Disclaimer: Alle Figuren, die aus dem "Herrn der Ringe" bekannt sind, sind ausnahmslos Eigentum von J.R.R. Tolkien.

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Schatten über Mirkwood

Stunden waren vergangen, seit sie Dol Guldur hinter sich gelassen hatten, und noch immer grübelte Aragorn über die Worte Celeborn's nach. Die Elben waren verändert, was konnte das heißen? Und wodurch waren sie verändert? Auch Arwen hatte ihm keine Antwort darauf geben können, obwohl sie immer wieder von einem näherrückenden Unheil aus dem Norden sprach. Und genau das hatte Gandalf auch gesagt.
Er blickte zu Arwen, die ein Stück hinter ihm ritt. Sie sah nachdenklich aus. Dann sah er zu Legolas. Nichts schien den Elben aus der Ruhe bringen zu können. Scheinbar hatte er neuerdings jegliches Gespür für Gefahr abgelegt. Was die Liebe doch bei diesem Volk anrichten konnte. Nie hätte er gedacht, daß dieser Vollblutkämpfer jemals auf etwas anderes vertrauen würde, als auf seinen Instinkt. Und auch der schien getrübt zu sein. Zumindest im Augenblick.
Aragorn seufzte. Vielleicht benötigte er auch nur einen Ork im Nacken, dachte er wehmütig. Denn auch ihm fehlte der Kitzel des Kampfes. Auge in Auge mit dem Feind, das harte Eisen der Klinge in der Hand, bereit zum Schlag. Was waren das für Zeiten gewesen, nebeneinander im Kampf um Helm's Deep und später vor dem Schwarzen Tor. Jeder der beiden war bereit gewesen, für den anderen zu sterben. Und jetzt? Er war König und seine größte Herausforderung war, ein Land zu regieren. Doch lieber würde er neben seinen Freunden gegen den Feind kämpfen. Wenn es denn einen gab.

Lange ritten sie durch den Wald von Mirkwood, bis sie bei Dämmerung an einer Lichtung Halt machten.
sagte er, du hast die erste Wache.
Der Elb nickte und stieg vom Pferd.
Dann löst dich Pippin ab. Aragorn stieg auch ab und setzte sich zu Arwen, die bereits begonnen hatte, Feuer zu machen.
Was hast du? fragte er leise. Du bist so ruhig.
Sie sah ihn nachdenklich an. Ich spüre etwas. flüsterte sie. Und mich wundert, daß es niemand außer mir spürt. Sie deutete auf Legolas.
Ich fürchte, auf ihn kannst du dich nicht verlassen. sagte Aragorn wehmütig. Die Liebe hat seine Sinne getrübt.
Das glaube ich nicht. widersprach sie. Ich denke, im Moment konzentriert er sich lediglich auf einen bestimmten Sinn. Sie sah ihn vielsagend an, und er verzichtete auf einen weiteren Kommentar. Offenbar teilte sie seine Bedenken nicht und verstand nur allzugut, was in dem Elben vorzugehen schien.
Nun gut. sagte er statt dessen. Schlagen wir unser Lager auf.

Nachdem alle ihr Lager vorbereitet hatten, ging Aragorn zu Legolas, der sich einen abgelegenen Platz für seine Wache ausgesucht hatte, von dem aus er die Lichtung gut überblicken konnte. Er saß an einen Felsen gelehnt und betrachtete die Sterne.
sagte er, als er ihn kommen sah. Sieh dir diese Nacht an. Man könnte meinen, die Sterne wären nur Armlängen entfernt. Ein Lächeln lag auf seinem Gesicht, und Aragorn sah sich in seiner Befürchtung bestätigt. Die Liebe hatte tatsächlich seine Sinne vernebelt.
Er setzte sich neben ihn und schwieg.
Was betrübt dich? fragte der Elb plötzlich.
Aragorn zögerte. Er wollte Legolas nicht zu sehr bedrängen, aber er wollte doch sichergehen, ob alles in Ordnung war..
Arwen spürt eine Gefahr. sagte er vorsichtig. Und ich frage mich, ob du es auch tust.
Legolas sah ihn lange an. Täuschte er sich, oder war da für einen kurzen Moment ein irritiertes Aufleuchten in seinen Augen?
Vieles liegt in der Luft in Mirkwood. sagte er dann. Vieles, das einmal eine Gefahr war, und manches, das vielleicht eine werden könnte. Doch ich kann nichts spüren, das mich beunruhigt. Erneut sah er zum Himmel.
Aragorn seufzte. Verzeih mir, Legolas, aber ich fürchte, du bist im Augenblick zu sehr mit deinen Herzensangelegenheiten beschäftigt. Er sah ihn ernst an. Kommt dir denn das, was in Dol Guldur vorgehen soll, nicht auch seltsam vor?
Seltsam, ja. Aber nicht gefährlich. Er strich mit der Hand über seinen Bogen. Wir sollten abwarten, was die Zukunft bringt, bevor wir uns mit Feinden beschäftigen, die es vielleicht gar nicht gibt.
Aragorn sah ihn überrascht an.
Du weißt selbst, daß die Zeit der Elben hier in Mittelerde vorbei ist. fuhr Legolas fort. Vielen fehlt hier eine Aufgabe, ein Sinn. Und nach tausenden von Jahren kann man sich dann schon mal seltsam verhalten. Er lächelte. Ich tue es schließlich auch, oder? Hälst du mich deshalb für gefährlich?
Aragorn schüttelte den Kopf. Du verhälst dich in der Tat seltsam. sagte er. Ich schätze, daran muß ich mich erst gewöhnen. Er warf ihm einen entschuldigenden Blick zu und stand auf.

