Storyteller

Der Morgen - oder - Die Welt ist blau.

Teil 1

Ich werde dir jetzt eine Geschichte erzählen.

Eine Geschichte, wie sie in eine paar hundert Jahren wirklich geschehen wird.

Eine wahre Geschichte.

Die Zukunft.

Und du wirst zuhören und sie mit mir weitererzählen und verändern, bis zu jenen Menschen, die das selbe tun werde wie wir.

Die Geschichten erzählen.

Die Zukunft bilden.

Stille. Im ganzen Zimmer herrschte eine drückende Stille. Ken lag einsam auf seinem Bett und starrte an die Decke. Er war froh, dass dieser Tag vorbei war, somit hatte er einen weiteren Tag seines Lebens abgeschlossen.

Der Tag heute war eh nicht sonderlich angenehm für ihn gewesen. Er hasste Tage an denen die Mädchen einem am Hals hingen. Ken war nicht Yohji und in zwischen mochte er es noch weniger als am Anfang.

Ken erinnerte sich wann es wieder angefangen hatte. Das war vor ungefähr einem Jahr gewesen. Damals war er mitten in der Nacht aufgewacht und hatte furchtbare Kopfschmerzen. Nichts ungewöhnliches. Aber die Schmerzen hatten nicht mehr nachgelassen und wenn einer seiner Teammitglieder ihn berührt hatte und sei es auch noch sanft gewesen, der Schmerz wurde in solchen Momenten immer stärker und breitete sich von seinem Kopf aus, aus.

Heute war es wieder besonders scheußlich gewesen. Die Schmerzen hatten einfach nie nachgelassen. Umso besser fühlte er sich jetzt, wo er alleine war. Wo keiner ihn berühren konnte.

Ken konnte hören wie die Tür zum angrenzenden Raum geöffnet wurde und die leisen Schritte, die vom Flur kamen.

'Er geht wieder!' ging es dem Ex-Torwart durch den Kopf, wohl wissend, wo Yohji um diese Zeit hin wollte und es war nicht eines seiner üblichen Dates, das wusste Ken auch. Er hatte sämtlich Antworten erst vor kurzem aus dem Playboy herausgequetscht und wusste immer noch nicht was er darüber denken sollte.

Yohji ging zu ihm und mit diesem 'ihm' war nicht irgendjemand gemeint sondern ein orangehaariger Bastard, der nebenbei auch noch zu Schwarz gehörte. Die Rede war natürlich von Schuldig.

Ken hatte sich oft überlegt, ob er es nicht doch einem der anderen von Weiß erzählen sollte, doch er entschied sich jedes Mal dagegen. Schließlich wollte er Yohji nicht ins Unglück stürzen und das würde er zweifellos tun, wenn er etwas verriet.

Yohji war schon längst weg und Ken hatte langsam das Gefühl, die Wände würden auf ihn zukommen. Schnell schwang er die Beine aus dem Bett und stellte sich hoch aufgerichtete hin, doch es half nichts. Das Gefühl blieb einfach da. Ken atmete tief durch. Er musste raus hier und zwar möglichst schnell. Hastig schnappte er sich seine Jacke und den Fußball, dann verlies er das Zimmer und ging wieder etwas ruhiger durch den Flur und trat kurze Zeit später durch die Tür ins Freie.

Die kalte Nachtluft schlug ihm unangenehm entgegen, lies ihn erzittern, aber das hielt Ken nicht auf. So unangenehm es auch war, es war immer hin besser als die stickige Luft in seinem Zimmer und die Wände, die auf ihn zukamen.

~*~

Es war wie immer gewesen, genau wie immer und langsam begann es Schuldig zu langweilen. Am Anfang hatte es ihm Spaß gemacht Balinese zu verwirren, ihn aus den Reserven zu locken. Doch inzwischen kannte Schuldig jede einzelne von Yohjis Regungen und es war kein Interesses mehr da. Hätte Schuldig in letzter Zeit nicht ständig Langeweile, wäre Balinese für ihn schon längst gestorben. Aber so war das Leben nun mal und als Ablenkung reichte er Schuldig. Jedenfalls im Moment.

