Teil 2: Ein Fremder im Wald

"Heda! Nicht so schnell!" aber es war nicht die Männerstimme, die sie noch in der Bewegung innehealten ließ, sondern die Klinge, die urplötzlich an ihrer Kehle lag. Sie schluckte einen weiteren Schrei hinunter und wie paralysiert starrte sie nach oben. Gegen die Sonne hob sich die große dunkle Silhouette eines Mannes ab und sie blinzelte, um besser sehen zu können.

Dunkle Haare, dunkler Bart - beides nicht sehr gepflegt. Die Kleidung ebenfalls dunkel, größtenteils aus Leder und grobem Stoff war merkwürdig geschnitten. Dazu ein schwarzer, weiter Umhang. Und dieses Schwert, dessen Spitze inzwischen unangenehm in ihre Halskuhle piekte.

Noch immer auf dem Hosenboden hockend, versuchte sie unauffällig nach hinten zu rutschen, aber natürlich merkte er es und mit einem angedeuteten Kopfschütteln und einem zynischen Lächeln brachte er sie dazu, weiterhin still am Boden zu sitzen.

"Immer schön ruhig!" warnte er, "Und dann sagt mir, wer Ihr seid und wo Ihr so plötzlich herkommt. Was ist das für ein Zauberwerk?"

Doch sie antworte nicht. Was meinte der, wer er war? Ungewaschen aus dem Nichts auftauchen und dann noch Forderungen stellen, das war ja noch schöner! Trötzig zog sie eine Schnute, doch die schien ihn nur zu amüsieren, denn er zog nur zynisch die Mundwinkel in die Höhe. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schwieg. Langsam dämmerte ihm aber anscheinend, dass sie keine unmittelbare Gefahr darstellte, denn er nahm das Schwert von ihrer Kehle und mit einem eleganten Schwung verschwand es in der Schwertscheide, die an seinem Gürtel hing.

"Danke..." war alles as sie sagte und man konnte sehen, dass sie eigentlich etwas ganz anderes wollte, als sich artig zu bedanken. Sie rührte sich nicht und blieb mit verstocktem Gesichtsausdruck und verschränkten Armen sitzen. Er schien das Wegstecken seiner Waffe allerdings als eine Art Deal zu verstehen und sofort wurde klar, was er im Gegenzug nun von ihr erwartete:

"Nun, wollt Ihr vielleicht endlich meine Fragen beantworten?" Sein Ton war noch immer leicht zynisch, was gut zu seinem Lächeln passte. Er ging in die Knie, um sie besser sehen zu können und betrachtete sie aufmerksam. Das blonde Haar lang und glänzend, blaue Augen und eine Stupsnase, eigentlich sah sie entzückend aus, wenn sie nur nicht so unweiblich gekleidet gewesen wäre - Er hatte noch eine Frau in Hosen gesehen, und selbst einem Mann hätte diese merkwürdige Gewandung in diesem Blauton wohl kaum zu Gesicht gestanden...Doch sie trug keine sichtbaren Waffen und schien eher verwirrt, als gefährlich zu sein. So entschied er sich, über ihr fremdartiges Erscheinungsbild erst einmal keine Gedanken zu machen und vielleicht später mehr herauszufinden - Vielleicht kam sie aus einer fernen Gegend, in der man sich so exotisch kleidete...

Erwartungsvoll blickte er sie an. "Ich heiße Priscilla." Zu mehr war sie noch nicht fähig, denn noch immer wußte sie nicht, was gerade mit ihr geschehen war, zumal ihr Hals noch immer schmerzte, als wäre eine Angina im Anzug. Aber sie versuchte, sich ihre Unsicherheit nicht anmerken zu lassen und ließ ihre Stimme klingen, als ob allein die Erwähnung ihres Namens ihm ihre Wichtigkeit verraten hätten müssen. Doch er reagierte nicht, sondern fragte weiter:

"Wie könnt Ihr nur so plötzlich hinter mir auftauchen, Priscilla? Ich hätte Euch fast getötet!" Was war denn das? Ein Vorwurf? Langsam wurde es ihr zu bunt. Und warum redete er so geschwollen daher? "Und was ist das bitteschön für eine Art, jemanden erstmal mit nem Schwert zu bedrohen?" Die scharfe Zunge, für die sie bekannt war schien sie nicht verlassen zu haben... "Ich hab keine Ahnung was passiert ist und wo ich hier bin. Und wer zur Hölle sind Sie eigentlich?"

