Deirdre stapfte durch den Wald, tief in Gedanken. Irgendwo klagte ein Vogel
am Himmel und in den Büschen um sie herum raschelte es hin und wieder, doch
sie beachtete es nicht weiter. Ihre Instinkte würden ihr helfen, wenn es
wirklich nötig war. Sie dachte über die letzten Tage nach. Snape hatte kein
Wort verlauten lassen, was jene Nacht in seinen Räumen anging. Selbst Albus
Dumbledore, der sie auf ihr Fehlen angesprochen hatte, schien nicht genau
zu wissen, was geschehen war. Sie hatte sich mit jener Ausrede
herausgeredet, die Snape ihr empfohlen hatte - dass sie hätte nachsitzen
müssen.
Seither hatte sie Ruhe gehabt. Der Trank stand ihr stets pünktlich zur Verfügung, Albus ebnete ihr alle Wege und in Slytherin hätte es nicht besser laufen können. Draco war bis über beide Ohren in sie verliebt, das merkte sie. Er war ein lieber Junge und es schmeichelte ihr ungemein, doch tief in ihr war sie sich bewusst, dass sie seine Gefühle ausnutzt, um an seinen Vater heranzukommen. Dies ging eigentlich über ihren Auftrag hinaus. Eigentlich sollte sie nur die Jugendlichen in Hogwarts beobachten und feststellen, welche Verbindungen sie zu den Todessern hatten. Doch ihr Ehrgeiz - eine typische Empfindung ihrer menschlichen Seite - trieb sie zu mehr.
Es raschelte neben ihr und diesmal warnte sie ihr feines Gehör. Sie stoppte, ließ ihren Bogen von der Schulter rutschen und griff in ihren Köcher. Es war später Nachmittag und sie hoffte sehr, dass es keiner der Schüler war, der sie hier ertappte, zwar in der jugendlichen Gestalt, aber bewaffnet und weitab des Schulgeländes. Der Busch, aus dem das Geräusch ertönte, erzitterte, dann teilten sich die Blätter und ein schlanker Tierkörper trottete hervor. Deirdre runzelte die Stirn. Es war ein großer, schwarzer Hund, der mit wedelndem Schwanz vor ihr verharrte, doch etwas stimmte nicht. Ihre Verbindung zu Tieren war immer sehr gut gewesen, und wenn sie sich nicht sehr irrte, war dieser Hund kein gewöhnliches Tier.
Tatsächlich schien sich der Hund umzusehen, dann streckte sich seine Gestalt, gewann menschliche Züge, richtet sich langsam auf. Ein Animagus. Sie hätte es wissen müssen. Der Mann, der schließlich vor ihr stand, sah verwildert und mager aus. Er war groß und dünn, seine dunklen Haare und sein Bart waren lang und verfilzt, doch seine blauen Augen blickten in einer Art, die sie dazu brachte, ihre Waffe zu senken. Er lächelte.
"Entschuldigen Sie meinen Auftritt!", bat er mit einer angenehmen Stimme, in der Humor zu erkennen war. "Albus ist der Meinung, ich sollte tagsüber nur als Hund auftreten. Leider erschwert das jegliche Unterhaltung."
"Sie sind Sirius Black." Das Gesicht von den Fahndungsplakaten im Ministerium war unvergesslich. "Ganz schön mutig, hier aufzutauchen."
"Würden Sie mir glauben, dass ich unschuldig bin, wenn Albus es auch glaubt?" Er zwinkerte. "Nun mal Schluss mit lustig, er hat mich geschickt, um Sie zu den Zentauren begleiten." Deirdre zog die Augenbrauen hoch. Wenn Dumbledore diesem gesuchten Verbrecher verriet, wohin sie unterwegs war, dann musste er ihm auch etwas über sie erzählte haben. Was wiederum voraussetzte, dass Albus dem Mann vertraute. Also würde sie das auch tun. Obwohl er ein wenig ruppig auftrat, wirkte er ganz sympathisch. Sie setzte sich in Bewegung und wie ein großer Hund - wie passend - blieb er an ihrer Seite. "Habe von den Vorfällen gehört. Bin deswegen hergekommen, um einsatzbereit zu sein, falls es Ärger gibt. Außerdem kenne ich die Waldbewohner ganz gut."
