Disclaimer – siehe Teil 1
Teil 2 – planen, vorbereiten... zuschlagen
Hermione sass in der Bibliothek über einer Bücherliste
gebeugt und las denselben Abschnitt zum fünften Mal. Mit einem Seufzer liess
sie sich schliesslich zurück fallen und rieb sich das Gesicht. Keine Chance.
Sosehr sie sich auch bemühte, es gelang ihr einfach nicht, sich auf ihre Arbeit
zu konzentrieren. Abwesend griff sie zu ihrer Tasse und nahm einen grosszügigen
Schluck erkalteten Tees, während sie aus dem Fenster starrte, obwohl dort
nichts zu sehen war.
Ein eisiger Wind heulte um die Ecken und Kanten von
Hogwarts, liess die Fensterrahmen ächzen und stöhnen und suchte sich durch jede
noch so erdenklich kleine Ritze Einlass in die Wärme. Schneeverwehungen setzten
sich auf allen möglichen und unmöglichen Flächen fest und hie und da zierten
Eisblumen die Scheiben der Bibliothek. Es war der bisher schlimmste Schneesturm
in diesem Winter, und Gewächshaus Nummer drei und vier waren ihm bereits durch
vom Dach des Hufflepuff-Turmes herab fallende Schneemassen zum Opfer gefallen.
Von alledem bekam Hermione nicht allzu viel mit. In
ihrem Refugium war es warm und ruhig, abgesehen vom gelegentlichen Knistern des
Feuers oder dem Scheppern der Fenster – und ausserdem war sie mit ihren
Gedanken mittlerweile meilenweit weg.
Sie war sich nicht sicher, welcher Teil dieses
vermaledeiten Tages ihre innere Aufruhr entfacht hatte, die gleich dem draussen
tobenden Sturm ihr inneres Gleichgewicht durcheinander wirbelte. Sie war sich
nicht sicher, wie sie damit umgehen, was und wie sie sich fühlen sollte.
War das Geschenk der eigentliche Auslöser dieser nicht
enden wollenden Gedankenkette gewesen? Waren es Snapes Handlungen und seine
präzise kalkulierten Worte gewesen? Oder ihre in verletztem Stolz und Scham
überhastet ausgesprochenen Worte? Oder dass sie den Tag seit dem Vorfall beim
Frühstück in der Bibliothek verbrachte? Sich dort versteckte, um genauer zu
sein?
Sollte sie wütend auf Rachel und Isi, ihre zwei
liebgewonnen Freunde aus Berlin, sein, ihr so ein Geschenk zu senden? Sollte
sie ihnen danken, dass sie wie immer den Nagel auf den Kopf getroffen hatten
(oder den Finger in ihre offene Wunde gelegt hatten – je nachdem, aus welchem
Blickwinkel man das Ganze betrachtete)? Sollte sie sich über diese 'Inspiration'
freuen und deren Vorschlag in die Tat umsetzen? Sollte sie darüber lachen und
es als Scherz abtun?
Frustriert schüttelte sie den Kopf. Was nur?
Schliesslich entschied sie sich für das Lachen, doch es war ein ernstes,
beinahe kalkulierendes Lachen – weit entfernt vom Lachen über einen gelungenen
Scherz. Es war Zeit, Prioritäten zu setzen, und so legte Hermione ihre
Schreibfeder entschieden zur Seite, schloss das Tintenfass neben ihr und schob
die Bücherliste von sich weg.
Doch weiter kam sie nicht mit Prioritäten setzen, denn
in leises Trippeln kündigte einen Besucher an – der erste an diesem Tag.
"Miss Granger?", erklang eine hohe,
piepsende Stimme.
Hermione blickte vom Fenster weg zu ihrem Besucher;
eine kleine, in ein Küchentuch eingewickelte Hauselfe.
"Tippsy?", begann Hermione verwirrt, als sie
nicht das Gesicht der Elfe erblickte, welche sie sonst ans Essen erinnerte,
"Wo ist Twinkey?"
"Twinkey ist unten", flüsterte Tippsy
leise, "um Professor Snape zu erinnern, Miss."
"Aber das macht doch Dobby normalerweise."
"Dobby hat seinen freien Tag, Miss.",
erklärte die Hauselfe mit hörbarer Geringschätzung. "Tippsy wollte Miss
Granger daran erinnern, dass das Abendessen in 10 Minuten beginnt."
"Das Abendessen?", fragte Hermione
überrascht, "Ist es denn nicht erst Mittag?"
