie einmal fest an sich und
stellte sie dann auf ihre eigenen Füße. "Geh Dich waschen, Schatz! Ich
mache Dir Dein Frühstück!"
Nachdem Linaya mit kindlicher Energie in die Wascheinheit gehüpft war,
machte sich Gilora auf den Weg in die Küche. Während sie frische Rokassa
Früchte für ihre Tochter auspresste - eine Vorliebe, die sie von ihrem
Vater geerbt hatte - spürte sie die Bewegungen ihres ungeborenen Kindes in
ihrem Bauch, und ein Gefühl des Glücks überwältigte sie. Sie hatte alles,
was man sich nur wünschen konnte. Eine wunderbare Tochter, eine
Schwangerschaft, die vollkommen ohne Probleme verlief und ihr in weniger
als fünf Monaten einen gesunden Sohn bescheren würde. Und sie war
verheiratet mit dem Mann, den sie liebte. Den sie geliebt hatte, seit sie
ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Was konnte sie sich mehr wünschen?
Lächelnd füllte sie den Rokassa Saft in zwei Gläser und ging mit einem in
das Arbeitszimmer ihres Mannes. Zärtlich strich sie ihm über die
Nackenschuppen und küsste ihn auf die Wange.
"Ich hoffe, ich störe Dich nicht!"
"Nicht sehr." Ihr Mann sah sie zärtlich an und lächelte.
Gilora stellte das Glas neben der Computereinheit ab. "Ich habe Dir ein
Glas Rokassa Saft gepresst!"
"Ich danke Dir, meine Liebe."
Gilora lächelte und küsste ihn erneut auf die Wange. Bevor sie sich wieder
auf den Weg in die Küche machte. Doch in der Tür drehte sie sich noch
einmal um und warf ihrem Mann einen zärtlichen Blick zu. "Ich liebe Dich,
Elim!"
*** ***
Gul Basra stand an der Luftschleuse und spähte nach vorn. Aber von seiner
Familie war noch niemand zu sehen. Er versuchte, sich seine Unruhe nicht
anmerken zu lassen, als er Bekannte begrüßte und zwei Glinns zunickte, die
ebenfalls auf ihre Familien warteten. Plötzlich ließ ihn ein lauter
Aufschrei nach vorn blicken. Seine Tochter hatte sich von der Hand ihrer
Mutter losgerissen und stürmte auf ihn zu.
"Vater!"
Lächelnd hob Basra sie hoch und nahm sie in den Arm. "Asha, mein Schatz.
Hast Du mich vermisst?"
"Ja!" Sie blickte etwas beleidigt, als sie hinzufügte: "Ich bin jetzt fünf,
und Du warst nicht dabei!"
Basra strich ihr über die Haare und drückte sie fest an sich. "Es tut mir
leid, mein Schatz! Aber wenn Du sechs wirst, dann werde ich dabei sein, das
verspreche ich Dir!"
"Aber das dauert noch so lange..."
Basra antwortete nicht, sondern spähte in Richtung der Luftschleuse, aus
der soeben seine Frau mit den anderen drei Kindern getreten war. Den
dreijährigen Mekor trug sie auf dem Arm, doch als er seinen Vater sah,
begann er zu zappeln. Rugal ließ sich von der Aufregung, die seine Mutter
erwähnt hatte, nichts anmerken und ging ruhig neben ihr. Kelas, sein
Ältester folgte ihr mit ernstem Gesicht.
"Karis!" Basra setzte seine Tochter auf dem Boden ab und umarmte seine
Frau. Gleichzeitig nahm er ihr Mekor ab, der sich sofort an seinem Hals
festklammerte, als würde er ihn nie wieder loslassen. Mit Mekor auf dem Arm
bückte er sich, um Rugal zu begrüßen, dem jetzt doch die Freude ins Gesicht
geschrieben stand. Kelas ließ sich von ihm auf die Schulter klopfen und
murmelte etwas zur Begrüßung. Basra wusste, dass er ein ernstes Wort mit
seinem Sohn reden musste. Wenn Kelas dachte, dass er solange schmollen
konnte, bis er doch auf ein Internat durfte, dann irrte er sich.
"Oh, Kotan, ich bin wirklich froh, dass wir hier sind!" Karis Basra
lächelte ihren Mann an. "Ich hatte nicht erwartet, dass der Transport so
anstrengend werden würde!"
Basra erwiderte ihr Lächeln. "Jetzt seid Ihr ja da. Kommt, ich bringe Euch
gleich in unser Quartier. Das Gepäck wird gebracht!"
Basra küsste seine Frau und hob dann seine Tochter auf seinen freien Arm,
so dass er seine beiden jüngsten Kinder trug und kaum sehen konnte, wo er
hinging. Erst jetzt spürte er, wie sehr er seine Familie wirklich vermisst
hatte.
*** ***
"Wozu tust Du das eigentlich?"
Anan sah verständnislos auf. "Was?"