"Freundschaft auf vier Pfoten, oder?" erkundigte sich Deirdre und versteckte ein Lächeln.
"Momentan ist im Kollegium die Hölle los", informierte Black sie. "Gestern gab es eine Konferenz. Dumbledore hat einen alten Freund von mir, Remus Lupin, nach Hogwarts zurückgerufen. Er wird ab nächster Woche den Unterricht zur Verteidigung gegen die dunklen Künste übernehmen. Ein fähiger Mann. Wir müssen vorsichtig sein."
"Eine Konferenz?" Natürlich war sie wieder die Letzte, die von so etwas erfuhr. Der ungesicherte Stand, den sie hier innehatte, zehrte manchmal mehr an ihren Nerven als ihre körperliche Erschöpfung. "Nun, ich kann mir vorstellen, worum es ging. Inzwischen weiß ja jeder Schüler, wofür die Substanzen, die bei dem Überfall erbeutet wurden, gebraucht werden."
"Soweit ich weiß, geht es um die Erweckung von Toten." Sirius Black hatte die Hände hinter dem Rücken zusammengelegt und wirkte wie ein Professor vor einer kniffligen Aufgabe. "Und wenn es wirklich Voldemort war, dann hat er einen entscheidenden Vorteil errungen. Nun ja, wenn Sie erst einmal auf Malfoy Manor sind, können Sie vielleicht mehr erfahren."
"Und woher wissen Sie das schon wieder?" Deirdre beschlich das Gefühl, dass hinter ihrem Rücken eine Menge Informationen einfach in ihr vorbeiliefen.
"Albus", lautete die simple Antwort. "Werde Sie da auch im Auge behalten. Geheimauftrag vom Chef. Fand es aber höflicher, mich vorher bei Ihnen vorzustellen." Deirdre knirschte mit den Zähnen, hielt aber ihren Unmut zurück. In der Ferne, zwischen zwei Bäumen, tauchte das Dorf der Zentauren auf. Deirdre atmete tief durch. Zunächst galt es, den Wunsch des Direktors zu erfüllen und das Verhältnis zwischen der Schule und den Waldbewohnern zu verbessern. "Seien Sie nicht böse", bat Sirius, der ihre innere Anspannung bemerkte. "Sie müssen anfangen, nach den Regeln der Schule zu spielen, damit Sie dazugehören."
"Ich werde nie dazugehören", fuhr sie ihn an, erstaunlich empfindlich. "Und ich möchte jetzt auch nicht weiterreden."
***
Der Herbst war ins Land gegangen und pünktlich Anfang Dezember setzte im schottischen Gebirge der Schneefall ein. Die Schüler kramten ihre lange nicht benutzten Winterumhänge hervor und beschäftigten sich anstelle ihrer Hausaufgaben mit Schneebällen und Einkäufen in Hogsmeade.
Severus stapfte mitmutig von den Gewächshäusuern zurück zum Schloss. In seiner Tasche ruhten einige Blätter und Früchte, die er von Madame Sprout für seinen Tränke erhalten hatte. Das war auch der einzige Grund, weswegen er sich zu dieser Jahreszeit aus dem Schloss wagte - ausgenommen der Quidditch-Spiele von Slytherin. Er hatte überhaupt keine Lust, rüpelhaften Kindern mit Schneebällen zu begegnen. Nicht, dass sie sich getraut hätten, ihn zu attackieren. Er hatte nur keine Lust, sich zu ärgern.
Sein Nervenkostüm war in letzter Zeit erstaunlich dünn. Ereignisse warfen ihre Schatten voraus. Keine guten Dinge. Voldemort war in letzter Zeit erstaunlich selbstsicher, doch er ließ sich nicht in die Karten blicken. Severus war davon ausgegangen, dass er zum engsten Kreis um den dunklen Lord gehörte, doch die neuen Pläne Voldemorts waren anscheinend so geheim, dass noch nicht einmal Lucius Malfoy Bescheid wusste. Dementsprechend war die Stimmung unter den Todessern äußerst angespannt. Jeder fragte sich, was passieren würde. Befand man sich vor dem ultimativen Sieg? Doch wie? Es wurde gemunkelt, dass überall auf der Welt blutige Attacken auf Zentauren und Elfen stattgefunden hatten.
