Warum?
Schnee fiel auf die bereits weißen Ländereien von Hogwarts, als Severus Snape sich auf den Weg seines alltäglichen Abendspazierganges machte. Er nutze diesen, um sich über verschiedene Dinge, die ihn beschäftigten, Gedanken zu machen. Zur Zeit wurde diese Spaziergänge dermaßen ausgeweitet, dass er regelmäßig erst gegen Ende des Abendessen in der Großen Halle erschien. Lord Voldemort war nun schon vor einem guten halben Jahr wieder auferstanden und Severus hatte es geschafft, ihn davon zu überzeugen, ihn wieder in den Kreis der Todesser aufzunehmen. Nun stand er unter einer permanenten Kontrolle. Lucius besuchte ihn fast täglich, um sich von seiner Loyalität zu überzeugen. Die Treffen mit Lucius waren zwar von Misstrauen und Kälte überschattet, aber Severus genoss sie trotzdem. Wenn Lucius - wie in ihrer Vergangenheit, als Voldemort auf dem Höhepunkt seiner Macht stand oder noch früher, als sie noch gemeinsam zur Schule gingen - nach ihrer gemeinsamen Nacht mit ihm das Bett teilte und ihm von seinen Träumen erzählte - von Träumen, in denen sie Beide die Welt regierten und nach Ihren Vorstellungen formten - fühlte sich Severus (so ungern er das zugab) sicher. Sicher vor Voldemort, sicher vor den anderen Todessern, die ihm immer noch misstrauten. Sicher vor seinen Ängsten zu Versagen. Aber Lucius würde vor Morgen nicht wieder kommen. Um ihn brauchte er sich heute keine Gedanken zu machen. Probleme bereitete ihm heute der Gedanke, wie weit er gehen muss, um einerseits Voldemort zu besänftigen, was seinen Verrat anging und andererseits wie weit er gehen kann, ohne zuviel Unschuldige mit der Zubereitung der Tränke für den Dunklen Lord zu schaden. In Gedanken versunken fielen ihm plötzlich zwei Gestalten in den Blickwinkel. Die eine war eindeutig ein Mann. Seine Haltung war leicht gebeugt und seine Bewegungen waren langsam und wirkten müde. Das andere war ein Hund. Beide sahen in seine Richtung, soviel konnte Severus erkennen. Je näher er denn beiden kam, desto klarer wurden ihre Konturen bis er schließlich wusste, um wen es sich hier handelte. Sirius Black, den Mann, den er seit seiner Schulzeit hasste und auch wenn Dumbledore verlangte, dass sie ihre Feindschaft begruben, konnte er nicht umhin, bei seinem Anblick erst einmal zu fluchen. Der andere was Remus. Remus J. Lupin. Ihn mochte Severus schon mehr, wenn man von mögen sprechen konnte. Was wollten sie von ihm? Schienen sie doch nur auf Severus gewartet zu haben.
"Sprecht. Es ist kalt und ich möchte nicht ewig hier draußen verbringen."
Seine Stimme war kälter als die Temperaturen und eisiger als der Wind, der wehte.
"Trotzdem streunst du einsam hier draußen herum, ohne dass wir dich darum bitten mussten."
Verächtlich schnaubte Severus als Sirius sich in einen Menschen verwandelte.
"Fangt keinen Streit an ihr zwei. Wir haben wichtigeres zu tun, als Nettigkeiten auszutauschen. Können wir uns bitte einen Platz suchen, wo es nicht ganz so kalt ist?"
