Tod in Raten Teil 4

Conan blieb einen Moment erstarrt am Ufer stehen. Dann gab er sich einen Ruck und ging zu der weinenden Frau hin.

"Haben Sie sich verletzt?", fragte er in seinem gespielt kindlich-naiven Tonfall.

Frau Tsukimori sah ihn an und kämpfte ihre Tränen nieder. "Nein, Kleiner", ihre Lippen bebten, doch sie hatte sich gut in der Gewalt und so flossen keine neuen Tränen. "Nein, es ist nichts was ein Doktor heilen könnte. Ich habe nur etwas verloren, etwas sehr wertvolles."

"Ich habe es glitzern sehen. War es das?", fragte Conan und trat an den Rand des Stegs um ins Wasser zu spähen. "Es muss doch da irgendwo liegen, in den Wasserpflanzen. Ich könnte fragen, ob man mir ein Netz leihen kann oder danach tauchen..."

"Nein!" Sie packte Conan an den Schultern und zog ihn hastig vom Rand zurück. "Das ist viel zu gefährlich Kleiner, wenn du ins Wasser fällst..."

"Ach was!", grinste Conan. "Ich kann doch schwimmen."

"Trotzdem, das was da versunken ist, soll dort bleiben." Sie atmete tief durch. "Ich will es nicht zurück."

"Aber Sie haben doch des wegen geweint", entgegnete Conan mit verwirrter Miene.

"Dummer Junge", sie zog ihn an sich, streifte den Hut ab und bettete ihre tränenfeuchte Wange auf dein Haar. Es schien ihr gut zu tun, jemanden halten zu können und daher wehrte sich Conan auch nicht, obwohl im ein paar Fragen auf der Seele brannten. Statt dessen hielt er ganz still und lauschte den zitternden Atemzügen. Als sie sich endlich wieder gefangen hatte, hob sie den Kopf und Conan sah zum ersten Mal ihr Gesicht. Sie war etwa in Sakuras Alter, aber weit weniger hübsch, mit einem kantigen Gesicht und einer ziemlich spitzen Nase. Ihre vom Weinen rot geschwollenen Augen verbesserten das Gesamtbild enbesowenig wie der breite Mund.

Mit einem tiefen Seufzer schob sie Conan einen Schritt zurück, beugte sich zum See hinab und wusch sich die Tränenspuren aus dem Gesicht. Anschließend durchwühlte sie vergeblich ihre Handtasche nach einem Taschentuch.

"Hier, nehmen Sie meines, es ist sauber", sagte Conan ganz Gentleman und reichte es ihr. "Danke", sie ließ ihre Handtasche sinken, nahm das Taschentuch von Conan und trocknete ihr Gesicht damit ab. "Das hat gut getan." Das feuchte Taschentuch wanderte in die Handtasche. "Ich werde es im Gasthof für dich waschen lassen", versprach sie Conan und reichte ihm die Hand. "Nochmals danke, kleiner Detektiv."

"Woher wissen Sie das?", fragte Conan neugierig.

Sie lachte, aber es war kein sehr fröhliches Lachen. "Das sieht man dir an der Nasenspitze an, mein Kleiner. Du lockst die Antworten rascher aus mir heraus wie ein gewiefter Anwalt."

"Nun ja...", Conan rieb sich mit einem verlegenen Kleinjungengrinsen die Nasenspitze. "Ich bin tatsächlich ein Detektiv. Mein Name ist Conan Edogawa."

"Freut mich. Ich bin ..." sie zögerte, dann gab sie sich sichtlich einen Ruck, "Kitai Danto." "Nicht Tsukimori?" Conan sah sie erstaunt an.

"Komm", sie zauste sein Haar. "Tu nicht so, als würde dich das überraschen."

Mit einem flüchtigen Grinsen nickte Conan. "Das macht Sinn. Sie haben sich vor der Gruppe aus Kyoto versteckt, nicht wahr?"

"Eigentlich nur vor einem... aber das ist jetzt auch nicht mehr nötig", sagte sie seufzend und rieb sich die Stirn. Conan betrachtete sie genauer. Die dunklen Ringe um die Augen, die Blässe, all das sprach eine deutliche Sprache. Kitai hatte die letzte Zeit offenbar kaum geschlafen. Schlagartig kam Conan ein Gedanke. "Dann sind Sie also ...", begann er, doch da tauchte eine atemlose Ran zwischen den Bäumen auf.

"Conan!"

Kitai griff nach ihrem Hut, setzte ihn aber nicht wieder auf. Sie erhob sich und winkte Ran zu. "Ihr kleiner Bruder ist hier unten!"

"Er ist nicht mein Bruder", sagte Ran, nachdem sie wieder zu Atem gekommen war und entschuldigte sich für die Mühe, die Conan gemacht hatte.

"Keine Ursache, Fräulein ...?"

"Mori, Ran Mori."

"Ich und Conan, wir hatten eine interessante Unterhaltung, Fräulein Mori. Passen Sie gut auf ihn auf, er hat mehr Scharfsinn als für ein Kind mitunter gesund ist..."

Mit diesen Worten zauste sie Conan ein letztes Mal und ging voran, den Weg zurück zum Gasthof. "Du weißt doch, dass du nicht immer deine Nase in anderer Leute Angelegenheiten stecken sollst!", schimpfte Ran, packte Conan an der Hand und zog ihn mit. Ein paar Schritte hinter Kitai erreichten sie den Gasthof. Im Garten hatte Koiji es sich auf einer Liege unter einem großen Sonnenschirm gemütlich gemacht und schlief offensichtlich der Genesung entgegen.

"Ich wusste gar nicht, dass sie Sonneliegen haben", sagte Ran zu Frau Kamao, die wieder an der Rezeption stand und Briefe sortierte.

"Oh, die haben wir auch nicht für Gäste", entschuldigte sich diese. "Das alte Ding hat Koiji beim Schuppen ausgegraben und da er ja Erholung braucht, habe ich ihm einen Sonnenschirm aufgespannt. Eigentlich sollte er ja in seinem Zimmer bleiben, aber er wollte an die frische Luft."

"Nun, so lange er im Schatten bleibt...", erklang eine Stimme von der Treppe her. Es war Hamako, der mit einem Strohhut bewaffnet offenbar einen kleinen Spaziergang machen wollte. "Die Polizei hat nicht verboten, dass man sich etwas Bewegung verschafft", sagte als Antwort auf die verwunderten Blicke von Ran und Conan. "Schläft er immer noch?", fragte er zu Frau Kamao gewandt.

Diese nickte. "Ja, und offen gesagt, ist mir das ganz recht. So muss man sich keine zusätzlichen Sorgen machen, dass er irgendeine Dummheit anstellt."

"Was mich wundert", sagte Hamako, während er in seine Straßenschuhe schlüpfte, "ist, dass die Polizei in nicht in Schutzhaft nimmt oder so. Ich meine, irgendwo ist da ein Verrückter, der es auf ihn abgesehen hat."

"Aber das wollte die Polizei doch", warf Frau Kamao ein. "Ich selbst habe Inspektor Kiban darauf angesprochen und er sagte mir, dass Koiji Polizeischutz einfach abgelehnt hätte, weil er der Meinung ist, dass der Mörder es hier im Gasthof kein zweites Mal probieren würde."

