Titel: Die Fetzen ihrer Erinnerung
Teil: 3?
Autor: Mara
Email: kargmin@yahoo.de
Spoiler: Das letzte Gefecht/ Die zweite Flucht
Rating: PG
Zusammenfassung: Fortsetzung zu " Der stumme Pakt". Lydecker hat Ria in
seine Krallen gekriegt und versucht ihr Gedächtnis zu manipulieren
Pairing: Ria/Mace, Lydecker
Kategorie AU
Disclaimer: Ria und Mace sowie ihre Geschichte gehören mir, der Rest von DA
aber leider nicht. * buhäää*
A/N: Erst mal danke ich besonders Reni , Lena und Dhana und Co. für ihr
absolut liebes Feedback. Es hat mich regelrecht beflügelt weiter zu
schreiben, so abgedroschen das auch klingen mag.
Aber trotzdem könnten weitere FBs nicht schaden, * grins *
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6. Eintrag
"Was war das gestern?" wollte ich von Lydecker wissen. Er sah überrascht von seinem allgegenwärtigen Notizblock auf. "Was?" "Der Typ gestern." "Wen meinen Sie?" "Der Mann, der gestern auf dem Trainingsplatz so ein Aufsehen erregt hat. Meine Güte, der hat die Leute durch die Luft geworfen, als sei er Superman." Superman? Ein verschwommenes Bild erschien vor meinen Augen, im selben Moment in dem ich diesen Namen nannte. Ein blaurot gekleideter Mann aus dem Fernsehen. Aber egal, primär war ich jetzt viel zu sehr darüber verwirrt, dass jener Mann aus meinen Traum plötzlich Wirklichkeit geworden war. "Ich weiß nicht, wovon Sie reden." Lydecker wandte sich wieder seinen Papieren zu. "Wollen Sie mich verschaukeln?" Das darf es doch einfach nicht geben. Lydecker zögerte. Dann seufzte er resigniert: "Also gut. Es wäre natürlich besser gewesen, wenn Sie der ganzen Sache nicht soviel Aufmerksamkeit geschenkt hätten, oder sie gar vergessen hätten." Vergessen? Bei dem Wirbel gestern und bei seinem merkwürdigen Verhalten direkt danach oder gerade jetzt? Nur über meine Leiche. Dafür war ich viel zu neugierig. Seitdem ich hier bin, war das nach meiner Erinnerung an den Schnee das Aufregendste, was mir passiert ist. "Jener Mann, nun, wie soll ich es sagen,..." er war aufgestanden und ging fast unschlüssig auf und ab. So kannte ich den stets Ruhe ausstrahlenden Doktor gar nicht. "Nun ja, er ist derjenige der beiden Verbrecher, den wir fangen konnten." "Was??? Und da lassen Sie ihn frei ´rumlaufen? Er hätte mich umbringen können!" "Wahrscheinlich hatte er auch genau das gestern vor. Sie hatten Glück, das wir ihn stoppen konnten." "Das beantwortet nicht , wieso er frei herum läuft, wenn er doch so gefährlich sein soll!" "Oh gefährlich ist er. Gefährlicher, als Sie es sich jemals ausmalen könnten," murmelte Lydecker. Dann fuhr er etwas lauter fort: "Einen meiner Männer ist offenbar ein Fehler unterlaufen. Zeitweise dürfen sich die hier aus militärischen, oder wie bei diesem Verbrecher , teilweise auch aus Sicherheits, bzw. strafrechtlichen Gründen Inhaftierten draussen körperlich betätigen. Natürlich nur unter strengster Bewachung. Irgendwie hat der betreffende Wärter trotz sämtlicher Sicherheitsvorkehrungen, ihn versehentlich in die falsche Gruppe eingeordnet. Der Schuldige ist sofort zur Rechenschaft gezogen worden- eine solche Sache wird nicht mehr vorkommen", sagte er mit solch einem bedrohlichen Funkeln in den Augen, das mir ganz kalt wurde. Ich wollte nicht derjenige sein, der den Zorn des ansonsten so freundlichen und geduldigen Dr. Lydeckers auf sich gezogen hatte. Ich war aber immer noch neugierig, auch wenn meine Erregung langsam wieder abklang: "Und wieso konnte er einfach so über den Zaun springen? Weshalb konnte er die ganzen Männer wie Spielzeuge