Erkenntnisse - Teil 2
Flucht
Als Cara die Treppe runterstieg, hörte sie das regelmässige Geräusch
vom Aufschlagen auf einen Sandsack. Langsam, auf den Teller achtgebend, kam
sie die Treppe runter. Erst als sie unten stand, sah sie woher das Geräusch
kam. Angel schlug tatsächlich auf einen Sandsack ein. Er traktierte ihn
richtiggehend. Cara setzte sich auf die unterste Stufe und den Teller auf den
Schoss. Sie beobachtete Angel eine Weile. Langsam konnte sie verstehen, warum
ihre Mutter damals so auf ihn abgefahren war. Er sah verdammt gut aus für
seine - was hatte ihre Mutter nochmals nachgerechnet? - knapp 260 Jahre. Wenn
sie ihr glauben konnte. Selbst schätzte sie ihn nicht älter als vielleicht
25 Jahre.
Als Angel fertig war mit dem Sandsack, bemerkte er Cara. "Oh, hi. Du wolltest
zu mir?" Er setzte sich neben sie auf die Treppe.
"Ja.", sagte sie mit vollem Mund. Dann schluckte sie den Bissen halbgekaut
herunter und holte einmal tief Luft. "Mum hat mit mir geredet. Sie hat
mir ihr sogenanntes Geheimnis anvertraut. Allerdings wäre ich froh, wenn
sie es mir nicht erzählt hätte.", begann Cara.
"Was genau hat sie dir erzählt?", fragte Angel.
Cara sah ihn einen Moment lang irritiert an. "Sie hat gesagt, sie wär
so eine Jägerin. Eine Auserwählte. Was weiss ich..." Cara zuckte
genervt mit den Schultern. "Und sie würde schon seit mehr als 20 Jahren
Vampire und Dämonen jagen."
Angel erkannte den ungläubigen Blick in ihren Augen. Dann schwiegen sie
einen Moment.
Cara versuchte, die richtigen Worte zu finden. "Das war noch nicht alles.
Sie hat mir nichts verschwiegen, aber auch gar nichts. Und dann hat sie auch
noch angefangen, von dir zu erzählen..." Cara versuchte, ihre Aufgewühltheit
zu verdecken. Irgendwie machte Angel sie nervös. Warum, wusste sie nicht.
War ihr auch egal.
Wenn Buffy wirklich alles gesagt hatte, dann wunderte sich Angel, warum Cara
ausgerechnet zu ihm gekommen war.
"Ist es wahr, dass du und Mum mal zusammen ward?", fragte Cara dann
unverblümt.
Angel nickte.
"Ich kann mir das zwar kaum vorstellen.", fügte sie dann hinzu.
"Wieso nicht?", fragte Angel. Cara schien die Tatsache tatsächlich
zu verdrängen, dass er wirklich ein Vampir war.
"So, wie sie sich angehört hat, war das einige Jahre, bevor ich auf
die Welt gekommen bin. Und da war sie schätzungsweise so alt wie ich jetzt.
Und ich schätze dich wesentlich jünger als Mum.", antwortete
sie.
Angel musste schmunzeln.
Er stand auf, denn er wollte noch eine Runde trainieren, bevor er wieder raufging.
"Hast Lust, deine Wut ein wenig rauszuhauen?", bot er ihr an.
"Ja, wieso nicht?", nahm sie das Angebot an.
Angel stand erstaunt auf die Seite, als Cara gekonnt auf den Sandsack einhaute.
Fast so wie ihre Mutter, fiel ihm auf.
Im Keller gab es ein kleines Fensterchen, durch das die untergehende Sonne schien.
Angel bemerkte das. Doch statt er dem Licht aus dem Weg ging, wie sonst immer,
hielt er nun eine Hand voll hinein. Er nahm die Schmerzen in Kauf. Er hoffte,
Cara würde nicht allzu sehr erschrecken. Denn im Moment war sie etwas verschlossen
und konnte jeden Moment wieder abhauen.
Cara sah, wie Angel eine Hand ins Sonnenlicht hielt. So, wie wenn es etwas gefährliches
war. Das machte sie stutzig. Doch als sie sah, wie er anfing zu brennen, ohne
dass auch nur irgendwas passiert war, erschrak sie. Sie löste sich vom
Sandsack und rannte die Treppe wieder hoch. "Was bist du?", rief sie
schockiert. In ihren war die Wut förmlich am Flackern. Es grenzte schon
fast an Hass. Ihr Kopf sträubte sich gegen dass, was sie eben gesehen hatte.