"Du lernst immer noch. Die Prüfungen sind morgen, Du wirst heute nichts
mehr in Deinen Kopf hinein bekommen, was nicht schon drin ist. Lass uns
lieber irgendwo hingehen und Spaß haben!" Der kräftige junge Mann ließ sich
auf sein Bett fallen und sah Anan abwartend an, der am Schreibtisch seines
Quartiers saß und sich auf die Abschlussprüfung vorbereitete.
Doch dieser schüttelte den Kopf. "Tut mir leid, Cral. Ich kann nicht weg!"
"Anan, Du hast das ganze letzte Jahr nur gelernt. Du kannst unmöglich
durchfallen. Warum quälst Du Dich so?"
Anan schmunzelte. "Qualität kommt von Qual, weißt Du das nicht, Cral? Ich
will nicht einfach nur bestehen. Ich will der Beste im Jahrgang sein!"
"Das wirst Du nicht!" Cral sah seinen Freund überrascht an. "Jeder weiß,
dass nur jemand aus Garaks Gruppe Jahrgangsbester werden kann. Und es ist
keine Frage, wer die Plakette mit nach Hause nehmen darf: Gilora Macet. Sie
ist Dein Pendant! Sie ist sogar noch schlimmer als Du. Du lenkst Dich
wenigstens ab und zu ab!" Cral grinste.
"Hör endlich auf, über Rekelen zu lästern. Ich habe nur mit ihr geschlafen,
damit sie endlich Ruhe gibt. Und was die Plakette betrifft: Ich habe vor,
der erste Jahrgangsbeste zu werden, der nicht aus Garaks Gruppe kommt!"
"Vergiss es!" Cral stand auf und klopfte Anan auf die Schulter. "Wenn Du
großes Glück hast, wirst Du Zweiter."
"Wir werden sehen!"
Die Worte hallten in Anans Kopf nach, als er seinen neuen Anzug glatt
strich und im Spiegel seine Frisur kontrollierte.
"Hier!" Cral hielt ihm etwas hin. "Wenn Du heute Abend auch so geizig mit
dem Haargel bist wie sonst, machst Du Dich noch lächerlich, wenn Du die
Plakette in Empfang nimmst."
Anan nahm Cral die Dose ab. "Danke. Dann glaubst Du also doch, dass ich es
geschafft haben könnte?"
"Eigentlich nicht." Cral warf ihm einen Blick zu und grinste. "Aber ich
wünsche es mir. Für Dich - und für mich. Mit meinen mittelmäßigen
Ergebnissen wäre ich gerne der Freund des Mannes, der als erster
Jahresbester in die Annalen des Obsidian Order eingeht, der nicht aus der
stärksten Leistungsgruppe kommt."
Anan lächelte. "Wir werden es sehen."
Dann verließen sie ihr Quartier und begaben sich in den Raum, in dem Garak
am Tag ihrer Aufnahme die Rede gehalten hatte. Der Saal war festlich
geschmückt. An der Fensterfront war bereits das Büfett aufgebaut. Sie waren
unter den Letzten, die eintraten. Es war erstaunlich, wie leer der Saal
wirkte. An ihrem ersten Tag war er beinah zum bersten voll gewesen. Doch
bei jeder Jahresprüfung waren Studenten ausgeschieden, und auch die
Abschlussprüfung hatten nicht alle bestanden. Dafür entdeckte Anan die drei
Studenten aus dem Jahrgang über ihnen, die letztes Jahr durchgefallen
waren, und die ihr Abschlussjahr bei Bronok nachgeholt hatten. Sie sahen
nicht aus, als würden sie sich freuen, dass sie diesmal bestanden hatte.
Was auch kein Wunder war. Wer die Abschlussprüfung nicht beim ersten Mal
bestand, machte in der Regel keine glänzende Karriere. Meistens endeten die
Betreffenden früher oder später als Ausbilder der Grundlagen.
Cral und Anan gesellten sich zu den anderen aus ihrer Gruppe. Während der
letzten drei Jahre hatte sich unter den drei Gruppen ein nicht geringer
Konkurrenzkampf entwickelt, der durch die Mentoren nicht nur unterstützt,
sondern auch angestachelt worden war. So hatte sich innerhalb der Gruppen
ein starker Zusammenhalt entwickelt.
Anan sah zu Garaks Gruppe, die sich vorn am Podium versammelt hatte.
Rekelen Dal fing seinen Blick auf und zwinkerte ihm zu. Anan lächelte
zurück. Obwohl er nicht wirklich an Rekelen interessiert war, hatte er die
nächtliche Begegnung mit ihr vor nun fast zwei Monaten in guter Erinnerung.
Rekelen war bekannt dafür, dass sie gerne mit Männern zusammen war - und
dafür, dass sie wählerisch war. Es war zwar nicht direkt eine Ehre von ihr
angesprochen zu werden, aber es war durchaus eine willkommene Bestätigung
der eigenen Attraktivität - oder sonstiger Qualitäten. Und Rekelen selbst
war auch nicht gerade der Alptraum eines Mannes.
