Diese Geschichte wurde ursprünglich in englischer Sprache veröffentlicht und nach Rücksprache mit der Autorin von mir übersetzt, um sie einem deutschsprachigen Publikum zugänglich zu machen. Obwohl ich nur als Übersetzerin fungiere, sind Reviews natürlich trotzdem mehr als willkommen. Alexandra, die Autorin, schreibt unter dem Namen und ist hauptsächlich auf unterwegs.

Autorin: madame. alexandra

Originaltitel: Minutes

Minuten

Nach all dem Chaos waren sie schnell wieder zurück auf der Lars-Farm. Die Reise dorthin war in gewissem Sinne nur eine unscharfe Abfolge von Bildern gewesen, obwohl Han sie buchstäblich verschwommen wahrgenommen hatte – ein verschwommenes, helles Flimmern, das sich mit immer klarer werdenden Schatten füllt, so hatte er es beschrieben. Dieser Beweis dafür, dass seine Sicht wiederkehrte, war gut, dachte Leia, gut…und genauso schnell, wie sie der Situation auf der Vergnügungsjacht entkommen waren, zog sie Han in ein abgelegenes Schlafzimmer.

Sie schloss die Tür, um den Lärm abzuschirmen, den Lando bei den Vorbereitungen für ihre Abreise machte, Chewbaccas freudiges Feiern, 3POs Tiraden, Lukes Lachen – sie war sich sicher, dass sie alle genauso erschüttert, erleichtert und besorgt waren wie sie, genauso adrenalindurchflutet; sie war sich sicher, dass sie alle unterschiedlich damit umgingen, aber sie fühlte sich, als würde sie auseinanderbrechen, wenn sie nicht einen Moment alleine und hinter verschlossener Tür mit ihm hätte.

„Han", flüsterte sie, drückte seine Schultern nach unten und zwang ihn, sich auf die Kante dessen zu setzen, was einmal Beru und Owen Lars' Bett gewesen war – sie hatte hier geschlafen, als sie ihre Rettung vorbereitet und ihre Pläne verfeinert hatten, da Luke es vorgezogen hatte, sein altes Schlafzimmer zu behalten.

Jeden Tag hatte sie alleine hier geschlafen, ängstlich und besorgt, dass alles wieder schieflaufen würde, wie alles seit Bespin schiefgelaufen war.

Er setzte sich schwerfällig hin, immer noch durch das Karbonit geschwächt, und ihre Brust zog sich zusammen, als er zu ihr aufschaute, seine Augen huschten unsicher umher und versuchten, sie in seiner Blindheit auszumachen. Er schenkte ihr ein schwaches, undeutliches Grinsen, während er schnell blinzelte, um seine Sicht wiederzuerlangen. Sie wusste, dass er medizinische Hilfe brauchte, sie wusste, dass er auf den neuesten Stand gebracht werden musste, sie wusste, dass er Fragen haben würde, sie wusste, dass er keine Ahnung hatte, dass so viel Zeit vergangen war, aber das Lächeln auf seinem Gesicht war so vertraut.

Sie berührte sein Kinn, ihre Handfläche glitt ehrfürchtig über seine Haut. Er lehnte seinen Kopf an ihre Hand und es war so eine natürliche Bewegung, seine Nase streifte ihre Fingerspitzen, sein Mund suchte ihr Handgelenk, als wollte er beruhigt werden, gestreichelt – sie fühlte sich, als würde es sie in zwei Hälften zerreißen.

Sie ließ ihre Hand in seinen Nacken gleiten, berührte seine Haare. Zu ihrer eigenen Überraschung zog sie ihn an sich und drückte seinen Kopf fest an ihre Brust – sogar im Sitzen reichte er ihr bis zur Schulter – und versuchte, sich zusammenzureißen. Erschreckt durch die Wucht ihrer Umarmung flatterten seine Hände, er griff nach ihren Armen und dann nach ihrer Hüfte, um sich zu orientieren.

Sie konnte sich nicht mehr zusammenreißen; als seine Fingerspitzen sich warm in die bloße Haut an ihrer Taille drückten, begann sie die Tränen zu weinen, die sich monatelang in ihr aufgestaut hatten. Ihr gesamter Körper zitterte, und Han hielt sie ein wenig fester, den Kopf eng an sie gedrückt. Er sagte etwas, sie wusste nicht was, und sie klammerte sich zuerst an seine Haare, bevor sie ihre Hände ein wenig entspannte und sie über seinen Hals und seine Schultern gleiten ließ, sie sog ihn in sich auf wie Wasser, erinnerte sich an die Stärke seiner Arme, den Trost, den sie boten. Mit ihren Händen auf seinen Schultern konnte er den Kopf drehen, aber er blieb dicht bei ihr; er löste sich nicht von ihr.

Sie spürte, wie müde er war, wie desorientiert, und vielleicht fühlte sie sich für ihn genauso sicher an wie er für sie. Er sprach erneut und dieses Mal verstand sie, was er sagte –

„Mir geht es gut", murmelte er immer wieder leise und selbstgefällig. „Mir geht es gut…ich habe schon Schlimmeres ertragen, weißt du…das glaube ich zumindest", er klang halb weggetreten, dann lachte er leise und vergrub sein Gesicht an ihrer Haut.

Sie war genug bei Verstand, um sich zu fragen, ob er es ausnutzte, dass sie ihn an ihrer Brust gefangen hielt, aber sie wollte, dass er diesen Moment für sich hatte. Sie wollte seine Hände auf ihrer Haut, wollte wieder spüren, dass er sie wollte. Er spreizte die Hände und bewegte den Kopf; sein Ohr drückte sich an ihr Herz und er atmete langsam aus.