Etwas befremdet sah er sie an.

"Ihr habt eine merkwürdige Art zu sprechen." Ach was? Das sagt der Richtige... dachte sie und straffte trotzig die Schultern, aber er ignorierte das und sprach weiter, "Aber ich will Euch gerne sagen, dass Ihr Euch in den Wäldern von Bree befindet."

"Bree?" Sie schien noch immer ratlos zu sein.

"Aus welchem Teil von Mittelerde kommt Ihr, da Ihr Bree nicht zu kennen scheint?" Sofort war er wieder mißtrauisch, aber sie konnte ein freundliches Licht sehen, das seinen blauen Augen innewohnte.

Doch auf solche Nebensächlichkeiten konnte sie keine Rücksicht nehmen.

"Ich fürchte, ich verstehe nicht... Wieso Mittelerde? Wie komme ich hierher? Und wer seid... Ihr?" sie hatte begriffen, daß er sie weniger merkwürdig finden - und ihr möglicherweise endlich antworten - würde, wenn sie sich seiner Wortwahl anpaßte.

"Ihr könnt mich Strecher nennen." beantwortete er dann auch ihre Frage, fuhr aber fort, "Aber warum wißt Ihr nicht, wie Ihr in diesen Wald gekommen seid?"

Langsam wurde ihr dieses Frage- und Antwortspiel lästig. Sie rappelte sich auf und es kümmerte sie herzlich wenig, daß sie dabei alles andere als damenhaft aussah.

"Hört mir zu, Streicher! Ich habe keine Ahnung, was hier los ist! Eben war ich noch auf diesem dummen Jahrmarkt und jetzt... werde ich hier in Mittelerde von Waffen bedroht!" Er hatte sich ebenfalls erhoben und sie starrten sich an. In ihre Augen war ein trotziges Blitzen getreten, aber es konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß ihr eigentlich zum Heulen zumute war. Was sie natürlich niemals zugegeben hätte.

So ging er dann auch nicht auf ihren angriffslustigen Ton ein, sondern sprach ruhig weiter. "Nun also, ich habe schon vieles erlebt in diesen Wäldern und so werde ich auch herausbringen, was mit Euch geschehen ist."

"Das will ich aber auch hof..." langsam ging ihr die Geduld aus, aber er ging mit diesem Lächeln darüber hinweg und legte nur seinen Zeigefinger an die Lippen, was sie komischerweise mitten im Wort verstummen ließ. Nur der Trotz stand ihr weiterhin ins Gesicht geschrieben.

"Shhh... Kein Grund zur Sorge. Ich habe Euch gut verstanden. Wollt Ihr ein Stück des Weges mit mir gehen, vielleicht können wir gemeinsam Licht in diese Angelegenheit bringen."

Sie zuckte mit den Schultern, machte aber Anstalten, ihm zu folgen. Wortlos hatte er sich umgedreht und war im Dickicht verschwunden, welches zwischen den hohen Bäumen wucherte. Nicht mal ein Pfad war zu sehen und langsam dämmerte ihr, daß sie sich besser an ihn hielt, wenn sie nicht völlig allein mitten im Wald sitzenbleiben wollte. Er hatte bestimmt seit Tagen nicht mehr gebadet, aber darüber mußte sie jetzt hinwegsehen - wenigstens hatte er sie nicht erdolcht. Was mochte das nur für eine Gegend sein, wo mittelalterlich gekleidete Kerle nicht lange zögerten, bevor sie ihr Schwert zogen.

"Hey! Warten Sie... äh... Wartet!" rief sie und beeilte sich, ihm zu folgen.

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OK, ihr seid noch da... guuuuut!