Ari Benil starrte in sein Glas. Die plötzliche Betriebsamkeit, die sich auf
Empok Nor eingestellt hatte, seit die ersten Schiffe mit Zivilisten
eingetroffen waren, machte ihm zu schaffen. All diese Kinder, die von jetzt
an auf der Station leben würden, gehörten nicht hierher. Benil nahm einen
Schluck Kanar und schüttelte unmerklich den Kopf. Sie gehörten nach
Cardassia! Wenn ihren Eltern nur bewusst wäre, welch ein Risiko sie
eingingen... Und diese Bakterieninfektionen waren der beste Beweis. Was
nur, hatte Gul Basra dazu bewogen, die Familien an Bord kommen zu lassen?
Darunter seine eigene?
Ein Schatten fiel auf den Tisch. "Entschuldigung, ist hier noch frei?"
Ari Benil sah auf und direkt in das lächelnde Gesicht von Lieutenant
Hernandez. Eigentlich hatte er keine Lust auf Gesellschaft, aber da Tulas
Bar gut gefüllt war, konnte er dem terranischen Offizier den Platz nicht
verweigern.
"Sicher!" Er hoffte nur, dass der Mann kein Gespräch mit ihm anfangen
würde.
"Mein Name ist Hernandez, Frederik Hernandez!"
Zu spät! Eine rosige Hand streckte sich Benil entgegen, die dieser nach
kurzem Zögern ergriff.
"Ari Benil!"
"Sie sind Wissenschaftler, nicht wahr?"
Benil nickte.
"Was ist ihr Fachgebiet?"
"Biologie, Chemie und Genetik."
"Ja, ich erinnere mich! Sie arbeiten mit Sletek zusammen. Ein netter Kerl -
soweit man das von einem Vulkanier so sagen kann. Ich habe neulich mit ihm
eine Partie dreidimensionales Schach gespielt - und natürlich verloren! Ich
fürchte, mit einem Vulkanier kann mein Vermögen an Logik nicht mithalten.
Und was ist mit Ihnen? Spielen Sie auch Schach? Oder eher Kotra?"
"Kotra." Benil hoffte, durch kurze Antworten den Redeschwall seines
Gegenüber einzudämmen, fügte dann aber doch hinzu: "Mit Schach habe ich
mich bisher nicht befasst."
"Oh, es gibt durchaus Parallelen. Der größte Unterschied ist wohl, dass bei
Schach nicht gewürfelt wird - dafür hat Kotra mehr Zugvarianten. Was es
nicht einfacher macht!"
"Sie spielen Kotra?" Benils Interesse war geweckt. Ein Terraner, der sich
mit cardassianischen Spielen auskannte - offenbar war Hernandez doch nicht
der typische Vertreter seiner Art, für den Benil ihn gehalten hatte.
"Ja, es ist außerordentlich interessant!"
"Und wer hat Ihnen Kotra spielen beigebracht? Oder haben Sie ihre
Informationen nur aus einer Computerdatei."
Hernadez lächelte und nahm einen Schluck aus seinem Glas. "Ich gebe zu,
dass es übertrieben wäre zu behaupten, ich könnte Kotra spielen. Ich kenne
lediglich die grundlegenden Zugvarianten. Aber mein Lehrer war aus Fleisch
und Blut! Glinn Borak, er dient auf der Reklar - zumindest hat er das vor
vier Jahren getan. Ich war zu der Zeit an Bord der USS Celtic stationiert
und bekämpfte den Maquis - wie die Reklar. Auf einem Außenposten in der
Nähe hat sich unser Captain mit dem Gul der Reklar beraten, und während
dieser Beratung haben ein paar Freunde und ich mit drei seiner Glinns einen
netten Abend in einem der Etablissements verbracht. Unter ihnen Glinn
Borak. Sie hatten gerade eine Partie beendet und so hatte er Zeit mir die
Grundlagen zu erklären. Leider nicht viel mehr, denn dann begann die
gemeinsame Mission. Seit dem warte ich auf eine Gelegenheit eine richtige
Partie zu spielen!"