beiseite schmeißen? Hat er plötzlich Zauberkräfte bekommen, oder sind Ihre Leute komplette Idioten?" Oh- oh, so was wollte ich eigentlich gar nicht sagen. Und bestimmt nicht in diesem Ton. Für einen Augenblick schien es, als blicke mich ein völlig anderer Lydecker an. Als hätte sich unter dem freundlichen Gesicht irgend etwas anderes versteckt gehalten. Etwas furchteinflößendes. Aber als er sprach, war auch dieser Eindruck von ihm wieder verschwunden. "Wir vermuten, das er während der Pubertätsphase Aufputschmittel genommen hat, deren Nebenwirkung seine Muskelkraft um ein Vielfaches erhöht hat. Ausserdem haben wir in seinem Körper Servogelenke entdeckt, die ihm den Sprung über den Zaun erlaubt haben." "Wieso ist Ihnen das nicht vorher aufgefallen? Der Kerl hätte jederzeit hier rein marschieren können!" Bei dem Gedanken ergriff mich die Angst. "Nein, wir wußten Bescheid. Aber aufgrund der erwähnten Verwechslung waren die Sicherheitsmaßnahmen geringfügiger als sonst üblich. Sie waren aber zu keinen Zeitpunkt in Gefahr." Ach ja? Was soll denn dann das auf dem Hof gewesen sein? Aber ein anderer Gedanke tauchte in mir auf, der mich von meiner momentanen Furcht ablenkte. Und von dem Problem, wieso ich so gefährliche Feinde hatte.
"Ich möchte ihn sehen." äußerte ich den Gedanken laut. "Was?" "Ich will ihn sehen!" wiederholte ich bestimmt. "Lisa, das hatte wir doch schon." "Ja, die befürchteten Traumata, ich weiß- aber auf dem Hof habe ich auch keine gekriegt. Also kann ich auch keine bekommen, wenn ich mit ihm rede." versuchte ich mich auch selbst zu überzeugen. Wenn der Kerl etwas über meine Vergangenheit wußte, dann mußte ich mit ihm reden. Und Gnade ihm sämtliche Götterpantheone dieser Welt, wenn er mir nicht Rede und Antwort steht. Lydecker sah mich skeptisch an. "Wirklich? Das ist erfreulich. Sie hatten also keine negativen Feedbacks durch diese Begegnung?" Ich schüttelte den Kopf. "Interessant. Und auch ansonsten kam er Ihnen nicht bekannt vor? Kein Wiedererkennen?" Ich zögerte. Er bemerkte es und forschte nach: "Lisa?" Sollte ich es ihm wirklich sagen? Aber wenn nicht ihm, wenn konnte ich mich dann anvertrauen? Diesem Tagebuch etwa? Ein hohler Ersatz im Vergleich zu einem lebenden Menschen. "Nun ja, ich habe ... Träume... von seinem Gesicht." "Träume?" sagte er mit einem seltsamen Unterton in der Stimme. "Seit wann denn?" "Nichts Bestimmtes, nur hin und wieder sehe ich sein Gesicht im Traum." plapperte ich nervös weiter. "Seit wann?" wiederholte er beharrlich. "Ungefähr 4 Tage" "4 Tage" da war er wieder, der seltsame Unterton. "Warum haben Sie mir nichts gesagt?" "Ich war mir nicht sicher, ob es wirklich wichtig war. Ich wußte ja nicht, ob er überhaupt Realität ist." "Lisa, ob etwas wichtig ist, oder nicht, können Sie getrost mir überlassen. Dafür bin ich schließlich da. Sie können mir alles anvertrauen. Haben Sie ausser seinem Gesicht noch vonetwas geträumt? Orte z.B.?" Ich schüttelte von seiner Predigt leicht beschämt den Kopf. "Hat er im Traum irgend etwas gesagt? Namen genannt?" "Nein!" "Gut," seufzte er, "dann wollen wir die Sache erst mal beobachten. Aber Sie werden mir ab sofort alles mitteilen, was Ihnen dazu einfällt. Ist das klar?" betonte er mit Nachdruck. Gehorsam nickte ich. "Gut. Ach ja- Sie nehmen doch noch regelmäßig Ihre Tabletten?" wieder nickte ich. "Dann sollte es keine Problem mehr geben - Sie verstehen sicher, das ein größerer Freiraum für Sie momentan zu gefährlich ist." mit diesen , wahrhaft aufmunternden ,Worten verabschiedete er sich.