Die Hauselfe schüttelte den Kopf, und erwiderte:
"Nein, Miss, es ist zwanzig nach sieben." Ein freundliches Lächeln
blitzte im Gesicht des kleinen Geschöpfes auf, bevor es mit denselben kleinen
Schritten zur Hauselfen-Türe tapste und durch diese verschwand.
Überrascht blickte Hermione nach draussen. Es war
stockdunkel – aber das war schon so, seit der Sturm am Morgen begonnen hatte.
Sie hatte die Zeit vollkommen vergessen, während sie ihren Gedanken
nachgehangen hatte anstatt zu arbeiten, und mit einem leichten Kopfschütteln
stand sie auf. Liesse sie das Abendessen an Weihnachten ausfallen, würde dies
nur zu unnötigen Diskussionen führen. Irgendwann musste sie Snape ja gegenüber
treten – und dies lieber früher als später, wenn es nur umso schwerer sein
würde.
***
Vergessen lag das Buch auf Snapes Schoss, während er
in die Flammen seiner Feuerstelle starrte und mit der Zunge über den Rand des
Weinglases in seiner rechten Hand fuhr. Handschellen? Hatte sie wirklich
Handschellen als Weihnachtsgeschenk bekommen?
Mit der Linken hob er den Schlüssel vom Beistelltisch
auf und wog ihn in der Hand. Handschellen?
Wenn er ehrlich zu sich war, so stand er eigentlich
nicht auf so etwas. Nicht wirklich... und doch liess der Gedanke daran ihn
lächeln. Zugegeben, es hatte seinen ganz besonderen Reiz – vor allem da es Miss
Hermione Granger betraf, den kleinen Bücherwurm mit den Rehaugen und dem
buschigen Haar, welche sechs Jahre nach ihrem Abschluss wieder nach Hogwarts
zurück gekehrt war.
Die Jahre an der Universität hatten sie kaum
verändert: Aus einem besserwisserischem Teenager war eine besserwisserische,
junge Frau geworden. Sie mochte vielleicht nicht als 'schön' im eigentlichen
Sinne gelten, doch unterschied eben genau dies sie von den anderen Frauen, die
auf dieser Erde wandelten. Sie war einzigartig, durch und durch.
Als er erfahren hatte, dass sie Madame Pinces
Nachfolgerin werden würde, hatte Snape nur die Augen verdreht und sich von
Hogwarts weg gewünscht. Musste dies wirklich sein? Nachdem er sechs Jahre lang
Ruhe vom infamen Potter-Trio gehabt hatte, kehrte ein Teil davon hierher
zurück.
Er hatte sie wann immer möglich gemieden, was jedoch
angesichts der Tatsache, dass er während den Mahlzeiten neben ihr sass, mehr
eine Illusion als Realität war. Nichts desto trotz hatte er stets darauf
geachtet, den Abstand zwischen ihnen aufrecht zu erhalten, und so waren sie
vermutlich – abgesehen von den Schülern - die einzigen, welche sich immer noch
mit "Miss Granger" und "Professor Snape" ansprachen.
Während den letzten Monaten hatten sich dann die
knappen Begrüssungen und kurz gehaltenen, unpersönlichen Tischgespräche
unmerklich zu immer längeren Unterhaltungen bis hin zu ausgewachsenen
Diskussionen gewandelt. Irgendwann nickten sie sich nicht mehr nur zu, wenn sie
per Zufall in einem der Korridore aufeinander trafen, sondern sie blieben
stehen und unterhielten sich. Eine schleichende Entwicklung, die Snape erst
wahr genommen hatte, als es schon zu spät für eine Umkehr war.
Es war ein kleiner Schock für ihn gewesen, als er
eines Tages feststellte, dass er sich während der Lehrersitzungen des öfteren
dabei ertappen konnte, Hermione anzustarren, während er seinen eigenen Gedanken
nachhing. Überrascht setzte er sich dann jeweils aufrecht hin und versuchte,
sich auf die Sitzung zu konzentrieren, während er hoffte, dass niemand sein
Starren bemerkt hatte. Nein, er empfand nichts für sie, redete er sich in
solchen Situationen jeweils ein – und beinahe hätte er es auch wirklich
geglaubt.
Handschellen?
Die Welt steckte doch immer wieder voller
Überraschungen... und ungeahnter Möglichkeiten. Sollte der Plan, welcher sich
allmählich in seinem Kopf formte, wirklich aufgehen, so durfte er nicht
vergessen, sich bei Rachel und Isi zu bedanken.
Er würde Hermione ein Weihnachten bescheren, von denen
sie nicht einmal in ihren kühnsten Träumen auch nur zu denken gewagt hätte.