"Das klingt wie eine Einladung!" Benil war nicht sicher, ob er sich darüber
freute.
"Das ist es auch! Nun? Was sagen sie?"
Benil sah Hernandez einen Moment an. "Also gut."
"Großartig!" Hernandez leerte sein Glas und winkte Tula, um einen neuen
Drink zu bestellen. "Was halten sie von morgen abend? In meinem Quartier?"
Benil nickte. "Ich werde mein Spiel mitbringen."
In diesem Moment trat Tula an der Tisch. "Ein Root-Beer für Lieutenant
Hernandez! Kann ich Ihnen noch etwas bringen?" Wandte er sich dann an
Benil. Doch dieser lehnte dankend ab. "Finden Sie nicht auch, dass Empok
Nor vollkommen verändert ist, seit wir Kinder auf der Station haben?" Tula
sah fröhlich von einem zum anderen.
"Finden Sie?" Hernandez sah zweifelnd von Tula zu Benil. "Nicht, dass ich
es falsch finden würde, dass die Familien auf die Station ziehen, aber
bisher sind mir noch keine besonderen Veränderungen aufgefallen!"
Benil schüttelte ebenfalls den Kopf. "Ich stimme zu. Abgesehen davon, dass
ich es durchaus für falsch halte, Kinder auf einem intergalaktischen
Raumhafen großzuziehen - aber das müssen die Eltern selber entscheiden!"
"Kommen Sie, Benil", Hernandez sah den Cardassianer überrascht an, "was
soll schon passieren? Vertrauen Sie ihren eigenen Sicherheitsoffizieren
nicht?"
"Doch, das tue ich. Aber Kinder gehören nicht auf eine Raumstation.
Zumindest cardassianische Kinder nicht - ob das für menschliche Kinder
gilt, kann ich nicht beurteilen. Aber cardassianische Kinder sollten auf
Cardassia aufwachsen, wo sie in Sicherheit sind!"
"Nun, bitte nehmen Sie mir das nicht übel, aber den Kindern von Lakarien
City hat es nichts genützt, dass sie auf Cardassia waren!"
Benil sah Hernandez ernst an. "Nein, in diesem Fall nicht. Aber
grundsätzlich halte ich es für falsch, Kinder im Weltraum oder auf fremden
Planeten aufwachsen zu lassen!"
Hernandez zuckte die Schultern. "Möglich, aber was sollen die Eltern tun,
wenn sie nicht auf ihrem Heimatplaneten leben? Würden Sie die meiste Zeit
von Ihrer Familie getrennt sein wollen?"
"Nein. Deswegen habe ich keine Familie."
"Das sollten Sie überdenken!" Tula hatte bis jetzt schweigend zugehört.
"Eine Familie ist etwas Wunderbares. Ich wünschte, ich könnte meine Familie
nach Empok Nor holen..."
"Warum tun Sie es nicht?" Hernandez sah den Bolianer interessiert an. Tulas
gute Laune schien sich mit einem Schlag gewandelt zu haben. Er sah traurig
aus, als er mit resignierter Stimme antwortete: "Weil ich keine Familie
mehr habe. Meine Frau und mein Co-Ehemann haben sich von mir getrennt, sie
meinten, ich sei zu viel unterwegs - ich war eine Zeitlang Frachterkapitän,
müssen Sie wissen." Er seufzte. "Ich habe meine Tochter seit vier Jahren
nicht mehr gesehen."
"Das tut mir leid!" Aus Hernandez Stimme sprach echte Anteilnahme. "Das
muss sehr schwer für Sie sein!"
Tula zuckte die Achseln und lächelte dann. "Was soll ich tun? Es lässt sich
nicht ändern. Aber ich freue mich für jede Familie auf Empok Nor, die jetzt
wieder vereint ist!" Damit wandte er sich um und ging zurück an die Bar.
Hernandez sah ihm nach und wandte sich dann an Benil.
"Und Sie wollen also keine Familie?"