Remus erntete fragende Blicke. Wo sollten sie hin? Sirius wurde immer noch gesucht und er konnte sich schließlich nicht als Hund an einem Gespräch beteiligen. Und wer wusste sicher, dass Lucius keinen Abhörzauber in den Räumlichkeiten von Severus platziert hatte? Da keiner von den beiden einen Vorschlag machte, setzte sich der ehemalige Lehrer von Hogwarts in Bewegung. Seine Schritte lenkte er in Richtung der Peitschenden Weide. Severus erschauerte, als er erkannte, dass es zur Heulenden Hütte gehen würde. Für ihn war es ein Ort der schrecklichen Ereignisse. Hier war er fast von einem Werwolf - Remus, wie er sich wieder einmal schmerzlich bewusst wurde - angegriffen und hier hatte er Black nach vielen Jahren wiedergesehen. Ein ganzes Jahr war er wegen diesem von Dementoren umgeben gewesen, hatte immer wieder seine Opfer aus der Zeit des ungebrochenen Gehorsams für den Dunklen Lord schreien gehört, die gestapelten Leichen gesehen und immer wieder die Szene an der Peitschenden Weide durchmachen müssen. In jener traumatischen Nacht seiner Jugend hatte er sich Lucius völlig hingegeben und war kurz danach zu einem Todesser geworden. Er war damals von dem Wunsch beherrscht, es Black und seinen Freunden heimzuzahlen. Und das konnte er nur, wenn er Macht besaß. Nur wegen Black war er ein Todesser geworden. Das machte er ihm heute im Stillen immer noch zum Vorwurf.
In der heulende Hütte angekommen zauberte Remus ein Feuer in den Kamin und nach Sekunden wurde es behaglich warm in der Hütte.
"Es tut mir leid, dass ich euch keine Stühle anbieten kann, bei denen das Polster nicht zerfetzt ist, aber..."
"...die Möbelpreise sind ja zur Zeit auch Wucher, nicht wahr Severus?"
Sirius erntete einen kalten Blick von Severus, der sich vorsichtig auf einen der Stühle setzte. Mit einem kurzen Wink mit seinem Zauberstab, hatte er auf den Tisch eine Kanne mit dampfenden Tee und zwei Tassen gezaubert. Dankbar sah Remus ihn an. Sirius wollte erst eine Bemerkung darüber machen, dass sie zu dritt waren und Severus sich verzählt haben muss, ließ es aber dann doch und zauberte sich selbst noch eine Tasse hinzu und goss ihnen allen ein.
"Also, was wollt ihr?"
"Mit dir reden."
"Wozu?"
"Es hat keinen Sinn, Remus. Er wird uns nicht zuhören. Und außerdem ist es egal. Jetzt zählen wichtigere Dinge."
"Dann kann ich ja wieder gehen."
"Severus! Bleib! Hör nicht auf ihn!"
"Hätte ich das nur damals getan! Dann wäre vieles nicht passiert!"
"Ach ja? Was denn? Was wäre den so großartig anders verlaufen?"
"Nachdem du versucht hast mich umzubringen, bin ich zu Lucius und habe ihn gebeten, mich auch zu einem Todesser zu machen! Davor war es mir nicht wichtig gewesen, aber dann wollte ich nur noch Rache! Ich wurde zu einem von Voldemorts treuesten Jünger und habe ihm verraten, dass Peter das schwache Glied in eurer Mitte ist! Ich wollte, dass Voldemort dich umbringt! Ich habe nicht gewusst, dass er es auf Potter abgesehen hatte! Als ich es erkannte, war es schon fast zu Ende! Ich ging zu Dumbledore und habe ihm aus Schuldgefühlen und weil ich hoffte, so James retten zu können, gesagt, dass es einen Verräter in eurer Mitte gibt und das es Pläne gibt, die Familie Potter umzubringen! Ich wollte nie, dass James stirbt! Zwar hatte ich ihn gehasst, weil er einer der Marauder war, aber er hatte mir trotzdem das Leben gerettet! Ich wollte nur, dass du stirbst! Dich habe ich bis aufs Blut gehasst. Dich wollte ich sterben sehen!"
Entsetzt sahen Remus und Sirius Severus, der in seiner Wut aufgestanden war, an. Sein Gesicht war wutverzerrt, seine Augen geweitet und feucht, eine Träne lief ihm bereits die Wange hinunter. Nach einer Sekunde der Sprachlosigkeit ging Remus mit erhobener Hand vor und wollte anscheinend die Träne wegstreichen, als Sirius ihn aus dem Weg drängte und sich vor Severus aufbaute. Hasserfüllte Blicke trafen sich.
"Du willst also behaupten, dass das alles meine Schuld war? Das ich schuld an Lilys und James Tod bin?"
"Ja, das will ich."
