Tod in Raten Teil 3
Der Schrei ging allen durch Mark und Bein. Selbst der trotz des vielen Kaffees noch nicht ganz wache Detektiv Mori war im Nu auf den Beinen.
Conan, der erschrocken zusammengezuckt war, drückte hastig die Klinke herunter und stürzte ins WC wo sich ihm ein grässliches Bild bot. Yuko lag gekrümmt vor dem Waschbecken, aus einer üblen Wunde am Kopf rann ein hellroter Blutfaden. Die Flasche mit der Tinktur war ihm aus der Hand gefallen und ein dünnes, hellblaues Rinnsal zog seine schmierige Bahn über die weißen Fliesen. Kreidebleich und zitternd hockte der sonst so lässige Koiji in der Ecke.
"Er ... er ist einfach umgefallen", keuchte er bei Conans Eintreten. "Yuko! Yuko sag doch was!" Conan sah mit einem Blick auf die starren Augen, dass hier jeder Rettungsversuch vergeblich wäre. Hinter ihm stürmte Mori ins WC, dicht gefolgt von Aya und Akiro. Während Mori und Aya sofort neben der Leiche niederknieten, blieb Akiro erst mal geschockt im Türrahmen stehen, ehe er sich fasste. "Ich rufe die Rettung!" Er wollte sich umdrehen, doch Conan packte ihn am Hemd. "Dazu ist es zu spät!" sagte er ernst. "Rufen Sie bitte die Polizei."
Es gab einen großen Tumult, ehe der zuständige Beamte, ein rundlicher, älterer Herr, auftauchte. "Guten Tag, die Herrschaften", sagte er nach kurzer Besichtigung des Tatorts. "Mein Name ist Inspektor Kiban. Da wir über die Todesursache noch nichts Genaueres sagen können, werden wir erst einmal eine Obduktion durchführen und alle Anwesenden befragen müssen. Daher bitte ich Sie alle, sich nicht unerlaubt zu entfernen."
"Entschuldigen Sie", Koiji wankte auf ihn zu. Sein Gesicht war immer noch bleich und er schwitzte. "Könnten Sie mich zum nächsten Krankenhaus bringen? Ich fühle mich elend..." Er warf Frau Kamao einen scharfen Blick zu worauf diese eine wütende Miene aufsetzte
"An meinem Essen liegt es nicht", zischte sie. "Was weiß ich, was ihr Ärzte an Bazillen von eueren Patienten aufgelesen habt."
"Bitte keinen Streit vom Zaun brechen", sagte der Inspektor beschwichtigend. "Natürlich bringt Sie einer meiner Beamten ins Krankenhaus, Herr Hakobi, und fährt sie auch wieder zurück. Und was die Sache mit dem Essen anbelangt," der ruhige Blick aus seinen dunkeln Augen fixierte Frau Kamao, "spricht im Moment alles für eine Vergiftung."
Mori und Aya nickten zu diesen Worten. "Ich habe ihn flüchtig untersucht", sagte sie. "Die Kopfwunde hat er sich beim Sturz zugezogen, aber gestorben ist er daran mit Sicherheit nicht."
Die Wirtin verschränkte die Arme demonstrativ vor der Brust. "Für meinen Koch lege ich die Hand ins Feuer. Wir essen das gleiche wie unsere Gäste und dem ganzen Personal geht es blendend. An ihrer Stelle würde ich das komische Zeugs untersuchen, das er dauernd geschluckt hat."
"Ganz sicher werden wir das", sagte der Inspektor, "aber wir werden auch vom gestrigen Abendessen und vom Frühstück Proben nehmen." Frau Kamao presste die Lippen zusammen. "Es sind noch Reste im Kühlschrank", sagte sie unwirsch. "Bedienen Sie sich."
Die ganze Zeit über saß Conan still in der Ecke und runzelte die Stirn. Der Inspektor schien ein ziemlich abgeklärter und erfahrener Mann zu sein, keine Nullnummer wie der Detektiv, der sich bei der anschließenden Befragung wieder groß in den Vordergrund spielte.
"Mein Name ist Mori und ich bin Privatdetektiv", sagte er in einem Tonfall, als erwarte er, dass sein Gegenüber vor Respekt erstarrte. "Vielleicht haben Sie schon von mir gehört..."
"Sie kommen aus Tokio, oder?", fragte der Inspektor ungerührt. "Was hat sie in dieses Landgasthaus geführt?"
"Ich bin auf Einladung eines Klienten hier", sagte Herr Mori und senkte bedeutungsvoll die Stimme. "Meine Tochter und der kleine Conan, der unter meiner Aufsicht steht, sind sozusagen die Tarnung für einen Auftrag."
"Aha..", der Inspektor sah von seinen Notizen hoch, "und was ist der Auftrag?"
Conan, der alles mitanhörte, konnte sich eines schadenfrohen Grinsens nicht erwehren, als der große Detektiv auf einmal kleinlaut wurde und zugeben musste, dass er keine Ahnung hatte. Das spöttische Zucken der Mundwinkel des Inspektors sprach Bände, aber er blieb dennoch äußerst höflich und wünschte Herrn Mori viel Glück bei dem Auftrag, ehe er dazu überging, ihn zu seiner Meinung, die anderen Gäste betreffend zu befragen. Doch wie stets war Mori natürlich am Abend zu voll gewesen, um jetzt noch klare Erinnerungen zu haben.
Da war Ran ergiebiger. Sie berichtete dem Inspektor haarklein von ihren Eindrücken und Conan warf das eine oder andere ein, ohne zuviel zu verraten.
Den ganzen Vormittag über wurden Befragungen abgehalten. Die arme Sakura war völlig aufgelöst und heulte in einem zu, sodass ein Arzt gerufen werden musste, der ihr eine Beruhigungsspritze gab. Erst gegen Mittag kam ein Anruf aus dem Krankenhaus in das sich Koiji hatte fahren lassen. Die Untersuchung hatte ergeben, dass Koiji an einer mittelschweren Vergiftung litt. Er würde die nächsten Tage stationär behandelt werden müssen. Der Inspektor war erleichtert, als es hieß, dass er dennoch vernehmungsfähig sei und da im Gasthof alle Arbeit getan war, fuhr er mit seinen Beamten zum Krankenhaus.
Die zurückgebliebenen hatten denkbar wenig Appetit beim Mittagessen, obwohl es ein sehr schön gerichtetes Buffet gab mit vielen kleinen Leckereien. Der einzige, der sich ungeniert den Bauch vollschlug war Detektiv Mori.
Ran und Conan beobachteten die übrig gebliebenen Mitglieder der Gruppe aus den Augenwinkeln.
"Conan", fragte Ran während sie sich einen Teller Suppe schöpfte, "warum schaust du so düster drein? Ich weiß, es ist schrecklich, dass wir auch bei diesem Ausflug mitten in ein Verbrechen getappt sind, aber..."
"Das ist es nicht", unterbrach sie Conan und balancierte seinen vollen Teller zu dem leeren Tisch abseits der Gruppe aus Kyoto. "Mich wundert nur, dass niemand von ihnen mit dem Inspektor ins Spital gefahren ist. Herr Shihodai ist doch ihr Freund!"
"Du hast recht!" Ran stellte ihren Teller neben Conans und zog den Stuhl so her, dass sie die schweigsame Gruppe im Auge behalten konnte. "Selbst seine Verlobte hat nur diesem Yuko nachgetrauert und sich nicht einmal nach Shihodai erkundigt. Das ist schon komisch..."
"Wenn mich jemand fragen würde", ertönte hinter ihnen Herrn Moris Stimme, "dann hatte diese Sakura etwas mit Yuko und als er ihr zu lästig wurde, hat sie ihn umgebracht."
"Pssst!", zischten Ran und Conan unisono, aber es war schon zu spät. Der ganze Raum hatte es gehört und Sakura wurde noch ein Stück blasser. Ihre Hand, die eben die Teetasse zum Mund hatte führen wollen, zitterte so sehr, dass sie die Tasse klappernd wieder aufsetzte und dabei einen Schluck Tee verschüttete.
