Dieses Kapitel ist PJ gewidmet, einem guten Freund und Kritiker! Alles
Gute!
Kapitel 9 - Auf der Schwelle
"Wie hast Du das gemacht?" Arik war ein einziges Bild des Zorns, als er sich schließlich aus seiner Erstarrung löste und einen Schritt auf Maeriel zumachte. Einen vorsichtigen Schritt. Maeriel wich zurück, als sie das Wechselbad der Emotionen auf seinem Gesicht betrachteteund wäre beinahe gestürzt, da ihr ihre Körper kaum noch gehorchte.
"So etwas wird wieder passieren", gab sie vor, obwohl sie selbst nicht wusste, was ihr soeben geschehen war. Ihre Hände zitterten unkontrolliert und ein scharfer Schmerz rumorte in ihrem Kopf und erlaubte es ihr kaum einen klaren Gedanken zu fassen. "Ich warne Euch."
Arik machte eine abwertende Geste. Sein anfänglicher Schrecken wich kühler Berechnung.
"Du warnst mich? Wenn Du etwas Derartiges kontrollieren könntest, wärst Du nicht hier bei mir." Er erlaubte sich ein herablassendes Lächeln. "Aber es steckt in Dir, wie es scheint." Seine Stirn furchte sich und Maeriel konnte ohne große Mühe erkennen, dass er überlegte, wie er seine Entdeckung am besten nutzen konnte.
Im selben Moment wurde der Vorhang zu dem Schlafgemach aufgerissen und Alwina erschien, dicht gefolgt von zwei Kriegern. Im Hintergrund des Zeltes konnte Maeriel zwei oder drei der anderen Stammesfürsten ausmachen, die ihr mit versteinerten Gesichtern entgegensahen.
Ihre Knie gaben nach und sie musste sich auf das Bett setzten. Das Zittern erreichte ihre Schultern und ließ sie erbeben. Sie musste einige Male blinzeln, um den Schwindel zu vertreiben, der sich ihrer bemächtige. Fast war es, als würde etwas alle Kraft aus ihrem Körper ziehen.
Alwina, in deren blondem Haar schmelzende Eiskristalle funkelten, wirkte zutiefst erschrocken.
"Arik, wir haben Feuer und Rauch gesehen." Vorsichtig blickte sie sich um und es war deutlich zu erkennen, wie verwundert sie war, keine Spuren von dem vermuteten Inferno zu sehen. Mit ungläubiger Miene berührte sie den dünnen Stoff des Vorhangs, sich selbst einen Beweis gebend, dass das, was sie sah, real war. "Was ist passiert?"
Ariks Blick huschte unterdessen zu den Kriegern, die die Szene interessiert mit ansahen und beeilte sich zu versichern:
"Nichts. Ihr habt Euch wohl getäuscht. Ich habe lediglich einige Lampen entzündet."
Maeriel konnte das Gespräch nur noch wie aus weiter Ferne verfolgen. Ihre Sicht trübte sich immer weiter, bis von den Bildern ihrer Umwelt nur noch dumpfe Schemen zurückblieben. Irgendwann verschwand alles, das Zelt, die Personen. Sie fühlte noch, wie sich ihre Wange an weiches Fell drückte, doch dann glitt sie hinüber in einen Kokon von Wärme und Weichheit, der sie wie eine zweite Haut zu umschließen begann.
Der Zustand kam ihr wagte bekannt vor, doch ihr Kopf, der nur noch aus Schmerz und Hitze zu bestehen schien, gab ihr keine Antwort auf ihre Fragen. Sie gab sich der fast väterlichen Umarmung ihres Wahns hin und es überraschte sie kaum, dass auf einmal die Stimme wieder erklang, jene Stimme, die das Feuer geschaffen hat.
'Du solltest nicht mit mir kämpfen, Maeriel', sagte sie sanft, aber bestimmt. 'Es wird Dir nur schaden.'
Maeriel versuchte, ihren Mund zu öffnen und zu reden, dem Geheimnis der Sprache auf den Grund zu kommen, doch es gelang ihr nicht. Irgendwann, nach einem ewig dauernden Moment, nicht wissend warum sie es tat, begann sie, in Gedanken zu reden.
'Wer immer Du bist, verschwinde aus meinem Kopf', flüsterte sie. 'Früher warst Du nicht da, warum quälst Du mich jetzt?'
'Dein Elbenheim hat Dich geschützt, die Magier Deiner Tante, die sehr wohl weiß, dass ich immer bei Dir bin. Aber Du bist fortgelaufen und ich konnte endlich zu Dir sprechen, so wie ich es wollte.' Ein weiches Lachen klang in Maeriel Kopf wider. 'Du wirst niemals wieder allein sein.' Maeriels Innerstes verkrampfte sich. Auch wenn die Stimme sehr freundlich klang, waren ihre Worte doch erschreckend. 'Jedes Mal, wenn der Wunsch in Dir erwächst, etwas zu tun, das außerhalb Deiner körperlichen Kräfte steht, dann werde ich stärker. Und sieh es ein, Kind. Nur mit mir wirst Du etwas Besonderes sein.'