Neben ihr stand Gilora Macet, die sich mit einem anderen Studenten aus
Garaks Gruppe unterhielt. Sie hatte tatsächlich die besten Chancen als
Jahrgangsbeste abzuschließen. Gerüchten zufolge war sie schon bei der
Eingangsprüfung unter den besten drei Anwärtern gewesen. In diesem Moment
öffnete sich die Tür und wie am ersten Tag traten die drei Mentoren ein -
gefolgt von Bronok, der ja ebenfalls drei Absolventen betreut hatte. Sie
würden die Prüfungsergebnisse jedes Einzelnen bekanntgeben. Dann würden sie
die neun besten Absolventen nennen und dem Jahrgangsbesten die Plakette als
Auszeichnung überreichen. Dann würden sie das Büfett eröffnen, jeder ein
Glas Kanar trinken, den besten Absolventen gratulieren und sich dann
zurückziehen, um die Feier den frischgebackenen Agenten zu überlassen. Es
war ein förmlicher Empfang. Große Feste gab es beim Orden nicht,
schließlich hatten sie bisher auch nicht viel geleistet. Was sie wirklich
wert waren, würde sich in den nächsten Jahren erweisen.
Anan sah nach vorn, wo Garak ein PADD gereicht wurde. Dann begann er die
Prüfungsergebnisse zu verlesen. Angefangen mit den schlechtesten. Die Namen
waren keine Überraschung. Jeder wusste, wer in der Gruppe zu welchen
Leistungen fähig war. Interessant waren höchstens die Namen aus den anderen
Gruppen, die man nicht so gut kannte, wie die eigene.
Irgendwann fiel Crals Name. Dieser lächelte. Er war mit seinem Ergebnis
zufrieden. Er hatte hart gearbeitet und das Beste aus sich herausgeholt.
Kurz darauf viel Rekelens Name. Sie hätte besser abschließen können, da war
sich Anan sicher. Wenn sie sich weniger um ihre männlichen Kommilitonen
bemüht und statt dessen mehr Wert auf ihre Arbeit gelegt hätte...
Schließlich kündigte Garak an, dass jetzt die neun besten Absolventen
folgten - und Anans Name war noch nicht gefallen. Seine Fäuste ballten
sich, wie vor drei Jahren, als er seinen Namen auf dem Sichtschirm gesucht
hatte.
"Goris, Kotan!"
Applaus rauschte auf. Vor allem Enteks Gruppe jubelte. Kotan war aus ihrer
Gruppe, und da sich in den letzten drei Jahren herausgestellt hatte, dass
Enteks Gruppe die schwächste der drei Gruppen war, hatte kaum jemand damit
gerechnet, dass jemand von ihnen unter den ersten neun sein würde. Cral
legte seine Hand auf Anans Schulter und Anan wusste, dass sein Freund
genauso nervös war, wie er.
"Jaro, Siana!"
Diesmal jubelten die Studenten aus Khalars Gruppe am lautesten. Siana nahm
lächelnd Glückwünsche entgegen. Anan wusste, dass sie sehr beliebt war.
"Hoval, Tekeny!"
Wieder jubelte Khalars Gruppe, doch diesmal etwas verhalten. Tekeny war ein
netter junger Mann, er war wahrscheinlich der Beste aus Khalars Gruppe.
Dass sein Name schon an siebter Stelle fallen würde, hatte niemand
erwartet. Er sah auch etwas blass aus, als seine Freunde ihm gratulierten.
Anans Hände schmerzten, doch er war unfähig, seine Finger zu lockern. Jeden
Moment musste sein Name fallen.
"Krim, Mila!"
Garaks Gruppe applaudierte. Anan konnte es kaum glauben. Er war schon unter
den besten fünf. Vielleicht hatte es doch geklappt? Vielleicht hatte er es
geschafft aus der Masse herauszutreten?
"Nador, Hogue!"
Wieder jubelte Garaks Gruppe. Anan wurde etwas schwindelig. Sein Ziel
rückte in greifbare Nähe.
"Entek, Anan!"
Der Jubelsturm seiner Gruppe erreichte Anan kaum. Er war der Viertbeste
seines Jahrgangs. Gruppenbester. Niemand hatte damit gerechnet, dass jemand
aus Enteks Gruppe so gut abschneiden würde. Aber das war Anan egal. Er
hatte Jahrgangsbester werden wollen. Wie durch eine Nebelwand nahm er die
Glückwünsche seiner Freunde entgegen.
"Lasaran, Sima!"
Er hörte Garaks Stimme, die die besten drei Absolventen nannte. Zweifellos
alle aus Garaks Gruppe.
"Getal, Tavor!"
Anan wusste, wessen Name als nächster fallen würde. Alle wussten es, es
hatte schon in den letzten Wochen kein Zweifel mehr bestanden.
"Macet, Gilora!"
Anan war dumm gewesen, zu glauben, dass er sie hätte schlagen können.
Gilora hatte wahrscheinlich schon in der Elementarschule auf diesen Moment
hingearbeitet. Jetzt trat sie aus der Gruppe nach vorn und bestieg das
Podest. Wie stolz sie sein musste. Anan war froh, dass Cral einen Arm um
ihn gelegt hatte. Wenn er doch auch so zielstrebig gewesen wäre! Wenn er
schon zuhause in der Arawath Kolonie angefangen hätte, zu lernen.