Und apropos Elfen. Als Severus in den Innenhof des Schlosses trat, sah er Draco Malfoy., der seine Hände allen Anscheins nach am Hinterteil von Miss Zarathus wärmte. Das war zumindest zu vermuten, denn die schwarzen Schulumhänge verbargen das eigentliche Geschehen. Mit Unmut hatte Severus verfolgt, wie Draco nach und nach der zänkischen Elfenfrau verfiel. Dauernd scharwenzelte der Junge um sie herum, las ihr jeden Wunsch von den Augen ab und benahm sich wie ein verliebter Idiot. Doch es war nichts zu machen. Miss Zarathus hatte sie beide in der Hand, Draco aufgrund seiner Gefühle, und ihn selbst, weil sie wusste, wie dünn der Strohhalm war, an den er sich klammerte.
In diesem Moment bemerkte sie ihn und zu seiner - gut überspielten - Überraschung wirkte sie betreten, als sie seinen strafenden Blick auffing. Tatsächlich schien sie dabei zu sein, Dracos Annäherungen körperlicher Art abzuwehren. Snape beobachtete, wie sie mit einem koketten Lächeln auf Draco einredete, woraufhin dieser sie losließ und sie mit einem zutiefst unglücklichen Blick bedachte. Spielte sie nur Theater, weil sie ihn gesehen hatte, oder empfand sie tatsächlich Skrupel, den Jungen zu missbrauchen? Immerhin war sie erwachsen und Draco noch nicht einmal volljährig.
Severus ging an den beiden vorbei und bemühte sich, sie nicht unter irgendeinem Vorwand zu trennen. Er wollte nicht, dass Draco etwas geschah, dass er enttäuscht wurde. Zwar war er ein Vertreter der Meinung, dass Jugendliche abgehärtet werden sollten - dafür war Slytherin schließlich prädestiniert - doch Draco und viele seiner Altersgenossen befanden sich zur Zeit an einem Scheideweg. Der Junge emanzipierte sich gegenüber seinem Vater, begann sich seine eigenen Gedanken über die Seite zu machen, auf die er sich stellen wollte. Er sollte nicht durch die Intrige einer Spionin der "Guten" zurückgeworfen werden und vielleicht eine völlige Kehrtwende machen, um von einer anderen Macht benutzt zu werden. Das hatte Draco nicht verdient. Das hatte niemand verdient. Er musste etwas unternehmen.
***
Albus Dumbledore sah in die drei arg verstimmt wirkende Gesichter und seufzte leise. Doch da sich die Besucher in seinem Büro befanden, wagten sie es nicht, ihrer Unmut Luft zu machen. Albus blickte absichtlich lange im Raum herum, sein Blick streifte die Bilder alter Freunde, die ihm freundlich zuwinkten oder mit Gesten begreiflich machten, dass er sich doch bitte um seine Gäste kümmern sollte. Schmunzelnd wagte er sich nun an den Vermittlungsversuch zwischen einem Lehrer, einer Schülerin und einem Renegaten.
Severus Snape verschoss Blicke wie Dolche und hatte sich mit verschränkten Armen an ein Regal gelehnt. Seine Augenbrauen berührten sich fast und die steile Falte dazwischen wirkte tiefer als sonst. Also eigentlich nichts Besonderes.
Dem düsteren Professor gegenüber, in der gleichen Pose, stand Sirius Black und schien nicht zu wissen, ob er die ganze Situation amüsant oder ärgerlich finden sollte. Seine tierische Seite schien zu erwägen, sich auf Snapes Kehle zu stürzen und genüsslich ein großes Stück herauszureißen. Also auch hier nichts Besonderes.
Im einzigen anderen Stuhl des Raumes saß Miss Zarathus und strahlte Entschlossenheit aus. Im Gegensatz zu den beiden Streithähnen zu ihren Seiten hatte sie es gar nicht nötig, auf den Beinen zu sein, um groß zu wirken. Albus beobachtete jede ihrer Regungen ganz genau. Er wusste nicht, ob er ihr trauen konnte. Die Tatsache, dass sie eine Hochelfe war, erschwerte die Sache noch. Wie es der Hut bereits bei ihrer Auswahl gesagt hatte, ihr Geist war für niemanden zu prüfen, für keinen Zauberer der Welt. Dafür unterschieden sich Menschen und Elfen in vielen Dingen zu sehr. Und deswegen konnte Albus auch nicht sagen, was sie wirklich wollte oder welche Pläne sie verfolgte. Fest stand, dass sie zurzeit nicht gerade zufrieden war.
