Nach so langer Zeit gibt es endlich eine Fortsetzung zu meiner ff. Und das rechtzeitig zu Weihnachten. Den nächsten Teil gibt es dann wohl erst nächstes Jahr, aber bis dahin ist es ja nicht mehr fern. Also dann, frohe Weihnachten und guten Rutsch!
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Disclaimer:
Ranma 1/2 und alle damit verbundenen Ereignisse, Personen etc. sind Eigentum der geistigen Entwickler und Verlage. Ich verfolge damit keinerlei gewerblichen Zweck.
Legende:
"..." jmd. Spricht
^...^ jmd. Denkt
_..._ jmd. spricht deutsch
{...} Panda-Schilder
[...] Regieanweisung
(...) Kommentar des Autors, sollte jemanden etwas auffallen, das wie Sinn aussieht, lasst es mich wissen
Zeit der Veränderung – Wer bin ich?
Ranma war in seinem Zimmer und wühlte in den Schränken rum als würde er etwas Lebenswichtiges suchen, wobei er eine unfassbare Unordnung hinterließ.
Ranma: „Wo ist dieses Ding…"
Unterdessen füllte sich der Boden des Zimmers immer mehr mit Wäsche und anderen Zeugs.
Mit einem Mal stoppte Ranma in seinen Bewegungen und hielt einen weißen Zettel in die Luft.
Ranma: „Da ist es!"
Genauso schnell wie er das Zimmer durchwühlte, hatte er auch schon wieder verlassen. Tja, um das Zimmer wieder in bewohnbaren Zustand zu bringen müsste man wohl mit einem Bagger anrücken.
***
Aishano war gerade dabei zu versuchen sich von den Tendos wegzuwünschen und Akane war damit beschäftigt erfolglos etwas aus Nabiki rauszuquetschen, als Ranma um die Ecke bog und Aishano einen Zettel in die Hand drückte.
Ranma: „Lies vor!"
Die Augen seines Gegenübers schauten ihn ungläubig und auch etwas gelangweilt an, aber Aishano wollte nicht diskutieren.
Aishano: „Na dann…"
_'Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne er pfeift seine Rüden herbei
er pfeift seine Juden hervor lässt schaufeln ein Grab in der Erde
er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt
er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingt's seine Augen sind blau
stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr andern spielt weiter zum Tanz auf
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen
Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland
er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland
wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland
dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith'_
„Das ist die ‚Todesfuge' von Paul Celan, wenn ich nicht ganz falsch liege."
Ranma fing an zu grinsen
Ranma: „Keine Ahnung, ich kann das nicht lesen."
Aishano: „Wieso? Steht doch alles da dr…"
Erst jetzt bemerkte er, dass etwas nicht stimmte. Die Schrift bestand aus lateinischen Buchstaben. Gut, dass wäre nicht so schlimm, aber es war kein Japanisch und auch kein Englisch.
Aishano: „Das ist…kein Japanisch. Englisch ist es…auch nicht. Und ich habe nie eine andere Sprache gelernt. Warum also…verstehe ich was da steht?!"
Dass Ranma stolz auf seinen Einfall war konnte man nicht übersehen und für Aishano war eben eine Welt zusammengebrochen. Jegliche Zweifel an seiner Identität waren wie weggewaschen und mit ihnen für einen Moment auch sein Verstand.
Aishano: „Sidney Hikaru…das ist also mein wahrer Name."
Nabiki: „Eigentlich Markus Hikaru, oder wie du dich nanntest: Sidney Cid."
Aishano: „Ich kann mich erinnern, dass mich Ranma Sidney Hikaru nannte."
Ranma: „Ja, Entschuldigung. Ich hatte da was durcheinander gebracht."
Die Augen Aishanos blieben auf dem Blatt gefangen. Auf dem Blatt, was alles veränderte. Wie schön wäre es gewesen, wenn es sich einfach in Luft aufgelöst hätte, aber das tat es leider nicht. Es blieb wo es war und offenbarte die unauslöschliche Wahrheit. Die Person namens Aishano Hirazu existierte nicht, hatte es nie gegeben. Sie war nur eine Ausgeburt der Phantasie, nichts weiter.
Der Mann mit der verlorenen Identität stand ohne ein Wort zu sagen auf und verließ das Zimmer in Richtung Garten. Mehr stolpernd als gehend, wankte er auf die weiße Mauer zu.
Mit beiden Händen stützte er sich dort ab, richtete seinen Blick gen Boden und atmete tief durch. Dann spannte er die Muskeln an, seine Hände ballten sich zu Fäusten und eine rot glühende Aura erhellte ihn. Der Zorn und die Verzweiflung überschwemmten förmlich die Umgebung. Sein Blick richtete sich auf die Mauer und er verschafft seinen Gefühlen Platz.
„WA
Seine rechte Faust zog sich von der Mauer zurück, weiterhin auf sie gerichtet.
RUUUUUUUUUUUM?!!"
Sie schnellte vor, mit aller denkbaren und undenkbaren Kraft zugleich rammte sie in die Mauer, binnen Augenblicke zerfiel die Arbeit mehrerer Tage zu Staub. Einige Stücken flogen direkt über die Straße und schlugen in die Mauer auf der gegenüberliegenden Seite ein. Zum Glück war gerade niemand an dieser Stelle. Eine riesige Lücke unterbrach die Grundstücksmauer der Tendos. Der Verantwortliche unterdessen ließ seine Arme wieder schlaff herunterhängen. Seinen Blick richtete er gen Himmel, solange wie er das Licht ertragen konnte, dann schloss er seine Augen und ließ seinen Kopf hängen.
Die anderen erblickten ein Zittern seinen Körpers, als würde er weinen. Aber das tat er nicht, nein im Gegenteil, sein Gesicht verlor sich in einem Lachen, ohne dass seine Kehle einen Laut von sich gab. Es verging eine halbe Minute, bis er sich wieder fing. Aber keiner der anderen wollte ihn währenddessen ansprechen, irgendwie war ihnen als hätten sie jemand ganz anderen vor sich stehen.
Als der Identitätslose seine Stimme wieder fand sprach er trocken, leise und vollkommen emotionslos.
„Sieht so aus als müsste ich etwas über mich lernen."
Nach einigem Zögern setzte er noch einen Abschluss hinterher.
„Sidney reicht fürs Erste."
***
Den ganzen Nachmittag war Ranma dabei Sidney etwas über seine Vergangenheit zu erzählen. Es war nicht viel was Ranma erzählen konnte und eigentlich wollte er noch gewissen Details auslassen, aber Sidney hatte es, Ranmas Ansicht nach, zumindest verdient alles zu wissen.
Sidney sagte nichts, unterbrach kein einziges Mal die Erläuterungen Ranmas. Vielleicht war er viel zu sehr damit beschäftigt die Fakten richtig einzuordnen.
Die ganze Zeit stand er mit verschränkten Armen an die Wand gelehnt und löste seinen Blick nicht ein einziges Mal von seinen schwarzen Schuhen. Aber er war keineswegs unaufmerksam, er vernahm jedes Wort das Ranmas Lippen entsprang und ließ es auf seinen Verstand wirken.
Ranma: „…ja und das war es dann eigentlich, was es zu erzählen gibt."
Der Grauhaarige brauchte eine Weile um zu reagieren, und alles was er sagte war „…Aha." Damit nicht genug verließ er das Haus erneut ohne ein Wort zu sagen in Richtung Garten. Diesmal jedoch blieb er am Fischteich stehen und beobachtete wie sie dort rumschwammen, ohne Sorgen, ohne Probleme.