Er sah, wie Gilora glücklich zu Garak blickte, der ihr die Plakette aus
goldumrandetem Halbjevonit an einem schwarzen Samtband um den Hals legte.
Es war kein Wunder, dass seine Schwestern ihn ständig ausgestochen hatten.
Er hatte sich ja nie wirklich angestrengt. Erst während des letzten Jahres
hatte er hart gearbeitet. Aber da war es zu spät gewesen.
Garak eröffnete das Büfett, und alle begannen, sich in diese Richtung zu
bewegen. Cral hatte noch immer einen Arm um seine Schultern gelegt und
verhinderte, dass Anan wie verloren da stand. Alle schienen zu glauben,
dass er überwältigt war, vor Glück, und deswegen nicht sprach. Aber Cral
wusste es besser. "Du bist an vierter Stelle, Anan!" Er sprach leise aber
nachdrücklich. "Du bist besser als alle aus Khalars Gruppe. Du hast Tekeny
Hoval geschlagen, ihren Gruppenbesten! Du bist besser als der Großteil von
Garaks Gruppe. Besser als Mila Krim und Hogue Nador! Erinnerst Du Dich,
dass Hogue im zweiten Jahr noch davon geredet hat, dass er Gilora schlagen
würde? Ohne Dich hätte Garaks Gruppe die ersten fünf Plätze komplett, und
Du bist auf Platz vier!" Cral machte eine Pause. "Anan, Du bist der Held
Deiner Gruppe, das hat noch nie jemand aus der schwächsten Leistungsgruppe
geschafft! Sie haben Dich am ersten Tag falsch eingeteilt. Du hast es
bewiesen. Du hättest in Garaks Gruppe sein können!"
"Ja, hätte ich!" Anans Stimme klang bitter. "Wenn ich mich mehr angestrengt
hätte! Wenn ich immer mein Bestes gegeben hätte, dann wäre ich jetzt
Jahrgangsbester!"
"Mach Dich nicht kaputt, Anan. Dann zeigst Du es eben jetzt allen. Du wirst
schon sehen, Du bekommst sicher bald einen Platz in einer Zelle - in einer
guten Zelle. Während wir anderen uns mit kleinen Aufgaben nach oben dienen
müssen, bevor wir Aussicht auf einen Platz in einer Zelle haben!" Er stieß
Anan in die Seite. "Komm schon, hör auf so ein Gesicht zu machen, und
genieß Deinen Erfolg!"
Anan lächelte. In gewisser Weise hatte Cral Recht. Es war ein Erfolg. Er
hatte sich aus der schwächsten Gruppe auf das Niveau der besten gearbeitet.
Und von jetzt an würde er immer zu den Besten gehören, dafür würde er
sorgen!
"Du hast recht, Cral. Los!" Er stieß seinen Freund ebenfalls in die Seite.
"Ich brauche ein Glas Kanar. Und wenn Du Rekelen irgendwo siehst, dann sag
ihr, ich treffe sie im Park!"
*** ***
wissenschaftlichen Mitarbeiter und betrachtete die Probe, die sie soeben
von einem Bakterienherd in einem der Gästequartiere genommen hatte. Nachdem
Dr. Mera'ahl sie informiert hatte, dass die Lähmungen der Atemwege durch
eine Bakterieninfektion hervorgerufen wurden, die immer mehr Opfer
forderte, hatte sie sich sofort daran gemacht, mit ihren Mitarbeitern die
Herde aufzuspüren. Leider ließ sich kein logisches Muster erkennen. Einige
Betroffene hatten die Bakterien über die Nahrungs-Replikatoren in ihren
Quartieren aufgenommen, andere waren in öffentlichen Bereichen infiziert
worden. In einer ganzen Sektion der Gästequartiere waren die Bakterien über
die Lebenserhaltungs-Systeme verteilt worden - glücklicherweise hatten die
meisten betroffenen Quartiere leer gestanden.
Daro brachte die neuen Proben in ihr Labor. Sie warf einen Blick auf die
Nährlösungen im Simulator, aber die Kulturen mussten jetzt warten, die
Sicherheit der Station hatte Vorrang. Während Dr. Mera'ahl dabei war, ein
Anti-Serum zu entwickeln, um die Opfer zu behandeln, würde Glinn Daro
versuchen, die Art der Bakterien zu bestimmen. Seufzend machte sie sich an
die Arbeit. Sie konnte nur hoffen, dass ihr die Bestimmung diesmal nicht so
schwer fiel.
Gul Basra las besorgt den vorläufigen Bericht der Stationsärztin und des
Wissenschafts-offiziers. Eine Bakterien Epidemie war in diesem Moment so
unpassend wie immer - wenn nicht sogar mehr. Soeben hatte er die Nachricht
erhalten, dass sich das erste Transportschiff der Station näherte. An Bord
befanden sich beinah hundert Zivilisten, hauptsächlich Frauen und Kinder,
alles Angehörige der hier stationierten Offiziere und anderen Mitarbeitern.