'Nein!', rief Maeriel wütend. 'Ich brauche Dich nicht. Und ich werde Deine Kräfte nicht wieder in Anspruch nehmen.' Die Antwort auf ihre Weigerung war eine Welle von Schmerz, die durch ihre Körper flutete. Sie ächzte innerlich und lehnte sich nur mit großer Mühe gegen die Versuchung auf, die Macht der Stimme zuzulassen. 'Du wirst keinen Einfluss mehr auf mein Leben haben.'
'Aber wenn Du der Versuchung nicht widerstehst, meine Hilfe in Anspruch zu nehmen, dann gibt es kein Zurück mehr für Dich. Dann musst Du mit mir zusammen leben und auch die Entscheidungen akzeptieren, die ich für Dich treffe', mahnte die Stimme triumphierend.
'Bist Du das Verderben, das auf mir liegt?', fragte Maeriel, innerlich schreiend. 'Sag es mir, hast Du den Tag meiner Geburt verflucht?'
'Der Fluch ist nicht, dass ich bei Dir bin, sondern, wie Du damit leben wirst. Wie auch immer Du Dich entscheidest, es wird Dein Unglück sein.'
'Lass mich in Frieden', verlangte Maeriel ein weiteres Mal. Bitterkeit durchflutete sie nach dieser Nachricht, die etwas beschrieb, das sie stets geahnt, aber niemals gewollt hatte. 'Wie sehr Du mich auch bestrafst, ich werde Dir nicht erlauben, Kontrolle über mich zu erlangen.'
'Das ist zu spät, und Du weißt es.' Die Stimme sprach noch diesen letzten Satz, dann verhallte sie, bis Maeriel nur noch das Blut in ihren Ohren rauschen hörte. Sie verharrte in der Ruhe, die zurückgeblieben war und irgendwann glitt sie in den Schlaf hinüber.
***
"Maeriel, wach auf!", forderte eine energische Stimme. Ein kühler Lappen senkte sich auf ihre heiße Stirn in dem Moment, als ihr Bewusstsein zurückkehrte. Mit Mühe öffnete Maeriel die Augen, ließ die drückende Erinnerung für einen Moment zurück. Sie blickte in Alwinas besorgtes Gesicht, über das nun ein Lächeln flog. "Ah, da bist Du wieder. Wir haben uns Sorgen um Dich gemacht."
"Sorgen?" Maeriel setzte sich auf. Sie lag in Ariks Bett und trug ein weites Hemd, wie für eine Kranke gemacht. "Ich habe doch nur ganz kurz geschlafen." Anders konnte sie der anderen jungen Frau die Geschehnisse nicht erklären.
"Nein, dies ist der Morgen des dritten Tages, der seit Deinem Zusammenbruch vergangen ist. Du hattest hohes Fieber und keiner unserer Heiler konnte Dir helfen." Alwinas kluge Augen sprachen Bände. "Arik hat mir erzählt, was geschehen ist. Feuer ohne Feuer. Du bist eine Zauberin."
"Niemals", wehrte Maeriel ab. Sie wollte sich nicht erneut auf ein Gespräch über das einlassen, was sie in die Tiefen ihres Kopfes zu verbannen suchte. "Es ist einfach geschehen und ich weiß nicht, warum." Zu ihrer Erleichterung wollte Alwina nicht noch mehr wissen, sondern reichte ihr einen Kelch mit Wasser, das Maeriel gierig trank. Die Flüssigkeit schien die letzten Reste von Hitze aus ihr zu vertreiben und fast augenblicklich spürte sie, dass ihre Kräfte zurückkehrten.
Sie atmete einige Male tief durch, erfreut über die Besserung. Sie konnte klar denken, ohne Störung einer fremden Stimme. War das Gespräch während ihres Fiebers nur ein Traum gewesen? Sie war bereits einmal von dieser derartigen Krankheit befallen worden, die wirren Erinnerungen von damals verfolgten sie heute noch. Es war sehr gut möglich, dass die zwei Stimmen in ihrem Kopf ihr selbst gehörten, ihre Verwirrung ausdrückten und sich während des Fiebers manifestiert hatten.
Aber das Feuer war absolut unerklärlich. Sie hatte nie auch nur das geringste magische Talent gezeigt, was ihr in ihrer Heimat viel Spott und Hohn eingetragen hatte, zumal ihre Eltern beide sehr mächtig gewesen waren.
"Arik ist fort", sagte Alwina plötzlich und diese Nachricht riss Maeriel endgültig aus ihren Überlegungen. Gestern Nacht ist er aufgebrochen, um herauszufinden -."
"Was?" Maeriel beugte sich gespannt vor. Alwina lächelte kläglich.
"Die Rhûnländer sind abgezogen, am gestrigen Abend, völlig überraschend. Sie haben die meisten Pferde mitgenommen und auch die Vorräte, die sie für uns bereitstellen wollten. Arik verfolgt sie mit den meisten seiner Leute, um ihre Gründe herauszufinden."