Dann, nach einigen Augenblicken, sprang er durch das Loch in der Mauer davon. Ranma reagierte sofort, und versuchte ihm hinterher zu rennen, wurde aber von Dr. Tofu festgehalten.
Dr.Tofu: „Lass ihn."
Nach einigen Mühen schaffte es Ranma sich von Dr. Tofu zu trennen.
Ranma: „Damit er irgendwelche Dummheiten begeht? Nein, danke."
Genauso schnell wie Sidney war auch Ranma durch das Loch verschwunden und ließ ein paar besorgte Menschen zurück.
***
Schon seit einer halben Stunde war Ranma hinter dem schwarzen Schatten her, der vor ihm über die Dächer Nerimas huschte.
Ranma: „Sid, halt endlich an!"
Zu Ranmas ungläubiger Überraschung tat er das tatsächlich, drehte sich aber nicht um.
Ranma: „Ich dachte schon du würdest nie mehr anhalten."
Mit einer plötzlichen und ruckartigen Bewegung streckte Sidney Ranma seine Handfläche entgegen und ein rot glühender Ball löste sich aus ihr. Mit einer gekonnten Drehung zur Seite konnte Ranma dem Gebilde ausweichen, welches weiter über die Dächer der Häuser flog und ein paar Vögel aufschreckt, bevor es sich irgendwo ins Nichts auflöste.
Ranma: ^Meine Güte, der ist aber auch stinkig! ^
Sidney: „Geh' Heim! Das hier ist mein Problem."
Ohne ein weiters Wort an Ranma zu verschwenden drehte er sich wieder um und machte sich bereit auf das nächste Dach zu springen.
Ranma: „Ich weiß aber noch was, was dich interessieren wird."
Erneut hatte Ranma Sidneys uneingeschränkte Aufmerksamkeit, aber keinen Blickkontakt mit ihm.
Ranma: „Sie sind hier."
Sidney: „Wer?"
Ranma: „Die Drei von denen ich dir erzählt hatte. Zumindest zwei von denen sind hier."
Sidney: „Warum sollte mich das interessieren?"
Ranma: „Es würde mich nicht wundern, wenn die was mit deinem Zustand zu tun haben."
Sidney: „Selbst wenn, wie sollte ich sie finden?"
Ranma: „Glaub mir, solch schräge Vögel kann man nicht übersehen. Und dann ist da noch was Wichtiges. Einer von den Dreien wurde von einer Ki-Projektion zusammengeschlagen."
Sidney: „Dann war er es, den du versucht hast zu beschützen."
Ranma: „Jo. Und das bringt mich auf eine Idee, denn wie heißt es so schön? Meines Feindes Feind sei mein bester Freund."
Sidney: „Welch naive Einstellung."
Ranma: „Soll das heißen ich bin naiv?!"
Sidney: „Das soll nur heißen, dass auch der Feind deines Feindes dein Feind sein kann. Aber das ist alles vollkommen unwichtig. Sie werden garantiert nicht mehr hier sein."
Ranma: „Ich glaube, dass sie noch immer hier sind."
Sidney: „Was macht dich da so sicher?"
Ranma: „Das hab' ich im Gefühl. Außerdem läuft irgendwie alles auf dich hinaus. Es hat was mit dir zu tun, da bin ich mir sicher."
Als Antwort kam von Sidney ein Nicken.
Ranma: „Mach dir keine Sorgen. Wir schaffen das schon. Am Besten wird sein wir kümmern uns Morgen darum. Komm, ich will nach Hause."
Wieder nickte Sidney nur kurz, aber diesmal huschte auch ein kleines Lächeln über seine Lippen.
***
Die Dunkelheit umhüllte den schwarz eingekleideten Mann der an der Rückseite des Tendo Dojos lehnte. Wo sein Geist jetzt war, ist schwer zu sagen. Vielleicht auf der Suche nach dem eigenen Ich oder einfach nur gedankenlos streifend. Eine warme und freundliche Stimme riss ihn zurück in seinen Körper.
Kasumi: „Guten Abend, Sidney."
Die grünen Augen würdigten sie nur eines kurzen Blickes, bevor sie sich wieder auf den Boden richteten.
Sidney: „Es ist spät. Du solltest schlafen gehen."
Kasumi: „Du aber auch."
Sidney: „Ich kann nicht schlafen."
Wieder einmal entkam Kasumis Lippen ein zauberhaftes und warmes Lächeln, welches Sidney spüren konnte, obwohl er sie nicht einmal ansah. Sein Herz schlug schneller, seine Atmung wurde unregelmäßig. Ohne die Kenntnis über die Hintergründe dieser Veränderung, schüttelte er sie so schnell wie möglich wieder ab. Für ihn war es eine Ewigkeit, aber für Kasumi nicht einmal lang genug um es überhaupt zu bemerken.
Kasumi: „Das kann ich verstehen. Es ist bestimmt schwer herauszufinden, dass man nicht der ist, der man glaubt zu sein."
Sidney: „So in etwa. Aber eigentlich hat es andere Ursachen."
Kasumi: „Welche denn?"
Sidneys Augen lösten sich vom Boden und starrten kalt und ohne Ausdruck in Kasumis Augen.
Sidney: „Wie ist es, wenn dir jemand ins Gesicht sagt, dass du ein Mörder bist? Wie ist es, wenn dir jemand sagt, dass du für den Tod deines Bruders verantwortlich bist? Wie ist es, wenn dir jemand sagt, dass dein Freund gestorben ist, um dich zu beschützen? Wie ist es, wenn du weißt, dass, egal wohin du gehst, du immer nur den Tod hinter dir herziehst? Wie ist es, wenn dir jemand sagt, dass du nicht du selbst bist, noch nicht einmal deinen richtigen Körper bewohnst? Wie ist das, frage ich dich, Kasumi Tendo, älteste Tochter von Soun Tendo?"
Kasumi war vollkommen überrascht von den Fragen die in ihre Ohren drangen. Sie konnte ihm keine Antwort geben.
Keine Antwort erwartend stieß sich Sidney von der Mauer ab und ging an Kasumi vorbei, nur um noch einmal neben ihr stehen zu bleiben.
Sidney: „Ich weiß, wie es ist."
Er ging weiter und entschwand ein weiteres Mal in der Dunkelheit der Nacht.
***
Von der Sonne gekitzelt wachte Kasumi am nächsten Morgen auf und befreite sich von Dr. Tofus Umarmung um aufzustehen, bis ihre Augen auf ihren Wecker fielen, dessen Zeiger unaufhaltbar Richtung 6:30 wanderte.
Kasumi: „Oje, ich sollte mich beeilen."
Recht schnell kleidete sie sich an und verließ ihr Zimmer in Richtung Küche.
Als sie aber am Esszimmer vorbeikam sah sie, dass dort bereits der Tisch gedeckt war und zwar sehr üppig.
Sidney: „Morgen."
Wie schon seit gestern waren sowohl seine Stimme als auch sein Gesicht ohne Anzeichen von Emotionen. Seit dem Vorfall gestern Nachmittag war das einzige was er zeigte ein kurzes Lächeln, welches sofort wieder verschwand.
Kasumi: „Guten Morgen. Hast du das gemacht?"
Sidney: „Ja."
Sie richtete wieder ihren Blick auf die reich gedeckte Tafel.
Kasumi: „Es ist nur für sieben Personen gedeckt."
Sidney: „Ich habe bereits gefrühstückt."
Ihre Aufmerksamkeit wurde von Sidney genommen, als ihr Vater plötzlich auftauchte.