Ihre rotgeweinten Augen fixierten Herrn Moris "ich weiß es längst" -Miene und sie sagte deutlich: "Ich habe Yuko geliebt, richtig!" Die anderen drei am Tisch erstarrten. Aus den Augenwinkeln sah Conan eine flüchtige Bewegung am Eingang des Speisesaals. Eine zierliche Gestalt in Mantel, Hut mit Schleier und Handschuhen stand im Türrahmen. Eine Sekunde lang erhaschte Conan einen flüchtigen Blick auf zwei volle, bebende Lippen, dann drehte sich die junge Frau (für eine ältere Dame war ihre Bewegung zu schwungvoll) auf den Absätzen um und fegte Richtung Haustüre davon. Frau Kamao, die soeben eine Platte mit gegrillten Fischen zum Buffet stellte, fing Conans fragenden Blick auf. "Das ist Frau Tsukimori von Zimmer 9."
"Weiß sie schon von dem Mord?", fragte Conan rasch.
Frau Kamao kam zu ihnen herüber und nickte. "Die Polizei hat auch sie befragt. Ich habe den Inspektor selbst zu ihrem Zimmer geführt."
"Bestimmt ist die Ärmste sehr erschrocken", meinte Ran.
"Nun", Frau Kamao zögerte, "ich bin ein bisschen vor der Türe stehen geblieben... weil, ähm... weil ich sehr besorgt war, immerhin ist Frau Tsukimori eine sehr zurückhaltende, scheue Person..."
"Wir verstehen", drängte nun auch Mori, der in seiner sprunghaften Art sofort bereit war, die Rolle der Mörderin jener geheimnisvollen Frau zuzuschreiben, "sie haben also gelauscht. Was haben Sie gehört?"
Frau Kamao spielte mit ihren Schürzenbändern. "Es war schon komisch, aber es klang, als hätte Frau Tsukimori geweint..."
"Geweint?", mischte sich jetzt auch Hamako ein, der vom Buffet aus, wo er sich noch etwas Fisch holen wollte, den letzten Teil des Berichts mitangehört hatte. "Warum hat eine wildfremde Person wegen Yuko geweint?"
"Das ist leicht zu erklären", spielte sich Herr Mori wieder auf, "In Wahrheit ist sie natürlich nicht wildfremd. Sie wird eine Patientin sein, die das Opfer von einer falschen Behandlung wurde. Vielleicht hat eine seiner Salben ihr Gesicht entstellt. Nun hat sie ihn verschleiert bis hierher verfolgt, um Rache zu nehmen."
"Schön und gut, Paps", stutzte Ran ihn gleich wieder zurecht, "aber wenn sie mit seinem Tod bekommen hat, was sie wollte, warum hat sie dann geweint?"
"Aus Reue natürlich", verteidigte der Detektiv seine wackelige Theorie. "Außerdem hatte die Polizei sie schon in der Mangel und da hat sie Angst bekommen."
"Das Weinen klang nicht nach Angst", mischte sich Frau Kamao ein, "es klang nach Zorn und nach Kummer."
"Zudem", sägte nun auch Conan an Moris Behauptung, "wenn sie schon vor Angst weinte, warum hat sie noch nicht gestanden? Die Polizei hätte uns doch Bescheid gegeben, wenn der Mörder gefasst ist und wir wieder nach Hause können."
"Da hat der Knirps ganz recht", sagte Akiro, den die rege Debatte an Conans Tisch heran gelockt hatte. "Yuka hatte seine Fehler wie jeder Mensch, aber er war ein ausgezeichneter Heilpraktiker und in der Zeit, als wir noch eine gemeinsame Praxis hatten, gab es nie auch nur eine einzige Beschwerde."
"Nicht gegen ihn", sagte Aya, die sich nun ebenfalls zu ihnen gesellte. "Aber wenn ich mich recht erinnere, hattest du mehr als nur einen Problemfall und da hat er sich nicht vor dich gestellt. Du hast dich noch beschwert, dass er dich habe im Regen stehen lassen."
"Ach was!", wischte Akiro dieses Argument leicht beiseite, "das sind alte Kamellen und er hatte ja recht, mich meine Fehler selbst ausbaden zu lassen. Ist ja nichts schlimmes passiert."
"Außer, dass du fast deine Lizenz verloren hättest und deine Ersparnisse für den Anwalt drauf gegangen sind", gab Aya trocken zurück. "Koiji hat es mir mal erzählt, als ich ihm wieder vorgehalten habe, dass Yuko der bessere Mensch wäre."
"Hört damit auf!" Sakura presste sich die Hände an die Ohren. "Yuko war ein guter Mensch, durch und durch. Er war der einzige Mensch, den ich jemals geliebt habe..."
Hamako zuckte zusammen. "Ach so?", fragte er heiser, "dann war das damals mit mir wirklich nur eine deiner Launen..."
Sie sah betreten auf ihre Fingerspitzen. "Tut mir echt leid, Hamako, aber ..." sie sah auf und in ihrem Blick lag eine ehrlich gemeinte Bitte um Verzeihung, "... aber wenn ich dich geliebt hätte, glaubst du dann hätte ich jemals ... jemals meinem Vater nachgegeben und mich mit Koiji verlobt?"
*Das wird immer interessanter*, dachte Conan und spießte ein Stück Tomate mit seiner Gabel auf. "So ist das also..." Hamako ballte eine Hand zur Faust. ".. und ich Idiot habe Koiji immer darum beneidet, dass er dich mir abspenstig gemacht hat..." Er atmete tief durch und öffnete die Faust langsam. "Ich hätte gleich wissen müssen, dass jemand wie du einer Niete wie mir keine echten Gefühle entgegen bringen kann..."
Patsch! Ayas Hand hinterließ einen roten Abdruck auf seiner Wange. "Du Trottel!", fauchte sie und wischte sich zornig über die feuchten Augen. "Warum machst du dich immer schlechter als du bist!" Nicht nur Hamako war von Ayas Ausbruch überrascht. Sie selbst zog erschrocken über sich selbst die Hand zurück, presste sie auf ihre Brust und wandte sich ab. "Ist doch wahr...", murmelte sie mit roten Wangen.
"Ähem!"
Alle drehten sich zur Tür, wo Inspektor Kiban wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Lediglich Conan hatte ihn aus den Augenwinkel kommen sehen und zuckte als einziger nicht zusammen. "Ah, Herr Inspektor!" Mori baute sich vor dem gut einen Kopf kleineren Ermittler auf. "Gibt es Neuigkeiten?"
Auch Conan wartete gespannt auf solche. Er sprang vom Stuhl und drängte sich an Mori vorbei, denn ihm brannte vor allem eine Frage auf der Seele. "Wie geht es Herrn Shidoai? Wird er bald wieder gesund sein? Darf man ihn besuchen?"
"Du frecher Knirps!" Herr Mori hatte Conan bereits wieder in der Mangel und zog ihm die Ohren lang. "Man drängt sich nicht dazwischen, wenn Erwachsene reden!"
"Seien sie doch nicht so streng, Herr Mori", wehrte der Inspektor gutmütig ab. "Wie sollen junge Leute etwas Lernen, wenn wir Alten unser Wissen nicht teilen? Und wenn man mit einem so berühmten Privatdetektiv unter einem Dach wohnt, färbt dessen Berufsneugier halt auch ein wenig auf das junge Volk ab." Er zauste Conans Haar. "Du bist sicher ein großer Bewunderer deines Onkels, oder?"
Welche Wahl blieb Conan? "Und wie!", er nickte so ernsthaft er konnte und probierte einen treuherzigen Augenaufschlag in Moris Richtung. "Onkel Kogoro ist ja sooo toll!"
Der war sofort wieder besänftigt. "Sie haben ja recht, Herr Inspektor", sagte er und kratzte sich am Kopf. "Sie haben also doch schon von mir gehört? Und ich dachte ..."