"Also, ich habe Sie zusammengerufen, da Sie alle eine Unterredung mit mir wünschten. Deswegen hielt ich diese Form des Zusammenkommens für sinnvoll", eröffnete Dumbledore höchstpersönlich den Schlagabtausch und wurde dann von drei Statements zur selben Zeit getroffen.
"Ich weigere mich, in der Gesellschaft eines Verbrechers zu bleiben."
"Also wirklich, Albus, was kann so wichtig sein, dass sie mich in ein Zimmer mit dem da strecken?"
"Herr Direktor, es ist absolut unnötig, dass diese beiden Herren anwesen sind."
Das war zu erwarten gewesen. Wenn drei Dickköpfe aufeinander trafen, war Ärger vorprogrammiert. Zum Glück zählte er sich selbst ebenfalls zu dieser Kategorie Mensch und deswegen ließ sich Albus nicht schrecken.
"Kinder, bitte nicht alle durcheinander. Severus zuerst, bitte."
Der Lehrer schien einige Zentimeter zu wachsen, als er sich vom Regal abstieß und in Kampfhaltung ging - er stützte die Hände in die Hüften und senkte seine habichtsartige Nase missbilligend auf Miss Zarathus herab.
"Albus, ich hatte meiner Skepsis bezüglich Miss Zarathus Auftrag bereits schon einige Male Luft gemacht. Dieses Mal bestehe ich jedoch darauf, dass etwas geschieht! Ich lasse nicht zu, dass sie weiterhin meine Schüler wie Schachfiguren auf einem Brett hin und herschiebt."
"Ach, Herrgott, Snape, stellen Sie sich nicht so an. Als ob Sie nicht dasselbe tun würden!" blaffte ihn Sirius Black an und es sah nun wirklich so aus, als wäre eine Prügelei unausweichlich. Aggressivität lag in der Luft, als Deirdre sich zu Wort meldete. Seltsamerweise klang sie dieses Mal nicht so arrogant wie sonst. Im Gegenteil. Albus sah genau hin und entdeckte etwas völlig Neues in ihrem feinen Gesicht. Unsicherheit.
"Es tut mir sehr leid, für solche Umtriebe zu sorgen. Und ich versichere Ihnen, die Reise nach Malfoy Manor wird einer meiner letzten Spielzüge sein. Aber bis dahin erwarte ich, dass man mir freie Hand lässt. In allem." Ihr Blick wanderte fast entschuldigend zu Sirius Black. "Ich weiß, man traut mir hier nicht, aber ich brauche sicher keinen Babysitter."
Eine kleine Stille folgte. Albus nahm dankbar wahr, dass den Männern der Wind aus den Segeln genommen worden war - jetzt waren sie so entrüstet, dass sie noch nicht einmal mehr Worte finden konnten. Der Direktor beeilte sich, diese ungewöhnliche Situation auszunutzen, indem er ein Machtwort sprach.
"Ich kann Ihrer aller Entrüstung verstehen", teilte er den Anwesenden diplomatisch mit. "Severus, ich bin auch nicht glücklich mit der Situation, aber Miss Zarathus wird nur für dieses Schuljahr bei uns sein und das ist doch ein absehbarere Zeitraum. Ich denke, wir beide wissen, was auf dem Spiel steht." Er war Snape einen bedeutsamen Blick zu und wandte sich dann dem nächsten zu. "Sirius, keine Aufregung, bitte. Ich brauche weiterhin Ihre Hilfe. Und Miss Zarathus, solange Sie hier im Schloss leben und arbeiten, sollten Sie sich daran gewöhnen, meine Anweisungen zu befolgen. Diese sind ausschließlich zu Ihrem Schutz, und nicht zu Ihrer Behinderung gedacht. Mr. Black wird Sie während Ihres Aufenthaltes im Hause Malfoy beobachten. Das ist mein letztes Wort." Sie wollte anscheinend protestieren, klappte aber den Mund wieder zu. Albus nickte zufrieden. "So, und nun lassen Sie mich bitte allein. Es gibt noch einiges zu tun." Mit einem Lächeln beobachtete er, wie die drei aus seinem Büro gingen. Immer noch so unzufrieden wie am Anfang. Aber zumindest waren nun die Fronten geklärt.