Der Rothaarige begleitete seinen Zeitvertreib aus dem Hotel zu einem Parkplatz, auf dem Yohjis Wagen stand. Es war mitten in der Nacht und vermutlich wäre Yohji noch bis zum morgen geblieben, wenn er nicht irgendwie das Gefühl gehabt hätte, so einen riesigen Fehler zu begehen.

Schweigend standen beide vor Yohjis Wagen. Sie benötigten keine Worte, schon gar keinen Abschied, sie würden sich sowieso wiedersehen.

Schuldigs Laune war schlecht. Er merkte mal wieder wie sehr ihm der wirklich Kick an der ganzen Sache fehlte, die wirklich Herausforderung. Yohji ins Bett zu bekommen wurde irgendwie immer einfacher. Der Blonde war nun mal ein Playboy, was die Tatsache, dass sogar der schlimmste Feind ihn einfach in Bett bekam nicht entschuldigen sollte.

Yohji drehte sich kurz zu Schuldig um und sah ihm in die Augen. Der Telepath wusste, dass da mal wieder sehr viele Fragen in dem Kopf von Balinese waren, aber er hatte kein Interesse daran ihm irgendwelche Antworten zu geben. Er war zu nichts verpflichtet.

Blitzartig wurde Schuldig gepackt und im nächsten Moment spürte er Yohjis Lippen auf seinen. Er lies ihn gewähren. Es war alles so gewohnt, alles immer der selbe Trott. Langweilig.

"Bis später, Kätzchen!" Die selben Worte wie immer und er langweilte sich immer mehr. Gab es denn heute nichts neues? Nichts interessantes? Die Menschen, die er entdeckte, hatten noch nicht einmal interessante Gedanken.

Schuldig sah wie Yohji davon fuhr, wahrscheinlich fuhr er zu irgendeinem Club und lies sich mal wieder vollaufen, nichts neues, wenn man Kudous Gedanken kannte.

Gelangweilt trödelte Schuldig durch die Straßen, nur ein paar Laternen erhellten seinen Weg. Es musste doch irgendwas geben, dass ihn nicht so sehr langweilte und mit dem er sich noch eine Weile beschäftigen könnte.

Er trödelte weiter durch die Straßen, bis er an einem großen, ziemlich düster wirkendem Park vorbei kam. Die Bäume ihm streckten ihre großen dunklen Äste ausladend entgegen. Es war nicht gerade eine angenehme Atmosphäre, aber sie war Schuldig durchaus sympathisch. Die Ausstrahlung des Parks glich der seinen, dunkel und bedrohlich, eine Gegend, die man lieber nach Einbruch der Nacht miet, eben genauso wie, er eine Person war, die man lieber miet. Also eine durchaus interessante Gegend.

Schuldig betrat den Kiesweg und ging ruhig die dunklen Wege entlang. Sonst ging er eigentlich nie durch Parks, weder Tagsüber noch Nachts, wohin einen die Langeweile nicht alles treiben konnte.

Inzwischen hatte er die Mitte des Parks erreicht, die Mitte in gestallt einer großen, kahlen, einigermaßen gut beleuchteten Wiese. Irgendwo, in der Nähe einer Lampe stand ein Fußballtor und ein Schatten bewegte sich. Schuldig wand seinen Blick höher und musterte die Person, zu der, der Schatten gehörte. Ein breites Grinsen erschien auf seinen Lippen, als er die Gestallt erkannte. Vielleicht war diese Nacht doch nicht so langweilig, wie anfangs angenommen.

~*~

Ken machte einen Torschuss nach dem anderen, warum wusste er nicht so genau, wohl um nicht ziellos durch die Straßen zu wandern.