Soun: „Kasumi, du hast dich wieder einmal selbst übertroffen. Das sieht wirklich wunderbar aus."
Kasumi: „Das war ich nicht, Vater. Sidney hat es…"
Als sie sich umdreht um auf Sidney zu zeigen, gab es nichts worauf sie zeigen könnte, denn er war weg, einfach verschwunden.
***
Seit Stunden war er bereits unterwegs. Jeden Passanten befragend der ihm in die Quere kam.
Aber ohne Erfolg. Es schien unmöglich, das zu finden was er suchte.
Eine junge Frau mit dunkelblonden, schulterlangen Haar, welche eigentlich mehr noch ein Mädchen war, sollte das nächste Ziel sein. Sie hob sich durch ihr leicht europäisch angehauchtes Gesicht von den anderen Fußgängern auf der Straße ab. Ihre enge Jeans und ihre Bluse betonten sehr stark ihre Körperformen.
Sidney: „Entschuldigung."
Die junge Dame dreht sich überrascht zu dem sie ansprechenden Passanten um, musste aber erst einmal feststellen, dass ihr gegenüber eine beachtliche Körpergröße besaß.
Frau: „Ja?"
Sidney: „Sie haben nicht zufällig drei europäisch aussehende Männer gesehen? Einer von ihnen ist sehr massiv gebaut, der andere hat eher meine Statur, nur etwas kleiner. Der letzte schließlich ist etwas Anfang 50, graues, aber fülliges Haar und einen dünnen Bart."
Frau: „Nein, tut mir leid. Ich bin selber fremd hier und erst vor wenigen Tagen hier in Japan eingetroffen. Ich kann ihnen leider nicht helfen."
Enttäuscht ließ Sidney den Kopf hängen. Die Chance sie jemals zu finden schwand mit jedem Passanten der keine Antwort geben konnte.
Sidney: „Dennoch vielen Dank für ihre Hilfe."
Frau: „Nichts für ungut."
Ohne Hoffnung wandte sich der große Mann mit den grauen Haaren und den leuchtend grünen Augen von der Frau ab, nicht bemerkend, dass sie ihn noch eine Weile beobachtete. Gedanken, Erinnerungen schienen hinter ihren braunen Augen zu blühen. Erinnerungen an andere Zeiten. Doch waren sie nicht verbunden mit diesem Mann, und doch…war irgendetwas seltsam an ihm.
***
Ein Moment des Glücks und der Freude überkam Sidney als ihm ein Passant versicherte eine der gesuchten Personen gesehen zu haben. Anscheinend war der stämmige Mann vor kurzem in ein kleines Nudelrestaurant gegangen, das man Neko Hanten nannte. Sidney hörte dem älteren Herrn schon gar nicht mehr zu als dieser davon erzählte, dass das Restaurant bis vor kurzem einer alten Amazone gehört hatte, die zusammen mit ihrer süßen Urenkelin und einem männlichen Mitglied ihres Stammes hier lebte. Jetzt seien sie nicht mehr da, zurück nach China, fügte der ältere Mann noch hinzu, bevor er bemerkte dass sein Zuhörer nicht mehr da war. Enttäuscht über die Manieren der Jugend ging er selbst seinen eigentlichen Geschäften nach, als er den Rucksack aufhob der fast dreimal so groß wie der kleine Mann war und überquoll vor lauter Damenunterwäsche.
***
Ein sehr stämmiger, fast schon dicker Mann, saß einsam an einem der Tische im Neko Hanten. Das war für ihn das zweite Mal, dass er in diesem Restaurant war, nur letztes Mal kam er nicht dazu etwas zu essen. Jetzt schlürfte er nur an einer dünnen Nudelsuppe. Nicht gerade das beste Essen was er sich vorstellen konnte, aber er war froh, dass er es überhaupt geschafft hatte irgendetwas zu bestellen. Denn Englisch war die einzige Fremdsprache die er neben Chinesisch noch konnte. Nur leider war das Englisch des Wirtes mehr als miserabel. Der Mann, der gerne von anderen Bermonn genannt werden wollte, stocherte weiter mit seinen Stäbchen in der Suppe rum und beachtete kaum den grauhaarigen, sehr groß gewachsenen Mann, welcher gerade herein trat und schnurstracks auf den Tresen zuging und sich mit dem Wirt unterhielt. Dass der Wirt mit seiner Hand auf ihn zeigte, bemerkte der kräftige Mann gar nicht. Erst als sich der grauhaarige Mann direkt vor ihm an den gleichen Tisch setzte, ließ er von seiner Suppe ab und beobachtete wie er von den grünen Augen seines Gegenübers gemustert wurde. Irgendwie kam Bermonn das Gesicht bekannt vor, aber er konnte sich nicht daran erinnern, diesen Mann schon einmal gesehen zu haben.
Bermonn: _Was willst du? _
Es schien als würde sein Gegenüber nach den richtigen Worten zu suchen um zu antworten, aber Bermonn erwartete keine.
Sidney: _Informationen. _
Der rundliche Mann war sehr beeindruckt von seinem Gegenüber.
Bermonn: _Man trifft hier nicht oft Menschen, die meine Sprache sprechen. _
Sidney: _Menschen die so etwas tragen, sieht man auch nicht allzu oft. _
Mit seinen Augen deutete Sidney auf den metallenen Kampfstab der neben Bermonn an seinem Stuhl lehnte.
Bermonn: _Was ist jetzt? Was willst du wissen? _
Gelangweilt von der Situation schob er sich eine Nudel in den Mund.
Sidney: _Kennst du jemanden namens Markus Hikaru? _
Die Nudel blieb fast im Rachen Bermonns stecken als er die Frage hörte. Er hustete sich fast die Seele aus dem Leib, um nicht zu ersticken. Das führte dazu, dass alle anderen Gäste gespannt auf die beiden Fremdlinge starrten.
Bermonn: _Has…hast du Markus Hikaru gesagt? _
Der grauhaarige Mann nickte als Antwort.
Bermonn: _Oh Mann, den Namen hab ich schon lange nicht mehr gehört. Er war mal ein Kumpel von mir, aber seit ein paar Monaten hasse ich ihn. _
Sidney: _Warum? _
Bermonn: _Weil er einen Freund von mir auf dem Gewissen hat. _
Für die Zeitspanne einer Kernspaltung bröckelte die Fassade in Sidneys Gesicht, wurde aber sehr bald wieder aufgebaut.
Bermonn: _Wer will das eigentlich alles wissen? _
Sidney stand auf und trat einen Schritt zur Seite um sich mit einer Verbeugung und einem Lächeln auf den Lippen vorzustellen.
Sidney: _Darf ich vorstellen: Markus Hikaru. _
Geschockt saß Bermonn da. Wie konnte er das nur übersehen? Jetzt wo er es wusste, konnte er seine Gesichtszüge ganz klar erkennen. Mit einer plötzlichen und ruckartigen Bewegung stand er auf und schmiss dabei seinen Stuhl mitsamt Stab um. Zum zweiten Mal wurden die Beiden von allen Seiten angestarrt.
Bermonn: _Du…du wagst es mir in die Augen zu treten, nachdem was du Tanges angetan hast? Dafür wirst du jetzt und hier BEZAHLEN! Das schwöre ich dir. _
So schnell er konnte hob er seinen Stab auf und ging in Kampfhaltung über.