"So ist das also", meinte Hamako und rückte seinen Strohhut zurecht. "Koiji war schon immer ein Sturkopf."

Ein melancholisches Lächeln glitt über Frau Kamaos gestresstes Gesicht. "Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Wenn ich an das Theater denke, das er schon als Kind gemacht hat, wenn etwas nicht so war, wie es sein sollte..."

Kamako zog eine Grimasse. "Das kenne ich selbst nur zu gut. Als Student hat er wegen einem Bleistift die ganze Lerngruppe in Unruhe versetzt. Dabei war es nur sein Ersatzbleistift, den sich ein anderer ausgeliehen und aus Versehen zerbrochen hatte. Koiji hat getobt, bis er einen gleichwertigen Ersatz bekam und das auf der Stelle noch vor der Übungsstunde."

"Wirklich?", wunderte sich Ran. "Aber er ist doch so ruhig und gefasst seit der schrecklichen Sache..." "Das dürften die Nachwirkungen des Giftes sein", erklärte Hamako, "Toben würde ihn jetzt viel zu sehr anstrengen, aber so wie er sich beim Abendessen damals aufgeführt hat, ist er im Kern immer noch der alte, egal wie viele Jahre seit seinem Studium verstrichen sind."

Conan rückte seine Brille zurecht und dachte scharf nach. Es passte einiges noch immer nicht zusammen. Dennoch... Sein Blick glitt hinüber zu Kitai, die vor dem Eingang des Speisezimmers stand und sichtlich mit sich rang, ob sie nun eintreten sollte oder nicht.

Ich bin gleich wieder zurück!", rief er und schlüpfte zur Türe hinaus.

Frau Kamao seufzte und bündelte die Briefe. "Dabei war Koiji als Student so ein wilder Hund. Bis seine Großmutter starb trug er einen Vollbart, langes Haar und eine Brille, statt der gefärbten Kontaktlinsen wie jetzt. Die alte Dame hat sich bei meinen Großeltern oft darüber beklagt, dass er das Studium gar zu leicht nimmt und wollte sogar sein Taschengeld kürzen. Dazu ist sie dann leider nicht mehr gekommen..."

Gern hätte Conan noch mehr erfahren, aber da kam Aya die Treppe herunter gelaufen. "Hat jemand von euch Hamako gesehen?"

"Herr Hasakeri ist gerade eben zur Türe hinaus", sagte Conan. "Ich denke, er wollte einen Spaziergang machen."

"Ach so..." Aya blieb auf dem Treppenabsatz stehen, unschlüssig, was sie nun tun sollte. "Wenn Sie ihn erwischen wollen", half Conan nach, "meiner Einschätzung nach will er zum See." Ein Schatten huschte über Ayas Gesicht. "Ich denke, er will eher allein sein", murmelte sie und stapfte mit gesenktem Kopf wieder die Treppe hinauf.

"Du, Ran", fragte Conan, als Aya aus ihrem Blickfeld verschwunden war, "glaubst du, Fräulein Bumu mag Herrn Hasakeri, so wie du Shinichi?"

Prompt wurde Ran knallrot und sie schluckte hart. Conan ließ sie nicht aus den Augen. "Schon möglich", sagte sie nach ein paar Augenblicken langsam und ihre Lippen verzogen sich zu einem traurigen Lächeln. "Aber sie hat wenigstens das Glück, dass er direkt vor ihrer Nase ist."

*Ran, ich bin auch direkt vor deiner Nase!* Die Worte lagen ihm auf der Zunge, doch er zwang sie eisern zurück. Statt dessen legte er seine kleine Hand auf die zu einer Faust geballten Rechten von Ran. "Nicht traurig sein, Nee-san", sagte er und strahlte sie so fröhlich an wie er nur konnte. "Ich bin ja da und vielleicht meldet sich Shinichi bald wieder."

Das Mädchens sah auf den kleinen Jungen herab und die Trauer verschwand aus ihrem Blick. "Meinst du?", fragte sie eifrig und Conan nickte heftig, froh darüber, dass er sie hatte aufheitern können. Sie nahm seine kleine Hand in ihre und drückte sie. "Danke, Conan. Weißt du...", ihre Augen suchten die seinen, "ab und zu habe ich das Gefühl, dass du einen geheimen Draht zu Shinichi hast und er dir aufgetragen hat, ihn zu vertreten."

Das war nahe genug an der Wahrheit, dass Conans Nackenhaare sich sträubten und er hastig sein bestes Kleinenjungengesicht aufsetzte. "Aber wo denn, Ran-nee-san. Du kennst ihn doch viel besser als ich."

Ehe Ran weiter bohren konnte, tauchte Detektiv Mori in der Türe zum Speisezimmer auf. Offenbar hatte er trotz der frühen Tageszeit bereits orentlich Durst, denn die Bierdose in seiner Hand war nicht zu übersehen. Sein erster Blick galt Kitai, die noch gerade ihre Hand nach der Klinke hatte ausstrecken wollen. Da er ihr Gesicht zum ersten Mal sah, fragte er geradeheraus, wer sie denn sei. "Aber Paps", mischte sich Ran, von der Unhöflichkeit ihres Vaters peinlich gerührt, ein, "das ist doch Frau Tsukimori."

"Nein", sagte diese und sah über die Schulter kurz zurück. "Dieser Name war nur Tarnung." Sie trat an Detektiv Mori vorbei ins Speisezimmer, wo Sakura über einem Haufen Fotos brütete, die vor allem sie und Yuko zeigten. Akiro saß zwei Tische weiter entfernt und schrieb einen Brief.

Bei Kitais Eintreten sahen die beiden kurz hoch und wollten sich dann wieder ihrer Beschäftigung widmen. Die junge Frau ließ sich davon nicht abschrecken. Mit energischen Schritten trat sie vor den Tisch hin, an dem Sakura saß und sagte laut und deutlich. "Mein Name ist Kitai Danto." Sakura machte lediglich ein verärgertes Gesicht.

Rans Vater runzelte hinter Kitais Rücken die Stirn. "Sollte uns der Name etwas sagen?" Sakura zuckte die Achseln. "Nie gehört..."

Die Betroffenheit auf Kitais Gesicht wurde rasch durch Demütigung und Schmerz abgelöst. Sie ballte die Fäuste, atmete tief durch und drehte sich um. Mit steifen Schritten ging sie aus dem Raum und die Treppe hoch.

"Was sollte das denn?", wunderte sich Akiro.

"Ach, Sie wissen das nicht?", fragte Conan und drängte sich an Detektiv Mori vorbei. Mit geheimnisvoller Miene trat er zu Sakura heran, doch sein "Flüsterton" war laut genug, dass es selbst Frau Kamao in der Rezeption noch hören konnte. "Fräulein Danto ist Herrn Eimins Verlobte gewesen." Sakura erstarrte und selbst Akiro sog scharf die Luft ein.