"Nun", unterbrach ihn Inspektor Kiban leicht verlegen und zog einen Block aus allerbestem Papier heraus, "bis gestern wusste ich auch noch nicht von Ihnen. Aber meine Frau stammt aus Tokio und sie hat durch Verwandte von Ihnen gehört. Alle bewundern Sie sehr, immerhin sind Sie der Detektiv, der seine Fälle im Schlaf löst. Wären Sie so nett, mir ein Autogramm zu geben? Meine Frau heißt Himeko und sie hat übermorgen Geburtstag..."
Nichts tat Herr Mori lieber, als sich in seinem Ruhm zu sonnen. Und so schraubte er umständlich den schönen Füller auf, den ihm der Inspektor reichte, und kritzelte seinen Namens schwungvoll mit einer schmalzigen Widmung an seinen treuen Fan, die zauberhafte Himeko, auf das teure handgeschöpfte Papier.
Hinter den beiden räusperte sich Ran vernehmlich. "Paps, solltest du dich nicht lieber um den Fall kümmern?"
Conan nickte heftig. "Genau! Herr Inspektor, was ist jetzt mit Herrn Shihodai?" Der Inspektor nahm das Autogramm entgegen, bedankte sich mit einer Verbeugung und trat dann rückwärts in den Gang hinaus, um heftig zu winken.
Noch immer sehr bleich und auf die Schulter eines Polizisten gestützt, wurde Koiji Shihodai hereingeführt.
"Du lieber Himmel! Koiji, du siehst aus wie eine wandelnde Leiche!", platzte Hamako heraus. Koiji zeigte ein schiefes Lächeln und ließ sich zu seinem Platz führen, wo er erschöpft und schwer atmend auf den Sessel sank.
"Danke für das Kompliment, Hamako", sagte er und man musste sich anstrengen, seine Stimme zu verstehen, "so ähnlich fühle ich mich auch!"
"Warum haben Sie ihn nicht im Krankenhaus gelassen?", fragte Aya den Inspektor. "Er wurde doch auch vergiftet wie der arme Yuko, oder?"
"Stimmt in der Tat", gab der Inspektor zu, "aber im Gegensatz zum Opfer besitzt Herr Shihodai eine sehr gute Konstitution und offenbar auch ein wenig Resistenz, was bei Ärzten nicht unüblich ist. Man hat ihm den Magen ausgepumpt und es wurde auch sein Blut untersucht. Bei ihm und Herrn Eimin sind dieselben Präparate festgestellt worden bis auf eines."
"Das blaue Mittel?", fragte Conan wissbegierig.
Der Inspektor sah ihn überrascht an. "Woher weißt du das?" Er sah die versammelte Gruppe an. "Laut Herrn Shihodais Aussage kam Herr Eimin zu ihm in die Toilette und wollte ihn überreden, ein homöopathisches Mittel mit dem Namen "Mangengold" zu trinken."
Sakuras Hände krampften sich auf ihrem Schoß zusammen. "Ich ... ich habe es aus Yukos Zimmer geholt."
"Das passt auch zu den Fingerabdrücken, die wir auf der Flasche fanden", nickte der Inspektor. "Wir haben dieses Magengold natürlich auch mitgenommen und wie es scheint war das Essen völlig in Ordnung, lediglich in den Kaffeetassen von Herrn Shihodai und dem Mordopfer fanden sich Spuren eines Giftes."
"Moment mal!", mischte sich ein etwas blasser Detektiv Mori ein, "ich habe auch von dem Kaffee getrunken und mir geht es blendend."
"Ich sagte ja auch 'in den Tassen' und nicht 'im Kaffee'", betonte Inspektor Kiban. "Offenbar hat jemand Gift in die Tassen der beiden getan."
"Aber..", Frau Kamao rang die Hände, "aber ich selbst habe Herrn Eimin doch ein neues Gedeck gebracht!"
"Das ist uns bekannt", sagte der Inspektor ernst, "wir möchten Sie daher bitten, uns auf die Wache zu begleiten."
"Lassen Sie den Unsinn", kam es leise von der anderen Seite des Tisches, wo sich Koiji schwer auf die Tischplatte stützte, um sich langsam hochzustemmen. Sakura, die direkt neben ihm saß, rührte keinen Finger, um ihm zu helfen, vielmehr sah sie ihn anklagend an. "Soviel ich weiß ist die Küche in der Nacht leer, oder, Sara?"
Sie nickte heftig. "Wir decken den Tisch für das Frühstück immer schon am Vorabend und für den Fall, dass etwas zu Bruch geht, steht auf dem kleinen Tisch stets ein zusätzliches fertiges Gedeck."
"Aber...", Detektiv Mori runzelte die Stirn. Man konnte sehen wie es in ihm arbeitete. *Übernimm dich mal nicht*, dachte Conan, *sonst qualmt es noch aus deinen Ohren...* "Aber wie konnte der Mörder wissen, dass ausgerechnet Herrn Eimins Gedeck ausgetauscht würde?"
"Das stimmt!", hieb Hamako in die gleiche Kerbe. "Sonst ist es immer Koiji, der zwei Gedecke braucht. Seit wir hier sind, hat er immer später am Vormittag noch einen Kräutertee getrunken, und dabei immer das Reservegedeck benützt, oder?"
"Hmm..." der Inspektor kratzte sich am Kinn. "Wenn das stimmt, bleibt nur eine Schlussfolgerung."
Conan, der auch zu einem Schluss gekommen war, wartete gespannt, ob der Inspektor seine Ansicht teilte.
"Das eigentliche Mordopfer hätte Herr Shihodai sein sollen!", platzte Detektiv Mori heraus. "Ist doch ganz klar, der Mörder wollte auf Nummer sicher gehen. Erst mal Gift in die Tasse an seinem Platz", er sah zu der Gruppe hinüber, "die Sitzordnung war doch immer dieselbe, oder?" Alle nickten. "Und falls die erste Dosis nicht reicht, rechnete er damit, dass Herr Shihodai wenn er sich schlecht fühlt, noch einen Tee trinkt wie es viele Leute tun, wenn sie Probleme mit dem Magen haben. So hätte er die zweite Dosis bekommen und das hätte ihm den Rest gegeben. Tod in Raten sozusagen"
"Soll ...", Sakura war aufgesprungen und zerknüllte ein Taschentuch in ihrer Faust, "soll das heißen, dass Yuko sterben musste, nur weil es jemand auf Koiji abgesehen hat?"
"Bis jetzt spricht alles dafür", stimmte der Inspektor Moris Schlussfolgerungen zu.
Conan kam nicht umhin, die Stirn zu runzeln. Es war selten genug, dass Mori in Worte fasste, was er sich selbst schon gedacht hatte. Dennoch, selbst wenn Koiji das Mordopfer hätte werden sollen, blieben noch einige Fragen offen.
Zufällig sah Conan zum Fenster hinaus. Eine schlanke, zierliche Gestalt in schwarzer Kleidung verschwand soeben im Wald auf dem Pfad in Richtung des Sees.
"Du ...du verdammter Mörder!" Sakura krallte ihre Hände um den Hals des geschwächten Koiji. "Du hast ihn umgebracht!"
Für einen Moment waren alle perplex. Dann war Aya zur Stelle und riss Sakura zurück. "Damit erreichst du nichts, Sakura!", rief sie und hielt die Tobende im Schwitzkasten fest.
"Was soll das, verdammt noch mal!", keuchte Koiji und rieb sich den Hals. "Drehst du jetzt völlig durch?"
"Erklären Sie uns Ihren Ausbruch, Frau Hakobi!", forderte der Inspektor mit strenger Stimme und sein Machtwort brachte Sakura zur Besinnung. Sie brach zusammen und als ihr Aya die Schultern tätschelte und über das Haar strich, schluchzte sie: "Er ... er hat Yukos Kaffee verschüttet. Wenn er das nicht getan hätte, wäre Yuko noch am Leben. Er .. er ist schuld, dass Yuko tot ist!"
