Etwas orientierungslos ging ich durch den Wald. Ich fokussierte mich darauf, die Lagerfeuerstelle für die Party zu finden. Minutenlang ging ich durch die dunklen Bäume des Waldes. Ausschließlich mein Hör- und Sehsinn konzentrierte sich darauf, Partymenschen zu hören und das Funkeln eines Lagerfeuers zu sehen. Ich trug ein schwarzes, eng-anliegendes Winterkleid mit einem offenem, aber dicken Mantel, wodurch ich wenigstens angenehm warm bleib.

Und ich war mir sicher, dass ich die Party finden würde. Alaric beschrieb mir genau, wo sie stattfinden würde und da ich hier auch mal gelebt habe, war ich sehr zuversichtlich es aufzufinden. Also wie gestaltet sich mein jetziges Vorangehen? Ich könnte Tyler oder Caroline anrufen, aber ich könnte auch einfach nach Hause gehen. Doch das Einfachste wäre gewesen, wenn ich es selbstständig gefunden hätte… Mich ärgert der Gedanke orientierungslos und allein im Wald zu stehen. Ich habe mir meinen Aufenthalt in Mystic Falls einfach generell weniger überrumpelt vorgestellt. Was habe ich anderes erwartet? Es braucht wohl etwas Zeit mich hier wieder mit allen einzuleben.

Dann hörte ich ein kleines Flimmern unter mir und legte meine Hand auf die Brust, als ich bemerkte, dass sich meine Kette von meinem Hals löste. Ich senkte mich zu Boden und fing an sie im Gras zu suchen. Die Nacht erschien gar nicht so düster. Doch je länger ich suchte, desto dichter wurde die Luft um mich herum. Es entstand ein Nebelschleier. Gerade, als ich vor Frust platzen wollte, nahm ich eine männliche Stimme hinter mir wahr: „Verlaufen, kleines Ding?".

Ich drehte mich ruckartig um. Es war schwer irgendetwas in dem Nebel zu erkennen. Es wundert mich, dass ich vorher überhaupt keine Schritte wahrgenommen hatte. „An deiner Stelle würde ich im Wald vorsichtiger sein-", diesmal ertönte die Stimme aus einer komplett anderen Richtung. „-wegen den ganzen Tierangriffen". Zum Stück lichtete sich der Nebel, sodass ich die mysteriöse Person nun erkennen konnte. Er war komplett dunkel angezogen und stand bequem an einen Baum angelehnt. Ich versuchte etwas von seinem Gesicht zu identifizieren, doch die Umgebung war dafür viel zu finster. „Suchst du hier nachts öfters nach Mädchen, um sie dann zu erschrecken?", erwiderte ich der schwarzen Silhouette. „Grundsätzlich nicht, du bist die Erste, die ich warne", das Wort „Warnen" hat er dabei anscheinend absichtlich betont. Seiner Stimme zu urteilen, würde ich mal schätzen, dass er ungefähr so alt sein könnte wie ich.

„Dann erwartest du wohl ein Danke?", entgegnete ich sarkastisch und kam ihm näher. Er rührte sich währenddessen kein bisschen, weiterhin steht er dort. Angelehnt an einen Baum und die Arme in sich eingeschränkt. Je näher ich kam, desto mehr sah ich. Er hatte kurze, schwarze und wirklich gut gestylte Haare und seine Augen waren getränkt in verführerischem funkelndem eisblau. Würde ich ihn unter anderen Umständen treffen, vielleicht in einer Bar, dann hätte ich ihn definitiv angesprochen.

„Sonst würde ich wohl offensichtlich diesen Tierangriffen zum Opfer fallen", wieder ein sarkastischer Satz, der sich mir entlockte. Wieder ging ich einen Schritt nach vorne, als ich plötzlich ein schmerzhaftes Stechen in meinem Kopf spürte. Ich sackte in mich hinein und drückte meine Hände fest gegen meinen Kopf. Es war sehr schwer gegen den eindringenden Schmerz anzukommen, da meine Sicht auch anfing sich zu schwärzen.

Einen letzten Moment blickte ich nach oben und sah, wie sich das Gesicht des mysteriösen Mannes anfing zu verdunkeln. Es sah bedrohlich aus, doch bevor ich irgendwas erkennen konnte, verschwand er. Schlussendlich sah ich die Rinde des Baumes vor mir, bevor ich zuletzt nur noch die Farbe schwarz sehen konnte.

Ich lag auf dem Boden des Waldes, als ich wieder aufwachte. Habe ich gerade irgendwie geträumt? Das Erlebte fühlt sich stark surreal an. Ich richtete mich auf und erblickte meine Kette in meiner Hand, die ich eigentlich im Gras verloren hatte. Also war das dann doch kein Traum gewesen? Ich stand auf und befestigte meine Kette noch einmal an meinen Hals. Ich schloss meine Augen für eine Weile und sah wieder alles direkt vor mir. Dieser junge Mann, der sich an den Baum angelehnt hatte und bei jedem Schritt, den ich tat, immer mehr schmunzelte. Aber auch an den bedrohlich-gefährlichen Gesichtsausdruck, den er zuletzt hatte. Ich bin mir nicht mal sicher, ob man das einen Gesichtsausdruck nennen kann. Es war mehr eine komplette Veränderung, es erinnerte mich an ein hungriges Wildtier auf der blutigen Jagd.