7. Eintrag
Soll ich ihm erzählen , dass ich diese Nacht doch von jenem Mann geträumt habe? So deutlich, als könnte ich ihn anfassen, saß er mir an einem Tisch gegenüber und beobachtete mich. Während ich anscheinend gerade eine Tüte mit Lebensmitteln auspackte. Dann steht er plötzlich auf, und geht zur Tür, dreht sich aber im Herausgehen noch einmal um und spricht mich an. Ich bin mehr oder weniger sofort aufgewacht und habe mich an dieses Buch gesetzt. Dabei geht mir die ganze Zeit die Frage durch den Kopf, ob Dr. Lydecker doch nicht recht hatte- Habe ich durch die ausgelassenen Tabletten einen Alptraum heraufbeschworen, einen Dämon, der mich nun auch ausserhalb meiner Träume jagt? Vielleicht sollte ich mich ihm anvertrauen. Ihm sagen, dass jener junge Mann mich im Traum weiter verfolgt und sogar zu mir spricht: "Paß auf dich auf, eines Tages werde ich dich nicht mehr beschützen können, Ria."
8. Eintrag
Ich habe Lydecker nichts erzählt. Keine Ahnung, warum. Vielleicht weil der Name, der im Traum fiel anders war, als der, den ich angeblich jetzt trage: Lisa Braschaw. Sich anders anfühlte. Irgendwie vertrauter.
9. Eintrag
Keine Änderung, Lydecker wird langsam unzufrieden. Er ist enttäuscht, weil ich mich an Schnee an gar nichts erinnere. Er versucht es zu verbergen, aber ich merke, wie unruhig er ist. Immer wieder fragt er mich nach meinem Traumgast. Ob ich erneut etwas von ihm geträumt hatte. Ob ich mich noch an jemanden anderes erinnern könnte. Oder wenigstens an Orte, Straßennamen oder so. Ich weiß nicht, warum er so dahinter her ist. Arbeitet sein Team wirklich so schlecht, dass er nur mit meiner Hilfe den noch flüchtigen Verbrechen fangen kann? Er behauptet, ich weigere mich, Fortschritte zu machen. Vielleicht hat er recht. Ich habe ihm nichts mehr über jenen Mann erzählt, den ich in meinen Träumen sehe. Ich will ihn nicht teilen. Er ist etwas, das alleine mir gehört, in diesem vergitterten Raum, den ich entgegen seiner Versprechungen immer noch nicht verlassen durfte. Oh er ist schöne eingerichtet. Schöner als mein letzter Raum. Bett, Stühle und ein Tisch für Lydeckers Gespräche, aber ebenso ein hübscher Teppich und an den weißen Wänden hängen bunte Bilder von Menschen und Landschaften. Lydecker glaubt wohl, letzteres könne mein Unterbewußtsein positiv beeinflussen. Aber in meinen Träumen bin ich woanders. Nicht an einen Ort, wo ich dieses Tagebuch hinter dem Wasserkasten meiner Toilette einklemmen muss, damit keiner es findet . Wo ich nicht erzählen muss, es sei mir versehentlich in den Mülleimer gerutscht, und die Putzfrau habe es mitgenommen. Oh, ja ich kriege endlich einen andere Frau zu sehen. Auch wenn die kein Wort mit mir wechselt und ihre Arbeit stumm wie ein Schatten verrichtet, während ich verzweifelt versuche, mit ihr Konversation zu betreiben. Wo ich jenen Mann als Jungen sehe, manchmal sogar als das kleine kahlgeschorene Kind. Wo er nicht mein Feind ist oder mir nach dem Leben trachtet. Ja, es ist gut, dass ich Lydecker nichts erzähle. Seine nüchterne Betrachtungsweise würde dem ganzen seinen - ja wie soll ich es nennen?- Trost, Glanz, Schönheit ? rauben. Und das will ich nicht. Wieder in jene graue Wüste der Traum- und Hoffnungslosigkeit zurück zu fallen, die vor dem Erscheinen des jungen Mannes in mir herrschte. Selbst wenn das Traumbild von ihm meinen endgültigen, mentalen Zusammenbruch ankündigt. Denn nichts ist schlimmer als diese Einsamkeit
Der Mann schließt für einen Augenblick das Buch. Eine Hand fährt über seine Augen.