Herr Mori griff sich an die Stirn. "Frauen sind so was von irrational!", stöhnte er, was ihm böse Blicke aller weiblicher Anwesenden, besonders aber von seiner Tochter eintrug.
"Nun denn", Koiji erhob sich langsam und schob den Stuhl zurück. "Ich würde mich gern noch etwas hinlegen, wenn es geht. Die lieben Kollegen wollten mich erst gar nicht gehen lassen, aber mehr als mir eine Infusion Salzlösung anhängen, können sie im Moment auch nicht. Mit dem Rest vom Gift muss mein Körper allein fertig werden."
"Ich helfe dir!", bot sich Hamako an und stütze ihn.
Während die beiden langsam nach draußen schritten, wurde sich Herr Mori wieder seines knurrenden Magens bewusst und lud auch den Inspektor ein, sich am Buffet zu bedienen, doch dieser wehrte ab.
"Ich muss noch ein paar Befragungen durchführen, falls jemand vom Personal in der Nacht etwas bemerkt hat."
"Unser Koch hat immer einen sehr leichten Schlaf", sagte Frau Kamao, "er geht oft draußen spazieren, besonders im Sommer, wenn es in den Quartieren ziemlich heiß und stickig ist. Ein Fremder ist bestimmt nicht unbemerkt an ihm vorbei gekommen."
*Ein Fremder wird wohl nicht seine Hand im Spiel gehabt haben*, ging es Conan durch den Kopf, während er mit einer gemurmelten Entschuldigung hinter den beiden Männer her lief, ehe ihn Ran aufhalten konnte.
Er huschte in den staubigen Bereich unter der Treppe, und sein Instinkt hatte ihn nicht getrogen. Hamako brachte den Zwischenfall nochmals zur Sprache.
"Wie kannst du nur so ruhig hinnehmen wie Sakura dich behandelt. Sie ist ja wie eine Furie."
"Halb so schlimm", sagte Koiji und atmete schwer, weil ihn das Treppensteigen doch sehr anstrengte. "Sie ist eine gute Schauspielerin, das ist alles. Ich habe längst aufgegeben, herauszufinden, was von ihrem Getue echt und was gestellt ist."
"Wie meinst du das?", Hamako klang echt geschockt. "Stört es dich denn gar nicht, dass deine Verlobte Yuko nachtrauert? Bist du denn nicht eifersüchtig?"
"Die Toten machen mir die wenigsten Sorgen..", sagte Koiji. "Außerdem hat Yuko ihr nie Hoffnungen gemacht, oder? So dumm ist selbst Sakura nicht, es stand doch schon vor drei Wochen in der Zeitung." Dann waren die beiden endlich oben angekommen und somit für Conan außer Hörweite.
Seufzend wollte er wieder in den Speisesaal gehen, da bemerkte er Frau Kamao, die unbemerkt heraus gekommen sein musste und mit wehmütigem Blick auf ein gerahmtes, altes Foto sah, das zwischen Blumenbildern an der Wand des Flures hing. Conan trat leise neben sie und folgte ihrem Blick. Das Foto zeigte den Gasthof, offenbar vor mehreren Jahren. Ein älteres Ehepaar stand dort, zusammen mit einer Gruppe Gästen, darunter eine alte Frau und ein kleiner Junge, welcher dem Mädchen, das bei dem Ehepaar stand, eine lange Nase machte.
"Sind Sie das, Frau Kamao?", fragte Conan und zeigte auf das Mächen.
Frau Kamao zuckte erst mal zusammen, dann nickte sie. "Ja, das bin ich. Es war damals völlig anders hier oben."
"Dann sind das da sicher ihre Eltern!", er zeigte auf das Ehepaar.
Sie schüttelte den Kopf. "Nein, das sind meine Großeltern, die mich groß gezogen haben. Meine Eltern sind kurz nach meiner Geburt bei einem Unfall ums Leben gekommen."
"Wer ist denn der freche Junge da drüben?", bohrte Conan ungeniert weiter. *Es hat seine Vorteile, wenn man ein Kind ist. Niemand wundert sich über deine Neugier.*
"Errätst du es nicht?", Frau Kamao nickte mit dem Kopf in Richtung Treppe.
"Doch nicht Herr Hasakeri?!", stellte sich Conan dumm.
"Aber den kannte ich damals noch gar nicht", lachte Frau Kamao. "Herr Shihodai ist es. Er kam fast jeden Sommer mit seiner Großmutter zu uns."
"Waren denn seine Eltern auch tot?"
"Das nicht, aber viel zu beschäftigt, um sich um ihn zu kümmern. Seine Großmutter war sehr wohlhabend, musst du wissen und sie hat ihm immer alles gekauft, was er sich wünschte. Leider ist sie während seines Studiums krank geworden und gestorben. Das hat ihn sehr mitgenommen, vor allem da ihr ganzes Vermögen auch weg war. Offenbar hat sie es vor ihrem Tod noch ausgegeben, wofür weiß ich nicht, aber ich vermute, dass sie es in das marode Geschäft ihres Schwiegersohnes gesteckt hat, der es dann verspekulierte. Eine Weile lang stand es Knopf und Spitz, ob Koiji sein Studium abbricht, aber dann hat er sich mit Nebenjobs über Wasser gehalten und sich durchgeboxt bis zum Dotortitel."
"Ist er deshalb so scharf darauf eine reichte Erbin zu heiraten? Damit seine Existenz gesichert ist?", Conan rieb sich das Kinn und tat so, als würde er nachdenken. "Er hat Frau Hakobi nicht wirklich lieb, oder?"
"Psst!" Frau Kamao legte ihm den Zeigefinger auf die Lippen. "Sowas zu sagen bringt Unglück. Bestimmt mag er seine Verlobte sehr. Er zeigt es nur nicht so direkt, weißt du? Er war auch zu Sanae, seiner früheren Verlobten nicht immer gerade liebevoll, besonders die Tage vor ihrem Tod hat er sie fast wie Luft behandelt. Aber du hättest ihn sehen sollen, als sie ertrank. Wenn wir ihn nicht aufgehalten hätten, wäre er auch noch untergegangen, so verausgabt hat er sich bei seiner Suche nach ihr. Ich habe ihn später in seinem Zimmer weinen gehört. Man darf nicht immer denken, dass Menschen, die kaum Gefühle zeigen, auch keine haben."
"Das werde ich mir merken", sagte Conan und er meinte es auch so. *Das wirft allerdings nur noch mehr Fragen auf.*
Um einen klaren Kopf zu bekommen und um sich ein Bild zu machen, ob wirklich keine Fremden unbemerkt ein- und ausgehen konnten, schlich er sich aus dem Haus, ehe ihn Ran schnappen und ausquetschen konnte.
Während er die Fakten, seine Spekulationen und das eben Gehörte zu einem vollständigen Bild des Falles zu ordnen versuchte, führten ihn seine Füße automatisch zu jenem Pfad, der an Sanaes Gedenkstein vorbei zum Wasser führte.
Seine Sohlen machten kaum ein Geräusch auf dem weichen Waldboden und erst als er schon fast am Ufer stand, bemerkte er die schlanke, schwarze Gestalt auf dem Bootsteg.
*Die geheimnisvolle Frau Tsukimori...* Conan hielt die Luft an und tat so, als wäre er nicht hier. Was wollte sie hier am Wasser und hatte sie wirklich wegen Yuko geweint?
Eine schnelle Handbewegung und etwas Funkelndes blitze durch die Luft, ehe es auf dem Wasser aufschlug und versank.
"Du verdammter Schuft, du Esel, du Idiot, du falscher Kerl!" Frau Tsukimori brach auf dem Steg in die Knie und heftige Schluchzer ließen ihre schmalen Schultern beben.
Conan bemerkte, wie sie den Ringfinger ihrer rechten Hand umklammerte, als hätte sie dort Schmerzen und ein paar weitere Puzzelteilchen fügten sich zusammen.