Hat es Euch gefallen? Was wird auf Malfoy Manor geschehen? Gibt es noch mehr Elfen? Das alles im nächsten Teil von "Verbündete" - den gibt es ab 8 Reviews!!!!
Seither hatte sie Ruhe gehabt. Der Trank stand ihr stets pünktlich zur Verfügung, Albus ebnete ihr alle Wege und in Slytherin hätte es nicht besser laufen können. Draco war bis über beide Ohren in sie verliebt, das merkte sie. Er war ein lieber Junge und es schmeichelte ihr ungemein, doch tief in ihr war sie sich bewusst, dass sie seine Gefühle ausnutzt, um an seinen Vater heranzukommen. Dies ging eigentlich über ihren Auftrag hinaus. Eigentlich sollte sie nur die Jugendlichen in Hogwarts beobachten und feststellen, welche Verbindungen sie zu den Todessern hatten. Doch ihr Ehrgeiz - eine typische Empfindung ihrer menschlichen Seite - trieb sie zu mehr.
Es raschelte neben ihr und diesmal warnte sie ihr feines Gehör. Sie stoppte, ließ ihren Bogen von der Schulter rutschen und griff in ihren Köcher. Es war später Nachmittag und sie hoffte sehr, dass es keiner der Schüler war, der sie hier ertappte, zwar in der jugendlichen Gestalt, aber bewaffnet und weitab des Schulgeländes. Der Busch, aus dem das Geräusch ertönte, erzitterte, dann teilten sich die Blätter und ein schlanker Tierkörper trottete hervor. Deirdre runzelte die Stirn. Es war ein großer, schwarzer Hund, der mit wedelndem Schwanz vor ihr verharrte, doch etwas stimmte nicht. Ihre Verbindung zu Tieren war immer sehr gut gewesen, und wenn sie sich nicht sehr irrte, war dieser Hund kein gewöhnliches Tier.
Tatsächlich schien sich der Hund umzusehen, dann streckte sich seine Gestalt, gewann menschliche Züge, richtet sich langsam auf. Ein Animagus. Sie hätte es wissen müssen. Der Mann, der schließlich vor ihr stand, sah verwildert und mager aus. Er war groß und dünn, seine dunklen Haare und sein Bart waren lang und verfilzt, doch seine blauen Augen blickten in einer Art, die sie dazu brachte, ihre Waffe zu senken. Er lächelte.
"Entschuldigen Sie meinen Auftritt!", bat er mit einer angenehmen Stimme, in der Humor zu erkennen war. "Albus ist der Meinung, ich sollte tagsüber nur als Hund auftreten. Leider erschwert das jegliche Unterhaltung."
"Sie sind Sirius Black." Das Gesicht von den Fahndungsplakaten im Ministerium war unvergesslich. "Ganz schön mutig, hier aufzutauchen."
"Würden Sie mir glauben, dass ich unschuldig bin, wenn Albus es auch glaubt?" Er zwinkerte. "Nun mal Schluss mit lustig, er hat mich geschickt, um Sie zu den Zentauren begleiten." Deirdre zog die Augenbrauen hoch. Wenn Dumbledore diesem gesuchten Verbrecher verriet, wohin sie unterwegs war, dann musste er ihm auch etwas über sie erzählte haben. Was wiederum voraussetzte, dass Albus dem Mann vertraute. Also würde sie das auch tun. Obwohl er ein wenig ruppig auftrat, wirkte er ganz sympathisch. Sie setzte sich in Bewegung und wie ein großer Hund - wie passend - blieb er an ihrer Seite. "Habe von den Vorfällen gehört. Bin deswegen hergekommen, um einsatzbereit zu sein, falls es Ärger gibt. Außerdem kenne ich die Waldbewohner ganz gut."
"Freundschaft auf vier Pfoten, oder?" erkundigte sich Deirdre und versteckte ein Lächeln.
"Momentan ist im Kollegium die Hölle los", informierte Black sie. "Gestern gab es eine Konferenz. Dumbledore hat einen alten Freund von mir, Remus Lupin, nach Hogwarts zurückgerufen. Er wird ab nächster Woche den Unterricht zur Verteidigung gegen die dunklen Künste übernehmen. Ein fähiger Mann. Wir müssen vorsichtig sein."