In wenigen Stunden würde auch das Schiff eintreffen, auf dem sich seine
eigenen Familie befand. Er mochte kaum daran denken, was alles geschehen
konnte.
Doch der Bericht seiner Offiziere besagte, dass keine unmittelbare Gefahr
bestand. Die bestehenden Herde waren eliminiert worden und ab sofort wurden
von der Ops aus regelmäßige Scans durchgeführt. Es gab keinen logischen
Grund, warum die Schiffe nicht andocken sollten. Trotzdem hatte Kotan Basra
kein gutes Gefühl, als er die Erlaubnis zum Andocken übermittelte.
*** ***
Gilora Macet betrachtete ihr Spiegelbild. Ihr Bauch wölbte sich
mittlerweile stark vor - viel stärker, als er dass getan hatte, als sie mit
Linaya im sechsten Monat schwanger gewesen war. Seufzend strich sie ihr
Kleid glatt. Offensichtlich würde ihr Sohn ein sehr kräftiger Neugeborener
sein - was die Aussicht auf die Geburt nicht unbedingt verbesserte.
Sie verließ das Schlafzimmer und ging in das Zimmer ihrer Tochter. Nachdem
sie den Verdunkelungs-Schirm vom Fenster entfernt hatte, trat sie an das
Bettchen. Linaya lächelte im Schlaf, wahrscheinlich träumte sie. Jetzt, wo
es im Zimmer hell war, würde sie jeden Moment aufwachen. Gilora setzte sich
auf einen Stuhl und betrachtete ihre Tochter, während diese blinzelnd aus
dem Schlaf erwachte.
"Guten Morgen, mein Schatz!" Gilora strich zärtlich mit ihrem Zeigefinger
über die Gesichtsridges des Kindes, das ihr glücklich seine Arme entgegen
streckte.
"Guten Morgen, Mutter!"
Gilora hob die Kleine aus dem Bett, drückte sie einmal fest an sich und
stellte sie dann auf ihre eigenen Füße. "Geh Dich waschen, Schatz! Ich
mache Dir Dein Frühstück!"
Nachdem Linaya mit kindlicher Energie in die Wascheinheit gehüpft war,
machte sich Gilora auf den Weg in die Küche. Während sie frische Rokassa
Früchte für ihre Tochter auspresste - eine Vorliebe, die sie von ihrem
Vater geerbt hatte - spürte sie die Bewegungen ihres ungeborenen Kindes in
ihrem Bauch, und ein Gefühl des Glücks überwältigte sie. Sie hatte alles,
was man sich nur wünschen konnte. Eine wunderbare Tochter, eine
Schwangerschaft, die vollkommen ohne Probleme verlief und ihr in weniger
als fünf Monaten einen gesunden Sohn bescheren würde. Und sie war
verheiratet mit dem Mann, den sie liebte. Den sie geliebt hatte, seit sie
ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Was konnte sie sich mehr wünschen?
Lächelnd füllte sie den Rokassa Saft in zwei Gläser und ging mit einem in
das Arbeitszimmer ihres Mannes. Zärtlich strich sie ihm über die
Nackenschuppen und küsste ihn auf die Wange.
"Ich hoffe, ich störe Dich nicht!"
"Nicht sehr." Ihr Mann sah sie zärtlich an und lächelte.
Gilora stellte das Glas neben der Computereinheit ab. "Ich habe Dir ein
Glas Rokassa Saft gepresst!"
"Ich danke Dir, meine Liebe."
Gilora lächelte und küsste ihn erneut auf die Wange. Bevor sie sich wieder
auf den Weg in die Küche machte. Doch in der Tür drehte sie sich noch
einmal um und warf ihrem Mann einen zärtlichen Blick zu. "Ich liebe Dich,
Elim!"
*** ***
Gul Basra stand an der Luftschleuse und spähte nach vorn. Aber von seiner
Familie war noch niemand zu sehen. Er versuchte, sich seine Unruhe nicht
anmerken zu lassen, als er Bekannte begrüßte und zwei Glinns zunickte, die
ebenfalls auf ihre Familien warteten. Plötzlich ließ ihn ein lauter
Aufschrei nach vorn blicken. Seine Tochter hatte sich von der Hand ihrer
Mutter losgerissen und stürmte auf ihn zu.
"Vater!"
Lächelnd hob Basra sie hoch und nahm sie in den Arm. "Asha, mein Schatz.
Hast Du mich vermisst?"
"Ja!" Sie blickte etwas beleidigt, als sie hinzufügte: "Ich bin jetzt fünf,
und Du warst nicht dabei!"
Basra strich ihr über die Haare und drückte sie fest an sich. "Es tut mir
leid, mein Schatz! Aber wenn Du sechs wirst, dann werde ich dabei sein, das
verspreche ich Dir!"
"Aber das dauert noch so lange..."