Ende des dritten Teils
Der Schrei ging allen durch Mark und Bein. Selbst der trotz des vielen Kaffees noch nicht ganz wache Detektiv Mori war im Nu auf den Beinen.
Conan, der erschrocken zusammengezuckt war, drückte hastig die Klinke herunter und stürzte ins WC wo sich ihm ein grässliches Bild bot. Yuko lag gekrümmt vor dem Waschbecken, aus einer üblen Wunde am Kopf rann ein hellroter Blutfaden. Die Flasche mit der Tinktur war ihm aus der Hand gefallen und ein dünnes, hellblaues Rinnsal zog seine schmierige Bahn über die weißen Fliesen. Kreidebleich und zitternd hockte der sonst so lässige Koiji in der Ecke.
"Er ... er ist einfach umgefallen", keuchte er bei Conans Eintreten. "Yuko! Yuko sag doch was!" Conan sah mit einem Blick auf die starren Augen, dass hier jeder Rettungsversuch vergeblich wäre. Hinter ihm stürmte Mori ins WC, dicht gefolgt von Aya und Akiro. Während Mori und Aya sofort neben der Leiche niederknieten, blieb Akiro erst mal geschockt im Türrahmen stehen, ehe er sich fasste. "Ich rufe die Rettung!" Er wollte sich umdrehen, doch Conan packte ihn am Hemd. "Dazu ist es zu spät!" sagte er ernst. "Rufen Sie bitte die Polizei."
Es gab einen großen Tumult, ehe der zuständige Beamte, ein rundlicher, älterer Herr, auftauchte. "Guten Tag, die Herrschaften", sagte er nach kurzer Besichtigung des Tatorts. "Mein Name ist Inspektor Kiban. Da wir über die Todesursache noch nichts Genaueres sagen können, werden wir erst einmal eine Obduktion durchführen und alle Anwesenden befragen müssen. Daher bitte ich Sie alle, sich nicht unerlaubt zu entfernen."
"Entschuldigen Sie", Koiji wankte auf ihn zu. Sein Gesicht war immer noch bleich und er schwitzte. "Könnten Sie mich zum nächsten Krankenhaus bringen? Ich fühle mich elend..." Er warf Frau Kamao einen scharfen Blick zu worauf diese eine wütende Miene aufsetzte
"An meinem Essen liegt es nicht", zischte sie. "Was weiß ich, was ihr Ärzte an Bazillen von eueren Patienten aufgelesen habt."
"Bitte keinen Streit vom Zaun brechen", sagte der Inspektor beschwichtigend. "Natürlich bringt Sie einer meiner Beamten ins Krankenhaus, Herr Hakobi, und fährt sie auch wieder zurück. Und was die Sache mit dem Essen anbelangt," der ruhige Blick aus seinen dunkeln Augen fixierte Frau Kamao, "spricht im Moment alles für eine Vergiftung."
Mori und Aya nickten zu diesen Worten. "Ich habe ihn flüchtig untersucht", sagte sie. "Die Kopfwunde hat er sich beim Sturz zugezogen, aber gestorben ist er daran mit Sicherheit nicht."
Die Wirtin verschränkte die Arme demonstrativ vor der Brust. "Für meinen Koch lege ich die Hand ins Feuer. Wir essen das gleiche wie unsere Gäste und dem ganzen Personal geht es blendend. An ihrer Stelle würde ich das komische Zeugs untersuchen, das er dauernd geschluckt hat."
"Ganz sicher werden wir das", sagte der Inspektor, "aber wir werden auch vom gestrigen Abendessen und vom Frühstück Proben nehmen." Frau Kamao presste die Lippen zusammen. "Es sind noch Reste im Kühlschrank", sagte sie unwirsch. "Bedienen Sie sich."
Die ganze Zeit über saß Conan still in der Ecke und runzelte die Stirn. Der Inspektor schien ein ziemlich abgeklärter und erfahrener Mann zu sein, keine Nullnummer wie der Detektiv, der sich bei der anschließenden Befragung wieder groß in den Vordergrund spielte.
"Mein Name ist Mori und ich bin Privatdetektiv", sagte er in einem Tonfall, als erwarte er, dass sein Gegenüber vor Respekt erstarrte. "Vielleicht haben Sie schon von mir gehört..."
"Sie kommen aus Tokio, oder?", fragte der Inspektor ungerührt. "Was hat sie in dieses Landgasthaus geführt?"
"Ich bin auf Einladung eines Klienten hier", sagte Herr Mori und senkte bedeutungsvoll die Stimme. "Meine Tochter und der kleine Conan, der unter meiner Aufsicht steht, sind sozusagen die Tarnung für einen Auftrag."
"Aha..", der Inspektor sah von seinen Notizen hoch, "und was ist der Auftrag?"
Conan, der alles mitanhörte, konnte sich eines schadenfrohen Grinsens nicht erwehren, als der große Detektiv auf einmal kleinlaut wurde und zugeben musste, dass er keine Ahnung hatte. Das spöttische Zucken der Mundwinkel des Inspektors sprach Bände, aber er blieb dennoch äußerst höflich und wünschte Herrn Mori viel Glück bei dem Auftrag, ehe er dazu überging, ihn zu seiner Meinung, die anderen Gäste betreffend zu befragen. Doch wie stets war Mori natürlich am Abend zu voll gewesen, um jetzt noch klare Erinnerungen zu haben.
Da war Ran ergiebiger. Sie berichtete dem Inspektor haarklein von ihren Eindrücken und Conan warf das eine oder andere ein, ohne zuviel zu verraten.
Den ganzen Vormittag über wurden Befragungen abgehalten. Die arme Sakura war völlig aufgelöst und heulte in einem zu, sodass ein Arzt gerufen werden musste, der ihr eine Beruhigungsspritze gab. Erst gegen Mittag kam ein Anruf aus dem Krankenhaus in das sich Koiji hatte fahren lassen. Die Untersuchung hatte ergeben, dass Koiji an einer mittelschweren Vergiftung litt. Er würde die nächsten Tage stationär behandelt werden müssen. Der Inspektor war erleichtert, als es hieß, dass er dennoch vernehmungsfähig sei und da im Gasthof alle Arbeit getan war, fuhr er mit seinen Beamten zum Krankenhaus.
Die zurückgebliebenen hatten denkbar wenig Appetit beim Mittagessen, obwohl es ein sehr schön gerichtetes Buffet gab mit vielen kleinen Leckereien. Der einzige, der sich ungeniert den Bauch vollschlug war Detektiv Mori.
Ran und Conan beobachteten die übrig gebliebenen Mitglieder der Gruppe aus den Augenwinkeln.
"Conan", fragte Ran während sie sich einen Teller Suppe schöpfte, "warum schaust du so düster drein? Ich weiß, es ist schrecklich, dass wir auch bei diesem Ausflug mitten in ein Verbrechen getappt sind, aber..."
"Das ist es nicht", unterbrach sie Conan und balancierte seinen vollen Teller zu dem leeren Tisch abseits der Gruppe aus Kyoto. "Mich wundert nur, dass niemand von ihnen mit dem Inspektor ins Spital gefahren ist. Herr Shihodai ist doch ihr Freund!"
"Du hast recht!" Ran stellte ihren Teller neben Conans und zog den Stuhl so her, dass sie die schweigsame Gruppe im Auge behalten konnte. "Selbst seine Verlobte hat nur diesem Yuko nachgetrauert und sich nicht einmal nach Shihodai erkundigt. Das ist schon komisch..."
"Wenn mich jemand fragen würde", ertönte hinter ihnen Herrn Moris Stimme, "dann hatte diese Sakura etwas mit Yuko und als er ihr zu lästig wurde, hat sie ihn umgebracht."
"Pssst!", zischten Ran und Conan unisono, aber es war schon zu spät. Der ganze Raum hatte es gehört und Sakura wurde noch ein Stück blasser. Ihre Hand, die eben die Teetasse zum Mund hatte führen wollen, zitterte so sehr, dass sie die Tasse klappernd wieder aufsetzte und dabei einen Schluck Tee verschüttete.