"Eine Konferenz?" Natürlich war sie wieder die Letzte, die von so etwas erfuhr. Der ungesicherte Stand, den sie hier innehatte, zehrte manchmal mehr an ihren Nerven als ihre körperliche Erschöpfung. "Nun, ich kann mir vorstellen, worum es ging. Inzwischen weiß ja jeder Schüler, wofür die Substanzen, die bei dem Überfall erbeutet wurden, gebraucht werden."
"Soweit ich weiß, geht es um die Erweckung von Toten." Sirius Black hatte die Hände hinter dem Rücken zusammengelegt und wirkte wie ein Professor vor einer kniffligen Aufgabe. "Und wenn es wirklich Voldemort war, dann hat er einen entscheidenden Vorteil errungen. Nun ja, wenn Sie erst einmal auf Malfoy Manor sind, können Sie vielleicht mehr erfahren."
"Und woher wissen Sie das schon wieder?" Deirdre beschlich das Gefühl, dass hinter ihrem Rücken eine Menge Informationen einfach in ihr vorbeiliefen.
"Albus", lautete die simple Antwort. "Werde Sie da auch im Auge behalten. Geheimauftrag vom Chef. Fand es aber höflicher, mich vorher bei Ihnen vorzustellen." Deirdre knirschte mit den Zähnen, hielt aber ihren Unmut zurück. In der Ferne, zwischen zwei Bäumen, tauchte das Dorf der Zentauren auf. Deirdre atmete tief durch. Zunächst galt es, den Wunsch des Direktors zu erfüllen und das Verhältnis zwischen der Schule und den Waldbewohnern zu verbessern. "Seien Sie nicht böse", bat Sirius, der ihre innere Anspannung bemerkte. "Sie müssen anfangen, nach den Regeln der Schule zu spielen, damit Sie dazugehören."
"Ich werde nie dazugehören", fuhr sie ihn an, erstaunlich empfindlich. "Und ich möchte jetzt auch nicht weiterreden."
***
Der Herbst war ins Land gegangen und pünktlich Anfang Dezember setzte im schottischen Gebirge der Schneefall ein. Die Schüler kramten ihre lange nicht benutzten Winterumhänge hervor und beschäftigten sich anstelle ihrer Hausaufgaben mit Schneebällen und Einkäufen in Hogsmeade.
Severus stapfte mitmutig von den Gewächshäusuern zurück zum Schloss. In seiner Tasche ruhten einige Blätter und Früchte, die er von Madame Sprout für seinen Tränke erhalten hatte. Das war auch der einzige Grund, weswegen er sich zu dieser Jahreszeit aus dem Schloss wagte - ausgenommen der Quidditch-Spiele von Slytherin. Er hatte überhaupt keine Lust, rüpelhaften Kindern mit Schneebällen zu begegnen. Nicht, dass sie sich getraut hätten, ihn zu attackieren. Er hatte nur keine Lust, sich zu ärgern.
Sein Nervenkostüm war in letzter Zeit erstaunlich dünn. Ereignisse warfen ihre Schatten voraus. Keine guten Dinge. Voldemort war in letzter Zeit erstaunlich selbstsicher, doch er ließ sich nicht in die Karten blicken. Severus war davon ausgegangen, dass er zum engsten Kreis um den dunklen Lord gehörte, doch die neuen Pläne Voldemorts waren anscheinend so geheim, dass noch nicht einmal Lucius Malfoy Bescheid wusste. Dementsprechend war die Stimmung unter den Todessern äußerst angespannt. Jeder fragte sich, was passieren würde. Befand man sich vor dem ultimativen Sieg? Doch wie? Es wurde gemunkelt, dass überall auf der Welt blutige Attacken auf Zentauren und Elfen stattgefunden hatten.
Und apropos Elfen. Als Severus in den Innenhof des Schlosses trat, sah er Draco Malfoy., der seine Hände allen Anscheins nach am Hinterteil von Miss Zarathus wärmte. Das war zumindest zu vermuten, denn die schwarzen Schulumhänge verbargen das eigentliche Geschehen. Mit Unmut hatte Severus verfolgt, wie Draco nach und nach der zänkischen Elfenfrau verfiel. Dauernd scharwenzelte der Junge um sie herum, las ihr jeden Wunsch von den Augen ab und benahm sich wie ein verliebter Idiot. Doch es war nichts zu machen. Miss Zarathus hatte sie beide in der Hand, Draco aufgrund seiner Gefühle, und ihn selbst, weil sie wusste, wie dünn der Strohhalm war, an den er sich klammerte.