"Wie denn ... was denn...?" Herr Mori sah von Conan zu Sakura und wieder zu Conan. "Was schwafelst du denn, du lästiger Knirps." Er packte Conan an den Ohren und zog ihn von Sakura weg, der alles Blut aus dem Gesicht gewichen zu sein schien. "Hören sie nicht auf diesen dummen Jungen, Fräulein Hakobi. Er weiß nicht was er redet und steckt seine Nase immer in Angelegenheiten, die ihn nichts angehen."

"Aber er hat recht!", erklang es von der Tür her. Koiji trat mit langsamen und vorsichtigen Schritten ein und setzte sich direkt neben Sakura auf die Bank. "Ich kann dir den Ausschnitt aus der Zeitung zeigen, wenn du willst. Ihr Gesicht ist auf dem Bild kaum zu erkennen, weil der Hut im Weg ist und Yuko sie gerade küsst, aber der Name ist eindeutig der gleiche."

Mit bebenden Händen schob Sakura die Fotos von Yuko zusammen auf einen Haufen. "Na und?", flüsterte sie heiser und strich mit dem Zeigefinger zärtlich über eine Großaufnahme von Yukos Gesicht. "Er hat mir gesagt, dass er verlobt wäre, aber er hat nie gesagt wie sie heißt und dass er sie liebt. Es hat ihn nicht gestört, dass ich mit dir verlobt bin, warum sollte mich seine Verlobte stören?" "Mach dir nichts vor, Schatz", lachte Koiji und die Art wie er das letzte Wort betonte, hatte nichts mit Zärtlichkeit zu tun, "es machte ihm nichts aus, weil er zwar Mitleid mit dir hatte, aber keinesfalls in dich verschossen war."

Sie zuckte zusammen und ihre Hände zerknüllten die Fotos. "Das ist nicht wahr... Er hat mich geliebt, so wie ich ihn..."

"Und warum hat er sich dann vor drei Wochen verlobt? Damals traf er doch schon fast täglich mit dir zusammen und ihr habt Stunden lang miteinander gequatscht. Er hatte eben etwas von einem Samariter an sich, der gute Yuko."

Abrupt erhob sich Sakura, die Augen vor Tränen fast blind und drängte sich an ihrem Verlobten vorbei. Sie hatte es so eilig, das Speisezimmer zu verlassen, dass sie fast gegen Herrn Mori gerannt wäre, der einen raschen Schritt zur Seite tat.

Dadurch kam Conan frei und schlüpfte zum Speisezimmer hinaus. Ran wollte ihn festhalten, aber er war im Nur zur Haustüre hinaus.

Sein Gefühl sollte recht behalten. Er traf gerade rechtzeitig bei der Hintertüre ein, um Kitai aus eben dieser treten zu sehen. Sie trug einen Koffer in der Hand und ihr breiter Strohhut verhüllte mit dem Schleier ihr Gesicht.

"Ich denke nicht, dass die Polizei damit einverstanden ist, Fräulein Danto", sagte Conan ganz ruhig, als er zwischen den Büschen hervortrat.

Die Angesprochene ließ vor Schreck fast den Koffer fallen. "Du liebes Bisschen, jagst du allen immer einen solchen Schrecken ein, Kleiner?"

"Nur wenn sie eine Dummheit begehen wollen", grinste Conan und stellte sich ihr in den Weg. "Du findest, ich begehe eine Dummheit, wenn ich mit dieser verlogenen Hexe nicht mehr länger unter einem Dach hausen will?" Sie stellte den Koffer ab und setzte sich darauf. Ihre ganze Haltung sprach von Resignation und Müdigkeit.

"Eine sehr große sogar", sagte Conan ernsthaft. "Sie machen sich damit verdächtig und dann entgeht der Mörder seiner gerechten Strafe."

Das schien sie aufzurütteln und sie nahm den Hut ab, um sein Gesicht besser studieren zu können. "Du weißt etwas."

"Sagen wir mal besser so, ich vermute etwas. Wenn Sie sich der Polizei als Hauptverdächtige anbieten, werde ich es aber vielleicht nie beweisen können ..."

"Warum sollte ich verdächtig sein? Inspektor Kiban hatte viel Verständnis, als ich ihm bei der Einvernahme meine Lage schilderte..."

Conan zog wortlos eine Augenbraue hoch und Kitai schluckte. "Na gut, ich habe mich verkleidet und als Frau Tsukimori hier einquartiert, weil...", sie holte tief Luft und starrte beschämt auf ihre verschränkten Hände, "weil ich Yuko nicht getraut habe."

"Sie hatten also den Verdacht, dass er etwas mit Fräulein Hakobi anfangen könnte?", bohrte Conan vorsichtig nach.

"Eine seltsame Frage für ein Kind deines Alters", sagte sie trocken und betrachtete ihn mit schmalen Augen. "Wer bist du wirklich?"

"Nur ein Junge, der gern Detektiv spielt", sagte Conan und bemühte sich, besonders unschuldig drein zu schauen.

Sie zuckte resigniert die Achseln. "Ich weiß wie dumm Männer sind und Yuko war da keine Ausnahme. Diese falsche Schlange hatte nicht die schlechtesten Karten..."

"Warum ist sie eine "falsche Schlange"?", fragte Conan. "Etwas Ähnliches hat Koiji auch über sie gesagt. Sie hat doch Yuko richtig gern gehabt, oder?"

"Warum hat sie dann nicht zuerst die Verlobung mit diesem Koiji aufgelöst?" Der sarkastische Unterton ließ keinen Zweifel an ihrer Meinung. "Sie wollte die finanzielle Unterstützung ihres Vaters nicht verlieren, wenn sie sich einem einfachen Heilpraktiker an den Hals wirft." Die letzten Worte spucke sie fast aus, so viel Abscheu klang darin. "Sie ist sehr gut darin, Leuten etwas vorzumachen." "Aber ...", Conan runzelte die Stirn, "so wie Sie über sie reden, müssen Sie sie gut kennen, oder?" Ein leichtes Lächeln huschte über Kitais Gesicht. "Und du bist echt gut darin, Informationen aus jemandem herauszuholen, Conan-kun." Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. "Aber ich denke, es kann nicht schaden, wenn du es auch weißt."

"Jaa?" Conan war ganz Ohr.

"Du musst wissen, ich habe Yuko so oft über sie reden gehört, dass ich wirklich eifersüchtig geworden bin. Eimal bin ich Yuko nachgeschlichen und als ich gesehen habe, wie niedlich sie ist, wollte ich auf jeden Fall ein Haar in der Suppe finden. Daher habe ich einen Privatdetektiv engagiert, der alles über sie und ihre Familie herausfinden sollte. Das sie mit diesem Koiji verlobt war, wusste Yuko schon, also war damit nichts zu gewinnen."

"Aber der Detektiv hat etwas anderes gefunden, oder?", schlussfolgerte Conan.

"Allerdings. Nur leider waren das fast alles Gerüchte und da es weniger um sie ging als um ihren Vater und sein Krankenhaus, konnte ich es Yuko nicht erzählen, ohne mich vor ihm bloßzustellen." Sie stützte den Ellenbogen auf ein Knie und legte ihr Kinn auf den Handrücken. "Hmm... wenn ich jetzt darüber nachdenke, so hätte es vielleicht doch Eindruck auf ihn gemacht, immerhin war sie ja als Krankenschwester fast immer mit dabei..."