Ihre rotgeweinten Augen fixierten Herrn Moris "ich weiß es längst" -Miene und sie sagte deutlich: "Ich habe Yuko geliebt, richtig!" Die anderen drei am Tisch erstarrten. Aus den Augenwinkeln sah Conan eine flüchtige Bewegung am Eingang des Speisesaals. Eine zierliche Gestalt in Mantel, Hut mit Schleier und Handschuhen stand im Türrahmen. Eine Sekunde lang erhaschte Conan einen flüchtigen Blick auf zwei volle, bebende Lippen, dann drehte sich die junge Frau (für eine ältere Dame war ihre Bewegung zu schwungvoll) auf den Absätzen um und fegte Richtung Haustüre davon. Frau Kamao, die soeben eine Platte mit gegrillten Fischen zum Buffet stellte, fing Conans fragenden Blick auf. "Das ist Frau Tsukimori von Zimmer 9."
"Weiß sie schon von dem Mord?", fragte Conan rasch.
Frau Kamao kam zu ihnen herüber und nickte. "Die Polizei hat auch sie befragt. Ich habe den Inspektor selbst zu ihrem Zimmer geführt."
"Bestimmt ist die Ärmste sehr erschrocken", meinte Ran.
"Nun", Frau Kamao zögerte, "ich bin ein bisschen vor der Türe stehen geblieben... weil, ähm... weil ich sehr besorgt war, immerhin ist Frau Tsukimori eine sehr zurückhaltende, scheue Person..."
"Wir verstehen", drängte nun auch Mori, der in seiner sprunghaften Art sofort bereit war, die Rolle der Mörderin jener geheimnisvollen Frau zuzuschreiben, "sie haben also gelauscht. Was haben Sie gehört?"
Frau Kamao spielte mit ihren Schürzenbändern. "Es war schon komisch, aber es klang, als hätte Frau Tsukimori geweint..."
"Geweint?", mischte sich jetzt auch Hamako ein, der vom Buffet aus, wo er sich noch etwas Fisch holen wollte, den letzten Teil des Berichts mitangehört hatte. "Warum hat eine wildfremde Person wegen Yuko geweint?"
"Das ist leicht zu erklären", spielte sich Herr Mori wieder auf, "In Wahrheit ist sie natürlich nicht wildfremd. Sie wird eine Patientin sein, die das Opfer von einer falschen Behandlung wurde. Vielleicht hat eine seiner Salben ihr Gesicht entstellt. Nun hat sie ihn verschleiert bis hierher verfolgt, um Rache zu nehmen."
"Schön und gut, Paps", stutzte Ran ihn gleich wieder zurecht, "aber wenn sie mit seinem Tod bekommen hat, was sie wollte, warum hat sie dann geweint?"
"Aus Reue natürlich", verteidigte der Detektiv seine wackelige Theorie. "Außerdem hatte die Polizei sie schon in der Mangel und da hat sie Angst bekommen."
"Das Weinen klang nicht nach Angst", mischte sich Frau Kamao ein, "es klang nach Zorn und nach Kummer."
"Zudem", sägte nun auch Conan an Moris Behauptung, "wenn sie schon vor Angst weinte, warum hat sie noch nicht gestanden? Die Polizei hätte uns doch Bescheid gegeben, wenn der Mörder gefasst ist und wir wieder nach Hause können."
"Da hat der Knirps ganz recht", sagte Akiro, den die rege Debatte an Conans Tisch heran gelockt hatte. "Yuka hatte seine Fehler wie jeder Mensch, aber er war ein ausgezeichneter Heilpraktiker und in der Zeit, als wir noch eine gemeinsame Praxis hatten, gab es nie auch nur eine einzige Beschwerde."
"Nicht gegen ihn", sagte Aya, die sich nun ebenfalls zu ihnen gesellte. "Aber wenn ich mich recht erinnere, hattest du mehr als nur einen Problemfall und da hat er sich nicht vor dich gestellt. Du hast dich noch beschwert, dass er dich habe im Regen stehen lassen."
"Ach was!", wischte Akiro dieses Argument leicht beiseite, "das sind alte Kamellen und er hatte ja recht, mich meine Fehler selbst ausbaden zu lassen. Ist ja nichts schlimmes passiert."
"Außer, dass du fast deine Lizenz verloren hättest und deine Ersparnisse für den Anwalt drauf gegangen sind", gab Aya trocken zurück. "Koiji hat es mir mal erzählt, als ich ihm wieder vorgehalten habe, dass Yuko der bessere Mensch wäre."
"Hört damit auf!" Sakura presste sich die Hände an die Ohren. "Yuko war ein guter Mensch, durch und durch. Er war der einzige Mensch, den ich jemals geliebt habe..."
Hamako zuckte zusammen. "Ach so?", fragte er heiser, "dann war das damals mit mir wirklich nur eine deiner Launen..."
Sie sah betreten auf ihre Fingerspitzen. "Tut mir echt leid, Hamako, aber ..." sie sah auf und in ihrem Blick lag eine ehrlich gemeinte Bitte um Verzeihung, "... aber wenn ich dich geliebt hätte, glaubst du dann hätte ich jemals ... jemals meinem Vater nachgegeben und mich mit Koiji verlobt?"
*Das wird immer interessanter*, dachte Conan und spießte ein Stück Tomate mit seiner Gabel auf. "So ist das also..." Hamako ballte eine Hand zur Faust. ".. und ich Idiot habe Koiji immer darum beneidet, dass er dich mir abspenstig gemacht hat..." Er atmete tief durch und öffnete die Faust langsam. "Ich hätte gleich wissen müssen, dass jemand wie du einer Niete wie mir keine echten Gefühle entgegen bringen kann..."
Patsch! Ayas Hand hinterließ einen roten Abdruck auf seiner Wange. "Du Trottel!", fauchte sie und wischte sich zornig über die feuchten Augen. "Warum machst du dich immer schlechter als du bist!" Nicht nur Hamako war von Ayas Ausbruch überrascht. Sie selbst zog erschrocken über sich selbst die Hand zurück, presste sie auf ihre Brust und wandte sich ab. "Ist doch wahr...", murmelte sie mit roten Wangen.
"Ähem!"
Alle drehten sich zur Tür, wo Inspektor Kiban wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Lediglich Conan hatte ihn aus den Augenwinkel kommen sehen und zuckte als einziger nicht zusammen. "Ah, Herr Inspektor!" Mori baute sich vor dem gut einen Kopf kleineren Ermittler auf. "Gibt es Neuigkeiten?"
Auch Conan wartete gespannt auf solche. Er sprang vom Stuhl und drängte sich an Mori vorbei, denn ihm brannte vor allem eine Frage auf der Seele. "Wie geht es Herrn Shidoai? Wird er bald wieder gesund sein? Darf man ihn besuchen?"
"Du frecher Knirps!" Herr Mori hatte Conan bereits wieder in der Mangel und zog ihm die Ohren lang. "Man drängt sich nicht dazwischen, wenn Erwachsene reden!"
"Seien sie doch nicht so streng, Herr Mori", wehrte der Inspektor gutmütig ab. "Wie sollen junge Leute etwas Lernen, wenn wir Alten unser Wissen nicht teilen? Und wenn man mit einem so berühmten Privatdetektiv unter einem Dach wohnt, färbt dessen Berufsneugier halt auch ein wenig auf das junge Volk ab." Er zauste Conans Haar. "Du bist sicher ein großer Bewunderer deines Onkels, oder?"
Welche Wahl blieb Conan? "Und wie!", er nickte so ernsthaft er konnte und probierte einen treuherzigen Augenaufschlag in Moris Richtung. "Onkel Kogoro ist ja sooo toll!"
Der war sofort wieder besänftigt. "Sie haben ja recht, Herr Inspektor", sagte er und kratzte sich am Kopf. "Sie haben also doch schon von mir gehört? Und ich dachte ..."