Basra antwortete nicht, sondern spähte in Richtung der Luftschleuse, aus
der soeben seine Frau mit den anderen drei Kindern getreten war. Den
dreijährigen Mekor trug sie auf dem Arm, doch als er seinen Vater sah,
begann er zu zappeln. Rugal ließ sich von der Aufregung, die seine Mutter
erwähnt hatte, nichts anmerken und ging ruhig neben ihr. Kelas, sein
Ältester folgte ihr mit ernstem Gesicht.
"Karis!" Basra setzte seine Tochter auf dem Boden ab und umarmte seine
Frau. Gleichzeitig nahm er ihr Mekor ab, der sich sofort an seinem Hals
festklammerte, als würde er ihn nie wieder loslassen. Mit Mekor auf dem Arm
bückte er sich, um Rugal zu begrüßen, dem jetzt doch die Freude ins Gesicht
geschrieben stand. Kelas ließ sich von ihm auf die Schulter klopfen und
murmelte etwas zur Begrüßung. Basra wusste, dass er ein ernstes Wort mit
seinem Sohn reden musste. Wenn Kelas dachte, dass er solange schmollen
konnte, bis er doch auf ein Internat durfte, dann irrte er sich.
"Oh, Kotan, ich bin wirklich froh, dass wir hier sind!" Karis Basra
lächelte ihren Mann an. "Ich hatte nicht erwartet, dass der Transport so
anstrengend werden würde!"
Basra erwiderte ihr Lächeln. "Jetzt seid Ihr ja da. Kommt, ich bringe Euch
gleich in unser Quartier. Das Gepäck wird gebracht!"
Basra küsste seine Frau und hob dann seine Tochter auf seinen freien Arm,
so dass er seine beiden jüngsten Kinder trug und kaum sehen konnte, wo er
hinging. Erst jetzt spürte er, wie sehr er seine Familie wirklich vermisst
hatte.
*** ***
"Wozu tust Du das eigentlich?"
Anan sah verständnislos auf. "Was?"
"Du lernst immer noch. Die Prüfungen sind morgen, Du wirst heute nichts
mehr in Deinen Kopf hinein bekommen, was nicht schon drin ist. Lass uns
lieber irgendwo hingehen und Spaß haben!" Der kräftige junge Mann ließ sich
auf sein Bett fallen und sah Anan abwartend an, der am Schreibtisch seines
Quartiers saß und sich auf die Abschlussprüfung vorbereitete.
Doch dieser schüttelte den Kopf. "Tut mir leid, Cral. Ich kann nicht weg!"
"Anan, Du hast das ganze letzte Jahr nur gelernt. Du kannst unmöglich
durchfallen. Warum quälst Du Dich so?"
Anan schmunzelte. "Qualität kommt von Qual, weißt Du das nicht, Cral? Ich
will nicht einfach nur bestehen. Ich will der Beste im Jahrgang sein!"
"Das wirst Du nicht!" Cral sah seinen Freund überrascht an. "Jeder weiß,
dass nur jemand aus Garaks Gruppe Jahrgangsbester werden kann. Und es ist
keine Frage, wer die Plakette mit nach Hause nehmen darf: Gilora Macet. Sie
ist Dein Pendant! Sie ist sogar noch schlimmer als Du. Du lenkst Dich
wenigstens ab und zu ab!" Cral grinste.
"Hör endlich auf, über Rekelen zu lästern. Ich habe nur mit ihr geschlafen,
damit sie endlich Ruhe gibt. Und was die Plakette betrifft: Ich habe vor,
der erste Jahrgangsbeste zu werden, der nicht aus Garaks Gruppe kommt!"
"Vergiss es!" Cral stand auf und klopfte Anan auf die Schulter. "Wenn Du
großes Glück hast, wirst Du Zweiter."
"Wir werden sehen!"
Die Worte hallten in Anans Kopf nach, als er seinen neuen Anzug glatt
strich und im Spiegel seine Frisur kontrollierte.
"Hier!" Cral hielt ihm etwas hin. "Wenn Du heute Abend auch so geizig mit
dem Haargel bist wie sonst, machst Du Dich noch lächerlich, wenn Du die
Plakette in Empfang nimmst."
Anan nahm Cral die Dose ab. "Danke. Dann glaubst Du also doch, dass ich es
geschafft haben könnte?"
"Eigentlich nicht." Cral warf ihm einen Blick zu und grinste. "Aber ich
wünsche es mir. Für Dich - und für mich. Mit meinen mittelmäßigen
Ergebnissen wäre ich gerne der Freund des Mannes, der als erster
Jahresbester in die Annalen des Obsidian Order eingeht, der nicht aus der
stärksten Leistungsgruppe kommt."
Anan lächelte. "Wir werden es sehen."
Dann verließen sie ihr Quartier und begaben sich in den Raum, in dem Garak
am Tag ihrer Aufnahme die Rede gehalten hatte. Der Saal war festlich
geschmückt. An der Fensterfront war bereits das Büfett aufgebaut. Sie waren
unter den Letzten, die eintraten. Es war erstaunlich, wie leer der Saal
wirkte. An ihrem ersten Tag war er beinah zum bersten voll gewesen. Doch
bei jeder Jahresprüfung waren Studenten ausgeschieden, und auch die
Abschlussprüfung hatten nicht alle bestanden. Dafür entdeckte Anan die drei
Studenten aus dem Jahrgang über ihnen, die letztes Jahr durchgefallen
waren, und die ihr Abschlussjahr bei Bronok nachgeholt hatten. Sie sahen
nicht aus, als würden sie sich freuen, dass sie diesmal bestanden hatte.