"So würde ich dass nicht sagen. Es hat sich bisher nicht ergeben, und mein
Leben gefällt mir so, wie es ist. Ich habe nicht das Bedürfnis es jetzt zu
verändern - was nicht heißen soll, dass ich es nicht ändern würde, wenn ich
die richtige Frau träfe."
"Ja, das ist nicht so einfach, nicht wahr?" Hernandez lächelte und nahm
einen Schluck Root-Beer. "Ich habe bisher auch noch keine Frau gefunden,
die es wert gewesen wäre, meine Freiheit aufzugeben."
Benil lächelte ebenfalls. "Manchmal bezweifle ich, dass es diese Frau
überhaupt gibt."
Hernandez hob die Schultern. "Ich suche vorerst weiter - so schnell gebe
ich nicht auf!"
"Tun Sie das!" Benil erhob sich. "Ich fürchte, ich muss Sie jetzt mit Ihrem
Drink allein lassen - es wartet viel Arbeit in meinem Labor. Und Sletek ist
zwar sehr zurückhaltend, aber er weiß durchaus zu verhindern, dass er alle
Arbeit allein macht."
"Grüßen Sie ihn von mir!"
"Das werde ich tun." Benil verbeugte sich leicht und verließ dann die Bar.
Er war nicht sicher, was er von Lieutenant Hernandez halten sollte. Er
schien ganz vernünftig zu sein - für einen Terraner. Dass er sich für Kotra
interessierte sprach für ihn. Allerdings redete er ein wenig viel. Benil
beschloss, den gemeinsamen Kotra-Abend abzuwarten.
***
Gilora blinzelte und öffnete dann die Augen. Entgegen ihrer Erwartung lag
sie nicht in ihrem Bett auf der Lavok. Und auch nicht in dem ihres
Quartiers auf Empok Nor. Langsam hob sie den Kopf und sah sich um. Der
Raum, in dem sie sich befand, wirkte wie eine Krankenstation. Auf zwei
weiteren Biobetten erkannte sie Anan und Rin Hoval. Sie wollte gerade
aufstehen, als sich die Tür mit einem leisen Zischen öffnete und eine Frau
mittleren Alters eintrat, gefolgt von einem jungen Mann.
"Bitte bleiben Sie liegen!"
Es klang eher wie ein Befehl, als wie eine Bitte, so dass Gilora beschloss
der Aufforderung nachzukommen. In der Tat hatte sie einen leichten
Schwindel verspürt, der verschwand, als sie sich wieder hinlegte. "Wo sind
wir?"
"Sie sind in der Krankenstation von Presak, auf Raspak II. Ich bin Dr.
Zantek, ich habe Sie und ihre Kollegen behandelt!"
"Behandelt?"
"Als ihr Schiff mit Warp-Geschwindigkeit in das System einflog, und
niemand an Bord auf die Rufe der Flugüberwachung reagierte, haben wir uns
gedacht, dass etwas nicht stimmt. Ein Rettungsteam ist an Bord gebeamt und
hat Ihr Schiff nach Raspak II geflogen. Ihren Pilot fand man schlafend auf
der Brücke, Sie und Ihren zweiten Kollegen in den Quartieren. Sie wurden
sofort hierher auf die Krankenstation gebeamt. Dem Logbuch konnten wir
entnehmen, dass Sie das Versorgungsschiff sind, das wir erwartet haben."
"Aber wir hatten noch mindestens einen Tag Flugzeit vor uns - wir können
unmöglich solange geschlafen haben!"
"Haben Sie auch nicht!"
Gilora war nicht sicher, wie sie den Gesichtsausdruck von Dr. Zantek deuten
sollte. "Sondern?"
"Seit Sie von Ihrem Schiff hierher gebeamt wurden, haben Sie fast drei Tage
geschlafen. Also alles in allem wahrscheinlich beinah fünf!"
Jetzt setzt Gilora sich - dem Schwindel zum Trotz - doch auf. "Aber wie ist
das möglich?"