"Aber das bin ich nicht! Jedenfalls nicht so, wie du es mir in die Schuhe schieben willst! Ich bin schuldig in der Hinsicht, dass ich ihnen geraten habe, Peter als Geheimniswahrer zu nehmen! Peter... wenn du Dumbledore gesagt hast, dass es einen Verräter unter uns gibt, warum hast dann nicht gesagt, dass es Peter ist?"
"Weil nur drei Leute wussten, dass er es ist. Er, Voldemort und ich! Ihr wärt doch geradewegs zu ihm gelaufen und hättet ihn gestellt! Voldemort hätte sich gefragt, wie ihr auf die Idee gekommen seid, dass Peter ein Verräter ist. Schließlich habt ihr bis zu jenem Moment keine Ahnung davon gehabt. Das Ergebnis wäre mein sofortiger Tod gewesen. Und sowohl damals als auch heute hänge ich an meinem Leben."
"Das ist verständlich..."
"Remus! Halt dich da raus!"
"Warum? Warum soll ich mich da raushalten? Alles hat doch angefangen, als ich ihn angefallen habe."
"Nein, das ist falsch, Remus. Alles hat schon viel früher angefangen."
"Ja, alles begann viel früher."
"Wann früher? Wann soll es begonnen haben?"
//***//
Aufgeregt huschten die Schüler über den Bahnsteig 9 ¾. Im Zug saßen bereits zwei Jungen. Es handelte sich bei ihnen um Severus Snape und Sirius Black. Sie waren aufgeregt. Würden sie doch endlich nach Hogwarts kommen. Hogwarts, DIE Schule für Zauberei und Hexerei. Sie kannten sich seit sie gemeinsam in die Windeln "geschissen" haben, wie sie selbst immer sagten. Zwar war es nie so gewesen, dass sie eine besonders tiefe Freundschaft verband, aber irgendwie waren sie immer zusammen gewesen. Ihre Eltern arbeiteten beide im Ministerium für Zauberei, sie gingen beide in den selben Kindergarten und auf der selbe Grundschule in der selben Klasse. Und nun würden sie zusammen nach Hogwarts gehen. Ob sie wohl auch in die gleichen Häuser verteilt wurden? Sie waren sich nicht sicher. Schließlich waren sie ganz und gar unterschiedlich. Aber sie waren schon immer zusammen gewesen, sie würden schon in das gleiche Haus kommen. Natürlich hatten sie schon von ihren Eltern viel über die Schule und ihre Häuser und den Begründern von Hogwarts gehört. Im Moment der Abreise diskutierten sie gerade, welcher der beiden männlichen Begründer in einem Kampf wohl der Gewinner gewesen wäre. Die Frauen waren von dieser Frage ausgeschlossen. Frauen kämpften nicht. Sirius war der festen Meinung es wäre Godric Gryffindor gewesen. Severus argumentierte, dass Salazar Slytherin viel stärkere Zauber kannte und außerdem Parsel sprechen konnte - ein ganz klarer Vorteil in seinen Augen.
"Godric war stärker."
"Aber er konnte kein Parsel!"
"Wozu? Er hat Salazar mit seinem Zauberstab eins auf dem Hut gegeben und das war's gewesen! Dann hat Salazar nicht mehr viel sprechen könne und Godric hatte gewonnen."
"Dann war sein Zauberstab wohl so groß wie eine Keule!"
"Ja, war er auch."
"Woher willst du das wissen?"
"Ich weiß es halt."
"Das kannst du gar nicht wissen. Das ist nicht wissenschaftlich belegt."
"Ist mir doch egal."
"Ach, du bist doof. Mit die kann man nicht vernünftig diskutieren."
"Um was geht es hier?"