Maeriel war über die Nachricht erstaunt, aber sie traf sie nicht völlig unvorbereitet. Der Pakt mit den Bewohnern der Ebene hatte stets auf schwachem Grund gestanden und nun war es geschehen.
Sie schwang die Beine über die Bettkante, erleichtert, weil sie Arik nicht begegnen würde. Ihr lief beim Gedanken an ihn ein Schauer über den Rücken. In dem Moment, in dem er versucht hatte, sich ihr mit Gewalt aufzuzwingen, hatte er das wenige an Vertrauen, das zwischen ihnen herrschte, unwiederbringlich zerstört.
"Ich hätte gern meine Kleidung zurück", bat sie. "Ich möchte dieses Zelt verlassen."
Alwina zuckte ein Stück zurück und blickte Maeriel skeptisch an, doch dann nickte sie und ging davon.
Warum Ariks Schwester gezögert hatte, bekam Maeriel einige Zeit später zu spüren, als sie an Alwinas Seite durch das Lager ging. Sie trug einen neuen, warmen Mantel, den das junge Mädchen ihr aufgezwungen hatte, doch es war allein ihre alte Kleidung, die sie gegen alle Widrigkeiten zu schützen schien. In den drei Tagen hatte sich eine tiefe Schneeschicht über der Ebene gebildet, das kalte Weiß lag auf den Zelten und fiel noch immer leicht vom Himmel.
Maeriel wollte möglichst viel vom Lager sehen, um sich im Fall eines Fluchtversuchs besser orientieren zu können. Sie prägte sich die Wege ein, die Position der Pferdekoppeln und die Orte, an denen Lebensmittel und andere Versorgungsgüter gelagert wurden. Alwina zeigte sich als geduldige Führerin, auch wenn sie auffallend nervös war.
Nach einiger Zeit machten sie sich auf den Rückweg. Maeriel beobachtet sinnend die Menschen, die in den Zelten hausten und ihr mit Neugierde und auch Abscheu entgegenblickten, ihr, die es warm und komfortabel hatte. Die hohläugigen Kinder, die bei ihrem verhärmten Müttern saßen, boten einen Anblick, der Maeriel tief erschreckte. Sie sah erstmals mit eigenen Augen, warum Arik und sein Volk fortgegangen waren. Aber es bleib abzuwarten, ob der Weg, den die Normänner eingeschlagen hatten, der Richtige war.
Plötzlich stellten sich ihnen einige Krieger in den Weg. Maeriel erkannte den Stammesführer, mit dem Arik bei ihrer Ankunft im Lager gesprochen hatten. Mit vor der breiten Brust gekreuzten Armen stand er da und betrachtete sie, so als sei es sein gutes Recht.
Alwina packte Maeriels Hand und zog sie mit sich. Zu verblüfft, um zu reagieren, folgte sie ihr ohne Einspruch. Sie liefen über die verschlungenen Pfade zwischen den Zelten, sprangen über Spannschnüre und schauten immer wieder zurück. Maeriel erschrak, als sie sah, dass die Krieger ihnen folgten, langsam, aber unerbittlich. Erst als sie wieder in Ariks Zelt angekommen waren, vor dem einige Arik treue Krieger standen, löste Alwina ihren Griff. Ihr Gesicht war von Bestürzung gezeichnet.
"Was wollten die Krieger von mir?", wollte Maeriel wissen.
"Ich hätte nicht gedacht, dass sie so aufdringlich werden würden." Alwina atmete tief durch und umschlang sich mit den Armen, von Kälte und Furcht ergriffen. "Du musst wissen, dass in unserem Stamm eine Ehe erst gültig ist, wenn sie vollzogen wurde. Und, nun ja -." Trotz ihrer direkten Art wurde Ariks Schwester ein wenig rot. "Es gab genug Zeugen, dass in jener Nacht zwischen Arik und Dir nichts geschehen ist. Jeder andere Stammesführer kann Euch nun, wenn er Euer habhaft wird, ehelichen. Keiner von ihnen wird so rücksichtvoll wie mein Bruder sein, das habt Ihr jetzt gesehen. Es ist besser, wenn Ihr hier im Zelt bleibt."
Maeriel sparte sich eine scharfe Entgegnung über Ariks Rücksichtnahme. Wieder einmal war sie gefangen, doch dieses Mal war es ihr gleich.
***
Maeriels Tage vergingen in stumpfer Agonie. Wenn sie nicht schlief oder Alwina zu Besuch kam, lag sie auf dem großen, pelzbedeckten Lager und starrte an die Decke des Zeltes, das sich unter der Last des Schnees nach unten bog.
Zu ihrem Ärger hatte man alle Waffen und Dinge, die man als solche benutzen konnte, aus ihrem Umfeld entfernt. Die Fluchtpläne, die sie anfangs noch geschmiedet hatte, erwiesen sich sämtlich als undurchführbar und so sehr sie sich auch bemühte, die Verzweiflung nahm überhand.