In diesem Moment bemerkte sie ihn und zu seiner - gut überspielten - Überraschung wirkte sie betreten, als sie seinen strafenden Blick auffing. Tatsächlich schien sie dabei zu sein, Dracos Annäherungen körperlicher Art abzuwehren. Snape beobachtete, wie sie mit einem koketten Lächeln auf Draco einredete, woraufhin dieser sie losließ und sie mit einem zutiefst unglücklichen Blick bedachte. Spielte sie nur Theater, weil sie ihn gesehen hatte, oder empfand sie tatsächlich Skrupel, den Jungen zu missbrauchen? Immerhin war sie erwachsen und Draco noch nicht einmal volljährig.
Severus ging an den beiden vorbei und bemühte sich, sie nicht unter irgendeinem Vorwand zu trennen. Er wollte nicht, dass Draco etwas geschah, dass er enttäuscht wurde. Zwar war er ein Vertreter der Meinung, dass Jugendliche abgehärtet werden sollten - dafür war Slytherin schließlich prädestiniert - doch Draco und viele seiner Altersgenossen befanden sich zur Zeit an einem Scheideweg. Der Junge emanzipierte sich gegenüber seinem Vater, begann sich seine eigenen Gedanken über die Seite zu machen, auf die er sich stellen wollte. Er sollte nicht durch die Intrige einer Spionin der "Guten" zurückgeworfen werden und vielleicht eine völlige Kehrtwende machen, um von einer anderen Macht benutzt zu werden. Das hatte Draco nicht verdient. Das hatte niemand verdient. Er musste etwas unternehmen.
***
Albus Dumbledore sah in die drei arg verstimmt wirkende Gesichter und seufzte leise. Doch da sich die Besucher in seinem Büro befanden, wagten sie es nicht, ihrer Unmut Luft zu machen. Albus blickte absichtlich lange im Raum herum, sein Blick streifte die Bilder alter Freunde, die ihm freundlich zuwinkten oder mit Gesten begreiflich machten, dass er sich doch bitte um seine Gäste kümmern sollte. Schmunzelnd wagte er sich nun an den Vermittlungsversuch zwischen einem Lehrer, einer Schülerin und einem Renegaten.
Severus Snape verschoss Blicke wie Dolche und hatte sich mit verschränkten Armen an ein Regal gelehnt. Seine Augenbrauen berührten sich fast und die steile Falte dazwischen wirkte tiefer als sonst. Also eigentlich nichts Besonderes.
Dem düsteren Professor gegenüber, in der gleichen Pose, stand Sirius Black und schien nicht zu wissen, ob er die ganze Situation amüsant oder ärgerlich finden sollte. Seine tierische Seite schien zu erwägen, sich auf Snapes Kehle zu stürzen und genüsslich ein großes Stück herauszureißen. Also auch hier nichts Besonderes.
Im einzigen anderen Stuhl des Raumes saß Miss Zarathus und strahlte Entschlossenheit aus. Im Gegensatz zu den beiden Streithähnen zu ihren Seiten hatte sie es gar nicht nötig, auf den Beinen zu sein, um groß zu wirken. Albus beobachtete jede ihrer Regungen ganz genau. Er wusste nicht, ob er ihr trauen konnte. Die Tatsache, dass sie eine Hochelfe war, erschwerte die Sache noch. Wie es der Hut bereits bei ihrer Auswahl gesagt hatte, ihr Geist war für niemanden zu prüfen, für keinen Zauberer der Welt. Dafür unterschieden sich Menschen und Elfen in vielen Dingen zu sehr. Und deswegen konnte Albus auch nicht sagen, was sie wirklich wollte oder welche Pläne sie verfolgte. Fest stand, dass sie zurzeit nicht gerade zufrieden war.
"Also, ich habe Sie zusammengerufen, da Sie alle eine Unterredung mit mir wünschten. Deswegen hielt ich diese Form des Zusammenkommens für sinnvoll", eröffnete Dumbledore höchstpersönlich den Schlagabtausch und wurde dann von drei Statements zur selben Zeit getroffen.