"Sakura ist gelernte Krankenschwester?" Das hatte Conan nicht erwartet. Es juckte Conan in den Fingern Kitai zu schütteln, damit sie schneller die Informationen heraus rückte. Doch er beschränkte sich darauf, Yukos Verlobte mit großen, neugierigen Kinderaugen anzusehen.

"Allerdings", bekräftigte Kitai. "Seit ihrer Verlobung hat sie ihren Dienst quitiert, aber es heißt, dass sie dennoch nach wie vor besonders nachts durch die Klinik schleicht, um andere Schwestern bei Nachlässigkeiten zu ertappen. Sie hat eine sehr scharfe Zunge, egal wie Mimosenhaft sie jetzt tut. Beim Personal ist sie natürlich alles andere als beliebt, aber da diese Klinik einmal ihr und Koiji gehören wird..."

"Das ist aber nicht das große Gerücht, oder?" Conan setzte sich neben den Koffer ins Gras, als Zeichen, dass er viel Zeit hatte und genau zuhören würde.

"Nein...", Kitai senkte die Stimme, obwohl sich niemand in Hörweite befand. "Es wird gesagt, dass die Klinik vor ein paar Jahren tief in den roten Zahlen steckte. Dann hat der Klinikchef damit begonnen, begüterten, alten Herrschaften besondere Aufmerksamkeit zu schenken und prompt floss nach deren Ableben die Erbschaft in die Klinikkasse. Laut den Informationen meines Detektivs hat Sakura diese Patienten und Patientinnen immer persönlich betreut und ihnen jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Hingegen wurden die Verwandten oftmals mit falschen Angaben von Besuchen abgehalten, Blumen und Karten abgefangen, damit sich die alten Leute vernachlässigt fühlten und der Klinik beziehungsweise Sakura umso dankbarer waren."

"Dann müsste es doch Prozesse gehagelt haben!", rief Conan ungläubig aus.

"Nicht unbedingt", ein schmales Lächeln spielte um Kitais Lippen. "Sie haben sich ihre besonderen Patienten sorgsam ausgesucht, oftmals Leute, deren Verwandtschaft selbst weder Geld noch Einfluss hatte, oder solche, die mit ihren Verwandten ohnehin in Streit waren. Es gab ein paar Versuche, die Klinik anzuzeigen, aber die Verfahren sind nie eröffnet worden, weil schon im Vorfeld weder Zeugen noch Beweise zu finden waren, bzw. die viel besseren Anwälte der Klinik die Staatsanwaltschaft rasch auf ihre Seite ziehen konnten."

Conan pfiff durch die Zähne. "Raffiniert!"

"Du sagst es. Denkst du, dass Yuko sich dadurch hätte abhalten lassen, Sakura zu beraten?", Kitai stand auf und seufzte. "Ich glaube es nicht, er war einfach zu gutherzig ..."

"Weswegen musste er sie eigentlich beraten?" Conan ließ alle Szenen mit Sakura Revue passieren. "Wegen ihrer Tabletten?"

Kitai zuckte die Achseln. "Das wollte er mir nie sagen, weil es vertraulich sei. Aber vielleicht fragst du sie selbst..." Die junge Frau packte die Koffer. "Ich gehe zurück. Eigentlich wollte ich ja telefonisch auschecken und die Rechnung per Kreditkarte begleichen." Sie griff in die Tasche und fischte den Schlüssel hervor. "Wie auch immer, ich zähle darauf, dass du keine leeren Phrasen gedroschen hast, kleiner Detektiv."

Mit neuem Schwung trug sie die Koffer wieder durch die Hintertüre ins Haus. Conan saß noch immer vor den Büschen und dachte über die neuen Informationen nach, als nur ein paar Minuten später Aya ins Freie trat. Ihr Gesicht war angespannt und da sie in die Ferne spähte, der näheren Umgebung aber keinen zweiten Blick schenkte, bemerkte sie Conan nicht.

Der Junge wollte eben aufstehen und sich bemerkbar machen, da fing Aya zu winken an. "Hamako, hierher!", rief sie. Der junge Landarzt bog vom Hauptweg ab, welcher zur Vordertüre führte.

Conan, dem die Sache mehr peinlich war als sonst was rutschte rückwärts zwischen die Büsche. Da gleichzeitig das Küchenfenster geöffnet wurde und neben einem Schwall leckerer Gerüche auch das klappern von Geschirr und das Zischen und Brutzeln aus Töpfen und Pfannen ins Freie drang, hörte Aya das Rascheln der Blätter und Zweige nicht.

Als Hamako bei ihr eintraf wurde das Küchenfenster wieder geschlossen. Conan hätte sich am liebsten davon geschlichen, aber er war sicher, dass die beiden ihn hören und finden würden, daher duckte er sich nur tiefer, in der Hoffnung, nicht ertappt zu werden.

"Was gibt es denn Wichtiges, Aya?", fragte Hamako freundlich.

"Ich ... ich ...", sie schlang die Finger ineinander und suchte nach Worten. "Ich weiß nicht, wie lange das hier noch dauern wird, ehe sie den Mörder finden..."

"... oder die Mörderin..", warf Hamako ein.

Die junge Ärztin schluckte heftig. "Nach all dem Schlechten, das ich über Koiji gesagt habe, ist es sicher schwer, mir zu glauben, aber..." Sie gab sich einen Ruck, hob den Kopf und sah geradewegs in Koijis Gesicht. "Ich habe nichts mit der Sache zu tun!"

Hamako sah sie ruhig an. "Ich glaube dir."

Erleichtert stieß sie die Luft aus. Man sah ihr an, welch riesiger Stein ihr von der Seele gefallen war. "Hamako ...!"

Er lächelte. "Du bist eine offene Person, Aya. Wenn du Koiji umbringen wolltest, würdest du es vor aller Augen tun und dich dann der Justiz stellen. Nicht wahr?"

Sie presste ihre Handflächen auf die Brust, wurde ein wenig rot und nickte. "Am liebsten hätte ich ihn im Gefängnis verrotten sehen, wegen Sanae."

"Bitte, Aya!" Der Landarzt legte ihr eine Hand auf die Schulter und sein Blick suchte ihre Augen. "Es hat keinen Sinn, wenn du dich noch länger damit quälst. Nur weil du Sanae Koiji vorgestellt hast, bist du nicht mit Schuld an dem, was passiert ist."

Sie sog erschrocken die Luft ein. "Wie ... wieso weißt du ...?" Er lächelte wiederum. "Sagte ich nicht schon, dass du ein offenes Buch bist?"

Das Blut stieg ihr in die Wangen und sie wich seinem Blick aus. "Für dich vielleicht ..." Tief Atem holend, sah sie ihn wieder an. "Es tut mir leid, dass du ... dass du und Sakura ..."

"Ach was!", unterbrach er sie und grinste. "Sie hat gestern meinen männlichen Stolz getroffen, nicht mein Herz. Das ist längst in guten Händen."