Dr. Zantek drückte sie sanft aber bestimmt auf das Bett zurück. "Ich habe
herausgefunden, dass Sie drei an einer Vergiftung litten. Ein Gift, dass
ich nicht kannte. Aber ich konnte herausfinden, dass es sich hauptsächlich
im Gehirn auswirkt, wo es den Tiefschlaf auslöst und gleichzeitig das
Langzeitgedächtnis aktiviert. Ich vermute, Sie haben recht intensiv
geträumt - trotz Tiefschlafphase?"
"Ja..." Gilora rieb sich die Schläfe. Das hatte sie tatsächlich. Dann sah
sie zu Zantek. "Und was haben Sie dagegen getan?"
"Ich habe versucht, dass Gift aus ihrem Körper zu entfernen. Letztendlich
hat sich herausgestellt, dass es sich von selbst abbaut - ich habe diesen
Prozess unterstützt, indem ich ihren Stoffwechsel künstlich angeregt habe.
Sonst hätten Sie wahrscheinlich doppelt solange geschlafen."
Gilora nickte bedächtig. Ihren Stoffwechsel angeregt - das erklärte, warum
sie sich so zerschlagen fühlte. "Was ist mit Entek und Hoval? Geht es ihnen
gut?"
Zantek nickte. "Sie werden jeden Moment aufwachen, keine Sorge!"
***
Glinn Daro fluchte und schlug mit der flachen Hand auf ihre Arbeitsplatte.
Was hatte sie nur dazu getrieben, Wissenschaftlerin zu werden? Hatten sich
plötzlich alle Bakterien gegen sie verschworen? Die Proben vor ihr auf dem
Tisch, die, die sie von den neu aufgetretenen Bakterienherden genommen
hatte, waren genauso schlimm, wie die, die in ihren Nährlösungen noch immer
auf ihre Analyse warteten.
Karlin Daro stand auf, trat an den Replikator und bestellte sich einen
Rotblatt-Tee. Während sie ihn in kleinen Schlucken trank, ging sie auf und
ab, um ihre verspannten Muskeln zu lockern. Vor der Labortür blieb sie
stehen, deaktivierte den Sichtschutz und sah hinaus. Ihr Labor befand sich
auf der zweiten Ebene des Promenadendecks. Wenn sie sich etwas reckte und
schräg nach unten sah, konnte sie das Büro des Flugmeisters sehen. Hin und
wieder betrat ein Zivilist das Büro, der einen Passagierplatz benötigte,
oder ein Offizier, der ein Anliegen hatte. Ebenso hin und wieder ging ein
Passant an ihrem Labor vorbei, um die Aussicht auf die Sterne zu genießen.
Diese Aussicht war es auch, die Daro jetzt reizte. Kurz entschlossen
verließ sie ihr Labor und trat an das große ovale Sichtfenster gegenüber.
Mit einem sich öffnendem Wurmloch konnte Empok Nor zwar nicht dienen, aber
die Sonne des Trivas-Systems war recht nah und wenn die Konstellation der
Planeten günstig war - so wie jetzt - dann bot sich einem das atemberaubend
schöne Bild zweier fast gleich großer Planeten, die sich einander in ihren
Umlaufbahnen scheinbar so nahe kamen, dass es aussah, als würden sie
zusammenstoßen. Beide Planeten waren bewohnbar - laut Klassifizierung -
aber bisher hatte sich noch keine Siedlergruppe dazu entschlossen, ihr
Glück in diesem System zu suchen. Karlin Daro wunderte das nicht. Die
Planeten waren bewohnbar - aber wenig mehr. Das Klima war für
cardassianische Verhältnisse extrem rauh und natürliche Ressourcen gab es
kaum noch, zumindest die Vorräte an Erz waren soweit erschöpft, dass sich
ein Abbau nicht mehr lohnte. Was ja auch der Grund gewesen war, dass das
Dominion sich entschlossen hatte, Empok Nor aufzugeben.
Daro seufzte. Sie konnte es sich nicht leisten ihre Zeit vor einem Sichtfenster zu verbringen.
Schließlich klassifizierten sich die Bakterien in ihrem Labor nicht von selber. Daro seufzte
erneut. Wenn sie das nur täten!