Ein blonder Junge stand plötzlich mit seinen Koffern in der Tür. Sein blasses Gesicht strahlte Überlegenheit aus. Sirius war empört über die ungefragte Einmischung des Fremden und wollte ihn schon aus dem Abteil weisen, als ein weiterer Junge mit schwarzem Haar dazu kam und fragte, ob er sich noch mit dazu setzen dürfte, da der Zug restlos besetzt war. Sirius schluckte seinen Ärger runter und lud Beide ein, in ihrem Abteil Platz zu nehmen. Der schwarzhaarige Junge stellte sich als James Potter und der blonde als Lucius Malfoy vor. Severus fing ein Gespräch mit Lucius an und so blieb Sirius nicht viel weiter übrig, als sich mit James zu unterhalten. Schnell stellte man einige Gemeinsamkeiten mit dem jeweiligen Gesprächspartner fest und es wurde eine angenehme Fahrt nach Hogwarts. Jedenfalls bis sie wieder auf das Thema Gryffindor gegen Slytherin kamen. Wie sich herausstellte, waren sämtliche Malfoys Slytherins und sämtliche Potters Gryffindors gewesen. Während Severus und Sirius das Gespräch in einen freundlichen Ton halten wollten, wurden James und Lucius immer frostiger zueinander. In Hogwarts angekommen, hassten sie sich. Kurz vor der Prozedur scherzten Severus und Sirius noch miteinander und wünschten sich viel Glück. Danach gingen sie in ihre jeweiligen Häuser ein jeder in einem Gespräch mit ihrer Zugbekanntschaft vertieft. Während die Monate im ersten Schuljahr an Hogwarts vorbei gingen, sahen sich die beiden immer nur im Kreuzfeuer ihrer inzwischen besten Freunde und da ihre Freundschaft nie besonders eng war, löste sie sich auf. Mit der Zeit fingen sie an, das andere Haus und deren Mitglieder zu hassen. Sie legten sich gegenseitig herein, wussten sie doch genug vom Anderen, um ihm zu schaden.
//***//
"So war es gewesen."
"Ja, so war es."
"Ihr wollt mir tatsächlich einreden, dass euere Freundschaft nur wegen dem Häuserstreit auseinander ging? Das ist doch nicht wahr."
"Es war keine wirkliche Freundschaft. Es war eher eine... Kameradschaft. Nachdem wir in unsere Häuser eingeteilt worden waren, hatten wir "richtige" Freunde, die uns viel näher waren, als wir es je waren."
"Eines Tages trafen wir uns zufällig in der Bibliothek. Wir waren allein dort. Erst ignorierten wir uns, dann ging ich zu Sirius. Slytherin hatte am Wochenende zuvor den Quidditchcup gewonnen und ich wollte ihn ein wenig reizen. Er sah verstört aus, ich dachte, es lag daran, dass sie verloren hatten..."
"Meine Eltern waren zu dem Zeitpunkt gestorben. Ich hatte kurz zuvor den Brief erhalten. Als dann Severus kam, und mich anfing mit ärgern, setzte es bei mir total aus und ich sagte ihm, er solle an jenem Abend in die Heulende Hütte gehen, ich wolle mich dort mit ihm duellieren. Ich erklärte ihm, wie er an der Peitschenden Weide vorbei käme. Ich wusste nicht, dass Vollmond war. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nichts mehr. Nur, dass ich ihn hasste, weil er mich in dem Moment, in dem ich alleine sein wollte, ärgerte und das ich mich mit ihm duellieren wollte. In der Schule hätten sie uns wahrscheinlich erwischt, deshalb wollte ich, dass wir es in der Heulenden Hütte machten. Am Abend bist du dann fortgebracht worden und ich wurde mir meines Fehlers bewusst. Ich erzählte es James und er lief los, um zu retten, was zu retten war..."
"James schaffte es noch, mich vor dem Schlimmsten zu bewahren, aber der Hass war so groß wie nie zuvor."
Remus schwieg betroffen. Er hatte gewusst, dass sie sich während ihrer Zeit auf Hogwarts gehasst haben. Und auch, weswegen Sirius Severus zur Weide geschickt hatte. Er hatte es ihm gleich am nächsten Morgen unter Tränen gestanden. Ihre Freundschaft hatte zwar einen kleinen Riss davon getragen, aber Remus hatte verziehen. Schließlich hatte Sirius nicht daran gedacht, dass Vollmond gewesen war, wie er immer wieder beteuert hatte. Auch dass der Häuserkampf einige Opfer verlangt hatte, wusste er. Aber eine Freund... nein, eine Kameradschaft, das hätte er nie vermutet.
"Ich muss jetzt gehen. Im Schloss warten sie wahrscheinlich schon auf mich."
"Severus-!"
"Was?"
"Können wir uns noch einmal treffen?"
"Meinetwegen. Aber nicht morgen. In zwei Tagen?"
"Ja. Hier?"