Was auch kein Wunder war. Wer die Abschlussprüfung nicht beim ersten Mal
bestand, machte in der Regel keine glänzende Karriere. Meistens endeten die
Betreffenden früher oder später als Ausbilder der Grundlagen.
Cral und Anan gesellten sich zu den anderen aus ihrer Gruppe. Während der
letzten drei Jahre hatte sich unter den drei Gruppen ein nicht geringer
Konkurrenzkampf entwickelt, der durch die Mentoren nicht nur unterstützt,
sondern auch angestachelt worden war. So hatte sich innerhalb der Gruppen
ein starker Zusammenhalt entwickelt.
Anan sah zu Garaks Gruppe, die sich vorn am Podium versammelt hatte.
Rekelen Dal fing seinen Blick auf und zwinkerte ihm zu. Anan lächelte
zurück. Obwohl er nicht wirklich an Rekelen interessiert war, hatte er die
nächtliche Begegnung mit ihr vor nun fast zwei Monaten in guter Erinnerung.
Rekelen war bekannt dafür, dass sie gerne mit Männern zusammen war - und
dafür, dass sie wählerisch war. Es war zwar nicht direkt eine Ehre von ihr
angesprochen zu werden, aber es war durchaus eine willkommene Bestätigung
der eigenen Attraktivität - oder sonstiger Qualitäten. Und Rekelen selbst
war auch nicht gerade der Alptraum eines Mannes.
Neben ihr stand Gilora Macet, die sich mit einem anderen Studenten aus
Garaks Gruppe unterhielt. Sie hatte tatsächlich die besten Chancen als
Jahrgangsbeste abzuschließen. Gerüchten zufolge war sie schon bei der
Eingangsprüfung unter den besten drei Anwärtern gewesen. In diesem Moment
öffnete sich die Tür und wie am ersten Tag traten die drei Mentoren ein -
gefolgt von Bronok, der ja ebenfalls drei Absolventen betreut hatte. Sie
würden die Prüfungsergebnisse jedes Einzelnen bekanntgeben. Dann würden sie
die neun besten Absolventen nennen und dem Jahrgangsbesten die Plakette als
Auszeichnung überreichen. Dann würden sie das Büfett eröffnen, jeder ein
Glas Kanar trinken, den besten Absolventen gratulieren und sich dann
zurückziehen, um die Feier den frischgebackenen Agenten zu überlassen. Es
war ein förmlicher Empfang. Große Feste gab es beim Orden nicht,
schließlich hatten sie bisher auch nicht viel geleistet. Was sie wirklich
wert waren, würde sich in den nächsten Jahren erweisen.
Anan sah nach vorn, wo Garak ein PADD gereicht wurde. Dann begann er die
Prüfungsergebnisse zu verlesen. Angefangen mit den schlechtesten. Die Namen
waren keine Überraschung. Jeder wusste, wer in der Gruppe zu welchen
Leistungen fähig war. Interessant waren höchstens die Namen aus den anderen
Gruppen, die man nicht so gut kannte, wie die eigene.
Irgendwann fiel Crals Name. Dieser lächelte. Er war mit seinem Ergebnis
zufrieden. Er hatte hart gearbeitet und das Beste aus sich herausgeholt.
Kurz darauf viel Rekelens Name. Sie hätte besser abschließen können, da war
sich Anan sicher. Wenn sie sich weniger um ihre männlichen Kommilitonen
bemüht und statt dessen mehr Wert auf ihre Arbeit gelegt hätte...
Schließlich kündigte Garak an, dass jetzt die neun besten Absolventen
folgten - und Anans Name war noch nicht gefallen. Seine Fäuste ballten
sich, wie vor drei Jahren, als er seinen Namen auf dem Sichtschirm gesucht
hatte.
"Goris, Kotan!"
Applaus rauschte auf. Vor allem Enteks Gruppe jubelte. Kotan war aus ihrer
Gruppe, und da sich in den letzten drei Jahren herausgestellt hatte, dass
Enteks Gruppe die schwächste der drei Gruppen war, hatte kaum jemand damit
gerechnet, dass jemand von ihnen unter den ersten neun sein würde. Cral
legte seine Hand auf Anans Schulter und Anan wusste, dass sein Freund
genauso nervös war, wie er.
"Jaro, Siana!"
Diesmal jubelten die Studenten aus Khalars Gruppe am lautesten. Siana nahm
lächelnd Glückwünsche entgegen. Anan wusste, dass sie sehr beliebt war.
"Hoval, Tekeny!"
Wieder jubelte Khalars Gruppe, doch diesmal etwas verhalten. Tekeny war ein
netter junger Mann, er war wahrscheinlich der Beste aus Khalars Gruppe.