Es war der Abend des sechsten Tages, den sie im Lager verbracht hatte, als Maeriel vom Bett aufstand und ihre müden Glieder reckte. Sie war es Leid zu warten und ihre Hoffnung verrinnen zu sehen. Vorsichtig trat sie an die Zeltplane, griff darunter und begann, an dem dicken Stoff zu zerren. Anfangs bewegte sich nichts, die Schnüre des Zeltes waren zu straff gespannt, um es ihr zu erlauben, die Plane zu heben. Dann gab der Stoff nach und Maeriel riss ein Loch hinein, das sie vorsichtig und so leise wie möglich vergrößerte.
Kalte, feuchte Luft schlug ihr entgegen, als sie sich hinaus in die Dunkelheit zwängte. Draußen fiel der Schnee dicht und schwer. Maeriel blickte sich um, orientierte sich kurz und schlich los. Ihre Schuhe machten kein Geräusch, als sie über den Schnee ging, ihrer elbischen Natur dankend.
Sie begegnete keinem Menschen. Abwägend, ob sie den kurzen Weg quer durch das Lager nehmen sollte, der an den bewachten Zelten der Stammesführer vorbeiführte, oder den langen Weg außen herum. Beide würden sie zu den Koppeln führen, wo Legolas Pferd auf sie wartete.
Sie entschied sich für den kurzen Weg. Dicht an die Zelte gepresst, eilte sie durch das Halbrund des innersten Kreises. Die Wachen der Stammesführer hatten sich bis an den Eingang der Zelte zurückgezogen, um dem Unbill der Witterung zu entgehen. Maeriel lächelte in sich hinein.
Stimmen erklangen in ihrer Nähe und sie zuckte zusammen. Doch die gepressten Laute klangen durch die Wand eines Zeltes. Maeriel wollte schon weitergehen, als ihr einige Worte förmlich entgegensprangen.
"Arik wird sich noch wünschen, dieses Weib niemals entführt zu haben", sagte eine der Stimme, die Maeriel sofort erkannte. Es war der Stammesführer, der ihr und Alwina aufgelauert hatte. "Die Elben werden ihretwegen in den Krieg ziehen, sind vielleicht schon auf dem Weg. Die Rhûnländer haben die Schwänze eingezogen und sind geflohen. Arik wird sehr schnell begreifen, welche Probleme seine Gier nach Macht geschaffen hat."
"Was werden wir tun, Swaeren?", erkundigte sich eine andere, Maeriel unbekannte Stimme. "Du sagtest, wir werden diese Sache problemlos überleben. Nur wie?"
"Ich habe mit den Rhûnländern eine Vereinbarung getroffen. Wenn die restlichen Männer in den Krieg gegen die Elben ziehen, dann werden wir im Lager bleiben und alle verbleibenden -."
Die Stimmen verstummten abrupt. Maeriel zuckte zurück und lief eilig weiter, doch in der nächsten Deckung verharrte sie. Während sich Schnee auf ihren Schultern und in ihrem Haar sammelte, versuchte sie, das soeben Gehörte zu verarbeiten.
Swaeren plante offensichtlich einen Verrat, doch es war nicht zu erkennen gewesen, was er genau vorhatte. Eigentlich hätte es Maeriel gleich sein müssen, dass Ariks und seine Leute ins Verderben liefen, doch in dem Moment, in dem sie entschied, dass es ihr egal war, schoben sich die Bilder der Frauen und Kinder vor ihr geistiges Auge. Swaeren war noch skrupelloser als Arik und er würde für die Erfüllung seiner Pläne selbst über die Leichen Unschuldiger gehen.
Maeriel starrte in die Dunkelheit. Sie konnte fliehen, würde wahrscheinlich in nächster Zeit keine andere Möglichkeit dazu finden. Doch ihr Gewissen meldete sich, beschwor sie, zwischen ihrer Freiheit und der Sicherheit von Frauen, Kindern und Alten zu entscheiden.
'Geh!', sagte die Stimme in ihrem Kopf. 'Sie haben sich nie um Dich geschert, warum solltest Du Dich um sie kümmern?'
Maeriel straffte den Rücken und traf eine Entscheidung. Mit schnellen Schritten kehrte sie zu Ariks Zelt zurück. Doch ihr war kein Glück beschieden. Fackeln erhellten plötzlich die Nacht und Berittene drängten sich zwischen den Zelten hindurch. Die Männer umringten Maeriel und sie Blickte in grimmige, erschöpfte Gesichter.
Eines dieser Gesichter gehörte Arik. Er saß ab und trat auf sie zu, groß und offenkundig wütend.
"Ich muss Euch sprechen", brachte Maeriel hervor, obwohl sie sich ernsthaft zu fragen begann, was er nun tun würde. Arik betrachtete sie stumm. Sie sah Enttäuschung und Zorn in seinen Augen. Eine kleine Weile verging, die sich für Maeriel zu einer Ewigkeit dehnte. Dann drehte er sich um und ging davon. Seine Männer folgten diesem Beispiel nicht. Stattdessen kamen sie drohend auf Maeriel zu, die sich zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte, auf die unheimliche Stimme in ihrem Kopf gehört zu haben.