"Zum Wohl, Miss Granger. Mögen diese Weihnachten auf ewig ihn Ihr
Gedächtnis eingebrannt werden.", prostete er dem Feuer zu und nahm einen
Schluck Wein, bevor er das Glas zur Seite stellte.
"Professor Snape, Sir?", riss eine scheue
Stimme ihn aus seinen Überlegungen.
"Was?", fragte er ungeduldig und
blickte zur Seite. Eine kleine Hauselfe stand zitternd an der kleinen Türe
neben dem Bücherregal und blickte ihn mit grossen Augen an. "Wer bist
du?", fuhr er ungeduldig fort, "Was willst du? Und wo ist
Dobby?"
"Ich bin Twinkey, Sir. Dobby hat heute seinen
freien Tag, Sir... und Twinkey ist hier, Sir, um Professor Snape ans Essen zu
erinnern, Sir.", erwiderte sie scheu.
Das musste ein neuer Rekord sein: 4x "Sir"
zu sagen, ohne einmal dazwischen Luft holen zu müssen.
"Wenn das alles ist, dann verschwinde. Ich habe
keinen Hunger. Komm wieder, wenn es Zeit fürs Abendessen ist."
"Aber es ist Zeit fürs Abendessen, Sir. Es
ist jetzt genau zwanzig nach sieben, Sir.", erklärte Twinkey.
Snape stöhnte auf. Hatte er etwa den ganzen Tag hier
im Sessel verbracht? Anscheinend, denn ohne es zu merken hatte er scheinbar
eine ganze Flasche 'Chateau Margaux' getrunken. Mit einem Wink gab er der
Hauselfe zu verstehen, dass er zum Essen kommen würde und schaute ihr zu, wie
sie durch die kleine Türe wieder verschwand.
Auf in den Kampf.
***
Hermione hätte am Liebsten auf der Stelle kehrt
gemacht, als sie sah, dass Snape anwesend war, doch eine überaus aufgebrachte
Madame Sprout hatte sie bereits entdeckt und in Beschlag genommen. Die
rundliche Kräuterhexe, knapp einen Kopf kleiner als Hermione, beschrieb ihr bis
ins kleinste Detail den Vorfall mit Gewächshaus Nummer drei und vier, die
daraus entstandenen Schäden und den Zustand des übrigen Gartens, so dass sie
keine Möglichkeit sah, sich davon zu stehlen. Madame Sprout schwatze immer
noch, als ihre Zuhörerin sich von ihr abgewandt und hingesetzt hatte, und die
kleine Hexe selbst bereits auf dem Weg zu ihrem eigenen Platz neben Dumbledore
war.
Snape wartete geduldig, bis das Essen vor ihnen
erschien, bevor er sie ansprach: "Miss Granger, ich..." Weiter kam er
nicht, denn sie drehte sich provokativ von ihm weg und begann ein Gespräch mit
Professor Vector. Nicht nur einmal: Nein - jedes Mal, wenn Snape etwas zu ihr
sagte, wandte sie sich von ihm ab und bemühte sich, ihn zu ignorieren. Snapes
Mundwinkel zuckten, hatte er ja nichts anderes von ihr erwartet.
Kaum war das Abendessen beendet, stand Hermione so
rasch als möglich auf und verliess den Saal, ohne den Tischnachbar zu ihrer
Linken eines Blickes zu würdigen.
'Phase I erfolgreich abgeschlossen. Zehn Minuten
Vorsprung sollten reichen...'
Nach exakt zehn Minuten stand er ebenfalls auf,
verabschiedete sich von den übrigen Anwesenden und schritt gemächlich aus dem
Saal. Die Treppe hoch und an der Bibliothek vorbei, blieb er an der dritten
Türe links davon stehen. Phase II wurde damit in Angriff genommen.
Hermione trat gerade aus der Dusche heraus, als es an
der Türe klopfte. 'Das muss Minerva sein, die zu ihrem obligaten Abendumtrunk
vorbei schaut.', dachte sie und rief: "Herein, es ist offen.",
während sie im Badezimmer ihre Haare frottierte. Diese Dusche hatte sie bitter
nötig gehabt – wenn auch nur um ihre Gedanken sortieren zu können. Nun befand
sich ihr Gemütszustand wieder im Gleichgewicht, wenn dieser auch ziemlich
fragil war. Leise sang sie vor sich hin, während sie ihr Spiegelbild
beobachtete.
Snape schaute sich um und bemühte sich nicht zu
versuchen, einen Blick ins Badezimmer zu erhaschen, dessen Türe einladend weit
offen stand. Er war noch nie in Hermiones Quartier gewesen, und so richtete er
seine Aufmerksamkeit statt dessen auf ihr überquellendes Bücherregal, bis der
Tisch in der Mitte des Zimmers ihn die Bücher vergessen liess.