Sidney: _Mit allem was du hast! Versuch es! _
Bermonns erster Angriff bestand aus einem horizontalen Schwinger in Kopfhöhe, dem Sidney mit Leichtigkeit nach unten auswich und mit einem Kinnhaken konterte. Um sein Gleichgewicht kämpfend, stolperte Bermonn einige Schritte nach hinten. Unter den Gästen des Neko Hanten sorgte diese Aktion für starke Verwirrung und beim Wirt für große Angst um sein Mobiliar.
Wirt: „Hey, macht euren Scheiß gefälligst draußen!"
Ohne die anderen um ihn herum zu beachten, versuchte Sidney einen Tritt an Bermonns Kopf zu landen, welcher aber durch den metallenen Stab gestoppt wurde. Mit dem anderen Ende des Stabes riss Bermonn die Beine seines Feindes weg. Aber Sidney machte sich daraus nichts, drehte sich noch in der Luft, stützte sich auf seinen Händen ab, stieß sich ab und trat mit seinen Beinen gegen Bermonns muskelbepackte Schultern. Endgültig das Gleichgewicht verlierend, fiel er über den hinter ihm liegenden Tisch. Unterdessen stand Sidney schon wieder auf seinen Beinen.
Sidney: _War das etwa schon alles? _
_Nein._
Bevor es Sidney schaffte seinen Kopf zu der Quelle der Stimme umzudrehen, verspürte er schon wie etwas in seinem Rücken aufschlug, ihn den Kontakt mit dem Boden verlieren ließ und zu der gegenüberliegenden Wand transportierte. Leider war diese nicht gebaut worden um einen kräftigen Zwei-Meter-Mann, der mit voller Wucht in sie schlug, aufzuhalten. Als der Nebel in Sidneys Kopf nachließ, fand er sich außerhalb des Neko Hanten auf der Straße wieder. Er konnte Schritte hören die durch den Staub und die Trümmer auf ihn zukamen. Alle Kraft zusammennehmend stand er wieder auf um seinen Feind von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen. Dieses Angesicht war ein Mann, Anfang bis Mitte 50, mit grauen, aber fülligen Haar, dünnen grauen Bart und tief braunen Augen. Das breite Gesicht verzog sich zu einem Grinsen.
Brutus: „Schön dich wieder zu sehen."
Sidney: „Du musst der Stärkere sein."
Brutus: „Sag' nicht, du hättest mich vergessen. Das wäre zu schade, wenn unsere Feindschaft darunter leiden würde."
Sidney: „Welche Feindschaft?"
Der alte Mann begann vorsichtig um sein Ziel zu kreisen, ließ es aber nicht aus den Augen.
Brutus: „Du hast es also tatsächlich vergessen. Wer hätte gedacht, dass die Gerüchte wahr sind?"
Sidney: „Gerüchte?"
Brutus: „Nun ja, man hört so einiges, wenn man auf Reisen ist."
Sidney: „Dann weißt du, wer dafür verantwortlich ist."
Brutus: „Nein."
Sidney: „Verzeih mir, wenn mein Vertrauen etwas niedrig angesetzt ist. Aber nach allem was ich von dir gehört habe, könntest genauso gut du dafür verantwortlich sein."
Brutus: „Ach, und wer hat dir von mir erzählt? Dieser Junge? Vielleicht ist er es ja der lügt und dich benutzt?"
Sidney: „Mag sein, aber ich habe mehr Grund ihm zu vertrauen als dir."
Mittlerweile war Brutus wieder an seinem Ausgangspunkt angelangt und blieb stehen.
Brutus: „Da hast du wohl Recht. Aber sag' mir, hat er dir auch von deiner anderen Seite erzählt?"
Sidney: „Meine…andere Seite?"
Die braunen Augen des alten Mannes begannen voller Erwartung zu leuchten.
Brutus: „Die, die mich fast besiegt hätte. Soll ich sie dir zeigen?"
Ein kurzer fragender Laut stieß aus Sidneys Kehle, bevor Brutus angriff und ihn mit einem Schlag auf die Nase zu Boden beförderte. Mit seinem Handrücken wischte sich Sidney das Blut aus dem Gesicht und stand wieder auf, nur um ein weiteres mal getroffen zu werden, diesmal jedoch erst in den Bauch, dann im Gesicht. Nur diesmal schaffte er es auf seinen beiden Beinen stehen zu bleiben. So langsam wurde erwütend, es wurde nun Zeit selber anzugreifen. Er führte Schläge und Tritte mit einer Geschwindigkeit aus, dass für die Umstehenden die Grenzen seines Körpers zu verwischen begannen. Aber Brutus wurde davon nicht beeindruckt, er wich allen Angriffen mit großem Geschick aus.
Brutus: „Los Kreatur, zeig sich!"
Sidney: „Kreatur!?"
Für einen kurzen Moment stand die pure Freude in Brutus tiefbraunen Augen geschrieben.
Brutus: „Ich sehe was, was du nicht siehst!"
Schneller als Sidney reagieren konnte, stand Brutus hinter ihm, legte seine Flache Hand auf Sidneys Rücken und ein Schock durchlief ihn. Ein unglaublicher Schmerz brannte in seinen Gliedern, seine Beine gaben nach, und er fiel auf die Knie.
Sidney: „Wa..was…?"
Brutus: „Ich weiß nicht wo du es her hast, aber es war ein Fehler es im Körper zu behalten."
Sidneys Kräfte schwanden zusehends, immer mehr entzog sich sein Körper seiner Kontrolle.
Sidney: „I…ch k…n e-es n-ni…kt ab-ab-absorb-b-b-biern…"
Das letzte Fünkchen Kraft verließ ihn und er fiel zu Boden, kaum noch die Umgebung um sich wahrnehmend. So entging ihm auch was in den nächsten Momenten geschah.
Brutus bekam einen Schlag ins Gesicht und taumelte zur Seite. Als er sich wieder unter Kontrolle hatte sah er eine junge Frau mit dunklen, blonden Haaren. Sie drückte ihren Oberkörper dicht über den Boden, ihr rechtes Bein nach vorne ausgestreckt, ihre Arme wie Flügel nach oben gerichtet.
Brutus: „Phönix?"
In einer schnellen Bewegung richtete sie sich wieder auf, ließ dabei ihre Arme in einer kreisförmigen Bewegung auf Brutus zuschnellen. Zwei Mal wurde er am Kinn getroffen bevor sich ihre flache Hand in seinen Magen bohrte. Mittlerweile hatte er sich wieder weit genug unter Kontrolle, dass er von seiner Feindin Abstand gewinnen konnte.
Brutus: „Ein ziemlich überraschender Angriff. Es ist fast schon peinlich von einer Göre wie dir überhaupt getroffen worden zu sein."
Frau: „Lass ihn in Frieden!"
Der ergraute Mann spuckte etwas Blut aus das sich in seinem Mund gesammelt hatte.
Brutus: „Er ist wertlos. Du kannst ihn haben."
_Bermonn! Wir gehen! _
Im nächsten Moment waren die beiden schon verschwunden und als die Luft rein war, lief die junge Frau sofort zu Sidney.
Frau: „Alles in Ordnung mit dir?"
Die Krämpfe und die Schmerzen hatten endlich wieder nachgelassen, nach einer für Sidney unendlich langen Zeitspanne. Seine Kräfte kehrten wieder zurück und damit auch die Kontrolle über seinen Körper.
Sidney: „Danke."
Frau: „Klar doch, Markus. Mach ich doch gerne."
Als Sidney die Worte der Frau hörte, waren alle seine Schmerzen wie weggeblasen. Was sie sagte war viel interessanter.
Sidney: „Wo…woher kennst du diesen Namen?"
Frau: „Na hör mal. Ich werd' ja wohl noch meinen eigenen Bruder erkennen."
