Er war kein Feigling, aber die Reihen der Untoten, die sich wie schwebend zwischen den Bäumen zeigten, versetzten Severus in Schrecken. Er beobachtete gebannt, wie sie sich dem Baum näherten, an dem Deirdre verzweifelt an ihren Fesseln zerrte. Sie wusste anscheinend, was ihr bevorstand.

Er hatte schwören können, dass ihm eines der untoten Gesichter bekannt vorkam, doch der Gedanke verschwand abrupt wieder, als er beobachtete, wie die Schemen der Magier Deirdre langsam einzukreisen begannen. Bald schon konnte er sie nicht mehr sehen, da sich die Grauen drohend über sie aufschwangen.

Einen Moment lang geschah nichts, doch dann stürzten sich die Geister mit einem Schrei, der nichts Irdisches mehr hatte, auf Deirdre, ein wildes, durcheinanderstürzendes Rudel von wilden Tieren, die ihr Opfer stellten. Severus wollte den Blick abwenden, doch aus irgendeinem Grund gelang ihm dies nicht. In einem wilden Reigen wogten die Untoten um das Zentrum ihres Begehrens, die Spenderin des kostbaren Blutes, das sie noch ein Stück mehr in die Welt der Lebenden zurückbringen sollte.

In dem Moment, in dem Severus glaubte, dass das grausame Werk von Voldemorts Verbündeten vollbracht sein musste, geschah es. Ein grelles, weißes Licht schoss von der Stelle zum Himmel, an der der Baum stand und plötzlich wurden die Untoten mit einem mächtigen Schlag zurückgeworfen. Die Macht der Welle, die das Licht aussendete, holte auch die Todesser von den Beinen, einschließlich Lord Voldemorts.

Severus fand sich auf dem Bauch liegend wieder, das Gesicht dicht an den lockeren Waldboden gepresst. Das dunkle Mal auf seinem Arm pulsierte, als versuche jemand, es herauszuschneiden. Stöhnend rollte er sich auf den Rücken und rappelte sich auf die Beine. Das Licht war erloschen, hinterließ nur ein seltsames Glühen, das er schon einmal gesehen hatte.

Noch immer vermochte er sich nicht zu bewegen, denn Voldemort stand ebenfalls wieder und rief in beschwörenden Zungen die Untoten an, die nun, merklich blasser und weniger greifbar, langsam in den Wald zurückwichen. Für einen Moment schien der Rückzug der Wesen ins Stocken zu geraten, denn jedoch verschwanden sie endgültig, wurden wieder zu weißem Nebel.

Voldemort knurrte frustriert und sah dann zu seinem Opfer hinüber, dessen Körper schlaff in seinen Fesseln hing. Severus folgte dem Blick seines Meisters. Deirdres Körper glühte in dem sanften Licht, das ihm schon in der Nacht aufgefallen war, die sie auf seinem Sofa verbracht hatte. Doch der Schein schien schwächer zu werden. Noch war sie nicht tot, doch es konnte sich nur noch um Minuten handeln. Ihr Körper war wieder jener einer Erwachsenen ob dem Verlust der Kontrolle ihrer Gedanken, doch das schien Voldemort nicht zu stören.

Er hob seine Hand und die Todesser kamen ein letztes Mal zusammen.

"Ihr seht, welche Folgen unserer Bemühungen haben. Schon bald stehen uns die Kräfte lang Verstorbener zur Verfügung und damit werden wir unbesiegbar sein. Dumbledore und seine Getreuen werden sich wünschen, uns niemals die Stirn geboten zu haben."

Voldemort sprach die Worte voll triumphalen Hochmuts aus und desapparierte dann ohne Vorwarnung.

Die Todesser schienen einige Momente zu benötigen, um das Gehörte und Gesehene zu verarbieten, dann folgten sie dem Beispiel ihres Meisters. Einer nach dem anderen verschwand, bis Severus ganz allein auf der Lichtung stand, allein bis auf die Körper von Malfoy und Deirdre und Draco, der ihn zum ersten Mal seit einer langen Zeit an diesem Abend anblickte.

Worte des Trostes formten sich auf Snapes Zunge, doch er brachte sie nicht über die Lippen. Er war nicht gut in so etwas und wollte es nicht noch schlimmer machen. Als er einen Schritt auf Draco zu machte, teilte sich plötzlich ein Gebüsch in seiner Nähe und zwei Gestalten sprangen daraus hervor. Ein Hauself und ein großer, schwarzer Hund, der fast sofort seinen Tierkörper verlor und zu einem Menschen wurde.

Sirius Black knurrte ihn feindselig an, während der kleine Elf in wackeligen Gang weiter über die Lichtung rannte.

"Wie konnten Sie das nur zulassen!", fauchte der dunkelhaarige Mann und sah aus, als hätte er große Lust auf eine ausgiebige Prügelei. "Sie hätten sie retten können. Zum Teufel, Sie wissen ganz genau, wie wichtig sie für Dumbledore und das Ministerium ist! Auf welcher Seite stehen Sie eigentlich?"

Snape schwieg. Jedes weitere Wort war unnötig, denn just in diesem Moment richtete sich Draco Malfoy auf und blickte ihn an. Die blauen Augen des Jungen waren mit Wut und Schmerz überschattet. Er hatte verstanden, was Sirius in seinen unbedachten Worten unterschwellig ausgedrückt hatte.