"Ja."
Schnee fiel auf die bereits weißen Ländereien von Hogwarts, als Severus Snape sich auf den Weg seines alltäglichen Abendspazierganges machte. Er nutze diesen, um sich über verschiedene Dinge, die ihn beschäftigten, Gedanken zu machen. Zur Zeit wurde diese Spaziergänge dermaßen ausgeweitet, dass er regelmäßig erst gegen Ende des Abendessen in der Großen Halle erschien. Lord Voldemort war nun schon vor einem guten halben Jahr wieder auferstanden und Severus hatte es geschafft, ihn davon zu überzeugen, ihn wieder in den Kreis der Todesser aufzunehmen. Nun stand er unter einer permanenten Kontrolle. Lucius besuchte ihn fast täglich, um sich von seiner Loyalität zu überzeugen. Die Treffen mit Lucius waren zwar von Misstrauen und Kälte überschattet, aber Severus genoss sie trotzdem. Wenn Lucius - wie in ihrer Vergangenheit, als Voldemort auf dem Höhepunkt seiner Macht stand oder noch früher, als sie noch gemeinsam zur Schule gingen - nach ihrer gemeinsamen Nacht mit ihm das Bett teilte und ihm von seinen Träumen erzählte - von Träumen, in denen sie Beide die Welt regierten und nach Ihren Vorstellungen formten - fühlte sich Severus (so ungern er das zugab) sicher. Sicher vor Voldemort, sicher vor den anderen Todessern, die ihm immer noch misstrauten. Sicher vor seinen Ängsten zu Versagen. Aber Lucius würde vor Morgen nicht wieder kommen. Um ihn brauchte er sich heute keine Gedanken zu machen. Probleme bereitete ihm heute der Gedanke, wie weit er gehen muss, um einerseits Voldemort zu besänftigen, was seinen Verrat anging und andererseits wie weit er gehen kann, ohne zuviel Unschuldige mit der Zubereitung der Tränke für den Dunklen Lord zu schaden. In Gedanken versunken fielen ihm plötzlich zwei Gestalten in den Blickwinkel. Die eine war eindeutig ein Mann. Seine Haltung war leicht gebeugt und seine Bewegungen waren langsam und wirkten müde. Das andere war ein Hund. Beide sahen in seine Richtung, soviel konnte Severus erkennen. Je näher er denn beiden kam, desto klarer wurden ihre Konturen bis er schließlich wusste, um wen es sich hier handelte. Sirius Black, den Mann, den er seit seiner Schulzeit hasste und auch wenn Dumbledore verlangte, dass sie ihre Feindschaft begruben, konnte er nicht umhin, bei seinem Anblick erst einmal zu fluchen. Der andere was Remus. Remus J. Lupin. Ihn mochte Severus schon mehr, wenn man von mögen sprechen konnte. Was wollten sie von ihm? Schienen sie doch nur auf Severus gewartet zu haben.
"Sprecht. Es ist kalt und ich möchte nicht ewig hier draußen verbringen."
Seine Stimme war kälter als die Temperaturen und eisiger als der Wind, der wehte.
"Trotzdem streunst du einsam hier draußen herum, ohne dass wir dich darum bitten mussten."
Verächtlich schnaubte Severus als Sirius sich in einen Menschen verwandelte.
"Fangt keinen Streit an ihr zwei. Wir haben wichtigeres zu tun, als Nettigkeiten auszutauschen. Können wir uns bitte einen Platz suchen, wo es nicht ganz so kalt ist?"