Sidney stockte der Atem, alles um ihn herum verschwamm. Er starrte nur noch die junge Frau an, die da über ihm lehnte.
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Disclaimer:
Ranma 1/2 und alle damit verbundenen Ereignisse, Personen etc. sind Eigentum der geistigen Entwickler und Verlage. Ich verfolge damit keinerlei gewerblichen Zweck.
Legende:
"..." jmd. Spricht
^...^ jmd. Denkt
_..._ jmd. spricht deutsch
{...} Panda-Schilder
[...] Regieanweisung
(...) Kommentar des Autors, sollte jemanden etwas auffallen, das wie Sinn aussieht, lasst es mich wissen
Zeit der Veränderung – Wer bin ich?
Ranma war in seinem Zimmer und wühlte in den Schränken rum als würde er etwas Lebenswichtiges suchen, wobei er eine unfassbare Unordnung hinterließ.
Ranma: „Wo ist dieses Ding…"
Unterdessen füllte sich der Boden des Zimmers immer mehr mit Wäsche und anderen Zeugs.
Mit einem Mal stoppte Ranma in seinen Bewegungen und hielt einen weißen Zettel in die Luft.
Ranma: „Da ist es!"
Genauso schnell wie er das Zimmer durchwühlte, hatte er auch schon wieder verlassen. Tja, um das Zimmer wieder in bewohnbaren Zustand zu bringen müsste man wohl mit einem Bagger anrücken.
***
Aishano war gerade dabei zu versuchen sich von den Tendos wegzuwünschen und Akane war damit beschäftigt erfolglos etwas aus Nabiki rauszuquetschen, als Ranma um die Ecke bog und Aishano einen Zettel in die Hand drückte.
Ranma: „Lies vor!"
Die Augen seines Gegenübers schauten ihn ungläubig und auch etwas gelangweilt an, aber Aishano wollte nicht diskutieren.
Aishano: „Na dann…"
_'Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne er pfeift seine Rüden herbei
er pfeift seine Juden hervor lässt schaufeln ein Grab in der Erde
er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt
er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingt's seine Augen sind blau
stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr andern spielt weiter zum Tanz auf
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen
Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland
er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng
Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland
wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland
dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith'_
„Das ist die ‚Todesfuge' von Paul Celan, wenn ich nicht ganz falsch liege."
Ranma fing an zu grinsen
Ranma: „Keine Ahnung, ich kann das nicht lesen."
Aishano: „Wieso? Steht doch alles da dr…"
Erst jetzt bemerkte er, dass etwas nicht stimmte. Die Schrift bestand aus lateinischen Buchstaben. Gut, dass wäre nicht so schlimm, aber es war kein Japanisch und auch kein Englisch.
Aishano: „Das ist…kein Japanisch. Englisch ist es…auch nicht. Und ich habe nie eine andere Sprache gelernt. Warum also…verstehe ich was da steht?!"
Dass Ranma stolz auf seinen Einfall war konnte man nicht übersehen und für Aishano war eben eine Welt zusammengebrochen. Jegliche Zweifel an seiner Identität waren wie weggewaschen und mit ihnen für einen Moment auch sein Verstand.
Aishano: „Sidney Hikaru…das ist also mein wahrer Name."
Nabiki: „Eigentlich Markus Hikaru, oder wie du dich nanntest: Sidney Cid."
Aishano: „Ich kann mich erinnern, dass mich Ranma Sidney Hikaru nannte."
Ranma: „Ja, Entschuldigung. Ich hatte da was durcheinander gebracht."
Die Augen Aishanos blieben auf dem Blatt gefangen. Auf dem Blatt, was alles veränderte. Wie schön wäre es gewesen, wenn es sich einfach in Luft aufgelöst hätte, aber das tat es leider nicht. Es blieb wo es war und offenbarte die unauslöschliche Wahrheit. Die Person namens Aishano Hirazu existierte nicht, hatte es nie gegeben. Sie war nur eine Ausgeburt der Phantasie, nichts weiter.
Der Mann mit der verlorenen Identität stand ohne ein Wort zu sagen auf und verließ das Zimmer in Richtung Garten. Mehr stolpernd als gehend, wankte er auf die weiße Mauer zu.
Mit beiden Händen stützte er sich dort ab, richtete seinen Blick gen Boden und atmete tief durch. Dann spannte er die Muskeln an, seine Hände ballten sich zu Fäusten und eine rot glühende Aura erhellte ihn. Der Zorn und die Verzweiflung überschwemmten förmlich die Umgebung. Sein Blick richtete sich auf die Mauer und er verschafft seinen Gefühlen Platz.
„WA
Seine rechte Faust zog sich von der Mauer zurück, weiterhin auf sie gerichtet.
RUUUUUUUUUUUM?!!"
Sie schnellte vor, mit aller denkbaren und undenkbaren Kraft zugleich rammte sie in die Mauer, binnen Augenblicke zerfiel die Arbeit mehrerer Tage zu Staub. Einige Stücken flogen direkt über die Straße und schlugen in die Mauer auf der gegenüberliegenden Seite ein. Zum Glück war gerade niemand an dieser Stelle. Eine riesige Lücke unterbrach die Grundstücksmauer der Tendos. Der Verantwortliche unterdessen ließ seine Arme wieder schlaff herunterhängen. Seinen Blick richtete er gen Himmel, solange wie er das Licht ertragen konnte, dann schloss er seine Augen und ließ seinen Kopf hängen.
Die anderen erblickten ein Zittern seinen Körpers, als würde er weinen. Aber das tat er nicht, nein im Gegenteil, sein Gesicht verlor sich in einem Lachen, ohne dass seine Kehle einen Laut von sich gab. Es verging eine halbe Minute, bis er sich wieder fing. Aber keiner der anderen wollte ihn währenddessen ansprechen, irgendwie war ihnen als hätten sie jemand ganz anderen vor sich stehen.
Als der Identitätslose seine Stimme wieder fand sprach er trocken, leise und vollkommen emotionslos.
„Sieht so aus als müsste ich etwas über mich lernen."
Nach einigem Zögern setzte er noch einen Abschluss hinterher.
„Sidney reicht fürs Erste."
***
Den ganzen Nachmittag war Ranma dabei Sidney etwas über seine Vergangenheit zu erzählen. Es war nicht viel was Ranma erzählen konnte und eigentlich wollte er noch gewissen Details auslassen, aber Sidney hatte es, Ranmas Ansicht nach, zumindest verdient alles zu wissen.
Sidney sagte nichts, unterbrach kein einziges Mal die Erläuterungen Ranmas. Vielleicht war er viel zu sehr damit beschäftigt die Fakten richtig einzuordnen.
Die ganze Zeit stand er mit verschränkten Armen an die Wand gelehnt und löste seinen Blick nicht ein einziges Mal von seinen schwarzen Schuhen. Aber er war keineswegs unaufmerksam, er vernahm jedes Wort das Ranmas Lippen entsprang und ließ es auf seinen Verstand wirken.
Ranma: „…ja und das war es dann eigentlich, was es zu erzählen gibt."
Der Grauhaarige brauchte eine Weile um zu reagieren, und alles was er sagte war „…Aha." Damit nicht genug verließ er das Haus erneut ohne ein Wort zu sagen in Richtung Garten. Diesmal jedoch blieb er am Fischteich stehen und beobachtete wie sie dort rumschwammen, ohne Sorgen, ohne Probleme.
Dann, nach einigen Augenblicken, sprang er durch das Loch in der Mauer davon. Ranma reagierte sofort, und versuchte ihm hinterher zu rennen, wurde aber von Dr. Tofu festgehalten.