In Gedanken versunken bemerkte ich nicht, dass ich schon längst wieder durch den Wald schritt. Nun fühlte sich mein Kopf wieder viel freier an. In mir breitete sich das Gefühl aus, zu wissen, wo sich mein Ziel befindet. Dieser Instinkt hat mir schon gefehlt, als ich hierherkam. Sehr eigenartig, da ich sonst doch auch immer weiß, wohin ich muss. Ich lass mich immer von meinen Gefühlen und Instinkten durch mein Leben leiten. Aufgrund dessen ist mir unklar, wie ich diese Begegnung vorhin deuten soll. War das eben das Schicksal, das mir in meine Instinkte reinspielt?

Ich stand eine Weile in der Nähe des aufsteigenden Lagerfeuers. Das Knistern und Funkeln des Feuers schlugen mich in seinen Bann. Ich streckte meine Hände aus, um nach der wohlfühlenden Wärme zu greifen. Keiner sonst stand so nah am lebenden Feuer. Mein Blick streifte durch die anderen Jugendlichen. Alle standen in Grüppchen, ich könnte mich nirgendwo zustellen. Mir kommt hier keiner bekannt vor. Doch seitdem ich hier so alleinstehe, hat mir ebenso keiner bekannte Blicke zugeworfen, sodass mich ihrerseits auch keiner kennen wird. Schlussendlich habe ich keine Ahnung, ob ich nun zu früh oder spät angekommen bin. Jedenfalls sind Caroline und Tyler nicht aufzufinden. Mal hoffen, dass ich nicht unnötigerweise durch den ganzen Wald gelaufen bin.

Nachdem ich genug Wärme getankt hatte, saß ich mich auf eine der Holzgeländer und sah mir das Feuer von der Ferne an. Es hatte eine angenehme Ruhe in sich, wenn man die Augen schloss und die Gespräche der anderen ausblendete. Obwohl ich nun ein paar große Meter zum brodelnden Feuer entfernt war, hörte ich die Geräusche genauso intensiv, als würde ich noch davorstehen. Ich öffnete allmählich wieder meine Augen und fokussierte mich auf eine Gruppe von Jugendlichen, die weiter hinten standen. Ich hatte das Gefühl, als könnte ich jeden Satz genaustens verstehen. Oder ich konnte mir einfach nur gut vorstellen, was sie dahinten sagen. Wahrscheinlich sticht das alles aus meiner Langeweile hervor.

„Ach komm schon, wir könnten noch viel lustigere Dinge zusammen machen. Warum schleppst du mich mit zu diesem Lagerfeuer? Elena und Stefan könnten uns gerade viel dringender gebrauchen!", ich drehte mich zu meiner Linken und sah von der Entfernung, wie Caroline mit Tyler aus dem dunklen Wald kamen. Caroline machte Gesten, wodurch klar wurde, dass sie keine Lust auf das Fest hat. Mich wunderte, dass ich Caroline aus dieser Strecke hören konnte. Doch sie sprach schon seit sie klein war, lauter als andere und wurde nie von jemanden überhört.

Ich beobachtete die beiden, sie sahen zusammen glücklich aus. Caroline hielt Tylers Hand und obwohl sie offenbar keine Lust auf das Lagerfeuer hat, lächelte sie ihn stets zu. Kurz danach flüsterte Tyler Caroline etwas ins Ohr. Bestimmt teilte er ihr mit, dass er für sie beide Getränke holen würde. Daraufhin ging er fort ließ Caroline am Feuer stehen. Was Tyler wohl finden wird? Jedenfalls sah ich nichts Qualitativeres als Bier in den Händen der Jugendlichen umklammert.

Durch Tyler eröffnete sich nun die perfekte Gelegenheit mit Caroline zu sprechen. Ich bündelte meinen ganzen Mut zusammen und stieß mich von dem Holzgeländer. Mit langsamen Schritten näherte ich mich ihr. Meine Aufregung stieg mit jedem einzelnen Schritt. Ich konnte nicht erahnen, wie sie reagieren wird, mich zu sehen. Vielleicht hätte ich mir vorher Mut antrinken sollen. Doch letztendlich muss ich mich meiner Vergangenheit stellen. Selbst wenn Caroline sauer auf mich sein wird.

In diesem Moment entschied ich mich, dass ich mich all meinen Freunden stellen werde. Ich werde das Beste daraus machen und mein Verschwinden so lange bereuen, bis sie mir alle verzeihen…