"Nun", unterbrach ihn Inspektor Kiban leicht verlegen und zog einen Block aus allerbestem Papier heraus, "bis gestern wusste ich auch noch nicht von Ihnen. Aber meine Frau stammt aus Tokio und sie hat durch Verwandte von Ihnen gehört. Alle bewundern Sie sehr, immerhin sind Sie der Detektiv, der seine Fälle im Schlaf löst. Wären Sie so nett, mir ein Autogramm zu geben? Meine Frau heißt Himeko und sie hat übermorgen Geburtstag..."
Nichts tat Herr Mori lieber, als sich in seinem Ruhm zu sonnen. Und so schraubte er umständlich den schönen Füller auf, den ihm der Inspektor reichte, und kritzelte seinen Namens schwungvoll mit einer schmalzigen Widmung an seinen treuen Fan, die zauberhafte Himeko, auf das teure handgeschöpfte Papier.
Hinter den beiden räusperte sich Ran vernehmlich. "Paps, solltest du dich nicht lieber um den Fall kümmern?"
Conan nickte heftig. "Genau! Herr Inspektor, was ist jetzt mit Herrn Shihodai?" Der Inspektor nahm das Autogramm entgegen, bedankte sich mit einer Verbeugung und trat dann rückwärts in den Gang hinaus, um heftig zu winken.
Noch immer sehr bleich und auf die Schulter eines Polizisten gestützt, wurde Koiji Shihodai hereingeführt.
"Du lieber Himmel! Koiji, du siehst aus wie eine wandelnde Leiche!", platzte Hamako heraus. Koiji zeigte ein schiefes Lächeln und ließ sich zu seinem Platz führen, wo er erschöpft und schwer atmend auf den Sessel sank.
"Danke für das Kompliment, Hamako", sagte er und man musste sich anstrengen, seine Stimme zu verstehen, "so ähnlich fühle ich mich auch!"
"Warum haben Sie ihn nicht im Krankenhaus gelassen?", fragte Aya den Inspektor. "Er wurde doch auch vergiftet wie der arme Yuko, oder?"
"Stimmt in der Tat", gab der Inspektor zu, "aber im Gegensatz zum Opfer besitzt Herr Shihodai eine sehr gute Konstitution und offenbar auch ein wenig Resistenz, was bei Ärzten nicht unüblich ist. Man hat ihm den Magen ausgepumpt und es wurde auch sein Blut untersucht. Bei ihm und Herrn Eimin sind dieselben Präparate festgestellt worden bis auf eines."
"Das blaue Mittel?", fragte Conan wissbegierig.
Der Inspektor sah ihn überrascht an. "Woher weißt du das?" Er sah die versammelte Gruppe an. "Laut Herrn Shihodais Aussage kam Herr Eimin zu ihm in die Toilette und wollte ihn überreden, ein homöopathisches Mittel mit dem Namen "Mangengold" zu trinken."
Sakuras Hände krampften sich auf ihrem Schoß zusammen. "Ich ... ich habe es aus Yukos Zimmer geholt."
"Das passt auch zu den Fingerabdrücken, die wir auf der Flasche fanden", nickte der Inspektor. "Wir haben dieses Magengold natürlich auch mitgenommen und wie es scheint war das Essen völlig in Ordnung, lediglich in den Kaffeetassen von Herrn Shihodai und dem Mordopfer fanden sich Spuren eines Giftes."
"Moment mal!", mischte sich ein etwas blasser Detektiv Mori ein, "ich habe auch von dem Kaffee getrunken und mir geht es blendend."
"Ich sagte ja auch 'in den Tassen' und nicht 'im Kaffee'", betonte Inspektor Kiban. "Offenbar hat jemand Gift in die Tassen der beiden getan."
"Aber..", Frau Kamao rang die Hände, "aber ich selbst habe Herrn Eimin doch ein neues Gedeck gebracht!"
"Das ist uns bekannt", sagte der Inspektor ernst, "wir möchten Sie daher bitten, uns auf die Wache zu begleiten."
"Lassen Sie den Unsinn", kam es leise von der anderen Seite des Tisches, wo sich Koiji schwer auf die Tischplatte stützte, um sich langsam hochzustemmen. Sakura, die direkt neben ihm saß, rührte keinen Finger, um ihm zu helfen, vielmehr sah sie ihn anklagend an. "Soviel ich weiß ist die Küche in der Nacht leer, oder, Sara?"
Sie nickte heftig. "Wir decken den Tisch für das Frühstück immer schon am Vorabend und für den Fall, dass etwas zu Bruch geht, steht auf dem kleinen Tisch stets ein zusätzliches fertiges Gedeck."
"Aber...", Detektiv Mori runzelte die Stirn. Man konnte sehen wie es in ihm arbeitete. *Übernimm dich mal nicht*, dachte Conan, *sonst qualmt es noch aus deinen Ohren...* "Aber wie konnte der Mörder wissen, dass ausgerechnet Herrn Eimins Gedeck ausgetauscht würde?"
"Das stimmt!", hieb Hamako in die gleiche Kerbe. "Sonst ist es immer Koiji, der zwei Gedecke braucht. Seit wir hier sind, hat er immer später am Vormittag noch einen Kräutertee getrunken, und dabei immer das Reservegedeck benützt, oder?"
"Hmm..." der Inspektor kratzte sich am Kinn. "Wenn das stimmt, bleibt nur eine Schlussfolgerung."
Conan, der auch zu einem Schluss gekommen war, wartete gespannt, ob der Inspektor seine Ansicht teilte.
"Das eigentliche Mordopfer hätte Herr Shihodai sein sollen!", platzte Detektiv Mori heraus. "Ist doch ganz klar, der Mörder wollte auf Nummer sicher gehen. Erst mal Gift in die Tasse an seinem Platz", er sah zu der Gruppe hinüber, "die Sitzordnung war doch immer dieselbe, oder?" Alle nickten. "Und falls die erste Dosis nicht reicht, rechnete er damit, dass Herr Shihodai wenn er sich schlecht fühlt, noch einen Tee trinkt wie es viele Leute tun, wenn sie Probleme mit dem Magen haben. So hätte er die zweite Dosis bekommen und das hätte ihm den Rest gegeben. Tod in Raten sozusagen"
"Soll ...", Sakura war aufgesprungen und zerknüllte ein Taschentuch in ihrer Faust, "soll das heißen, dass Yuko sterben musste, nur weil es jemand auf Koiji abgesehen hat?"
"Bis jetzt spricht alles dafür", stimmte der Inspektor Moris Schlussfolgerungen zu.
Conan kam nicht umhin, die Stirn zu runzeln. Es war selten genug, dass Mori in Worte fasste, was er sich selbst schon gedacht hatte. Dennoch, selbst wenn Koiji das Mordopfer hätte werden sollen, blieben noch einige Fragen offen.
Zufällig sah Conan zum Fenster hinaus. Eine schlanke, zierliche Gestalt in schwarzer Kleidung verschwand soeben im Wald auf dem Pfad in Richtung des Sees.
"Du ...du verdammter Mörder!" Sakura krallte ihre Hände um den Hals des geschwächten Koiji. "Du hast ihn umgebracht!"
Für einen Moment waren alle perplex. Dann war Aya zur Stelle und riss Sakura zurück. "Damit erreichst du nichts, Sakura!", rief sie und hielt die Tobende im Schwitzkasten fest.
"Was soll das, verdammt noch mal!", keuchte Koiji und rieb sich den Hals. "Drehst du jetzt völlig durch?"
"Erklären Sie uns Ihren Ausbruch, Frau Hakobi!", forderte der Inspektor mit strenger Stimme und sein Machtwort brachte Sakura zur Besinnung. Sie brach zusammen und als ihr Aya die Schultern tätschelte und über das Haar strich, schluchzte sie: "Er ... er hat Yukos Kaffee verschüttet. Wenn er das nicht getan hätte, wäre Yuko noch am Leben. Er .. er ist schuld, dass Yuko tot ist!"