Dr.Tofu: „Lass ihn."
Nach einigen Mühen schaffte es Ranma sich von Dr. Tofu zu trennen.
Ranma: „Damit er irgendwelche Dummheiten begeht? Nein, danke."
Genauso schnell wie Sidney war auch Ranma durch das Loch verschwunden und ließ ein paar besorgte Menschen zurück.
***
Schon seit einer halben Stunde war Ranma hinter dem schwarzen Schatten her, der vor ihm über die Dächer Nerimas huschte.
Ranma: „Sid, halt endlich an!"
Zu Ranmas ungläubiger Überraschung tat er das tatsächlich, drehte sich aber nicht um.
Ranma: „Ich dachte schon du würdest nie mehr anhalten."
Mit einer plötzlichen und ruckartigen Bewegung streckte Sidney Ranma seine Handfläche entgegen und ein rot glühender Ball löste sich aus ihr. Mit einer gekonnten Drehung zur Seite konnte Ranma dem Gebilde ausweichen, welches weiter über die Dächer der Häuser flog und ein paar Vögel aufschreckt, bevor es sich irgendwo ins Nichts auflöste.
Ranma: ^Meine Güte, der ist aber auch stinkig! ^
Sidney: „Geh' Heim! Das hier ist mein Problem."
Ohne ein weiters Wort an Ranma zu verschwenden drehte er sich wieder um und machte sich bereit auf das nächste Dach zu springen.
Ranma: „Ich weiß aber noch was, was dich interessieren wird."
Erneut hatte Ranma Sidneys uneingeschränkte Aufmerksamkeit, aber keinen Blickkontakt mit ihm.
Ranma: „Sie sind hier."
Sidney: „Wer?"
Ranma: „Die Drei von denen ich dir erzählt hatte. Zumindest zwei von denen sind hier."
Sidney: „Warum sollte mich das interessieren?"
Ranma: „Es würde mich nicht wundern, wenn die was mit deinem Zustand zu tun haben."
Sidney: „Selbst wenn, wie sollte ich sie finden?"
Ranma: „Glaub mir, solch schräge Vögel kann man nicht übersehen. Und dann ist da noch was Wichtiges. Einer von den Dreien wurde von einer Ki-Projektion zusammengeschlagen."
Sidney: „Dann war er es, den du versucht hast zu beschützen."
Ranma: „Jo. Und das bringt mich auf eine Idee, denn wie heißt es so schön? Meines Feindes Feind sei mein bester Freund."
Sidney: „Welch naive Einstellung."
Ranma: „Soll das heißen ich bin naiv?!"
Sidney: „Das soll nur heißen, dass auch der Feind deines Feindes dein Feind sein kann. Aber das ist alles vollkommen unwichtig. Sie werden garantiert nicht mehr hier sein."
Ranma: „Ich glaube, dass sie noch immer hier sind."
Sidney: „Was macht dich da so sicher?"
Ranma: „Das hab' ich im Gefühl. Außerdem läuft irgendwie alles auf dich hinaus. Es hat was mit dir zu tun, da bin ich mir sicher."
Als Antwort kam von Sidney ein Nicken.
Ranma: „Mach dir keine Sorgen. Wir schaffen das schon. Am Besten wird sein wir kümmern uns Morgen darum. Komm, ich will nach Hause."
Wieder nickte Sidney nur kurz, aber diesmal huschte auch ein kleines Lächeln über seine Lippen.
***
Die Dunkelheit umhüllte den schwarz eingekleideten Mann der an der Rückseite des Tendo Dojos lehnte. Wo sein Geist jetzt war, ist schwer zu sagen. Vielleicht auf der Suche nach dem eigenen Ich oder einfach nur gedankenlos streifend. Eine warme und freundliche Stimme riss ihn zurück in seinen Körper.
Kasumi: „Guten Abend, Sidney."
Die grünen Augen würdigten sie nur eines kurzen Blickes, bevor sie sich wieder auf den Boden richteten.
Sidney: „Es ist spät. Du solltest schlafen gehen."
Kasumi: „Du aber auch."
Sidney: „Ich kann nicht schlafen."
Wieder einmal entkam Kasumis Lippen ein zauberhaftes und warmes Lächeln, welches Sidney spüren konnte, obwohl er sie nicht einmal ansah. Sein Herz schlug schneller, seine Atmung wurde unregelmäßig. Ohne die Kenntnis über die Hintergründe dieser Veränderung, schüttelte er sie so schnell wie möglich wieder ab. Für ihn war es eine Ewigkeit, aber für Kasumi nicht einmal lang genug um es überhaupt zu bemerken.
Kasumi: „Das kann ich verstehen. Es ist bestimmt schwer herauszufinden, dass man nicht der ist, der man glaubt zu sein."
Sidney: „So in etwa. Aber eigentlich hat es andere Ursachen."
Kasumi: „Welche denn?"
Sidneys Augen lösten sich vom Boden und starrten kalt und ohne Ausdruck in Kasumis Augen.
Sidney: „Wie ist es, wenn dir jemand ins Gesicht sagt, dass du ein Mörder bist? Wie ist es, wenn dir jemand sagt, dass du für den Tod deines Bruders verantwortlich bist? Wie ist es, wenn dir jemand sagt, dass dein Freund gestorben ist, um dich zu beschützen? Wie ist es, wenn du weißt, dass, egal wohin du gehst, du immer nur den Tod hinter dir herziehst? Wie ist es, wenn dir jemand sagt, dass du nicht du selbst bist, noch nicht einmal deinen richtigen Körper bewohnst? Wie ist das, frage ich dich, Kasumi Tendo, älteste Tochter von Soun Tendo?"
Kasumi war vollkommen überrascht von den Fragen die in ihre Ohren drangen. Sie konnte ihm keine Antwort geben.
Keine Antwort erwartend stieß sich Sidney von der Mauer ab und ging an Kasumi vorbei, nur um noch einmal neben ihr stehen zu bleiben.
Sidney: „Ich weiß, wie es ist."
Er ging weiter und entschwand ein weiteres Mal in der Dunkelheit der Nacht.
***
Von der Sonne gekitzelt wachte Kasumi am nächsten Morgen auf und befreite sich von Dr. Tofus Umarmung um aufzustehen, bis ihre Augen auf ihren Wecker fielen, dessen Zeiger unaufhaltbar Richtung 6:30 wanderte.
Kasumi: „Oje, ich sollte mich beeilen."
Recht schnell kleidete sie sich an und verließ ihr Zimmer in Richtung Küche.
Als sie aber am Esszimmer vorbeikam sah sie, dass dort bereits der Tisch gedeckt war und zwar sehr üppig.
Sidney: „Morgen."
Wie schon seit gestern waren sowohl seine Stimme als auch sein Gesicht ohne Anzeichen von Emotionen. Seit dem Vorfall gestern Nachmittag war das einzige was er zeigte ein kurzes Lächeln, welches sofort wieder verschwand.
Kasumi: „Guten Morgen. Hast du das gemacht?"
Sidney: „Ja."
Sie richtete wieder ihren Blick auf die reich gedeckte Tafel.
Kasumi: „Es ist nur für sieben Personen gedeckt."
Sidney: „Ich habe bereits gefrühstückt."
Ihre Aufmerksamkeit wurde von Sidney genommen, als ihr Vater plötzlich auftauchte.
Soun: „Kasumi, du hast dich wieder einmal selbst übertroffen. Das sieht wirklich wunderbar aus."