Sie hob eine Hand, um sich über das Gesicht zu wischen.

„Ich dachte, du wärst fort", sagte sie. „Ich hatte dich für mich, und ich dachte, nach all dem…würde ich dich verlieren", die letzten Worte klangen erstickt.

„Hmmm", murmelte Han. „Nein, du kannst mich nicht wirklich loswerden", erwiderte er. Er fing an zu husten und versuchte, sich von ihr zu lösen, aber sie zog ihn zurück. Sie strich ihm über das Gesicht, schaute ihn an, sah dabei zu, wie er ihr gesamtes Gesicht betrachtete und nach ihren Augen suchte.

„Han", wisperte sie, und genau in diesem Moment trafen seine Augen auf ihre, ob er es wusste oder nicht. „Ich liebe dich", sagte sie, Worte, die ihr einmal so schwergefallen waren, Worte, die sie jede Nacht, in der sie alleine gewesen war, seit man ihn ihr genommen hatte, in die Dunkelheit hinein gesprochen hatte, ihre eigene Zurückhaltung bereuend.

Ihr Handballen berührte sein Kinn.

„Ich liebe dich", wiederholte sie. „Hast du das gehört?"

Sie wünschte sich so sehr, dass er es gehört hatte, bevor –

„Ja", antwortete er gelassen. „Ich habe es gehört."

Er hielt inne.

„Ich wusste es", neckte er sie mit zitternder Stimme. „Ich wusste es. Ich lie – "

Leia – "

Luke öffnete schwungvoll die Tür, ein Schwall an Worten folgte ihrem Namen, Worte, die sie nicht hörte, auch nicht, als er langsamer und langsamer wurde und schließlich in Schweigen verfiel. Er warf ihr einen seltsamen, einen erschrockenen Blick zu; was auch immer er vermutet hatte oder worüber alle getratscht hatten, es war seltsam, es vor sich zu sehen, Leia in Tränen aufgelöst, wie sie Han so fest an sich drückte, dass ihre Knöchel weiß wurden – und in der Stille sackte Han ein wenig zusammen, so erschöpft, dass er seine Wange einfach an ihre Schulter legte.

„Tut mir leid", entschuldigte sich Luke. „Ich – die Kontaktdaten für – Lando braucht – na ja, und der Plan ist", er brach wieder ab. Dann schüttelte er den Kopf, als wäre er wütend auf sich selbst. „Es tut mir leid", wiederholte er, freundlicher, gefasster. „Lasst euch eine Minute Zeit", meinte er sanft. „Wir brauchen euch gerade nicht."

Er wich langsam zurück, schloss die Tür hinter sich und Leia hielt den Atem an. Han strich träge über ihre Seiten, seine Stirn lehnte schwer an ihr. Er umfasste ihre Hüften, spürte Metall, und schien plötzlich zu begreifen, dass er auf nackte Haut traf, egal, wo er sie berührte – sein Gesicht an ihrer Schulter, seine Hand an ihrer Hüfte.

„Was zur Hölle trägst du da?", erkundigte er sich matt.

„Es spielt keine Rolle", erwiderte sie. „Es spielt keine Rolle."

„Was…wie sieht der Plan aus?", fragte Han. „Lando?", wiederholte er mit angespanntem Gesichtsausdruck, Panik schlich sich in seine Stimme.

Leia schob seine Hände von ihrer Hüfte weg und hielt sie fest, die Finger mit seinen verschränkt. Sie spürte, wie sie den Halt verlor, und ging auf die Knie, bevor sie einknicken konnten. Sie setzte sich im Schneidersitz zwischen seine Beine, ihr Herz pochte.

Han drückte ihre Hand und machte mit seinem Fuß Platz für sie. Er rutschte nach vorne und schob sich vorsichtig von der Bettkante neben sie auf den Boden. Er blinzelte heftig, Wut brannte in seiner Brust, wegen seiner Verwirrung und seiner Unfähigkeit, zu sehen. Er streckte sich nach ihr aus und zog sie näher an sich, sodass sie eng umschlungen auf dem Boden saßen.

„Sie brauchen mich gerade nicht", bemerkte Leia und nutzte dieses Privileg aus. „Ich brauche dich", gab sie zu. „Es tut mir leid", fügte sie leiser hinzu. „Ich weiß, dass du verwirrt bist. Ich muss dir alles…erklären", sie fühlte sich klein, als er einen Arm um sie schlang und sie fester an sich drückte. „Ich brauche eine Minute."

Danke, Luke. Eine Minute. Ein paar Minuten.

Zu viele waren ihr gestohlen worden.

„Es ist in Ordnung", antwortete Han träge.

Furcht versetzte ihm einen Stich: Wie lange war er fort gewesen? Aber es spielte keine Rolle, denn wenn das schlimmste Szenario darin bestand, dass er länger weg gewesen war, als er es sich vorstellen konnte – bedeutete das nicht das Ende der Welt; sie war immer noch hier, liebte ihn immer noch.

Ich liebe dich. Hast du das gehört?

Ob er es gehört hatte? Es war das Einzige gewesen, was er seit – nun ja, Monaten, Wochen, Minuten? – gehört hatte; es war das Einzige gewesen, das er in seinem trägen, Winterschlaf haltenden Geist in Dauerschleife gehört hatte. Für wie lange auch immer – und es hatte sich wie Minuten angefühlt – war es das Einzige gewesen, was er gehört hatte, also schloss er die Augen und gab den Kampf mit seinem Sehvermögen auf, denn für die nächsten paar Minuten war es genug, zu hören und sie zu berühren.