Kapitel 9 - Auf der Schwelle
"Wie hast Du das gemacht?" Arik war ein einziges Bild des Zorns, als er sich schließlich aus seiner Erstarrung löste und einen Schritt auf Maeriel zumachte. Einen vorsichtigen Schritt. Maeriel wich zurück, als sie das Wechselbad der Emotionen auf seinem Gesicht betrachteteund wäre beinahe gestürzt, da ihr ihre Körper kaum noch gehorchte.
"So etwas wird wieder passieren", gab sie vor, obwohl sie selbst nicht wusste, was ihr soeben geschehen war. Ihre Hände zitterten unkontrolliert und ein scharfer Schmerz rumorte in ihrem Kopf und erlaubte es ihr kaum einen klaren Gedanken zu fassen. "Ich warne Euch."
Arik machte eine abwertende Geste. Sein anfänglicher Schrecken wich kühler Berechnung.
"Du warnst mich? Wenn Du etwas Derartiges kontrollieren könntest, wärst Du nicht hier bei mir." Er erlaubte sich ein herablassendes Lächeln. "Aber es steckt in Dir, wie es scheint." Seine Stirn furchte sich und Maeriel konnte ohne große Mühe erkennen, dass er überlegte, wie er seine Entdeckung am besten nutzen konnte.
Im selben Moment wurde der Vorhang zu dem Schlafgemach aufgerissen und Alwina erschien, dicht gefolgt von zwei Kriegern. Im Hintergrund des Zeltes konnte Maeriel zwei oder drei der anderen Stammesfürsten ausmachen, die ihr mit versteinerten Gesichtern entgegensahen.
Ihre Knie gaben nach und sie musste sich auf das Bett setzten. Das Zittern erreichte ihre Schultern und ließ sie erbeben. Sie musste einige Male blinzeln, um den Schwindel zu vertreiben, der sich ihrer bemächtige. Fast war es, als würde etwas alle Kraft aus ihrem Körper ziehen.
Alwina, in deren blondem Haar schmelzende Eiskristalle funkelten, wirkte zutiefst erschrocken.
"Arik, wir haben Feuer und Rauch gesehen." Vorsichtig blickte sie sich um und es war deutlich zu erkennen, wie verwundert sie war, keine Spuren von dem vermuteten Inferno zu sehen. Mit ungläubiger Miene berührte sie den dünnen Stoff des Vorhangs, sich selbst einen Beweis gebend, dass das, was sie sah, real war. "Was ist passiert?"
Ariks Blick huschte unterdessen zu den Kriegern, die die Szene interessiert mit ansahen und beeilte sich zu versichern:
"Nichts. Ihr habt Euch wohl getäuscht. Ich habe lediglich einige Lampen entzündet."
Maeriel konnte das Gespräch nur noch wie aus weiter Ferne verfolgen. Ihre Sicht trübte sich immer weiter, bis von den Bildern ihrer Umwelt nur noch dumpfe Schemen zurückblieben. Irgendwann verschwand alles, das Zelt, die Personen. Sie fühlte noch, wie sich ihre Wange an weiches Fell drückte, doch dann glitt sie hinüber in einen Kokon von Wärme und Weichheit, der sie wie eine zweite Haut zu umschließen begann.
Der Zustand kam ihr wagte bekannt vor, doch ihr Kopf, der nur noch aus Schmerz und Hitze zu bestehen schien, gab ihr keine Antwort auf ihre Fragen. Sie gab sich der fast väterlichen Umarmung ihres Wahns hin und es überraschte sie kaum, dass auf einmal die Stimme wieder erklang, jene Stimme, die das Feuer geschaffen hat.
'Du solltest nicht mit mir kämpfen, Maeriel', sagte sie sanft, aber bestimmt. 'Es wird Dir nur schaden.'
Maeriel versuchte, ihren Mund zu öffnen und zu reden, dem Geheimnis der Sprache auf den Grund zu kommen, doch es gelang ihr nicht. Irgendwann, nach einem ewig dauernden Moment, nicht wissend warum sie es tat, begann sie, in Gedanken zu reden.
'Wer immer Du bist, verschwinde aus meinem Kopf', flüsterte sie. 'Früher warst Du nicht da, warum quälst Du mich jetzt?'
'Dein Elbenheim hat Dich geschützt, die Magier Deiner Tante, die sehr wohl weiß, dass ich immer bei Dir bin. Aber Du bist fortgelaufen und ich konnte endlich zu Dir sprechen, so wie ich es wollte.' Ein weiches Lachen klang in Maeriel Kopf wider. 'Du wirst niemals wieder allein sein.' Maeriels Innerstes verkrampfte sich. Auch wenn die Stimme sehr freundlich klang, waren ihre Worte doch erschreckend. 'Jedes Mal, wenn der Wunsch in Dir erwächst, etwas zu tun, das außerhalb Deiner körperlichen Kräfte steht, dann werde ich stärker. Und sieh es ein, Kind. Nur mit mir wirst Du etwas Besonderes sein.'