Herr Mori griff sich an die Stirn. "Frauen sind so was von irrational!", stöhnte er, was ihm böse Blicke aller weiblicher Anwesenden, besonders aber von seiner Tochter eintrug.
"Nun denn", Koiji erhob sich langsam und schob den Stuhl zurück. "Ich würde mich gern noch etwas hinlegen, wenn es geht. Die lieben Kollegen wollten mich erst gar nicht gehen lassen, aber mehr als mir eine Infusion Salzlösung anhängen, können sie im Moment auch nicht. Mit dem Rest vom Gift muss mein Körper allein fertig werden."
"Ich helfe dir!", bot sich Hamako an und stütze ihn.
Während die beiden langsam nach draußen schritten, wurde sich Herr Mori wieder seines knurrenden Magens bewusst und lud auch den Inspektor ein, sich am Buffet zu bedienen, doch dieser wehrte ab.
"Ich muss noch ein paar Befragungen durchführen, falls jemand vom Personal in der Nacht etwas bemerkt hat."
"Unser Koch hat immer einen sehr leichten Schlaf", sagte Frau Kamao, "er geht oft draußen spazieren, besonders im Sommer, wenn es in den Quartieren ziemlich heiß und stickig ist. Ein Fremder ist bestimmt nicht unbemerkt an ihm vorbei gekommen."
*Ein Fremder wird wohl nicht seine Hand im Spiel gehabt haben*, ging es Conan durch den Kopf, während er mit einer gemurmelten Entschuldigung hinter den beiden Männer her lief, ehe ihn Ran aufhalten konnte.
Er huschte in den staubigen Bereich unter der Treppe, und sein Instinkt hatte ihn nicht getrogen. Hamako brachte den Zwischenfall nochmals zur Sprache.
"Wie kannst du nur so ruhig hinnehmen wie Sakura dich behandelt. Sie ist ja wie eine Furie."
"Halb so schlimm", sagte Koiji und atmete schwer, weil ihn das Treppensteigen doch sehr anstrengte. "Sie ist eine gute Schauspielerin, das ist alles. Ich habe längst aufgegeben, herauszufinden, was von ihrem Getue echt und was gestellt ist."
"Wie meinst du das?", Hamako klang echt geschockt. "Stört es dich denn gar nicht, dass deine Verlobte Yuko nachtrauert? Bist du denn nicht eifersüchtig?"
"Die Toten machen mir die wenigsten Sorgen..", sagte Koiji. "Außerdem hat Yuko ihr nie Hoffnungen gemacht, oder? So dumm ist selbst Sakura nicht, es stand doch schon vor drei Wochen in der Zeitung." Dann waren die beiden endlich oben angekommen und somit für Conan außer Hörweite.
Seufzend wollte er wieder in den Speisesaal gehen, da bemerkte er Frau Kamao, die unbemerkt heraus gekommen sein musste und mit wehmütigem Blick auf ein gerahmtes, altes Foto sah, das zwischen Blumenbildern an der Wand des Flures hing. Conan trat leise neben sie und folgte ihrem Blick. Das Foto zeigte den Gasthof, offenbar vor mehreren Jahren. Ein älteres Ehepaar stand dort, zusammen mit einer Gruppe Gästen, darunter eine alte Frau und ein kleiner Junge, welcher dem Mädchen, das bei dem Ehepaar stand, eine lange Nase machte.
"Sind Sie das, Frau Kamao?", fragte Conan und zeigte auf das Mächen.
Frau Kamao zuckte erst mal zusammen, dann nickte sie. "Ja, das bin ich. Es war damals völlig anders hier oben."
"Dann sind das da sicher ihre Eltern!", er zeigte auf das Ehepaar.
Sie schüttelte den Kopf. "Nein, das sind meine Großeltern, die mich groß gezogen haben. Meine Eltern sind kurz nach meiner Geburt bei einem Unfall ums Leben gekommen."
"Wer ist denn der freche Junge da drüben?", bohrte Conan ungeniert weiter. *Es hat seine Vorteile, wenn man ein Kind ist. Niemand wundert sich über deine Neugier.*
"Errätst du es nicht?", Frau Kamao nickte mit dem Kopf in Richtung Treppe.
"Doch nicht Herr Hasakeri?!", stellte sich Conan dumm.
"Aber den kannte ich damals noch gar nicht", lachte Frau Kamao. "Herr Shihodai ist es. Er kam fast jeden Sommer mit seiner Großmutter zu uns."
"Waren denn seine Eltern auch tot?"
"Das nicht, aber viel zu beschäftigt, um sich um ihn zu kümmern. Seine Großmutter war sehr wohlhabend, musst du wissen und sie hat ihm immer alles gekauft, was er sich wünschte. Leider ist sie während seines Studiums krank geworden und gestorben. Das hat ihn sehr mitgenommen, vor allem da ihr ganzes Vermögen auch weg war. Offenbar hat sie es vor ihrem Tod noch ausgegeben, wofür weiß ich nicht, aber ich vermute, dass sie es in das marode Geschäft ihres Schwiegersohnes gesteckt hat, der es dann verspekulierte. Eine Weile lang stand es Knopf und Spitz, ob Koiji sein Studium abbricht, aber dann hat er sich mit Nebenjobs über Wasser gehalten und sich durchgeboxt bis zum Dotortitel."
"Ist er deshalb so scharf darauf eine reichte Erbin zu heiraten? Damit seine Existenz gesichert ist?", Conan rieb sich das Kinn und tat so, als würde er nachdenken. "Er hat Frau Hakobi nicht wirklich lieb, oder?"
"Psst!" Frau Kamao legte ihm den Zeigefinger auf die Lippen. "Sowas zu sagen bringt Unglück. Bestimmt mag er seine Verlobte sehr. Er zeigt es nur nicht so direkt, weißt du? Er war auch zu Sanae, seiner früheren Verlobten nicht immer gerade liebevoll, besonders die Tage vor ihrem Tod hat er sie fast wie Luft behandelt. Aber du hättest ihn sehen sollen, als sie ertrank. Wenn wir ihn nicht aufgehalten hätten, wäre er auch noch untergegangen, so verausgabt hat er sich bei seiner Suche nach ihr. Ich habe ihn später in seinem Zimmer weinen gehört. Man darf nicht immer denken, dass Menschen, die kaum Gefühle zeigen, auch keine haben."
"Das werde ich mir merken", sagte Conan und er meinte es auch so. *Das wirft allerdings nur noch mehr Fragen auf.*
Um einen klaren Kopf zu bekommen und um sich ein Bild zu machen, ob wirklich keine Fremden unbemerkt ein- und ausgehen konnten, schlich er sich aus dem Haus, ehe ihn Ran schnappen und ausquetschen konnte.
Während er die Fakten, seine Spekulationen und das eben Gehörte zu einem vollständigen Bild des Falles zu ordnen versuchte, führten ihn seine Füße automatisch zu jenem Pfad, der an Sanaes Gedenkstein vorbei zum Wasser führte.
Seine Sohlen machten kaum ein Geräusch auf dem weichen Waldboden und erst als er schon fast am Ufer stand, bemerkte er die schlanke, schwarze Gestalt auf dem Bootsteg.
*Die geheimnisvolle Frau Tsukimori...* Conan hielt die Luft an und tat so, als wäre er nicht hier. Was wollte sie hier am Wasser und hatte sie wirklich wegen Yuko geweint?
Eine schnelle Handbewegung und etwas Funkelndes blitze durch die Luft, ehe es auf dem Wasser aufschlug und versank.
"Du verdammter Schuft, du Esel, du Idiot, du falscher Kerl!" Frau Tsukimori brach auf dem Steg in die Knie und heftige Schluchzer ließen ihre schmalen Schultern beben.
Conan bemerkte, wie sie den Ringfinger ihrer rechten Hand umklammerte, als hätte sie dort Schmerzen und ein paar weitere Puzzelteilchen fügten sich zusammen.
Ende des dritten Teils