***

Hey, aufwachen! Hier wird nicht geschlafen!
Pippin's Stimme ging ihm durch Mark und Bein. Sofort fuhr er hoch, um sich im nächsten Moment wieder nach hinten sinken zu lassen. Sein Kopf brummte und sein ganzer Körper schmerzte, als ob er seit Tagen keine Ruhe gefunden hätte. Was war passiert? Hatte er tatsächlich geschlafen?
Er sah den Hobbit an und dessen Blick bestätigte seine Befürchtung.
ermahnte er ihn. So kenne ich Euch ja gar nicht. Er stand grinsend vor ihm, doch sein Gesicht schien irgendwie zu tänzeln. Ich bin jetzt dran. Legt Euch wieder hin.
Langsam setzte er sich wieder auf und hielt sich den Kopf. Was waren das für Schmerzen? Verwirrt schloß er die Augen und versuchte sich an die letzten Stunden zu erinnern. Er hatte Wache gehalten. Alles war ruhig gewesen. Er hatte über Aragorn's Worte nachgedacht und den Nachthimmel betrachtet. Und er hatte die lästigen Mücken abgewehrt, wie schon seit Tagen. Weiter nichts.
Zögernd stand er auf und ließ Pippin allein.
Ein Stück weiter an der Lichtung entlang blieb er stehen und überlegte. Plötzlich kamen ihm Bilder ins Gedächtnis, scheinbar aus seinem Traum. Er sah eine Frau in weißem Gewand. Und er fühlte ein Stechen im linken Unterarm. Irritiert schob er den Ärmel seines Hemdes hoch und betrachtete seinen Arm. Nichts war zu sehen. Er schloß die Augen und versuchte, sich an mehr zu erinnern, doch er konnte keine weiteren Bilder sehen. Ein merkwürdiger Traum, dachte er. Doch warum fühlte er sich so sonderbar? Seine Glieder waren matt, sein Magen war flau und sein Kopf dröhnte. Sollte er jetzt nach so vielen Jahren krank werden?
Er schüttelte den Kopf und richtete sich auf. Dann atmete er tief durch und ließ die Waldluft durch seine Lungen strömen. Und allmählich ging es ihm besser.

Als er nach ein paar Minuten wieder bei den anderen war, fühlte er sich fast wieder normal. Nur sein Kopf war noch nicht wieder vollkommen klar.
Er ging leise zu Taina und setzte sich neben sie. Sie schlief, und er hörte ihr gleichmäßiges Atmen. Vorsichtig strich er mit der Hand über ihr Haar und beugte sich zu ihr herunter, als er einen Blick auf sich spürte. Er drehte sich um und sah Arwen, die auf ihrer Decke lag und ihn nachdenklich ansah. Er versuchte, ihren Blick zu deuten, zu spüren, was in ihr vorging, doch sie ließ nichts darüber erkennen. Sie sah ihn einfach nur an.
Ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Vielleicht hatte Aragorn doch recht. Vielleicht war er zu sehr mit sich beschäftigt und übersah andere Dinge; die Dinge, die Arwen beunruhigten. Doch warum sprach sie nicht mit ihm darüber?
Er hob fragend die Augenbrauen, doch Arwen wendete den Blick ab. Sie drehte sich auf den Rücken und schloß die Augen.

Seufzend legte er sich hin und sah zum Himmel. Was ging hier vor? Wie kam es, daß er sich nicht mehr richtig an die vergangene Nacht erinnern konnte? Und warum war er eingeschlafen?
Er sollte mit Aragorn darüber reden. Er schloß die Augen und versuchte, sich zu entspannen. Und plötzlich sah er sie wieder, die Frau im weißen Gewand. Sie sprach zu ihm, doch er hörte nur ihre Stimme ohne zu verstehen, was sie sagte. Sie lächelte und streckte ihm ihre Hände entgegen. Und plötzlich wußte er, was Arwen bedrückte. Doch es war nichts, vor dem man sich fürchten mußte. Es war nichts... Ein Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht und er versank in tiefen Schlaf.