"So..." Enttäuschung und Schmerz waren in ihrem Gesicht zu lesen. Mit einem Ruck machte sie sich aus seinem Griff los und wandte ihm den Rücken zu. "Dann ist es ja gut für dich ... und für diese andere."

"Aya..." Er rührte sich nicht von der Stelle, aber von seiner Position aus konnte Conan erkennen, dass ein sanftes, warmes Leuchten ins eine Augen trat. "Aya, warum hast du mich nie gefragt, ob ich etwas damit zu tun habe?"

Sie drehte sich ruckartig zu ihm um. Tränen schwammen in ihren Augen, doch ihre Stimme war fest. "Eher glaube ich, dass Koiji sich selbst vergiftet hat, als dass du Yuko auf dem Gewissen hast. Alle halten Yuko für den besten Menschen von uns, aber ich weiß es besser..."

Mit einem Schritt war er bei ihr, schlang seine Arme um ihre Schultern und küsste sie, dass es Conan beim Zuschauen schwummrig wurde. Wenn nur er das sein könnte, er und Ran ...

Stumm vor Glück ließ Aya es zu, dass Hamako sie zurück zur Vordertüre führte. Die beiden hatten nur Augen für einander und sahen nicht, wie Koiji, der wieder auf der Liege Platz genommen hatte, sie mit einem verächtlichen Lächeln musterte, als sie an ihm vorbei schritten.

Kaum war das frisch gebackene Paar außer Hörweite, atmete Conan auf und krabbelte unter den Büschen hervor. Blätter und Erde waren rasch von seiner Kleidung gebürstet und er hatte nun fast alle Puzzelteilchen zusammen. Es fehlten nur noch die Beweise...

Da die Hintertür gerade vor ihm war, benutzte er sie, um unbemerkt von Ran und ihrem Vater auf sein Zimmer zu gelangen. Dort zog er sein Handy hervor und rief Prof. Akasa an. Der war höchst erfreut, von ihm zu hören. Nachdem Conan rasch die wichtigsten Einzelheiten des Mordes erklärt hatte, stellte er eine Reihe sehr präziser Fragen. "Du liebes bisschen, das wird eine ganze Weile brauchen, bis ich die Informationen alle zusammen habe. Wie rasch brauchst du sie?"

"Am besten vorgestern schon", grinste Conan. Dann wurde er schlagartig ernst. "Ich fürchte, wenn die betreffende Person sich in die Enge getrieben fühlt, wird noch etwas Schlimmes geschehen, es sei denn, ich kann gleich die Beweise liefern, sodass Inspektor Kiban den Rest erledigt."

"Gut, dann mache ich mich gleich auf die Socken. Halt die Ohren steif, Conan!"

"Ich tue mein Bestes. Vielen Dank, Professor." Damit beendete Conan die Verbindung, steckte das Handy wieder ein und streckte sich auf seinem Bett aus. Ein paar der Puzzelteile steckten noch verdammt lose, aber wenn er erst die Informationen hatte, dann...

Er hörte, wie auf der anderen Seite des Flurs die Türe zu Sakuras und Koijis Zimmer geöffnet wurde und wälzte sich rasch und leise aus dem Bett. Die Zimmertüre ganz langsam einen Spalt öffnen und ... Wie erwartet war es Sakura. Ihr schien es nicht besonders gut zu gehen, sie schwankte und hielt sich am Türrahmen fest. Ihr Gesicht war kreidebleich und ihre Pupillen unnatürlich geweitet. In der Hand hielt sie eine Pillenpackung. In diesem Moment erklangen auch von der Treppe her Schritte. Es war Akiro. Als er Sakuras Ansichtig wurde, stutzte er, dann war er mit ein paar raschen Schritten an ihrer Seite und packte sie an den Schultern. "Hast du wieder etwas genommen? Verdammt, dabei hat sich Yuko so bemüht, damit du endlich einsiehst, dass man mit Pillen keine Probleme löst. Wenn dich Koiji so fertig macht, dann trenne dich doch von ihm. Du bist doch ausgebildete Krankenschwester und brauchst ihn nicht!"

"Yu..ko", sagte Sakura stockend, und ihre dunklen Augen sahen an Akiro vorbei an die Wand. "Yu ..ko war ein guter Mensch, stimmt doch, oder?"

"Klar war er das. Und ein verdammt feiner Kumpel noch dazu. Er muss sich mächtig Ärger mit seiner Verlobten eingehandelt haben, weil er sich immer mit dir getroffen hat. Hast du ihm nicht versprochen, endlich eine Therapie zu machen und von den Pillen loszukommen? Woher hast du sie denn dieses Mal?"

"Ko..ijis Koffer. Habe die Kombination längst geknackt", sie lachte hämisch. "Ko..iji weiß es nicht, aber er ist ein Dummkopf, ... denkt er kann mir befehlen. Ich tue, was mir passt!"

"Auf jeden Fall wirst du mir die Pillen hier erst mal geben", sagte Akrio streng und zerrte an der Schachtel bis er sie in der Hand hatte. "Dann legst du dich hin und schläfst. Ich werde mit Koiji reden, dass er die verdammten Medikamente besser versteckt."

Ohne auf ihren halbherzigen Protest zu achten, dirigierte er sie zurück in ihr Zimmer. Conan konnte nicht hören, was hinter der geschlossenen Türe noch gesagt wurde, aber wenn er mit seiner Vermutung richtig lag, dann... Bis zum Mittagessen geschah nichts mehr Aufregendes. Wie immer Akiros Gespräch mit Koiji ausgefallen war, beide saßen mit eher missmutigen Gesichtern am Tisch, ganz im Gegensatz Hamako und Aya, denen ihre junge Liebe aus den Augen leuchtete. Sakura fehlte und auch Kitai hatte sich ihr Essen aufs Zimmer bringen lassen.

Herr Mori, Ran und Conan saßen etwas abseits der vier und unterhielten sich leise. Mori hatte offenbar noch immer keine Idee, wer der Mörder sein konnte, daher war er ziemlich grummeliger Laune. Hinzu kam, dass auch vom "Klient" keine neue Nachricht eingetroffen war. Konnte es sein, dass der verstorbene Yuko hinter dem Klienten steckte?

Nach dem Mittagessen zog sich jeder auf sein Zimmer zurück mit der Ausnahme Koijis, der offenbar keinen Spaß daran hatte, sich Sakuras Launen zu stellen und lieber auf der Sonnenliege ein Nickerchen hielt.

Conan suchte sich einen stillen Platz im Garten und ordnete seine Gedanken. Das Mittagessen hatte keine neuen Hinweise geliefert, im Gegensatz zu der Unterhaltung davor...

In diesem Moment meldete sich der stumme Alarm seines Handy. Ein vorsichtiger Blick zeigte ihm, dass er tatsächlich allein war. Dann zog er das Handy heraus und drückte die Taste. "Ja?"

Professor Akasa klang etwas außer Atem. "Ich habe alles gefunden. Es ist genau so wie du vermutet hast. Willst du es schwarz auf weiß? Dann schicke ich es dir mit einem Eilkurier."