Empok Nor eingestellt hatte, seit die ersten Schiffe mit Zivilisten
eingetroffen waren, machte ihm zu schaffen. All diese Kinder, die von jetzt
an auf der Station leben würden, gehörten nicht hierher. Benil nahm einen
Schluck Kanar und schüttelte unmerklich den Kopf. Sie gehörten nach
Cardassia! Wenn ihren Eltern nur bewusst wäre, welch ein Risiko sie
eingingen... Und diese Bakterieninfektionen waren der beste Beweis. Was
nur, hatte Gul Basra dazu bewogen, die Familien an Bord kommen zu lassen?
Darunter seine eigene?
Ein Schatten fiel auf den Tisch. "Entschuldigung, ist hier noch frei?"
Ari Benil sah auf und direkt in das lächelnde Gesicht von Lieutenant
Hernandez. Eigentlich hatte er keine Lust auf Gesellschaft, aber da Tulas
Bar gut gefüllt war, konnte er dem terranischen Offizier den Platz nicht
verweigern.
"Sicher!" Er hoffte nur, dass der Mann kein Gespräch mit ihm anfangen
würde.
"Mein Name ist Hernandez, Frederik Hernandez!"
Zu spät! Eine rosige Hand streckte sich Benil entgegen, die dieser nach
kurzem Zögern ergriff.
"Ari Benil!"
"Sie sind Wissenschaftler, nicht wahr?"
Benil nickte.
"Was ist ihr Fachgebiet?"
"Biologie, Chemie und Genetik."
"Ja, ich erinnere mich! Sie arbeiten mit Sletek zusammen. Ein netter Kerl -
soweit man das von einem Vulkanier so sagen kann. Ich habe neulich mit ihm
eine Partie dreidimensionales Schach gespielt - und natürlich verloren! Ich
fürchte, mit einem Vulkanier kann mein Vermögen an Logik nicht mithalten.
Und was ist mit Ihnen? Spielen Sie auch Schach? Oder eher Kotra?"
"Kotra." Benil hoffte, durch kurze Antworten den Redeschwall seines
Gegenüber einzudämmen, fügte dann aber doch hinzu: "Mit Schach habe ich
mich bisher nicht befasst."
"Oh, es gibt durchaus Parallelen. Der größte Unterschied ist wohl, dass bei
Schach nicht gewürfelt wird - dafür hat Kotra mehr Zugvarianten. Was es
nicht einfacher macht!"
"Sie spielen Kotra?" Benils Interesse war geweckt. Ein Terraner, der sich
mit cardassianischen Spielen auskannte - offenbar war Hernandez doch nicht
der typische Vertreter seiner Art, für den Benil ihn gehalten hatte.
"Ja, es ist außerordentlich interessant!"
"Und wer hat Ihnen Kotra spielen beigebracht? Oder haben Sie ihre
Informationen nur aus einer Computerdatei."
Hernadez lächelte und nahm einen Schluck aus seinem Glas. "Ich gebe zu,
dass es übertrieben wäre zu behaupten, ich könnte Kotra spielen. Ich kenne
lediglich die grundlegenden Zugvarianten. Aber mein Lehrer war aus Fleisch
und Blut! Glinn Borak, er dient auf der Reklar - zumindest hat er das vor
vier Jahren getan. Ich war zu der Zeit an Bord der USS Celtic stationiert
und bekämpfte den Maquis - wie die Reklar. Auf einem Außenposten in der
Nähe hat sich unser Captain mit dem Gul der Reklar beraten, und während
dieser Beratung haben ein paar Freunde und ich mit drei seiner Glinns einen
netten Abend in einem der Etablissements verbracht. Unter ihnen Glinn
Borak. Sie hatten gerade eine Partie beendet und so hatte er Zeit mir die
Grundlagen zu erklären. Leider nicht viel mehr, denn dann begann die
gemeinsame Mission. Seit dem warte ich auf eine Gelegenheit eine richtige
Partie zu spielen!"