Dass sein Name schon an siebter Stelle fallen würde, hatte niemand
erwartet. Er sah auch etwas blass aus, als seine Freunde ihm gratulierten.
Anans Hände schmerzten, doch er war unfähig, seine Finger zu lockern. Jeden
Moment musste sein Name fallen.
"Krim, Mila!"
Garaks Gruppe applaudierte. Anan konnte es kaum glauben. Er war schon unter
den besten fünf. Vielleicht hatte es doch geklappt? Vielleicht hatte er es
geschafft aus der Masse herauszutreten?
"Nador, Hogue!"
Wieder jubelte Garaks Gruppe. Anan wurde etwas schwindelig. Sein Ziel
rückte in greifbare Nähe.
"Entek, Anan!"
Der Jubelsturm seiner Gruppe erreichte Anan kaum. Er war der Viertbeste
seines Jahrgangs. Gruppenbester. Niemand hatte damit gerechnet, dass jemand
aus Enteks Gruppe so gut abschneiden würde. Aber das war Anan egal. Er
hatte Jahrgangsbester werden wollen. Wie durch eine Nebelwand nahm er die
Glückwünsche seiner Freunde entgegen.
"Lasaran, Sima!"
Er hörte Garaks Stimme, die die besten drei Absolventen nannte. Zweifellos
alle aus Garaks Gruppe.
"Getal, Tavor!"
Anan wusste, wessen Name als nächster fallen würde. Alle wussten es, es
hatte schon in den letzten Wochen kein Zweifel mehr bestanden.
"Macet, Gilora!"
Anan war dumm gewesen, zu glauben, dass er sie hätte schlagen können.
Gilora hatte wahrscheinlich schon in der Elementarschule auf diesen Moment
hingearbeitet. Jetzt trat sie aus der Gruppe nach vorn und bestieg das
Podest. Wie stolz sie sein musste. Anan war froh, dass Cral einen Arm um
ihn gelegt hatte. Wenn er doch auch so zielstrebig gewesen wäre! Wenn er
schon zuhause in der Arawath Kolonie angefangen hätte, zu lernen.
Er sah, wie Gilora glücklich zu Garak blickte, der ihr die Plakette aus
goldumrandetem Halbjevonit an einem schwarzen Samtband um den Hals legte.
Es war kein Wunder, dass seine Schwestern ihn ständig ausgestochen hatten.
Er hatte sich ja nie wirklich angestrengt. Erst während des letzten Jahres
hatte er hart gearbeitet. Aber da war es zu spät gewesen.
Garak eröffnete das Büfett, und alle begannen, sich in diese Richtung zu
bewegen. Cral hatte noch immer einen Arm um seine Schultern gelegt und
verhinderte, dass Anan wie verloren da stand. Alle schienen zu glauben,
dass er überwältigt war, vor Glück, und deswegen nicht sprach. Aber Cral
wusste es besser. "Du bist an vierter Stelle, Anan!" Er sprach leise aber
nachdrücklich. "Du bist besser als alle aus Khalars Gruppe. Du hast Tekeny
Hoval geschlagen, ihren Gruppenbesten! Du bist besser als der Großteil von
Garaks Gruppe. Besser als Mila Krim und Hogue Nador! Erinnerst Du Dich,
dass Hogue im zweiten Jahr noch davon geredet hat, dass er Gilora schlagen
würde? Ohne Dich hätte Garaks Gruppe die ersten fünf Plätze komplett, und
Du bist auf Platz vier!" Cral machte eine Pause. "Anan, Du bist der Held
Deiner Gruppe, das hat noch nie jemand aus der schwächsten Leistungsgruppe
geschafft! Sie haben Dich am ersten Tag falsch eingeteilt. Du hast es
bewiesen. Du hättest in Garaks Gruppe sein können!"
"Ja, hätte ich!" Anans Stimme klang bitter. "Wenn ich mich mehr angestrengt
hätte! Wenn ich immer mein Bestes gegeben hätte, dann wäre ich jetzt
Jahrgangsbester!"
"Mach Dich nicht kaputt, Anan. Dann zeigst Du es eben jetzt allen. Du wirst
schon sehen, Du bekommst sicher bald einen Platz in einer Zelle - in einer
guten Zelle. Während wir anderen uns mit kleinen Aufgaben nach oben dienen
müssen, bevor wir Aussicht auf einen Platz in einer Zelle haben!" Er stieß
Anan in die Seite. "Komm schon, hör auf so ein Gesicht zu machen, und
genieß Deinen Erfolg!"
Anan lächelte. In gewisser Weise hatte Cral Recht. Es war ein Erfolg. Er
hatte sich aus der schwächsten Gruppe auf das Niveau der besten gearbeitet.
Und von jetzt an würde er immer zu den Besten gehören, dafür würde er
sorgen!
"Du hast recht, Cral. Los!" Er stieß seinen Freund ebenfalls in die Seite.
"Ich brauche ein Glas Kanar. Und wenn Du Rekelen irgendwo siehst, dann sag
ihr, ich treffe sie im Park!"
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