"Nicht notwendig", sagte Conan, erleichtert darüber, dass er nun alles beisammen hatte, um den Mörder zu entlarven. "Wichtig ist nur, dass ich genau weiß, wo und wie die Polizei darauf stoßen kann..."

Wenig später beendete Conan das Gespräch mit dem Professor und nahm seine Masche ab. Es war wieder an der Zeit, Kogoro Mori unverdiente Lorbeeren zukommen zu lassen. Mit einem Seufzer tippte Conan die Nummer der örtlichen Polizei. "Hallo, hier ist Kogoro Mori. Könnte ich bitte mit Inspektor Kiban sprechen?"

Der Inspektor war nicht überrascht, dass der große Detektiv aus der Hauptstadt schon den Fall gelöst hatte, aber als er dann die Einzelheiten hörte, blieb ihm doch die Spucke weg.

"Ich verlasse mich auf Sie, dass Sie das alles nachprüfen, Herr Inspektor", sagte Conan mit Moris Stimme. "Nur wenn jede Vermutung durch Fakten zu einer Tatsache geworden ist, können Sie zur Tat schreiten."

"Sie reden mit keinem Greenhorn", sagte der Inspektor scharf. "Ich weiß, wie wichtig die Beweise sind. Vor allem bei einer so unglaublichen Geschichte..."

Als Conan ein paar Minuten später sein Handy wieder einsteckte, seufzte er. Dieser Fall mochte kurz vor dem Ende stehen, aber in der Sache mit dem Klienten war er keinen Schritt weiter gekommen. Wie berechnet trafen Inspektor Kiban und seine Beamten am frühen Nachmittag ein und beorderten alle Beteiligten in den Speisesaal. Kitai hielt sich bewusst abseits.

Sakura hatte sich schwer auf Akiro gestützt, was den beiden spöttische Blicke von Koiji eintrug. Hamako und Aya saßen eng neben einander. Frau Kamao stand mit verschränkten Händen in der Nähe von Kitai und Detektiv Mori fragte sich verzweifelt, was er nach Conans Aussage wohl im Halbschlaf geniales bei seinem Telefonat mit dem Inspektor gesagt haben sollte. Er erinnerte sich an gar nichts, aber so begeistert und beeindruckt wie Kiban ihm die Hand geschüttelt hatte, konnte er sich wohl kaum mit einer Entschuldigung aus der Sache winden, ohne wie der größte Trottel dazustehen. Conan hoffte, dass der Inspektor die Aufklärung auch wirklich lückenlos beendet hatte und war froh, als Mori darauf bestand, dass Kiban allein die Tatsache auflisten und den Mörder nennen sollte.

"Sie sind so bescheiden wie Sie genial sind", sagte Inspektor Kiban. "Meine Frau ist ganz zu recht von ihnen begeistert."

Doch nun stand der Inspektor mit sehr ernstem Gesicht vor den Betroffenen. "Ich habe in meiner ganzen Laufbahn noch keinen Fall wie diesen gehabt", begann er seine Rede. "Ohne die Hinweise von Detektiv Mori würden wir ohne Zweifel noch immer im Dunkeln tappen."

Der Genannte grinste wie immer, wenn er sich nicht sicher war, wofür er eigentlich gelobt wurde und wehrte jeden Dank ab. "Ich habe nur getan, was jeder Detektiv tun muss", sagte er rasch. "Bitte, die ganze Arbeit haben doch Sie getan, Sie und ihre tüchtigen Beamten."

"Wer?", fragte Sakura mit noch immer schwerer Zunge, "wer hat meinen", sie sah wütend zu Kitai hinüber, welche ihrerseits mit einem verächtlichen Blick konterte, "...meinen Yuko getötet?"

"Dazu kommen wir gleich, Fräulein Hakobi", sagte der Inspektor. "Der Mörder ist ungemein raffiniert vorgegangen und hätte er nicht ein paar kleine Fehler begangen, wäre der Verdacht nie und nimmer auf ihn gefallen. Meine Hochachtung vor so viel Raffinesse", der Inspektor drehte sich leicht zur Seite und sah dem Mörder offen ins Gesicht, "Herr Shidodai."

"Ich wusste es doch!" kreischte Sakura und riss sich von Akiro los, um sich auf Koiji zu stürzen, doch der Heilpraktiker hielt sie zurück.

Koiji selbst sah nicht im mindesten schuldbewusst drein. "Ganz nette Überraschung, Herr Inspektor. Nur leider vergessen Sie, dass im Grunde ich das Opfer sein sollte."

"Das war eine voreilige Schlussfolgerung meinerseits", sagte der Inspektor, nicht im mindesten aus der Ruhe gebracht, "die Sie sehr geschickt herbei geführt haben."

"Es war doch Gift in meinem Blut, vergessen? Ich hätte ebensogut drauf gehen können...", konterte Koiji.

"Wir haben uns die Befunde noch einmal angeschaut und die Proben erneut untersuchen lassen. Dieses Mal allerdings nicht danach, ob Gift in ihrem Blut war, sondern ob es Anzeichen einer gezielten Immunisierung gab und", er fischte einen Umschlag aus seiner Tasche, "es sieht ganz danach aus, als ob sie ihre eigene kleine Vergiftung schon längere Zeit geplant haben. Ich habe hier eine Liste von Medikamenten, die in ihrem Krankenhaus verbraucht werden und obwohl es keine Fälle gab, wofür man das Gegenmittel gebraucht hätte, ist ein stetiger Verbrauch desselben festzustellen. Nicht so viel, dass man Alarm geschlagen hätte, aber für ihre Zwecke mehr als genug, wenn man es sorgsam hortet..."

"Na und? Mehr als nur ein bisschen Vorsicht können Sie mir damit nicht nachweisen. Wenn ich mich erinnere, ist die bei mir Haben Sie sonst nichts gegen mich in der Hand? Wo ist mein Motiv? Conan presste die Lippen zusammen. Dieser Koiji war viel kaltblütiger und gelassener, als er erwartet hatte. Es würde viel schwerer sein, als er gedacht hatte...

"Sagt Ihnen der Name Yoriko Seika etwas, Herr Koiji?", fragte Inspektor Kiban gelassen. Man musste Koiji zugute halten, dass er nicht zusammenzuckte. Wohl aber Sakura. Diese riss ihre Augen weit auf. "War das nicht die alte Dame, die ..."

"...die als erste ihr Vermögen dem Krankenhaus ihres Vaters und nicht ihren Verwandten vermacht hat", führte der Inspektor weiter aus. "Unsere Nachforschungen haben ergeben, dass Sie damals noch eine Schwester in der Ausbildung waren und dennoch die volle Verantwortung für frau Seiko übertragen bekommen haben. Wir haben auch erfahren, dass der Enkel der alten Dame ziemlich verzweifelt war und nach dem Bankrott seines Vaters keine Möglichkeit hatte, einen Anwalt zu bezahlen, um das Testament anzufechten." Seine Augen ließen Koiji nicht los. "Dieser Enkel waren Sie, Herr Shihodai. Auch wenn Sie damals nur ihrer Großmutter zuliebe den Namen Ihrer Mutter getragen haben und diesen nach dem Tod von Frau Seiko wieder ablegten, um unerkannt die Assistentenstelle in diesem Krankenhaus zu bekommen, das Sie um all Ihre Träum betrogen hatte. Vielleicht waren Ihre Absichten zu Beginn edel, vielleicht wollten Sie diese Erbschleicherei auffliegen lassen, aber dann haben Sie eine bessere Methode gefunden, um es dem Klinikchef und dessen Tochter heimzuzahlen."