"Das klingt wie eine Einladung!" Benil war nicht sicher, ob er sich darüber
freute.
"Das ist es auch! Nun? Was sagen sie?"
Benil sah Hernandez einen Moment an. "Also gut."
"Großartig!" Hernandez leerte sein Glas und winkte Tula, um einen neuen
Drink zu bestellen. "Was halten sie von morgen abend? In meinem Quartier?"
Benil nickte. "Ich werde mein Spiel mitbringen."
In diesem Moment trat Tula an der Tisch. "Ein Root-Beer für Lieutenant
Hernandez! Kann ich Ihnen noch etwas bringen?" Wandte er sich dann an
Benil. Doch dieser lehnte dankend ab. "Finden Sie nicht auch, dass Empok
Nor vollkommen verändert ist, seit wir Kinder auf der Station haben?" Tula
sah fröhlich von einem zum anderen.
"Finden Sie?" Hernandez sah zweifelnd von Tula zu Benil. "Nicht, dass ich
es falsch finden würde, dass die Familien auf die Station ziehen, aber
bisher sind mir noch keine besonderen Veränderungen aufgefallen!"
Benil schüttelte ebenfalls den Kopf. "Ich stimme zu. Abgesehen davon, dass
ich es durchaus für falsch halte, Kinder auf einem intergalaktischen
Raumhafen großzuziehen - aber das müssen die Eltern selber entscheiden!"
"Kommen Sie, Benil", Hernandez sah den Cardassianer überrascht an, "was
soll schon passieren? Vertrauen Sie ihren eigenen Sicherheitsoffizieren
nicht?"
"Doch, das tue ich. Aber Kinder gehören nicht auf eine Raumstation.
Zumindest cardassianische Kinder nicht - ob das für menschliche Kinder
gilt, kann ich nicht beurteilen. Aber cardassianische Kinder sollten auf
Cardassia aufwachsen, wo sie in Sicherheit sind!"
"Nun, bitte nehmen Sie mir das nicht übel, aber den Kindern von Lakarien
City hat es nichts genützt, dass sie auf Cardassia waren!"
Benil sah Hernandez ernst an. "Nein, in diesem Fall nicht. Aber
grundsätzlich halte ich es für falsch, Kinder im Weltraum oder auf fremden
Planeten aufwachsen zu lassen!"
Hernandez zuckte die Schultern. "Möglich, aber was sollen die Eltern tun,
wenn sie nicht auf ihrem Heimatplaneten leben? Würden Sie die meiste Zeit
von Ihrer Familie getrennt sein wollen?"
"Nein. Deswegen habe ich keine Familie."
"Das sollten Sie überdenken!" Tula hatte bis jetzt schweigend zugehört.
"Eine Familie ist etwas Wunderbares. Ich wünschte, ich könnte meine Familie
nach Empok Nor holen..."
"Warum tun Sie es nicht?" Hernandez sah den Bolianer interessiert an. Tulas
gute Laune schien sich mit einem Schlag gewandelt zu haben. Er sah traurig
aus, als er mit resignierter Stimme antwortete: "Weil ich keine Familie
mehr habe. Meine Frau und mein Co-Ehemann haben sich von mir getrennt, sie
meinten, ich sei zu viel unterwegs - ich war eine Zeitlang Frachterkapitän,
müssen Sie wissen." Er seufzte. "Ich habe meine Tochter seit vier Jahren
nicht mehr gesehen."
"Das tut mir leid!" Aus Hernandez Stimme sprach echte Anteilnahme. "Das
muss sehr schwer für Sie sein!"
Tula zuckte die Achseln und lächelte dann. "Was soll ich tun? Es lässt sich
nicht ändern. Aber ich freue mich für jede Familie auf Empok Nor, die jetzt
wieder vereint ist!" Damit wandte er sich um und ging zurück an die Bar.
Hernandez sah ihm nach und wandte sich dann an Benil.
"Und Sie wollen also keine Familie?"