"Ich weigere mich, in der Gesellschaft eines Verbrechers zu bleiben."
"Also wirklich, Albus, was kann so wichtig sein, dass sie mich in ein Zimmer mit dem da strecken?"
"Herr Direktor, es ist absolut unnötig, dass diese beiden Herren anwesen sind."
Das war zu erwarten gewesen. Wenn drei Dickköpfe aufeinander trafen, war Ärger vorprogrammiert. Zum Glück zählte er sich selbst ebenfalls zu dieser Kategorie Mensch und deswegen ließ sich Albus nicht schrecken.
"Kinder, bitte nicht alle durcheinander. Severus zuerst, bitte."
Der Lehrer schien einige Zentimeter zu wachsen, als er sich vom Regal abstieß und in Kampfhaltung ging - er stützte die Hände in die Hüften und senkte seine habichtsartige Nase missbilligend auf Miss Zarathus herab.
"Albus, ich hatte meiner Skepsis bezüglich Miss Zarathus Auftrag bereits schon einige Male Luft gemacht. Dieses Mal bestehe ich jedoch darauf, dass etwas geschieht! Ich lasse nicht zu, dass sie weiterhin meine Schüler wie Schachfiguren auf einem Brett hin und herschiebt."
"Ach, Herrgott, Snape, stellen Sie sich nicht so an. Als ob Sie nicht dasselbe tun würden!" blaffte ihn Sirius Black an und es sah nun wirklich so aus, als wäre eine Prügelei unausweichlich. Aggressivität lag in der Luft, als Deirdre sich zu Wort meldete. Seltsamerweise klang sie dieses Mal nicht so arrogant wie sonst. Im Gegenteil. Albus sah genau hin und entdeckte etwas völlig Neues in ihrem feinen Gesicht. Unsicherheit.
"Es tut mir sehr leid, für solche Umtriebe zu sorgen. Und ich versichere Ihnen, die Reise nach Malfoy Manor wird einer meiner letzten Spielzüge sein. Aber bis dahin erwarte ich, dass man mir freie Hand lässt. In allem." Ihr Blick wanderte fast entschuldigend zu Sirius Black. "Ich weiß, man traut mir hier nicht, aber ich brauche sicher keinen Babysitter."
Eine kleine Stille folgte. Albus nahm dankbar wahr, dass den Männern der Wind aus den Segeln genommen worden war - jetzt waren sie so entrüstet, dass sie noch nicht einmal mehr Worte finden konnten. Der Direktor beeilte sich, diese ungewöhnliche Situation auszunutzen, indem er ein Machtwort sprach.
"Ich kann Ihrer aller Entrüstung verstehen", teilte er den Anwesenden diplomatisch mit. "Severus, ich bin auch nicht glücklich mit der Situation, aber Miss Zarathus wird nur für dieses Schuljahr bei uns sein und das ist doch ein absehbarere Zeitraum. Ich denke, wir beide wissen, was auf dem Spiel steht." Er war Snape einen bedeutsamen Blick zu und wandte sich dann dem nächsten zu. "Sirius, keine Aufregung, bitte. Ich brauche weiterhin Ihre Hilfe. Und Miss Zarathus, solange Sie hier im Schloss leben und arbeiten, sollten Sie sich daran gewöhnen, meine Anweisungen zu befolgen. Diese sind ausschließlich zu Ihrem Schutz, und nicht zu Ihrer Behinderung gedacht. Mr. Black wird Sie während Ihres Aufenthaltes im Hause Malfoy beobachten. Das ist mein letztes Wort." Sie wollte anscheinend protestieren, klappte aber den Mund wieder zu. Albus nickte zufrieden. "So, und nun lassen Sie mich bitte allein. Es gibt noch einiges zu tun." Mit einem Lächeln beobachtete er, wie die drei aus seinem Büro gingen. Immer noch so unzufrieden wie am Anfang. Aber zumindest waren nun die Fronten geklärt.
Hat es Euch gefallen? Was wird auf Malfoy Manor geschehen? Gibt es noch mehr Elfen? Das alles im nächsten Teil von "Verbündete" - den gibt es ab 8 Reviews!!!!