"Was?" Sakura starrte Koiji an, als wäre er ein Monster. "Du hast dich nur mit mir verlobt, um dich an meinem Vater und mir zu rächen?"

"Das ist doch alles Unsinn, Liebling", schnurrte Koiji, obwohl seine Mine nun bereits nicht mehr ganz so selbstsicher wirkte. "Du weißt doch, dass ich dich über alles liebe und daher möchte, dass du bald wieder gesund wirst..."

"Warum verschließt du dann die Medikamente nicht besser?", fuhr ihn Akiro an. "Warum hast du ausgerechnet das Zeug überhaupt mitgenommen, von dem du weißt, dass sie danach süchtig ist? All deine Strenge und deine Gemeinheiten ... sie haben doch absolut immer das Gegenteil bewirkt, dabei solltest du das als Arzt selber wissen. Fast als ob du ..." Erschrocken hielt er inne und seine Augen weiteten sich.

"Sie habe es offenbar erfasst", nickte Inspektor Kiban. "Wie wir feststellen konnten, fehlen aus dem Krankenhausbestand seit ungefähr einem Monat nach der Verlobung von Fräulein Hakobi und Herrn Shihodai dieverse Beruhigungsmittel und andere Präparate, wobei die Menge immer mehr zugenommen hat. Herr Hakobi selbst hat mir gegenüber zugegeben, dass er nach internen Nachforschungen seine eigene Tochter verdächtigt und daher keine Anzeige erstattet hat. Allerdings hat er darauf bestanden, dass Fräulein Hakobi keinen Dienst mehr versieht. Damit aber nicht genug, da er dank Herrn Shihodais geschickt verschleiertem Gegensteuern seine Tochter zu keiner Therapie überreden konnte, hat er durchgesetzt, dass ein Berater hinzugezogen wird und damit haben für Sie neue Probleme begonnen, Herr Shihodai, richtig?"

"Wieso denn Probleme?" Koiji lächelte überlegen. "Immerhin war ich es doch, der Yuko vorgeschlagen hat."

"Weil Sie ihm nicht zutrauten, dass er so viel Einfluss über ihre Verlobte gewinnt. In Ihren Augen war er kein ausgebildeter Psychologe oder so etwas, also konnte nichts schief gehen. Doch dann hat sich Ihre Frau in ihn verliebt und begonnen, auf ihn zu hören. Ihr schöner Plan, dass sich Fräulein Hakobi selbst zugrunde richtet und ihr Vater dabei zusehen muss, der war in Gefahr. Daher musste Herr Eimin sterben, habe ich recht?"

"Ist das ihre ganze Beweiskette?" Koiji gewann wieder Oberwasser. "Das ist aber ziemlich dürftig und der Staatsanwalt wird höchstens lachen..."

"Sicher haben Sie es geschickt eingefädelt", nickte Kiban, "aber dann haben Sie ein paar Kleinigkeiten übersehen."

"Und was soll das bitte sein?"

"Ist es nicht erstaunlich, dass das Gift, welches laut den Ärzten eigentlich ohne Probleme ins Blut gehen sollte und erst dort seine Wirkung tut, Ihnen auf den Magen geschlagen hat? Und dazu noch soviel schneller wie bei Herrn Eimin? Dessen Magenverstimmung war mehr auf das Übermaß an starkem Kaffee wie auf das Gift zurückzuführen, das hat sowohl die Autopsie wie seine Gesundheitsakte bestätigt. Sie hatten es nicht ohne Grund eilig, ins Klo zu gelangen. Sie konnten zwar keine hohe Dosis Gegenmittel schlucken, das hätte ihre Show zunichte gemacht, aber sie wollten soviel wie möglich von dem Gift erbrechen, oder? Das Gerangel mit Herrn Eimin hat dessen Blutdruck hoch getrieben und die Wirkung des Giftes beschleunigt. Nicht zu vergessen, sein bevorzugtes Magenmittel. Obwohl es absolut harmlos ist, hat es nebenbei eine Blut verdünnende Wirkung und verbessert die Aufnahmefähigkeit der Magenschleimhaut, beides Faktoren, die Herrn Eimins Schicksal besiegelt haben."

"Nette Theorie. Aber wieso sollten diese Zufälle meine Fehler sein?"

"Weil Sie ein Gewohnheitsmensch sind", sagte der Inspektor und blätterte hastig durch seine Notizen, unheimlich erleichtert, dass der große Detektiv aus der Hauptstadt alle Einzelheiten so genau erläutert hatte. "Wenn Sie nämlich so unschuldig gewesen wären wie Sie getan haben, warum haben Sie nicht nach ihrem gewohnten Tee verlangt wie jedesmal bei einer normalen Magenverstimmung? Herr Einmin hat sich wie immer seine Medizin geben lassen, sie haben nicht mal nach irgendwelchen Tropfen oder so verlangt. Das war auch gar nicht nötig, weil Sie gar keine Magenverstimmung hatten, nicht wahr? Zudem haben Sie es ausgerechnet an dem Tag versäumt, dem Koch so wie sonst nochmal daran zu erinnern, dass Sie unbedingt einen Jasmintee wollten. Das haben Sie laut seiner Aussage sonst an jedem Tag Ihres Aufenthaltes gemacht."

Conan horchte auf. Da war es dem Inspektor echt gelungen, noch ein zusätzliches Puzzelteil zu finden.

Die ersten Schweißtropfen bildeten sich auf Koijis Stirn. Seine lässige Haltung hatte er mehr und mehr aufgegeben, je enger sich die Indizienkette um seinen Hals schloss. Und das war das einzige, worauf Conan hoffen konnte. Denn da es keinen Zeugen gab, keine Fingerabdrücke und bestimmt kein Gift mehr im weiten Umkreis des Gasthofes... Moment mal...

Blitzschnell tauchte Conan hinter die breite Lehne von Herrn Moris Stuhl und klappte den Deckel seines Narkosechronometers auf. Gezielt und geschossen war eins. Der Detektiv zuckte zusammen und sank mit einem Murmeln "Schon wieder ein narkoleptischer Anfall!" nach vorn. Da Ran wie alle gebannt auf Koiji blickte, bemerkte nur die aufmerksame Kitai, dass hinter dem Stuhl etwas vorging. Conan zog rasch noch das Tischtuch zurecht, sodass er doppelt verborgen war und bediente sich dann seiner Fliege: "Aber natürlich weiß der Herr Inspektor auch, dass allein damit kein Haftbefehl zu erwirken ist", ertönte Moris Stimme und alles blickte auf den schlafenden Detektiv.

"Herr Mori", sagte Inspektor Kiban erleichtert. "Ihnen ist noch etwas Geniales eingefallen! Meine Frau hat mir davon erzählt, Ihre großartige Art, Fälle im Schlaf zu lösen!"