"So würde ich dass nicht sagen. Es hat sich bisher nicht ergeben, und mein
Leben gefällt mir so, wie es ist. Ich habe nicht das Bedürfnis es jetzt zu
verändern - was nicht heißen soll, dass ich es nicht ändern würde, wenn ich
die richtige Frau träfe."
"Ja, das ist nicht so einfach, nicht wahr?" Hernandez lächelte und nahm
einen Schluck Root-Beer. "Ich habe bisher auch noch keine Frau gefunden,
die es wert gewesen wäre, meine Freiheit aufzugeben."
Benil lächelte ebenfalls. "Manchmal bezweifle ich, dass es diese Frau
überhaupt gibt."
Hernandez hob die Schultern. "Ich suche vorerst weiter - so schnell gebe
ich nicht auf!"
"Tun Sie das!" Benil erhob sich. "Ich fürchte, ich muss Sie jetzt mit Ihrem
Drink allein lassen - es wartet viel Arbeit in meinem Labor. Und Sletek ist
zwar sehr zurückhaltend, aber er weiß durchaus zu verhindern, dass er alle
Arbeit allein macht."
"Grüßen Sie ihn von mir!"
"Das werde ich tun." Benil verbeugte sich leicht und verließ dann die Bar.
Er war nicht sicher, was er von Lieutenant Hernandez halten sollte. Er
schien ganz vernünftig zu sein - für einen Terraner. Dass er sich für Kotra
interessierte sprach für ihn. Allerdings redete er ein wenig viel. Benil
beschloss, den gemeinsamen Kotra-Abend abzuwarten.
***
Gilora blinzelte und öffnete dann die Augen. Entgegen ihrer Erwartung lag
sie nicht in ihrem Bett auf der Lavok. Und auch nicht in dem ihres
Quartiers auf Empok Nor. Langsam hob sie den Kopf und sah sich um. Der
Raum, in dem sie sich befand, wirkte wie eine Krankenstation. Auf zwei
weiteren Biobetten erkannte sie Anan und Rin Hoval. Sie wollte gerade
aufstehen, als sich die Tür mit einem leisen Zischen öffnete und eine Frau
mittleren Alters eintrat, gefolgt von einem jungen Mann.
"Bitte bleiben Sie liegen!"
Es klang eher wie ein Befehl, als wie eine Bitte, so dass Gilora beschloss
der Aufforderung nachzukommen. In der Tat hatte sie einen leichten
Schwindel verspürt, der verschwand, als sie sich wieder hinlegte. "Wo sind
wir?"
"Sie sind in der Krankenstation von Presak, auf Raspak II. Ich bin Dr.
Zantek, ich habe Sie und ihre Kollegen behandelt!"
"Behandelt?"
"Als ihr Schiff mit Warp-Geschwindigkeit in das System einflog, und
niemand an Bord auf die Rufe der Flugüberwachung reagierte, haben wir uns
gedacht, dass etwas nicht stimmt. Ein Rettungsteam ist an Bord gebeamt und
hat Ihr Schiff nach Raspak II geflogen. Ihren Pilot fand man schlafend auf
der Brücke, Sie und Ihren zweiten Kollegen in den Quartieren. Sie wurden
sofort hierher auf die Krankenstation gebeamt. Dem Logbuch konnten wir
entnehmen, dass Sie das Versorgungsschiff sind, das wir erwartet haben."
"Aber wir hatten noch mindestens einen Tag Flugzeit vor uns - wir können
unmöglich solange geschlafen haben!"
"Haben Sie auch nicht!"
Gilora war nicht sicher, wie sie den Gesichtsausdruck von Dr. Zantek deuten
sollte. "Sondern?"
"Seit Sie von Ihrem Schiff hierher gebeamt wurden, haben Sie fast drei Tage
geschlafen. Also alles in allem wahrscheinlich beinah fünf!"
Jetzt setzt Gilora sich - dem Schwindel zum Trotz - doch auf. "Aber wie ist
das möglich?"