Kasumi: „Das war ich nicht, Vater. Sidney hat es…"
Als sie sich umdreht um auf Sidney zu zeigen, gab es nichts worauf sie zeigen könnte, denn er war weg, einfach verschwunden.
***
Seit Stunden war er bereits unterwegs. Jeden Passanten befragend der ihm in die Quere kam.
Aber ohne Erfolg. Es schien unmöglich, das zu finden was er suchte.
Eine junge Frau mit dunkelblonden, schulterlangen Haar, welche eigentlich mehr noch ein Mädchen war, sollte das nächste Ziel sein. Sie hob sich durch ihr leicht europäisch angehauchtes Gesicht von den anderen Fußgängern auf der Straße ab. Ihre enge Jeans und ihre Bluse betonten sehr stark ihre Körperformen.
Sidney: „Entschuldigung."
Die junge Dame dreht sich überrascht zu dem sie ansprechenden Passanten um, musste aber erst einmal feststellen, dass ihr gegenüber eine beachtliche Körpergröße besaß.
Frau: „Ja?"
Sidney: „Sie haben nicht zufällig drei europäisch aussehende Männer gesehen? Einer von ihnen ist sehr massiv gebaut, der andere hat eher meine Statur, nur etwas kleiner. Der letzte schließlich ist etwas Anfang 50, graues, aber fülliges Haar und einen dünnen Bart."
Frau: „Nein, tut mir leid. Ich bin selber fremd hier und erst vor wenigen Tagen hier in Japan eingetroffen. Ich kann ihnen leider nicht helfen."
Enttäuscht ließ Sidney den Kopf hängen. Die Chance sie jemals zu finden schwand mit jedem Passanten der keine Antwort geben konnte.
Sidney: „Dennoch vielen Dank für ihre Hilfe."
Frau: „Nichts für ungut."
Ohne Hoffnung wandte sich der große Mann mit den grauen Haaren und den leuchtend grünen Augen von der Frau ab, nicht bemerkend, dass sie ihn noch eine Weile beobachtete. Gedanken, Erinnerungen schienen hinter ihren braunen Augen zu blühen. Erinnerungen an andere Zeiten. Doch waren sie nicht verbunden mit diesem Mann, und doch…war irgendetwas seltsam an ihm.
***
Ein Moment des Glücks und der Freude überkam Sidney als ihm ein Passant versicherte eine der gesuchten Personen gesehen zu haben. Anscheinend war der stämmige Mann vor kurzem in ein kleines Nudelrestaurant gegangen, das man Neko Hanten nannte. Sidney hörte dem älteren Herrn schon gar nicht mehr zu als dieser davon erzählte, dass das Restaurant bis vor kurzem einer alten Amazone gehört hatte, die zusammen mit ihrer süßen Urenkelin und einem männlichen Mitglied ihres Stammes hier lebte. Jetzt seien sie nicht mehr da, zurück nach China, fügte der ältere Mann noch hinzu, bevor er bemerkte dass sein Zuhörer nicht mehr da war. Enttäuscht über die Manieren der Jugend ging er selbst seinen eigentlichen Geschäften nach, als er den Rucksack aufhob der fast dreimal so groß wie der kleine Mann war und überquoll vor lauter Damenunterwäsche.
***
Ein sehr stämmiger, fast schon dicker Mann, saß einsam an einem der Tische im Neko Hanten. Das war für ihn das zweite Mal, dass er in diesem Restaurant war, nur letztes Mal kam er nicht dazu etwas zu essen. Jetzt schlürfte er nur an einer dünnen Nudelsuppe. Nicht gerade das beste Essen was er sich vorstellen konnte, aber er war froh, dass er es überhaupt geschafft hatte irgendetwas zu bestellen. Denn Englisch war die einzige Fremdsprache die er neben Chinesisch noch konnte. Nur leider war das Englisch des Wirtes mehr als miserabel. Der Mann, der gerne von anderen Bermonn genannt werden wollte, stocherte weiter mit seinen Stäbchen in der Suppe rum und beachtete kaum den grauhaarigen, sehr groß gewachsenen Mann, welcher gerade herein trat und schnurstracks auf den Tresen zuging und sich mit dem Wirt unterhielt. Dass der Wirt mit seiner Hand auf ihn zeigte, bemerkte der kräftige Mann gar nicht. Erst als sich der grauhaarige Mann direkt vor ihm an den gleichen Tisch setzte, ließ er von seiner Suppe ab und beobachtete wie er von den grünen Augen seines Gegenübers gemustert wurde. Irgendwie kam Bermonn das Gesicht bekannt vor, aber er konnte sich nicht daran erinnern, diesen Mann schon einmal gesehen zu haben.
Bermonn: _Was willst du? _
Es schien als würde sein Gegenüber nach den richtigen Worten zu suchen um zu antworten, aber Bermonn erwartete keine.
Sidney: _Informationen. _
Der rundliche Mann war sehr beeindruckt von seinem Gegenüber.
Bermonn: _Man trifft hier nicht oft Menschen, die meine Sprache sprechen. _
Sidney: _Menschen die so etwas tragen, sieht man auch nicht allzu oft. _
Mit seinen Augen deutete Sidney auf den metallenen Kampfstab der neben Bermonn an seinem Stuhl lehnte.
Bermonn: _Was ist jetzt? Was willst du wissen? _
Gelangweilt von der Situation schob er sich eine Nudel in den Mund.
Sidney: _Kennst du jemanden namens Markus Hikaru? _
Die Nudel blieb fast im Rachen Bermonns stecken als er die Frage hörte. Er hustete sich fast die Seele aus dem Leib, um nicht zu ersticken. Das führte dazu, dass alle anderen Gäste gespannt auf die beiden Fremdlinge starrten.
Bermonn: _Has…hast du Markus Hikaru gesagt? _
Der grauhaarige Mann nickte als Antwort.
Bermonn: _Oh Mann, den Namen hab ich schon lange nicht mehr gehört. Er war mal ein Kumpel von mir, aber seit ein paar Monaten hasse ich ihn. _
Sidney: _Warum? _
Bermonn: _Weil er einen Freund von mir auf dem Gewissen hat. _
Für die Zeitspanne einer Kernspaltung bröckelte die Fassade in Sidneys Gesicht, wurde aber sehr bald wieder aufgebaut.
Bermonn: _Wer will das eigentlich alles wissen? _
Sidney stand auf und trat einen Schritt zur Seite um sich mit einer Verbeugung und einem Lächeln auf den Lippen vorzustellen.
Sidney: _Darf ich vorstellen: Markus Hikaru. _
Geschockt saß Bermonn da. Wie konnte er das nur übersehen? Jetzt wo er es wusste, konnte er seine Gesichtszüge ganz klar erkennen. Mit einer plötzlichen und ruckartigen Bewegung stand er auf und schmiss dabei seinen Stuhl mitsamt Stab um. Zum zweiten Mal wurden die Beiden von allen Seiten angestarrt.
Bermonn: _Du…du wagst es mir in die Augen zu treten, nachdem was du Tanges angetan hast? Dafür wirst du jetzt und hier BEZAHLEN! Das schwöre ich dir. _
So schnell er konnte hob er seinen Stab auf und ging in Kampfhaltung über.
Sidney: _Mit allem was du hast! Versuch es! _
Bermonns erster Angriff bestand aus einem horizontalen Schwinger in Kopfhöhe, dem Sidney mit Leichtigkeit nach unten auswich und mit einem Kinnhaken konterte. Um sein Gleichgewicht kämpfend, stolperte Bermonn einige Schritte nach hinten. Unter den Gästen des Neko Hanten sorgte diese Aktion für starke Verwirrung und beim Wirt für große Angst um sein Mobiliar.