Remus erntete fragende Blicke. Wo sollten sie hin? Sirius wurde immer noch gesucht und er konnte sich schließlich nicht als Hund an einem Gespräch beteiligen. Und wer wusste sicher, dass Lucius keinen Abhörzauber in den Räumlichkeiten von Severus platziert hatte? Da keiner von den beiden einen Vorschlag machte, setzte sich der ehemalige Lehrer von Hogwarts in Bewegung. Seine Schritte lenkte er in Richtung der Peitschenden Weide. Severus erschauerte, als er erkannte, dass es zur Heulenden Hütte gehen würde. Für ihn war es ein Ort der schrecklichen Ereignisse. Hier war er fast von einem Werwolf - Remus, wie er sich wieder einmal schmerzlich bewusst wurde - angegriffen und hier hatte er Black nach vielen Jahren wiedergesehen. Ein ganzes Jahr war er wegen diesem von Dementoren umgeben gewesen, hatte immer wieder seine Opfer aus der Zeit des ungebrochenen Gehorsams für den Dunklen Lord schreien gehört, die gestapelten Leichen gesehen und immer wieder die Szene an der Peitschenden Weide durchmachen müssen. In jener traumatischen Nacht seiner Jugend hatte er sich Lucius völlig hingegeben und war kurz danach zu einem Todesser geworden. Er war damals von dem Wunsch beherrscht, es Black und seinen Freunden heimzuzahlen. Und das konnte er nur, wenn er Macht besaß. Nur wegen Black war er ein Todesser geworden. Das machte er ihm heute im Stillen immer noch zum Vorwurf.
In der heulende Hütte angekommen zauberte Remus ein Feuer in den Kamin und nach Sekunden wurde es behaglich warm in der Hütte.
"Es tut mir leid, dass ich euch keine Stühle anbieten kann, bei denen das Polster nicht zerfetzt ist, aber..."
"...die Möbelpreise sind ja zur Zeit auch Wucher, nicht wahr Severus?"
Sirius erntete einen kalten Blick von Severus, der sich vorsichtig auf einen der Stühle setzte. Mit einem kurzen Wink mit seinem Zauberstab, hatte er auf den Tisch eine Kanne mit dampfenden Tee und zwei Tassen gezaubert. Dankbar sah Remus ihn an. Sirius wollte erst eine Bemerkung darüber machen, dass sie zu dritt waren und Severus sich verzählt haben muss, ließ es aber dann doch und zauberte sich selbst noch eine Tasse hinzu und goss ihnen allen ein.
"Also, was wollt ihr?"
"Mit dir reden."
"Wozu?"
"Es hat keinen Sinn, Remus. Er wird uns nicht zuhören. Und außerdem ist es egal. Jetzt zählen wichtigere Dinge."
"Dann kann ich ja wieder gehen."
"Severus! Bleib! Hör nicht auf ihn!"
"Hätte ich das nur damals getan! Dann wäre vieles nicht passiert!"
"Ach ja? Was denn? Was wäre den so großartig anders verlaufen?"
"Nachdem du versucht hast mich umzubringen, bin ich zu Lucius und habe ihn gebeten, mich auch zu einem Todesser zu machen! Davor war es mir nicht wichtig gewesen, aber dann wollte ich nur noch Rache! Ich wurde zu einem von Voldemorts treuesten Jünger und habe ihm verraten, dass Peter das schwache Glied in eurer Mitte ist! Ich wollte, dass Voldemort dich umbringt! Ich habe nicht gewusst, dass er es auf Potter abgesehen hatte! Als ich es erkannte, war es schon fast zu Ende! Ich ging zu Dumbledore und habe ihm aus Schuldgefühlen und weil ich hoffte, so James retten zu können, gesagt, dass es einen Verräter in eurer Mitte gibt und das es Pläne gibt, die Familie Potter umzubringen! Ich wollte nie, dass James stirbt! Zwar hatte ich ihn gehasst, weil er einer der Marauder war, aber er hatte mir trotzdem das Leben gerettet! Ich wollte nur, dass du stirbst! Dich habe ich bis aufs Blut gehasst. Dich wollte ich sterben sehen!"
Entsetzt sahen Remus und Sirius Severus, der in seiner Wut aufgestanden war, an. Sein Gesicht war wutverzerrt, seine Augen geweitet und feucht, eine Träne lief ihm bereits die Wange hinunter. Nach einer Sekunde der Sprachlosigkeit ging Remus mit erhobener Hand vor und wollte anscheinend die Träne wegstreichen, als Sirius ihn aus dem Weg drängte und sich vor Severus aufbaute. Hasserfüllte Blicke trafen sich.
"Du willst also behaupten, dass das alles meine Schuld war? Das ich schuld an Lilys und James Tod bin?"
"Ja, das will ich."