'Nein!', rief Maeriel wütend. 'Ich brauche Dich nicht. Und ich werde Deine Kräfte nicht wieder in Anspruch nehmen.' Die Antwort auf ihre Weigerung war eine Welle von Schmerz, die durch ihre Körper flutete. Sie ächzte innerlich und lehnte sich nur mit großer Mühe gegen die Versuchung auf, die Macht der Stimme zuzulassen. 'Du wirst keinen Einfluss mehr auf mein Leben haben.'
'Aber wenn Du der Versuchung nicht widerstehst, meine Hilfe in Anspruch zu nehmen, dann gibt es kein Zurück mehr für Dich. Dann musst Du mit mir zusammen leben und auch die Entscheidungen akzeptieren, die ich für Dich treffe', mahnte die Stimme triumphierend.
'Bist Du das Verderben, das auf mir liegt?', fragte Maeriel, innerlich schreiend. 'Sag es mir, hast Du den Tag meiner Geburt verflucht?'
'Der Fluch ist nicht, dass ich bei Dir bin, sondern, wie Du damit leben wirst. Wie auch immer Du Dich entscheidest, es wird Dein Unglück sein.'
'Lass mich in Frieden', verlangte Maeriel ein weiteres Mal. Bitterkeit durchflutete sie nach dieser Nachricht, die etwas beschrieb, das sie stets geahnt, aber niemals gewollt hatte. 'Wie sehr Du mich auch bestrafst, ich werde Dir nicht erlauben, Kontrolle über mich zu erlangen.'
'Das ist zu spät, und Du weißt es.' Die Stimme sprach noch diesen letzten Satz, dann verhallte sie, bis Maeriel nur noch das Blut in ihren Ohren rauschen hörte. Sie verharrte in der Ruhe, die zurückgeblieben war und irgendwann glitt sie in den Schlaf hinüber.
***
"Maeriel, wach auf!", forderte eine energische Stimme. Ein kühler Lappen senkte sich auf ihre heiße Stirn in dem Moment, als ihr Bewusstsein zurückkehrte. Mit Mühe öffnete Maeriel die Augen, ließ die drückende Erinnerung für einen Moment zurück. Sie blickte in Alwinas besorgtes Gesicht, über das nun ein Lächeln flog. "Ah, da bist Du wieder. Wir haben uns Sorgen um Dich gemacht."
"Sorgen?" Maeriel setzte sich auf. Sie lag in Ariks Bett und trug ein weites Hemd, wie für eine Kranke gemacht. "Ich habe doch nur ganz kurz geschlafen." Anders konnte sie der anderen jungen Frau die Geschehnisse nicht erklären.
"Nein, dies ist der Morgen des dritten Tages, der seit Deinem Zusammenbruch vergangen ist. Du hattest hohes Fieber und keiner unserer Heiler konnte Dir helfen." Alwinas kluge Augen sprachen Bände. "Arik hat mir erzählt, was geschehen ist. Feuer ohne Feuer. Du bist eine Zauberin."
"Niemals", wehrte Maeriel ab. Sie wollte sich nicht erneut auf ein Gespräch über das einlassen, was sie in die Tiefen ihres Kopfes zu verbannen suchte. "Es ist einfach geschehen und ich weiß nicht, warum." Zu ihrer Erleichterung wollte Alwina nicht noch mehr wissen, sondern reichte ihr einen Kelch mit Wasser, das Maeriel gierig trank. Die Flüssigkeit schien die letzten Reste von Hitze aus ihr zu vertreiben und fast augenblicklich spürte sie, dass ihre Kräfte zurückkehrten.
Sie atmete einige Male tief durch, erfreut über die Besserung. Sie konnte klar denken, ohne Störung einer fremden Stimme. War das Gespräch während ihres Fiebers nur ein Traum gewesen? Sie war bereits einmal von dieser derartigen Krankheit befallen worden, die wirren Erinnerungen von damals verfolgten sie heute noch. Es war sehr gut möglich, dass die zwei Stimmen in ihrem Kopf ihr selbst gehörten, ihre Verwirrung ausdrückten und sich während des Fiebers manifestiert hatten.
Aber das Feuer war absolut unerklärlich. Sie hatte nie auch nur das geringste magische Talent gezeigt, was ihr in ihrer Heimat viel Spott und Hohn eingetragen hatte, zumal ihre Eltern beide sehr mächtig gewesen waren.
"Arik ist fort", sagte Alwina plötzlich und diese Nachricht riss Maeriel endgültig aus ihren Überlegungen. Gestern Nacht ist er aufgebrochen, um herauszufinden -."
"Was?" Maeriel beugte sich gespannt vor. Alwina lächelte kläglich.
"Die Rhûnländer sind abgezogen, am gestrigen Abend, völlig überraschend. Sie haben die meisten Pferde mitgenommen und auch die Vorräte, die sie für uns bereitstellen wollten. Arik verfolgt sie mit den meisten seiner Leute, um ihre Gründe herauszufinden."