Er lief zum Tor um den Ball erneut zu holen, doch auf halben Weg blieb er wie erstarrt stehen. Da war jemand. Es dauerte genau zwei Sekunden, bis er ahnte wer ihn die ganze Zeit über anstarrte. Ruckartig drehte Ken sich um und starrte in zwei, ihm sehr bekannte grüne Augen.

"Na, jetzt warst du aber sehr schnell, Kätzchen!" stellte eine gehässige Stimme fest. Ken rührte sich nicht. Er war im ersten Moment wie erstarrt. Was machte dieser Bastart ausgerechnet jetzt hier, wo er doch seine Ruhe haben wollte und da war noch etwas ganz anderes: Was war mit Yohji? Hatten die beiden ihr Schäferstündchen etwa schon beendet?

/So viele Fragen in deinem Kopf, Kätzchen! Da brauch ich ja ewig um alle zu beantworten!/ Der Telepath machte einen Schritt auf Ken zu und dieser wich automatisch zurück. Was er jetzt als letztes wollte war ein Kampf. Nicht hier, nicht jetzt und schon gar nicht wenn er unbewaffnet war.

/Ich bin doch gar nicht da um mich jetzt mit dir zu streiten, Kätzchen!/ "Raus aus meinem Kopf!" Ken tat das erst, was ihm einfiel und das war nun mal Schuldig anzuknurren.

/Was willst du machen, wenn ich das nicht tue?/ Schuldig grinste frech und seine Hand schoss nach vorne. Er packte Ken am Handgelenk und zog ihn eng an sich.

Als Ken Schuldigs Hand spürte, durchzuckten ihn stechende Schmerzen. Sein Kopf wurde fast überschwemmt mit fremden Gefühlen und er versuchte sich dagegen zu wehren, aber er kam nicht an, die Schmerzen begannen sich auszubreiten.

Mit einem Ruck hatte Ken sich losgerissen und war ein paar Schritte zurück getaumelt. Ihm war schlecht und die Erinnerungen, an die Qualen die er gerade eben erlebt hatte ließen ihn erzittern. So fühlte es sich also an, wenn ein Telepath ihn anfasste. Er wich noch einen Schritt zurück.

"Na, jetzt habe ich dich aber erschreckt, Kätzchen!" Der Rothaarige grinste breit und machte einen Schritt auf den völlig verängstigten Ken zu, dieser wich weiter zurück. 'Fass mich nicht an!' Das war der einzige Gedanke für den in Kens Kopf platz war. 'Fass mich bitte nicht an!'

/Und was passiert wenn ich das doch tue?/ Wieder Schuldigs Stimme in seinem Kopf und da wusste Ken, dass er noch mal versuchen würde ihn anzufassen. Panik ergriff ihn. Schuldigs Hand streckte sich nach ihm aus und...

Schuldig wich überrascht einige Schritte zurück. Eine Welle fremder Emotionen schlug ihm entgegen. Er schnappte nach Luft. Das hatte er nun wirklich nicht erwartet. Ganz kurz schloss Schuldig seine Augen und versuchte wieder einen klaren Kopf zu bekommen, als er die Augen wieder öffnete war Ken verschwunden.

Der Telepath starrte noch einen Moment irritiert vor sich hin, dann ging er zu dem Tor und hob den Ball auf, den Ken dort vergessen hatte. Dann grinste er. 'Ich habe nie wirklich gemerkt, was du für eine seltsames Person bist, Ken Hidaka. Eine wirklich seltsame Person.' Er klemmte sich den Ball unter den Arm und ging besser gelaunt durch den Park. 'Aber eines solltest du die unbedingt merken: Ich bekomme immer was ich will!'

~*~

Ken rannte so schnell er konnte nach Hause. Immer wieder durchzuckten ihn Erinnerungen, an seine Begegnung mit Schuldig. Immer wieder fiel ihm der Schmerz ein, den er empfunden hatte.

Er hatte das Haus erreicht und stürzte in sein Zimmer, erschöpft fiel er auf sein Bett und schloss die Augen. Er wollte nur noch schlafen.