"Und ich habe Ihnen vertraut", brachte Draco hervor, spuckte die Worte beinahe aus. Mit geballten Fäusten stand er einfach da. "Sie wussten, dass sie einen Spionin war. Weil Sie selbst einer sind. Wie ich Sie verachte!"

Dann drehte sich der Junge auf dem Absatz und ging von der Lichtung, hoch aufgerichtet, sich keine Blöße gebend. Snape wünschte, er hätte diesen Moment verhindern können. Dieser Junge bedeutete ihm viel, war nicht nur sein bester Schüler, sondern auch gleichzeitig ein Abbild seines Selbst. Draco befand sich an dem Punkt, an dem er sich damals für die dunkle Seite entschieden hatte. Fast hatte er schon die Hoffnung gehegt, dass Draco aus freien Stücken die richtige Entscheidung traf, doch nun überschattete Lucius Tod all diese Dinge wie ein drückender, schwarzer Schatten. Er hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte.

Sirius schien zu begreifen, was er gerade angerichtet hatte und sein Gesicht wurde weicher.

"Tut mir leid für den Kleinen, ehrlich", sagte er. "Aber eines Tages musste er es so oder so erfahren."

"Danke für Ihre professionellen Rat, Black", schnarrte Severus. "Sie denken wohl, es würde leichter dadurch, dass er gleich nach Tod seines Vaters noch die unbedeutende Kleinigkeit erfährt, dass ich ihn und alle meine anderen Schüler jahrelang belogen habe." Und dann brach die angestaute Wut aus ihm heraus und er versetzte Black einen Schlag mitten ins Gesicht.

Der Animagius taumelte verblüfft zurück und fasste sich an die blutende Nase. Doch seltsamerweise grinste er.

"Verdammt, hatte schon gedacht, dass Sie das alles hier gar nicht mitnimmt. Sind manchmal schon ein verdammter Eisklotz."

"Das muss ich mir von einem derart schlechten Beschützer nicht sagen lassen!" Severus wies auf den Körper von Miss Zarathus, den der kleine Hauselfe aus seinen Fesseln befreit und auf den Boden gebettet hatte. "Immerhin ist sie tot."

"Ist nicht tot!", schallte es ihm zum Trotz entgegen. Der Elb tanzte aufgeregt um Deirdre herum und murmelte allerlei wirres Zeug in seiner Sprache.

Severus tauschte einen verwunderten Blick mit Black. Sollte das Desaster dieses Abends doch noch gemindert werden? Fast zeitgleich setzten sie sich in Bewegung und liefen zu den beiden Elfen hinüber. Besorgt registrierte Severus, dass das Leuchten, das Deirdres Körper umgab, kaum noch zu sehen war.

"Wie lange wird sie noch leben?", fragte er den Hauselfen, der am Rand eines Zusammenbruchs zu stehen schien. Dieser benötigte ein Weilchen, um sein zitternden Lippen zum Sprechen zu bewegen.

"Wenn hier bleibt, jeden Moment. Müssen Sie zu den Ihren bringen." Er wies auf das Feuer. "Mit Direktor sprechen, er weiß wo genau. Müssen sie hinbringen sehr dringend."

Severus überlegte nicht lange und eilte zum Feuer, das noch immer lediglich aus Glut gestand. Er griff in eine seiner zahlreichen Taschen, öffnete das Beutelchen mit Lingua-Staub und warf etwas davon zwischen die glimmenden Scheite. Sofort schossen Flammen hoch und Albus Dumbledores grauer Kopf erschien.

"Severus." Der Direktor nickte klappt. "Was gibt es?"

"Probleme, Albus. Lucius Malfoy ist tot, Draco läuft völlig verstört herum und Miss Zarathus wurde von einer Armee Untoter das Blut aus dem Körper gesaugt."

Der weise Zauberer brummte etwas in seinen Bart, das sich allerdings nicht so anhörte, als sei er sonderlich überraschte.

"Soso. Nun, Severus, ich werde mich um alles kümmern. Sagen Sie Black, er soll sofort nach Hogwarts zurückkommen. Und Sie werden Miss Zarathus zu ihren Leuten bringen!" Snape war viel zu überrascht, um noch etwas sagen zu können. Albus schickte ausgerechnet ihn zu den Elfen? "Begeben Sie sich unverzüglich an einen Ort namens Lochhain. Dort wird sich Ihnen alles Weitere eröffnen."

Das Feuer fiel in sich zusammen. Severus schluckte einen deftigen Fluch herunter und kehrte mit wirbelnden Gewändern zu Black zurück.

"Ich nehme an, Sie haben alles gehört!" Er hob den inzwischen von den Fesseln befreiten leichten Körper der Ministeriumsspionin hoch. Ihre Haut war kalt wie Eis. "Nehmen Sie den hässlichen Gnom mit und verschwinden Sie."

Dann verdrängte er seine Zweifel über Albus Entscheidung, konzentrierte sich und richtete seine Gedanken auf jenen Ort namens Lochhain, von dem er noch nie etwas gehört hatte. Dann entmaterialisierte er und ließ die Lichtung, den Ort des Schreckens, voller Erleichterung zurück.



Tadaaaa.in Rekordgeschwindigkeit steht für Euch ein neues Kapitel im Netz! Viel Spaß und Danke für die lieben Reviews!

Eure Demetra