Wirt: „Hey, macht euren Scheiß gefälligst draußen!"
Ohne die anderen um ihn herum zu beachten, versuchte Sidney einen Tritt an Bermonns Kopf zu landen, welcher aber durch den metallenen Stab gestoppt wurde. Mit dem anderen Ende des Stabes riss Bermonn die Beine seines Feindes weg. Aber Sidney machte sich daraus nichts, drehte sich noch in der Luft, stützte sich auf seinen Händen ab, stieß sich ab und trat mit seinen Beinen gegen Bermonns muskelbepackte Schultern. Endgültig das Gleichgewicht verlierend, fiel er über den hinter ihm liegenden Tisch. Unterdessen stand Sidney schon wieder auf seinen Beinen.
Sidney: _War das etwa schon alles? _
_Nein._
Bevor es Sidney schaffte seinen Kopf zu der Quelle der Stimme umzudrehen, verspürte er schon wie etwas in seinem Rücken aufschlug, ihn den Kontakt mit dem Boden verlieren ließ und zu der gegenüberliegenden Wand transportierte. Leider war diese nicht gebaut worden um einen kräftigen Zwei-Meter-Mann, der mit voller Wucht in sie schlug, aufzuhalten. Als der Nebel in Sidneys Kopf nachließ, fand er sich außerhalb des Neko Hanten auf der Straße wieder. Er konnte Schritte hören die durch den Staub und die Trümmer auf ihn zukamen. Alle Kraft zusammennehmend stand er wieder auf um seinen Feind von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen. Dieses Angesicht war ein Mann, Anfang bis Mitte 50, mit grauen, aber fülligen Haar, dünnen grauen Bart und tief braunen Augen. Das breite Gesicht verzog sich zu einem Grinsen.
Brutus: „Schön dich wieder zu sehen."
Sidney: „Du musst der Stärkere sein."
Brutus: „Sag' nicht, du hättest mich vergessen. Das wäre zu schade, wenn unsere Feindschaft darunter leiden würde."
Sidney: „Welche Feindschaft?"
Der alte Mann begann vorsichtig um sein Ziel zu kreisen, ließ es aber nicht aus den Augen.
Brutus: „Du hast es also tatsächlich vergessen. Wer hätte gedacht, dass die Gerüchte wahr sind?"
Sidney: „Gerüchte?"
Brutus: „Nun ja, man hört so einiges, wenn man auf Reisen ist."
Sidney: „Dann weißt du, wer dafür verantwortlich ist."
Brutus: „Nein."
Sidney: „Verzeih mir, wenn mein Vertrauen etwas niedrig angesetzt ist. Aber nach allem was ich von dir gehört habe, könntest genauso gut du dafür verantwortlich sein."
Brutus: „Ach, und wer hat dir von mir erzählt? Dieser Junge? Vielleicht ist er es ja der lügt und dich benutzt?"
Sidney: „Mag sein, aber ich habe mehr Grund ihm zu vertrauen als dir."
Mittlerweile war Brutus wieder an seinem Ausgangspunkt angelangt und blieb stehen.
Brutus: „Da hast du wohl Recht. Aber sag' mir, hat er dir auch von deiner anderen Seite erzählt?"
Sidney: „Meine…andere Seite?"
Die braunen Augen des alten Mannes begannen voller Erwartung zu leuchten.
Brutus: „Die, die mich fast besiegt hätte. Soll ich sie dir zeigen?"
Ein kurzer fragender Laut stieß aus Sidneys Kehle, bevor Brutus angriff und ihn mit einem Schlag auf die Nase zu Boden beförderte. Mit seinem Handrücken wischte sich Sidney das Blut aus dem Gesicht und stand wieder auf, nur um ein weiteres mal getroffen zu werden, diesmal jedoch erst in den Bauch, dann im Gesicht. Nur diesmal schaffte er es auf seinen beiden Beinen stehen zu bleiben. So langsam wurde erwütend, es wurde nun Zeit selber anzugreifen. Er führte Schläge und Tritte mit einer Geschwindigkeit aus, dass für die Umstehenden die Grenzen seines Körpers zu verwischen begannen. Aber Brutus wurde davon nicht beeindruckt, er wich allen Angriffen mit großem Geschick aus.
Brutus: „Los Kreatur, zeig sich!"
Sidney: „Kreatur!?"
Für einen kurzen Moment stand die pure Freude in Brutus tiefbraunen Augen geschrieben.
Brutus: „Ich sehe was, was du nicht siehst!"
Schneller als Sidney reagieren konnte, stand Brutus hinter ihm, legte seine Flache Hand auf Sidneys Rücken und ein Schock durchlief ihn. Ein unglaublicher Schmerz brannte in seinen Gliedern, seine Beine gaben nach, und er fiel auf die Knie.
Sidney: „Wa..was…?"
Brutus: „Ich weiß nicht wo du es her hast, aber es war ein Fehler es im Körper zu behalten."
Sidneys Kräfte schwanden zusehends, immer mehr entzog sich sein Körper seiner Kontrolle.
Sidney: „I…ch k…n e-es n-ni…kt ab-ab-absorb-b-b-biern…"
Das letzte Fünkchen Kraft verließ ihn und er fiel zu Boden, kaum noch die Umgebung um sich wahrnehmend. So entging ihm auch was in den nächsten Momenten geschah.
Brutus bekam einen Schlag ins Gesicht und taumelte zur Seite. Als er sich wieder unter Kontrolle hatte sah er eine junge Frau mit dunklen, blonden Haaren. Sie drückte ihren Oberkörper dicht über den Boden, ihr rechtes Bein nach vorne ausgestreckt, ihre Arme wie Flügel nach oben gerichtet.
Brutus: „Phönix?"
In einer schnellen Bewegung richtete sie sich wieder auf, ließ dabei ihre Arme in einer kreisförmigen Bewegung auf Brutus zuschnellen. Zwei Mal wurde er am Kinn getroffen bevor sich ihre flache Hand in seinen Magen bohrte. Mittlerweile hatte er sich wieder weit genug unter Kontrolle, dass er von seiner Feindin Abstand gewinnen konnte.
Brutus: „Ein ziemlich überraschender Angriff. Es ist fast schon peinlich von einer Göre wie dir überhaupt getroffen worden zu sein."
Frau: „Lass ihn in Frieden!"
Der ergraute Mann spuckte etwas Blut aus das sich in seinem Mund gesammelt hatte.
Brutus: „Er ist wertlos. Du kannst ihn haben."
_Bermonn! Wir gehen! _
Im nächsten Moment waren die beiden schon verschwunden und als die Luft rein war, lief die junge Frau sofort zu Sidney.
Frau: „Alles in Ordnung mit dir?"
Die Krämpfe und die Schmerzen hatten endlich wieder nachgelassen, nach einer für Sidney unendlich langen Zeitspanne. Seine Kräfte kehrten wieder zurück und damit auch die Kontrolle über seinen Körper.
Sidney: „Danke."
Frau: „Klar doch, Markus. Mach ich doch gerne."
Als Sidney die Worte der Frau hörte, waren alle seine Schmerzen wie weggeblasen. Was sie sagte war viel interessanter.
Sidney: „Wo…woher kennst du diesen Namen?"
Frau: „Na hör mal. Ich werd' ja wohl noch meinen eigenen Bruder erkennen."
Sidney stockte der Atem, alles um ihn herum verschwamm. Er starrte nur noch die junge Frau an, die da über ihm lehnte.