"Mein Gott, Ria."stöhnt er leise. Dann senkt er erneut den Blick und verschlingt mit fast hungrigen Augen die wenigen Blätter, die noch übrig sind.
Ende Teil 3
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6. Eintrag
"Was war das gestern?" wollte ich von Lydecker wissen. Er sah überrascht von seinem allgegenwärtigen Notizblock auf. "Was?" "Der Typ gestern." "Wen meinen Sie?" "Der Mann, der gestern auf dem Trainingsplatz so ein Aufsehen erregt hat. Meine Güte, der hat die Leute durch die Luft geworfen, als sei er Superman." Superman? Ein verschwommenes Bild erschien vor meinen Augen, im selben Moment in dem ich diesen Namen nannte. Ein blaurot gekleideter Mann aus dem Fernsehen. Aber egal, primär war ich jetzt viel zu sehr darüber verwirrt, dass jener Mann aus meinen Traum plötzlich Wirklichkeit geworden war. "Ich weiß nicht, wovon Sie reden." Lydecker wandte sich wieder seinen Papieren zu. "Wollen Sie mich verschaukeln?" Das darf es doch einfach nicht geben. Lydecker zögerte. Dann seufzte er resigniert: "Also gut. Es wäre natürlich besser gewesen, wenn Sie der ganzen Sache nicht soviel Aufmerksamkeit geschenkt hätten, oder sie gar vergessen hätten." Vergessen? Bei dem Wirbel gestern und bei seinem merkwürdigen Verhalten direkt danach oder gerade jetzt? Nur über meine Leiche. Dafür war ich viel zu neugierig. Seitdem ich hier bin, war das nach meiner Erinnerung an den Schnee das Aufregendste, was mir passiert ist. "Jener Mann, nun, wie soll ich es sagen,..." er war aufgestanden und ging fast unschlüssig auf und ab. So kannte ich den stets Ruhe ausstrahlenden Doktor gar nicht. "Nun ja, er ist derjenige der beiden Verbrecher, den wir fangen konnten." "Was??? Und da lassen Sie ihn frei ´rumlaufen? Er hätte mich umbringen können!" "Wahrscheinlich hatte er auch genau das gestern vor. Sie hatten Glück, das wir ihn stoppen konnten." "Das beantwortet nicht , wieso er frei herum läuft, wenn er doch so gefährlich sein soll!" "Oh gefährlich ist er. Gefährlicher, als Sie es sich jemals ausmalen könnten," murmelte Lydecker. Dann fuhr er etwas lauter fort: "Einen meiner Männer ist offenbar ein Fehler unterlaufen. Zeitweise dürfen sich die hier aus militärischen, oder wie bei diesem Verbrecher , teilweise auch aus Sicherheits, bzw. strafrechtlichen Gründen Inhaftierten draussen körperlich betätigen. Natürlich nur unter strengster Bewachung. Irgendwie hat der betreffende Wärter trotz sämtlicher Sicherheitsvorkehrungen, ihn versehentlich in die falsche Gruppe eingeordnet. Der Schuldige ist sofort zur Rechenschaft gezogen worden- eine solche Sache wird nicht mehr vorkommen", sagte er mit solch einem bedrohlichen Funkeln in den Augen, das mir ganz kalt wurde. Ich wollte nicht derjenige sein, der den Zorn des ansonsten so freundlichen und geduldigen Dr. Lydeckers auf sich gezogen hatte. Ich war aber immer noch neugierig, auch wenn meine Erregung langsam wieder abklang: "Und wieso konnte er einfach so über den Zaun springen? Weshalb konnte er die ganzen Männer wie Spielzeuge beiseite schmeißen? Hat er plötzlich Zauberkräfte bekommen, oder sind Ihre Leute komplette Idioten?" Oh- oh, so was wollte ich eigentlich gar nicht sagen. Und bestimmt nicht in diesem Ton. Für einen Augenblick schien es, als blicke mich ein völlig anderer Lydecker an. Als hätte sich unter dem freundlichen Gesicht irgend etwas anderes versteckt gehalten. Etwas furchteinflößendes. Aber als er sprach, war auch dieser Eindruck von ihm wieder verschwunden. "Wir vermuten, das er während der Pubertätsphase Aufputschmittel genommen hat, deren Nebenwirkung seine Muskelkraft um ein Vielfaches erhöht hat. Ausserdem haben wir in seinem Körper Servogelenke entdeckt, die ihm den Sprung über den Zaun erlaubt haben." "Wieso ist Ihnen das nicht vorher aufgefallen? Der Kerl hätte jederzeit hier rein marschieren können!" Bei dem Gedanken ergriff mich die Angst. "Nein, wir wußten Bescheid. Aber aufgrund der erwähnten Verwechslung waren die Sicherheitsmaßnahmen geringfügiger als sonst üblich. Sie waren aber zu keinen Zeitpunkt in Gefahr." Ach ja? Was soll denn dann das auf dem Hof gewesen sein? Aber ein anderer Gedanke tauchte in mir auf, der mich von meiner momentanen Furcht ablenkte. Und von dem Problem, wieso ich so gefährliche Feinde hatte.