Das konnte nicht sein. Nein, das war unmöglich.
"Ich bin das, was du ein Vampir nennst.", antwortete ihr ehrlich.
Cara sah ihn mit wütenden Augen an. Sie funkelten. "Nein.", rief
sie und rannte hinauf und aus der Tür.
Angel sah ihr nach, die Hand hatte er längst aus der Sonne gezogen. Die
würde bald untergehen. Er rannte nun selbst die Treppe hoch. "Cara.
Warte!", rief er. Doch die war bereits völlig aufgelöst durch
die Hotelhalle nach draussen verschwunden.
Hier hatte wohl jeder einen Knall. Erst Mum, dann hatte Cordy was erwähnt
und Angel erst recht!
Sie rannte mit Tränen in den Augen die Strasse runter.
Oben angekommen sah Angel eine total verblüffte Cordy und eine ebenso verblüffte
Faith.
"Was ist denn mit der los?", fragte Cordy nach ein paar Augenblicken.
"Buffy hat mit ihr gesprochen. Und nun hat sie Schwierigkeiten, es zu verstehen...",
meinte Angel. "Kannste mir mal den Erste-Hilfe-Kasten geben?", fragte
er dann. Er hielt die verbrannte Hand hoch. "Oh, was hast denn damit gemacht?",
fragte Faith, während Cordy, den Kasten holte.
"Ne kleine Demonstration.", antwortete Angel. "Das Ergebnis konnten
wir ja sehen.", meinte Cordy, während sie ihm die Hand verarztete.
"Faith, kannst du sonst mal nach ihr suchen? Ich mach mir Sorgen um sie.
Sie kann sonst wohin gegangen sein.", bat er Faith.
"Klar.", meinte Faith und war schon unterwegs.
"Ahhh..."
"Halt mal still." Cordy tupfte die Hand mit einem Desinfektionsmittel
ab. Sie wusste, dass das Zeug höllisch brannte.
"Was hast du dir dabei gedacht?", fragte sie ihn dabei vorwurfsvoll.
"Ich wollt sie doch nicht erschrecken..."
"...aber genau das hast du geschafft. Jetzt vertraut sie keinem mehr. Das
Mädchen braucht Abstand, um darüber nachzudenken, und es zu begreifen.",
unterbrach sie ihn.
"Was wird das? Verhör eines Patienten?", fragte er
"Nein, so war es nicht gemeint. Aber versetz dich doch mal in ihre Lage.
Sie hat mehr oder weniger 16 Jahre ganz normal ihr Leben verbracht - ohne irgendwelche
dunklen Wesen. Und dann soll sie von einem Tag auf den anderen die Welt, die
sie bisher kannte, über Bord werfen und die neue einfach so respektieren?
Ich glaube nicht, dass selbst Buffy das damals geschafft hatte. Du erinnerst
dich doch sicher noch daran, wie du sie beobachtet hast, als sie berufen'
wurde. Wie hat sie damals reagiert, huh?" Cordy hatte sich in Fahrt geredet.
Und sie hatte nicht mal Unrecht.
Angel schaute zu Boden. Wieso schaffte es Cordy immer wieder, ihm seine Fehler
mehr als deutlich zu machen?
"So, fertig.", meinte Cordy dann als sie mit Angels Hand fertig war.
"Danke.", meinte er und machte sich auf den Weg nach oben, in seine
Wohnung.
Eine Stunde später
kam Faith wieder zurück. Sie hatte Cara nicht gefunden. "Ich hab jeden
Zentimeter im Umkreis von 10 Meilen abgesucht - nichts.", erklärte
sie entschuldigend.
"Okay, dann suchen wir sie jetzt zu zweit.", meinte Angel, denn die
Sonne war gerade untergegangen. Die beiden stürmten raus zum Auto., allerdings
nicht unbewaffnet. Man konnte schliesslich nie wissen. Sie suchten die Stadt
nochmals systematisch ab. Drehten praktisch jeden Fetzen Papier auf der Strasse
um, schauten in jeder noch so kleinen und noch so dunklen Gasse nach. Cara konnte
doch nicht einfach so verschwunden sein.