Dr. Zantek drückte sie sanft aber bestimmt auf das Bett zurück. "Ich habe
herausgefunden, dass Sie drei an einer Vergiftung litten. Ein Gift, dass
ich nicht kannte. Aber ich konnte herausfinden, dass es sich hauptsächlich
im Gehirn auswirkt, wo es den Tiefschlaf auslöst und gleichzeitig das
Langzeitgedächtnis aktiviert. Ich vermute, Sie haben recht intensiv
geträumt - trotz Tiefschlafphase?"
"Ja..." Gilora rieb sich die Schläfe. Das hatte sie tatsächlich. Dann sah
sie zu Zantek. "Und was haben Sie dagegen getan?"
"Ich habe versucht, dass Gift aus ihrem Körper zu entfernen. Letztendlich
hat sich herausgestellt, dass es sich von selbst abbaut - ich habe diesen
Prozess unterstützt, indem ich ihren Stoffwechsel künstlich angeregt habe.
Sonst hätten Sie wahrscheinlich doppelt solange geschlafen."
Gilora nickte bedächtig. Ihren Stoffwechsel angeregt - das erklärte, warum
sie sich so zerschlagen fühlte. "Was ist mit Entek und Hoval? Geht es ihnen
gut?"
Zantek nickte. "Sie werden jeden Moment aufwachen, keine Sorge!"
***
Glinn Daro fluchte und schlug mit der flachen Hand auf ihre Arbeitsplatte.
Was hatte sie nur dazu getrieben, Wissenschaftlerin zu werden? Hatten sich
plötzlich alle Bakterien gegen sie verschworen? Die Proben vor ihr auf dem
Tisch, die, die sie von den neu aufgetretenen Bakterienherden genommen
hatte, waren genauso schlimm, wie die, die in ihren Nährlösungen noch immer
auf ihre Analyse warteten.
Karlin Daro stand auf, trat an den Replikator und bestellte sich einen
Rotblatt-Tee. Während sie ihn in kleinen Schlucken trank, ging sie auf und
ab, um ihre verspannten Muskeln zu lockern. Vor der Labortür blieb sie
stehen, deaktivierte den Sichtschutz und sah hinaus. Ihr Labor befand sich
auf der zweiten Ebene des Promenadendecks. Wenn sie sich etwas reckte und
schräg nach unten sah, konnte sie das Büro des Flugmeisters sehen. Hin und
wieder betrat ein Zivilist das Büro, der einen Passagierplatz benötigte,
oder ein Offizier, der ein Anliegen hatte. Ebenso hin und wieder ging ein
Passant an ihrem Labor vorbei, um die Aussicht auf die Sterne zu genießen.
Diese Aussicht war es auch, die Daro jetzt reizte. Kurz entschlossen
verließ sie ihr Labor und trat an das große ovale Sichtfenster gegenüber.
Mit einem sich öffnendem Wurmloch konnte Empok Nor zwar nicht dienen, aber
die Sonne des Trivas-Systems war recht nah und wenn die Konstellation der
Planeten günstig war - so wie jetzt - dann bot sich einem das atemberaubend
schöne Bild zweier fast gleich großer Planeten, die sich einander in ihren
Umlaufbahnen scheinbar so nahe kamen, dass es aussah, als würden sie
zusammenstoßen. Beide Planeten waren bewohnbar - laut Klassifizierung -
aber bisher hatte sich noch keine Siedlergruppe dazu entschlossen, ihr
Glück in diesem System zu suchen. Karlin Daro wunderte das nicht. Die
Planeten waren bewohnbar - aber wenig mehr. Das Klima war für
cardassianische Verhältnisse extrem rauh und natürliche Ressourcen gab es
kaum noch, zumindest die Vorräte an Erz waren soweit erschöpft, dass sich
ein Abbau nicht mehr lohnte. Was ja auch der Grund gewesen war, dass das
Dominion sich entschlossen hatte, Empok Nor aufzugeben.
Daro seufzte. Sie konnte es sich nicht leisten ihre Zeit vor einem Sichtfenster zu verbringen.
Schließlich klassifizierten sich die Bakterien in ihrem Labor nicht von selber. Daro seufzte
erneut. Wenn sie das nur täten!