Maeriel war über die Nachricht erstaunt, aber sie traf sie nicht völlig unvorbereitet. Der Pakt mit den Bewohnern der Ebene hatte stets auf schwachem Grund gestanden und nun war es geschehen.
Sie schwang die Beine über die Bettkante, erleichtert, weil sie Arik nicht begegnen würde. Ihr lief beim Gedanken an ihn ein Schauer über den Rücken. In dem Moment, in dem er versucht hatte, sich ihr mit Gewalt aufzuzwingen, hatte er das wenige an Vertrauen, das zwischen ihnen herrschte, unwiederbringlich zerstört.
"Ich hätte gern meine Kleidung zurück", bat sie. "Ich möchte dieses Zelt verlassen."
Alwina zuckte ein Stück zurück und blickte Maeriel skeptisch an, doch dann nickte sie und ging davon.
Warum Ariks Schwester gezögert hatte, bekam Maeriel einige Zeit später zu spüren, als sie an Alwinas Seite durch das Lager ging. Sie trug einen neuen, warmen Mantel, den das junge Mädchen ihr aufgezwungen hatte, doch es war allein ihre alte Kleidung, die sie gegen alle Widrigkeiten zu schützen schien. In den drei Tagen hatte sich eine tiefe Schneeschicht über der Ebene gebildet, das kalte Weiß lag auf den Zelten und fiel noch immer leicht vom Himmel.
Maeriel wollte möglichst viel vom Lager sehen, um sich im Fall eines Fluchtversuchs besser orientieren zu können. Sie prägte sich die Wege ein, die Position der Pferdekoppeln und die Orte, an denen Lebensmittel und andere Versorgungsgüter gelagert wurden. Alwina zeigte sich als geduldige Führerin, auch wenn sie auffallend nervös war.
Nach einiger Zeit machten sie sich auf den Rückweg. Maeriel beobachtet sinnend die Menschen, die in den Zelten hausten und ihr mit Neugierde und auch Abscheu entgegenblickten, ihr, die es warm und komfortabel hatte. Die hohläugigen Kinder, die bei ihrem verhärmten Müttern saßen, boten einen Anblick, der Maeriel tief erschreckte. Sie sah erstmals mit eigenen Augen, warum Arik und sein Volk fortgegangen waren. Aber es bleib abzuwarten, ob der Weg, den die Normänner eingeschlagen hatten, der Richtige war.
Plötzlich stellten sich ihnen einige Krieger in den Weg. Maeriel erkannte den Stammesführer, mit dem Arik bei ihrer Ankunft im Lager gesprochen hatten. Mit vor der breiten Brust gekreuzten Armen stand er da und betrachtete sie, so als sei es sein gutes Recht.
Alwina packte Maeriels Hand und zog sie mit sich. Zu verblüfft, um zu reagieren, folgte sie ihr ohne Einspruch. Sie liefen über die verschlungenen Pfade zwischen den Zelten, sprangen über Spannschnüre und schauten immer wieder zurück. Maeriel erschrak, als sie sah, dass die Krieger ihnen folgten, langsam, aber unerbittlich. Erst als sie wieder in Ariks Zelt angekommen waren, vor dem einige Arik treue Krieger standen, löste Alwina ihren Griff. Ihr Gesicht war von Bestürzung gezeichnet.
"Was wollten die Krieger von mir?", wollte Maeriel wissen.
"Ich hätte nicht gedacht, dass sie so aufdringlich werden würden." Alwina atmete tief durch und umschlang sich mit den Armen, von Kälte und Furcht ergriffen. "Du musst wissen, dass in unserem Stamm eine Ehe erst gültig ist, wenn sie vollzogen wurde. Und, nun ja -." Trotz ihrer direkten Art wurde Ariks Schwester ein wenig rot. "Es gab genug Zeugen, dass in jener Nacht zwischen Arik und Dir nichts geschehen ist. Jeder andere Stammesführer kann Euch nun, wenn er Euer habhaft wird, ehelichen. Keiner von ihnen wird so rücksichtvoll wie mein Bruder sein, das habt Ihr jetzt gesehen. Es ist besser, wenn Ihr hier im Zelt bleibt."
Maeriel sparte sich eine scharfe Entgegnung über Ariks Rücksichtnahme. Wieder einmal war sie gefangen, doch dieses Mal war es ihr gleich.
***
Maeriels Tage vergingen in stumpfer Agonie. Wenn sie nicht schlief oder Alwina zu Besuch kam, lag sie auf dem großen, pelzbedeckten Lager und starrte an die Decke des Zeltes, das sich unter der Last des Schnees nach unten bog.
Zu ihrem Ärger hatte man alle Waffen und Dinge, die man als solche benutzen konnte, aus ihrem Umfeld entfernt. Die Fluchtpläne, die sie anfangs noch geschmiedet hatte, erwiesen sich sämtlich als undurchführbar und so sehr sie sich auch bemühte, die Verzweiflung nahm überhand.