"Stopp! Da hinten ist eine Gruppe Vampire.", meinte Faith und zeigte
auf eine Seitengasse. Ihr Spürsinn war phänomenal. Sie bemerkte die
Vampire meist lange, bevor sie überhaupt die betroffene Strasse sehen konnten.
Angel bog in die Seitengasse und hielt an. Da war tatsächlich eine Gruppe
Vampire, doch sie waren mit irgendwas beschäftigt. Sie schienen zu streiten.
So konnten Angel und Faith unbemerkt näher kommen. Plötzlich stoppte
Angel und hielt Faith zurück. "Cara,", flüsterte er nur.
Sie nickte. Mit einem Blickwechsel war klar, wie sie vorgehen wollten. Ohne
gross nachzudenken, ging jeder auf seinen Platz. Faith versteckte sich hinter
einem Stapel Karton. Sie wusste, was sie zu tun hatte. Cara rausholen.
Angel setzte sein Game-Face auf. Dann ging er auf die Gruppe zu. "Oh, ihr
feiert ne Party und ich bin nicht eingeladen?", machte er sich bemerkbar.
Sofort drehten sich mehrere verdutzten Vampir-Gesichter zu ihm um. "Verschwinde!",
zischte einer.
"Hey, wohl noch nie von Gastfreundlichkeit gehört?", erwiderte
Angel.
Nun erkannte auch Cara die Stimme. Angel. Doch sie erschrak erneut als sie sein
Gesicht sah. Es war nichts mehr menschliches daran. Er sah aus wie die anderen,
die sich nicht einigen konnten, wer zuerst an ihren Hals durfte.
Was wollte Angel hier?
"Verschwinde!", wurde Angel erneut angezischt. Doch er überhörte
es erneut und kam näher auf die Gruppe und auf Cara zu. Diese bekam es
jetzt mit der Angst zu tun. Sie hatte Angst, doch noch gebissen zu werden. Und
vor allem hatte sie Angst vor Angel. Was wollte er? Beissen? Sie hatte es gewusst.
Warum war sie bloss zu ihm gegangen?
"Ihr könnt euch doch sowieso nicht einigen, wer zuerst ran darf. Warum
lasst ihr mich nicht?", fragte Angel provokativ.
Der Wortführer, der ihn vorhin angezischt hatte, wechselte mit seinem Nachbar
einen Blick. Dann griff er Angel an. Doch dieser hielt ihm nur eine Hand hin.
Aus dem Handgelenk schoss ein Pflock und so zerfiel der Angreifer schneller
zu Staub als ihm vielleicht lieb war.
Faith beobachtete aus ihrem Versteck das Geschehen. Innerlich musste sie schmunzeln.
Diese Idioten fielen doch immer wieder drauf rein. Dabei waren sie nicht unbekannt.
Sie sah, wie Angel den ersten Angreifer pulverisierte und von der Gruppe angegriffen
wurde. Das war ihr Zeichen. Nun waren die Vampire abgelenkt. Faith rannte rüber
zu Cara und befreite diese. "Los, komm!" Faith zog die verängstige
Cara zum Auto. "Warte hier und duck dich!" Cara nickte. Und schon
war Faith wieder bei Angel. Dieser hatte gerade zwei Vampire am Hals. Die beiden
hatten ihn an den Armen gepackt und ein dritter wollte ihn in den Schwitzkasten
nehmen. Doch Angel kam ihm zuvor und machte einen Salto, so dass er hinter die
beiden Vampire kam. Kurz darauf waren sie auch schon zu Staub geworden.
Angel und Faith erledigten die ganze Gruppe. Es entkam keiner.
"Ouf, ich hätte nicht gedacht, dass der alte Trick immer noch haut.",
meinte Faith, während sie und Angel zurück zum Auto gingen.
"Na ja, zum Glück hatte er auch diesmal hingehauen.", erwiderte
Angel. Er machte die Autotür auf und setzte sich hinter das Lenkrad, Faith
auf den Beifahrersitz. Angel startete den Wagen, während sich Faith nach
hinten drehte
"Cara? Du kannst wieder hochkommen. Es ist vorbei.", sagte sie.
Langsam kam Caras Kopf zum Vorschein. "Und? Habt ihr sie alle gemacht?",
fragte Cara neugierig. Faith nickte. "Haben wir."
"Entschuldige bitte, wenn ich dir vorhin Angst eingejagt habe. Aber es
ging nun mal nicht anders.", entschuldigte sich Angel.
To be continued.