"Ich möchte ihn sehen." äußerte ich den Gedanken laut. "Was?" "Ich will ihn sehen!" wiederholte ich bestimmt. "Lisa, das hatte wir doch schon." "Ja, die befürchteten Traumata, ich weiß- aber auf dem Hof habe ich auch keine gekriegt. Also kann ich auch keine bekommen, wenn ich mit ihm rede." versuchte ich mich auch selbst zu überzeugen. Wenn der Kerl etwas über meine Vergangenheit wußte, dann mußte ich mit ihm reden. Und Gnade ihm sämtliche Götterpantheone dieser Welt, wenn er mir nicht Rede und Antwort steht. Lydecker sah mich skeptisch an. "Wirklich? Das ist erfreulich. Sie hatten also keine negativen Feedbacks durch diese Begegnung?" Ich schüttelte den Kopf. "Interessant. Und auch ansonsten kam er Ihnen nicht bekannt vor? Kein Wiedererkennen?" Ich zögerte. Er bemerkte es und forschte nach: "Lisa?" Sollte ich es ihm wirklich sagen? Aber wenn nicht ihm, wenn konnte ich mich dann anvertrauen? Diesem Tagebuch etwa? Ein hohler Ersatz im Vergleich zu einem lebenden Menschen. "Nun ja, ich habe ... Träume... von seinem Gesicht." "Träume?" sagte er mit einem seltsamen Unterton in der Stimme. "Seit wann denn?" "Nichts Bestimmtes, nur hin und wieder sehe ich sein Gesicht im Traum." plapperte ich nervös weiter. "Seit wann?" wiederholte er beharrlich. "Ungefähr 4 Tage" "4 Tage" da war er wieder, der seltsame Unterton. "Warum haben Sie mir nichts gesagt?" "Ich war mir nicht sicher, ob es wirklich wichtig war. Ich wußte ja nicht, ob er überhaupt Realität ist." "Lisa, ob etwas wichtig ist, oder nicht, können Sie getrost mir überlassen. Dafür bin ich schließlich da. Sie können mir alles anvertrauen. Haben Sie ausser seinem Gesicht noch vonetwas geträumt? Orte z.B.?" Ich schüttelte von seiner Predigt leicht beschämt den Kopf. "Hat er im Traum irgend etwas gesagt? Namen genannt?" "Nein!" "Gut," seufzte er, "dann wollen wir die Sache erst mal beobachten. Aber Sie werden mir ab sofort alles mitteilen, was Ihnen dazu einfällt. Ist das klar?" betonte er mit Nachdruck. Gehorsam nickte ich. "Gut. Ach ja- Sie nehmen doch noch regelmäßig Ihre Tabletten?" wieder nickte ich. "Dann sollte es keine Problem mehr geben - Sie verstehen sicher, das ein größerer Freiraum für Sie momentan zu gefährlich ist." mit diesen , wahrhaft aufmunternden ,Worten verabschiedete er sich.