Aufgetürmt lagen dort in einem Meer aus Packpapier
ihre Weihnachtsgeschenke. Es dauerte nicht lange, bis er den eigentlichen Grund
für sein Kommen - die kleine, unscheinbare Schachtel - ausgemacht hatte. Phase
II entpuppte sich als einfacher, als er zuerst angenommen hatte. Ein flinker
Handgriff, und die Schachtel mitsamt Inhalt verschwand in seiner Robentasche.
Genau rechtzeitig, denn Hermione verliess in diesem
Moment das Badezimmer, die Haare in ein Handtuch gewickelt und nur mit einem
Bademantel bekleidet. "Professor Snape!", rief sie überrascht.
"Miss Granger", erwiderte er und senkte
leicht den Kopf, ohne dass im aber auch nur das kleinste Detail ihrer
Erscheinung entging.
"Was...", begann sie, doch hielt inne, als
er seine Hand hob.
"Ich wollte mich nur bei Ihnen für mein
unangebrachtes Verhalten und die despektierliche Bemerkung beim Frühstück
entschuldigen. Beim Abendessen schienen Sie mit Professor Vector so im Gespräch
vertieft gewesen zu sein, dass ich Sie nicht unterbrechen wollte."
"Äh... nun... ja... ähm...", stotterte
Hermione zur Antwort und spürte, wie sie schon zum dritten Mal an diesem Tag
vor Snape rot anlief.
"Und nun will ich Sie nicht länger aufhalten.
Einen schönen Abend noch, Miss Granger.", verabschiedete sich Snape nach
seinem kurzen Auftritt bereits wieder, und fügte noch ein "und frohe
Weihnachten" hinzu, als er die Türe bereits am schliessen war.
"Ihnen auch", sagte Hermione schliesslich
mit einiger Verzögerung zur geschlossenen Türe.
'Phase II beendet.', bestätigte er sich als er auf dem
Weg zu seinem eigenen Quartier war, dem Gefühl eines kantigen Gegenstandes in
seiner rechten Tasche überaus bewusst.
Als erstes, kaum war er im Kerker angekommen,
durchschritt er nochmals seine privaten Räume um sicher zu stellen, dass alles
so war, wie er es haben wollte. Im Schlafzimmer blieb er einen Moment länger
stehen und betrachtete das Bett. Die Vorhänge waren auf allen vier Seiten
zurück gezogen und gaben am Kopfende den Blick auf die nackte Wand frei.
Normalerweise liess er den Vorhang an diesem Teil des Bettes geschlossen, denn
vor allem im Winter strahlte die steinerne Wand eine unangenehme Kühle ab.
Doch die Wand hatte einen ganz bestimmten Vorteil, der
(hoffentlich) in dieser Nacht durchaus von Nutzen sein könnte: Genau in der
Mitte, etwas oberhalb der Matratze, war ein faustgrosser, eiserner Ring
eingelassen. Als Snape in Hogwarts angefangen hatte zu unterrichten und zum
ersten Mal sein neues zu Hause in Augenschein genommen hatte, hatte er beim
Anblick dieses Ringes doch ziemlich gestutzt. Mehr als einmal hatte er sich
gefragt, ob Hogwarts vielleicht nicht doch früher einmal einen Folterkeller
besessen hatte – wie Filch immer behauptete –, und er in eben diesem
untergebracht worden war. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, den eisernen
Gegenstand entfernen zu lassen, und hatte statt dessen einfach den Bettvorhang
geschlossen gelassen. Nun kam ihm dies zu Gute. Ob er damals wohl schon geahnt
hatte, wie dienlich dieser Ring ihm einmal sein könnte?
Mit seinem Quartier zufrieden, setzte er sich an den
Kamin und schenkte sich ein frisches Glas Wein ein. Dann holte er die kleine
Schachtel aus seiner Tasche, entnahm den Inhalt und legte sie leer auf den
Beistelltisch neben sich. Hermiones Geschenk verschwand abermals in seiner
Tasche. Und nun würde er warten.
Nicht lange, und es klopfte laut und heftig an seiner
Tür.
Mit einem Schmunzeln auf den Lippen rief er in einem
galantem Tonfall: "Herein."
Phase III hatte soeben begonnen.
~~~ Ende Teil 1 ~~~
TBC...
Frustriert? *hehe*... Ich auch :-((
Ok, ich gebe es zu: Ich habe es nicht geschafft, mein
Versprechen zu halten, was das Übereinstimmen des Ratings mit diesem Kapitel
betrifft... aber ich arbeite daran! Ehrlich!... Und die Chancen stehen gut!