"Aber das bin ich nicht! Jedenfalls nicht so, wie du es mir in die Schuhe schieben willst! Ich bin schuldig in der Hinsicht, dass ich ihnen geraten habe, Peter als Geheimniswahrer zu nehmen! Peter... wenn du Dumbledore gesagt hast, dass es einen Verräter unter uns gibt, warum hast dann nicht gesagt, dass es Peter ist?"
"Weil nur drei Leute wussten, dass er es ist. Er, Voldemort und ich! Ihr wärt doch geradewegs zu ihm gelaufen und hättet ihn gestellt! Voldemort hätte sich gefragt, wie ihr auf die Idee gekommen seid, dass Peter ein Verräter ist. Schließlich habt ihr bis zu jenem Moment keine Ahnung davon gehabt. Das Ergebnis wäre mein sofortiger Tod gewesen. Und sowohl damals als auch heute hänge ich an meinem Leben."
"Das ist verständlich..."
"Remus! Halt dich da raus!"
"Warum? Warum soll ich mich da raushalten? Alles hat doch angefangen, als ich ihn angefallen habe."
"Nein, das ist falsch, Remus. Alles hat schon viel früher angefangen."
"Ja, alles begann viel früher."
"Wann früher? Wann soll es begonnen haben?"
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Aufgeregt huschten die Schüler über den Bahnsteig 9 ¾. Im Zug saßen bereits zwei Jungen. Es handelte sich bei ihnen um Severus Snape und Sirius Black. Sie waren aufgeregt. Würden sie doch endlich nach Hogwarts kommen. Hogwarts, DIE Schule für Zauberei und Hexerei. Sie kannten sich seit sie gemeinsam in die Windeln "geschissen" haben, wie sie selbst immer sagten. Zwar war es nie so gewesen, dass sie eine besonders tiefe Freundschaft verband, aber irgendwie waren sie immer zusammen gewesen. Ihre Eltern arbeiteten beide im Ministerium für Zauberei, sie gingen beide in den selben Kindergarten und auf der selbe Grundschule in der selben Klasse. Und nun würden sie zusammen nach Hogwarts gehen. Ob sie wohl auch in die gleichen Häuser verteilt wurden? Sie waren sich nicht sicher. Schließlich waren sie ganz und gar unterschiedlich. Aber sie waren schon immer zusammen gewesen, sie würden schon in das gleiche Haus kommen. Natürlich hatten sie schon von ihren Eltern viel über die Schule und ihre Häuser und den Begründern von Hogwarts gehört. Im Moment der Abreise diskutierten sie gerade, welcher der beiden männlichen Begründer in einem Kampf wohl der Gewinner gewesen wäre. Die Frauen waren von dieser Frage ausgeschlossen. Frauen kämpften nicht. Sirius war der festen Meinung es wäre Godric Gryffindor gewesen. Severus argumentierte, dass Salazar Slytherin viel stärkere Zauber kannte und außerdem Parsel sprechen konnte - ein ganz klarer Vorteil in seinen Augen.
"Godric war stärker."
"Aber er konnte kein Parsel!"
"Wozu? Er hat Salazar mit seinem Zauberstab eins auf dem Hut gegeben und das war's gewesen! Dann hat Salazar nicht mehr viel sprechen könne und Godric hatte gewonnen."
"Dann war sein Zauberstab wohl so groß wie eine Keule!"
"Ja, war er auch."
"Woher willst du das wissen?"
"Ich weiß es halt."
"Das kannst du gar nicht wissen. Das ist nicht wissenschaftlich belegt."
"Ist mir doch egal."
"Ach, du bist doof. Mit die kann man nicht vernünftig diskutieren."
"Um was geht es hier?"