7. Eintrag
Soll ich ihm erzählen , dass ich diese Nacht doch von jenem Mann geträumt habe? So deutlich, als könnte ich ihn anfassen, saß er mir an einem Tisch gegenüber und beobachtete mich. Während ich anscheinend gerade eine Tüte mit Lebensmitteln auspackte. Dann steht er plötzlich auf, und geht zur Tür, dreht sich aber im Herausgehen noch einmal um und spricht mich an. Ich bin mehr oder weniger sofort aufgewacht und habe mich an dieses Buch gesetzt. Dabei geht mir die ganze Zeit die Frage durch den Kopf, ob Dr. Lydecker doch nicht recht hatte- Habe ich durch die ausgelassenen Tabletten einen Alptraum heraufbeschworen, einen Dämon, der mich nun auch ausserhalb meiner Träume jagt? Vielleicht sollte ich mich ihm anvertrauen. Ihm sagen, dass jener junge Mann mich im Traum weiter verfolgt und sogar zu mir spricht: "Paß auf dich auf, eines Tages werde ich dich nicht mehr beschützen können, Ria."
8. Eintrag
Ich habe Lydecker nichts erzählt. Keine Ahnung, warum. Vielleicht weil der Name, der im Traum fiel anders war, als der, den ich angeblich jetzt trage: Lisa Braschaw. Sich anders anfühlte. Irgendwie vertrauter.
9. Eintrag
Keine Änderung, Lydecker wird langsam unzufrieden. Er ist enttäuscht, weil ich mich an Schnee an gar nichts erinnere. Er versucht es zu verbergen, aber ich merke, wie unruhig er ist. Immer wieder fragt er mich nach meinem Traumgast. Ob ich erneut etwas von ihm geträumt hatte. Ob ich mich noch an jemanden anderes erinnern könnte. Oder wenigstens an Orte, Straßennamen oder so. Ich weiß nicht, warum er so dahinter her ist. Arbeitet sein Team wirklich so schlecht, dass er nur mit meiner Hilfe den noch flüchtigen Verbrechen fangen kann? Er behauptet, ich weigere mich, Fortschritte zu machen. Vielleicht hat er recht. Ich habe ihm nichts mehr über jenen Mann erzählt, den ich in meinen Träumen sehe. Ich will ihn nicht teilen. Er ist etwas, das alleine mir gehört, in diesem vergitterten Raum, den ich entgegen seiner Versprechungen immer noch nicht verlassen durfte. Oh er ist schöne eingerichtet. Schöner als mein letzter Raum. Bett, Stühle und ein Tisch für Lydeckers Gespräche, aber ebenso ein hübscher Teppich und an den weißen Wänden hängen bunte Bilder von Menschen und Landschaften. Lydecker glaubt wohl, letzteres könne mein Unterbewußtsein positiv beeinflussen. Aber in meinen Träumen bin ich woanders. Nicht an einen Ort, wo ich dieses Tagebuch hinter dem Wasserkasten meiner Toilette einklemmen muss, damit keiner es findet . Wo ich nicht erzählen muss, es sei mir versehentlich in den Mülleimer gerutscht, und die Putzfrau habe es mitgenommen. Oh, ja ich kriege endlich einen andere Frau zu sehen. Auch wenn die kein Wort mit mir wechselt und ihre Arbeit stumm wie ein Schatten verrichtet, während ich verzweifelt versuche, mit ihr Konversation zu betreiben. Wo ich jenen Mann als Jungen sehe, manchmal sogar als das kleine kahlgeschorene Kind. Wo er nicht mein Feind ist oder mir nach dem Leben trachtet. Ja, es ist gut, dass ich Lydecker nichts erzähle. Seine nüchterne Betrachtungsweise würde dem ganzen seinen - ja wie soll ich es nennen?- Trost, Glanz, Schönheit ? rauben. Und das will ich nicht. Wieder in jene graue Wüste der Traum- und Hoffnungslosigkeit zurück zu fallen, die vor dem Erscheinen des jungen Mannes in mir herrschte. Selbst wenn das Traumbild von ihm meinen endgültigen, mentalen Zusammenbruch ankündigt. Denn nichts ist schlimmer als diese Einsamkeit
Der Mann schließt für einen Augenblick das Buch. Eine Hand fährt über seine Augen.
"Mein Gott, Ria."stöhnt er leise. Dann senkt er erneut den Blick und verschlingt mit fast hungrigen Augen die wenigen Blätter, die noch übrig sind.
Ende Teil 3