Es war der Abend des sechsten Tages, den sie im Lager verbracht hatte, als Maeriel vom Bett aufstand und ihre müden Glieder reckte. Sie war es Leid zu warten und ihre Hoffnung verrinnen zu sehen. Vorsichtig trat sie an die Zeltplane, griff darunter und begann, an dem dicken Stoff zu zerren. Anfangs bewegte sich nichts, die Schnüre des Zeltes waren zu straff gespannt, um es ihr zu erlauben, die Plane zu heben. Dann gab der Stoff nach und Maeriel riss ein Loch hinein, das sie vorsichtig und so leise wie möglich vergrößerte.
Kalte, feuchte Luft schlug ihr entgegen, als sie sich hinaus in die Dunkelheit zwängte. Draußen fiel der Schnee dicht und schwer. Maeriel blickte sich um, orientierte sich kurz und schlich los. Ihre Schuhe machten kein Geräusch, als sie über den Schnee ging, ihrer elbischen Natur dankend.
Sie begegnete keinem Menschen. Abwägend, ob sie den kurzen Weg quer durch das Lager nehmen sollte, der an den bewachten Zelten der Stammesführer vorbeiführte, oder den langen Weg außen herum. Beide würden sie zu den Koppeln führen, wo Legolas Pferd auf sie wartete.
Sie entschied sich für den kurzen Weg. Dicht an die Zelte gepresst, eilte sie durch das Halbrund des innersten Kreises. Die Wachen der Stammesführer hatten sich bis an den Eingang der Zelte zurückgezogen, um dem Unbill der Witterung zu entgehen. Maeriel lächelte in sich hinein.
Stimmen erklangen in ihrer Nähe und sie zuckte zusammen. Doch die gepressten Laute klangen durch die Wand eines Zeltes. Maeriel wollte schon weitergehen, als ihr einige Worte förmlich entgegensprangen.
"Arik wird sich noch wünschen, dieses Weib niemals entführt zu haben", sagte eine der Stimme, die Maeriel sofort erkannte. Es war der Stammesführer, der ihr und Alwina aufgelauert hatte. "Die Elben werden ihretwegen in den Krieg ziehen, sind vielleicht schon auf dem Weg. Die Rhûnländer haben die Schwänze eingezogen und sind geflohen. Arik wird sehr schnell begreifen, welche Probleme seine Gier nach Macht geschaffen hat."
"Was werden wir tun, Swaeren?", erkundigte sich eine andere, Maeriel unbekannte Stimme. "Du sagtest, wir werden diese Sache problemlos überleben. Nur wie?"
"Ich habe mit den Rhûnländern eine Vereinbarung getroffen. Wenn die restlichen Männer in den Krieg gegen die Elben ziehen, dann werden wir im Lager bleiben und alle verbleibenden -."
Die Stimmen verstummten abrupt. Maeriel zuckte zurück und lief eilig weiter, doch in der nächsten Deckung verharrte sie. Während sich Schnee auf ihren Schultern und in ihrem Haar sammelte, versuchte sie, das soeben Gehörte zu verarbeiten.
Swaeren plante offensichtlich einen Verrat, doch es war nicht zu erkennen gewesen, was er genau vorhatte. Eigentlich hätte es Maeriel gleich sein müssen, dass Ariks und seine Leute ins Verderben liefen, doch in dem Moment, in dem sie entschied, dass es ihr egal war, schoben sich die Bilder der Frauen und Kinder vor ihr geistiges Auge. Swaeren war noch skrupelloser als Arik und er würde für die Erfüllung seiner Pläne selbst über die Leichen Unschuldiger gehen.
Maeriel starrte in die Dunkelheit. Sie konnte fliehen, würde wahrscheinlich in nächster Zeit keine andere Möglichkeit dazu finden. Doch ihr Gewissen meldete sich, beschwor sie, zwischen ihrer Freiheit und der Sicherheit von Frauen, Kindern und Alten zu entscheiden.
'Geh!', sagte die Stimme in ihrem Kopf. 'Sie haben sich nie um Dich geschert, warum solltest Du Dich um sie kümmern?'
Maeriel straffte den Rücken und traf eine Entscheidung. Mit schnellen Schritten kehrte sie zu Ariks Zelt zurück. Doch ihr war kein Glück beschieden. Fackeln erhellten plötzlich die Nacht und Berittene drängten sich zwischen den Zelten hindurch. Die Männer umringten Maeriel und sie Blickte in grimmige, erschöpfte Gesichter.
Eines dieser Gesichter gehörte Arik. Er saß ab und trat auf sie zu, groß und offenkundig wütend.
"Ich muss Euch sprechen", brachte Maeriel hervor, obwohl sie sich ernsthaft zu fragen begann, was er nun tun würde. Arik betrachtete sie stumm. Sie sah Enttäuschung und Zorn in seinen Augen. Eine kleine Weile verging, die sich für Maeriel zu einer Ewigkeit dehnte. Dann drehte er sich um und ging davon. Seine Männer folgten diesem Beispiel nicht. Stattdessen kamen sie drohend auf Maeriel zu, die sich zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte, auf die unheimliche Stimme in ihrem Kopf gehört zu haben.