Ein blonder Junge stand plötzlich mit seinen Koffern in der Tür. Sein blasses Gesicht strahlte Überlegenheit aus. Sirius war empört über die ungefragte Einmischung des Fremden und wollte ihn schon aus dem Abteil weisen, als ein weiterer Junge mit schwarzem Haar dazu kam und fragte, ob er sich noch mit dazu setzen dürfte, da der Zug restlos besetzt war. Sirius schluckte seinen Ärger runter und lud Beide ein, in ihrem Abteil Platz zu nehmen. Der schwarzhaarige Junge stellte sich als James Potter und der blonde als Lucius Malfoy vor. Severus fing ein Gespräch mit Lucius an und so blieb Sirius nicht viel weiter übrig, als sich mit James zu unterhalten. Schnell stellte man einige Gemeinsamkeiten mit dem jeweiligen Gesprächspartner fest und es wurde eine angenehme Fahrt nach Hogwarts. Jedenfalls bis sie wieder auf das Thema Gryffindor gegen Slytherin kamen. Wie sich herausstellte, waren sämtliche Malfoys Slytherins und sämtliche Potters Gryffindors gewesen. Während Severus und Sirius das Gespräch in einen freundlichen Ton halten wollten, wurden James und Lucius immer frostiger zueinander. In Hogwarts angekommen, hassten sie sich. Kurz vor der Prozedur scherzten Severus und Sirius noch miteinander und wünschten sich viel Glück. Danach gingen sie in ihre jeweiligen Häuser ein jeder in einem Gespräch mit ihrer Zugbekanntschaft vertieft. Während die Monate im ersten Schuljahr an Hogwarts vorbei gingen, sahen sich die beiden immer nur im Kreuzfeuer ihrer inzwischen besten Freunde und da ihre Freundschaft nie besonders eng war, löste sie sich auf. Mit der Zeit fingen sie an, das andere Haus und deren Mitglieder zu hassen. Sie legten sich gegenseitig herein, wussten sie doch genug vom Anderen, um ihm zu schaden.
//***//
"So war es gewesen."
"Ja, so war es."
"Ihr wollt mir tatsächlich einreden, dass euere Freundschaft nur wegen dem Häuserstreit auseinander ging? Das ist doch nicht wahr."
"Es war keine wirkliche Freundschaft. Es war eher eine... Kameradschaft. Nachdem wir in unsere Häuser eingeteilt worden waren, hatten wir "richtige" Freunde, die uns viel näher waren, als wir es je waren."
"Eines Tages trafen wir uns zufällig in der Bibliothek. Wir waren allein dort. Erst ignorierten wir uns, dann ging ich zu Sirius. Slytherin hatte am Wochenende zuvor den Quidditchcup gewonnen und ich wollte ihn ein wenig reizen. Er sah verstört aus, ich dachte, es lag daran, dass sie verloren hatten..."
"Meine Eltern waren zu dem Zeitpunkt gestorben. Ich hatte kurz zuvor den Brief erhalten. Als dann Severus kam, und mich anfing mit ärgern, setzte es bei mir total aus und ich sagte ihm, er solle an jenem Abend in die Heulende Hütte gehen, ich wolle mich dort mit ihm duellieren. Ich erklärte ihm, wie er an der Peitschenden Weide vorbei käme. Ich wusste nicht, dass Vollmond war. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nichts mehr. Nur, dass ich ihn hasste, weil er mich in dem Moment, in dem ich alleine sein wollte, ärgerte und das ich mich mit ihm duellieren wollte. In der Schule hätten sie uns wahrscheinlich erwischt, deshalb wollte ich, dass wir es in der Heulenden Hütte machten. Am Abend bist du dann fortgebracht worden und ich wurde mir meines Fehlers bewusst. Ich erzählte es James und er lief los, um zu retten, was zu retten war..."
"James schaffte es noch, mich vor dem Schlimmsten zu bewahren, aber der Hass war so groß wie nie zuvor."
Remus schwieg betroffen. Er hatte gewusst, dass sie sich während ihrer Zeit auf Hogwarts gehasst haben. Und auch, weswegen Sirius Severus zur Weide geschickt hatte. Er hatte es ihm gleich am nächsten Morgen unter Tränen gestanden. Ihre Freundschaft hatte zwar einen kleinen Riss davon getragen, aber Remus hatte verziehen. Schließlich hatte Sirius nicht daran gedacht, dass Vollmond gewesen war, wie er immer wieder beteuert hatte. Auch dass der Häuserkampf einige Opfer verlangt hatte, wusste er. Aber eine Freund... nein, eine Kameradschaft, das hätte er nie vermutet.
"Ich muss jetzt gehen. Im Schloss warten sie wahrscheinlich schon auf mich."
"Severus-!"
"Was?"
"Können wir uns noch einmal treffen?"
"Meinetwegen. Aber nicht morgen. In zwei Tagen?"
"Ja. Hier?"
"Ja."