Kitai zog nur eine Augenbraue hoch, die anderen staunten und hielten den Atem an bis auf Koiji, der seine Muskeln anspannte.

"Sie habe es erfasst, verehrter Inspektor", sprach Conan in seine Fliege. "Zwar ist es im Augenblick nur eine Vermutung, aber wenn Sie die Abflüsse des WC, der Dusche und aller Waschbecken in Herrn Shihodais Zimmer hier" aus den Augenwinkeln konnte Conan sehen, dass der Mörder sich etwas entspannte und fügte hinzu, "sowie seines Einzelzimmers im Krankenhaus untersuchen würden. Ich tippe auf das Krankenzimmer, weil es in der Natur eines jeden Mörders liegt, sich seiner Tatwaffe so rasch wie möglich zu entledigen. Es hier zu tun, war zu riskant, da zuerst Herr Eimin und dann Conan ja gleich zur Stelle waren und Ihnen die Entleerung ihres Magens zunächst wichtiger war. Bei dem Rummel später war es unmöglich sich davon zu schleichen. Schon gar nicht in dem Zustand, in dem Sie waren. Es zeugt von verblüffender Kaltschnäuzigkeit, dass Sie das Gift noch immer bei sich trugen, während Sie von der Polizei ins Krankenhaus eskortiert wurden. Aber egal wie gering die Rückstände sein mögen, mit den modernen Mitteln der Kriminaltechnik wird sich das Gift dort nachweisen lassen."

"Verdammt!" Mit einem Ruck war Koiji aufgesprungen und ballte die Fäuste. "Sie verdammter Schnüffler! Wissen Sie wieviel Arbeit mich das gekostet hat? Nicht zu reden davon, dass ich zuerst geglaubt habe, dass ich vielleicht noch mit drauf gehe!" Conan atmete auf. Geschafft.

"Du Bastard! Du Schuft!" Sakura schaffte es, sich von Akiro loszureißen und stürzte sich wie eine Furie auf Koiji. Der jedoch wich ihren zu Klauen gekrümmten Fingern aus und knallte ihr eine Ohrfeige, dass sie weinend zusammenbrach.

"Lass dieses Theater, du Hexe!", fauchte er und spuckte ihr ins Gesicht. "Wer hat mir denn im Halbrausch erzählt, wie meine Großmutter unterernährt, ausgetrocknet und allein, elendig ihrem Zimmer verreckt ist, nachdem sie das Testament zu euren Gunsten verfasst hat? Ihr konntet das Geld nicht rasch genug in eure dreckigen Hände bekommen, wie? Als es mit vernachlässigen nicht schnell genug ging, habt ihr mit eine paar falschen Dosierungen nachgeholfen. Mich und meine Eltern habt ihr stets abgewimmelt die letzen Tage, oder habt uns nur ganz kurz zu ihr gelassen, während sie geschlafen hat. Wäre ich damals schon weiter gewesen mit meinem Studium, hätte ich euch gleich entlarven können." Er lachte hasserfüllt. "Ich habe alle Dokumente gefunden, alle Berichte gesammelt und kopiert. Es liegt alles bei meinem Anwalt wohl verwahrt. Ich werde nicht allein zur Hölle fahren, dich und deinen Vater nehme ich mit!"

Akiro, der Sakura auf die Beine helfen wollte, stutzte, als er das erschrockene Gesicht der jungen Frau sah. "Das .... das ist doch nicht wahr...", stammelte er.

"Und ob!", kam es aus Conans Mund. "Die Beweise reichten leider nie aus, weil alle verstorbenen Geldgeber des Krankenhauses im Krankenhaus eigenen Krematorium rasch verbrannt worden sind, als "Besonderer Service des Hauses" sozusagen."

"Siehst du", lachte Koiji und streckte dem Inspektor gelassen beide Hände hin. "Ich werde alles gestehen, denn wenn ihr zwei mit mir im Gefängnis verrottet, ist das fast so gut, wie dich an deinen Tabletten vor die Hunde gehen zu sehen."

.....

Als Herr Mori ein paar Minuten später wieder aufwachte. Waren nur noch er, Ran und Conan im Zimmer. "Der Inspektor war hin und weg von deinen Schlussfolgerungen", sagte Conan bewundernd. "Du hast den Fall wieder mal im Schlaf gelöst."

Rans Vater gähnte ausgiebig, rieb sich das Genick und fragte sich, was er wohl dieses Mal für einen Geniestreich geliefert hatte, von dem er nichts wusste. "Nun ja, gekonnt ist eben gekonnt!", grinste er und stemmte sich hoch. "Ich denke doch, dass dieser Klient alles gesehen hat und ich nun den Auftrag bekomme! Hahaha!"

Conan und Ran sahen sich an und seufzten.

...........

Die nächsten drei Wochen hatten sie den Gasthof praktisch für sich alleine. Die Gruppe aus Kyoto war bereits am nächsten Morgen nach Koijis Verhaftung abgereist. Sakura war besonders in Eile, um ihren Vater auf die kommenden Prozesse vorzubereiten.

Akiro wirkte etwas verloren, so wie auch Kitai. Dennoch hatte Conan das Gespür, dass sich die beiden nicht erst beim Prozess wieder sehen würden.

Hamako und Aya schien ihr Glück fast peinlich zu sein, angesichts des Grauens und des Schmerzes, der sich ihnen hier offenbart hatte.

Ran sah ihnen ein bisschen neidisch nach, als sie zusammen ins Taxi stiegen und zu Hamakos Eltern fuhren, wo er Aya vorstellen wollte. Am Abend des 23. Tages ihres Aufenthaltes traf ein Brief des Klienten ein.

"Sehr geehrter Detektiv Mori,

Ich bin von Ihrer Arbeit sehr angetan und möchte sie am Bahnhof in Tokio treffen. Sie finden mich gleich beim Eingang Süd. Kennzeichen ist eine rote Aktentasche.

Mit ergebenen Grüßen

Ihr Klient"

Da von da an auch die Zimmer nicht mehr bezahlt waren, machten die drei sich auf den Rückweg. Conan wurmte es sehr, dass er immer noch keine Ahnung hatte, wer jetzt der Klient war. Koiji und Yuko schieden zwar aus, aber von keinem der anderen war auch nur der kleinste Hinweis gekommen... Vielleicht war es ja Frau Kamao selbst gewesen, aber auch das passte kein bisschen.

So waren alle drei sehr gespannt, als sie auf den Eingang Süd zugingen.

"Hallo, Ran!"

Ran drehte sich um und gewahrte mit Erstaunen eine sehr bekannte Gestalt. "Du? Was machst du hier?"

"Nichts Besonderes, ich möchte nur wissen, ob du im Herbstrauch einen schönen Urlaub gehabt hast."

"Woher weißt du denn davon, Mutter?"

Zur Anwort zog diese eine roten Aktentasche unter ihrem Mantel hervor.

Ran fiel ihr lachend um den Hals, während Conan und Mori so aussahen, als hätte sie der Schlag getroffen....

Ende