***

Sie hatte von Bäumen geträumt. Bäume, wie Legolas sie ihr aus Lothlorien beschrieben hatte; große und mächtige Mallornbäume, die bis zum Himmel zu reichen schienen. Sie war unter ihnen entlanggelaufen und hatte dem Wind gelauscht, der in ihren Blättern eine himmlische Melodie erklingen ließ. Und als sie schließlich aufgewacht war, war alles, was sie sah, die kleinen, verkrüppelten Bäume von Mirkwood.
Seufzend drehte sie sich um. Legolas lag neben ihr und erstaunt stellte sie fest, daß er schlief. Die Reise schien ihn doch mehr anzustrengen als es den Anschein hatte. Und außerdem hatte er ja die halbe Nacht Wache gehalten.
Sie setzte sich auf und sah zu den anderen. Die Hobbits lagen nebeneinander und schliefen, wobei Merry leise vor sich hinschnarchte, und die Männer aus Minas Tirith taten es ihnen gleich. Nur Aragorn und Arwen waren nirgends zu sehen. Sie sah zum Himmel. Die Sonne verdrängte gerade die letzten Nebel der Nacht und erfüllte die Lichtung mit ihren ersten Strahlen. Sie hörte Vögel, die irgendwo auf den Bäumen ihr Lied anstimmten, leise begleitet von Merry's Schnarchen.
Lächelnd sah sie wieder zu Legolas und strich ihm sanft eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. Er lag auf der Seite und schien tief im Traum zu sein, denn ab und zu bewegten sich einzelne Muskeln seines Körpers und seine Augen zuckten unter den Lidern. Da er nicht auf ihre Berührung reagierte, stand sie leise auf und suchte nach den anderen.

Sie fand sie auf einer kleinen Erhöhung nicht weit entfernt. Ihre Gestik verriet, daß sie etwas zu besprechen hatten. Sie zögerte, doch als Arwen sie sah, winkte sie sie heran.
Guten Morgen. sagte die Elbin freundlich. Habt Ihr gut geschlafen?
Ich? Ja, sehr gut. Taina ging näher. Und Ihr?
Arwen lächelte und schnell wurde Taina ihre Unachtsamkeit bewußt. Richtig, Ihr schlaft ja nicht. sagte sie hastig.
Oh doch, sagte Arwen. Manchmal schlafen auch wir. Sie sah zu Aragorn, der mit gedankenverlorenem Blick danebenstand. Doch dann lächelte er. Guten Morgen, Taina.
Guten Morgen. sagte sie mit einer leichten Verbeugung, denn schließlich hatte sie einen König vor sich. Wie weit ist es noch bis zu König Thranduil?
Er wiegte abschätzend den Kopf leicht hin und her. Bei unserem Tempo etwa vier Tage. Er deutete gen Norden, und Taina konnte weiter hinten eine kleine Bergkette erkennen. Das sind die Berge von Mirkwood, früher Dunkelgebirge genannt. erklärte er. Wenn wir sie passiert haben, sind wir fast da.
Was ist mit unseren Pferden? Können wir sie mitnehmen?
Die Berge sind nicht sehr hoch. Nur unwegsam. Also habt keine Sorge. Aragorn lächelte milde. Wir brechen bald auf.
Taina nickte. Sie sollte zurückgehen und nachsehen, ob Legolas schon wach war.

Am Lager angekommen, fand sie ihn am Feuer sitzend und seinen Dolch schärfend vor. Sie schlich sich heran, doch das Aufrichten seines Körpers verriet ihr, daß er sie gehört hatte.
Guten Morgen, mein Prinz. sagte sie leise, in dem Versuch, die anderen nicht zu wecken. Na? Gut geschlafen? Sie konnte sich den ironischen Unterton einfach nicht verkneifen.
Guten Morgen, Prinzessin. antwortete er ohne darauf einzugehen. Wir haben es bald geschafft. Es sind noch....-
Ja, ich weiß. Etwa vier Tage. Sie nickte eifrig, doch sein leicht verärgerter Blick ließ sie ihren Stolz über ihr Wissen schnell vergessen. Was ist? fragte sie verunsichert.
Wer hat das gesagt? Aragorn?
Sie nickte.
Wo ist er?
Sie deutete in die Richtung, in der sie ihn und Arwen zuletzt gesehen hatte. Er hat mir die Berge gezeigt und gesagt, von da wäre es nicht mehr weit.
Legolas sah sie skeptisch an.
Was denn, glaubst du mir nicht?

Warum siehst du mich dann so an?
Jetzt zögerte er, und sie hatte das Gefühl, daß er innerlich mit sich rang. Dann entspannte er sich plötzlich und sagte ruhig, Verzeih mir. Ich weiß auch nicht. Es ist nichts.
Nun war es an ihr, skeptisch zu gucken. Dann kam ihr ein Gedanke, und obwohl er völlig absurd war, fragte sie, Bist du eifersüchtig, daß ich mit ihm gesprochen habe, ohne daß du dabei warst?
Sie sah ihn an, doch er wich ihrem Blick aus. Statt dessen wandte er sich wieder seinem Dolch zu. Er fuhr mit der Hand über die Klinge und bewegte ihn kontrolliert durch die Luft. Es ist nichts. wiederholte er, während er ihn schwungvoll zurück in die Scheide steckte. Dann sah er sie wieder an und lächelte. Ich sehe dich nun mal gerne an.
Sie schwieg, denn offenbar hatte er nicht vor, sie an seinen Gedanken teilhaben zu lassen. Und zum ersten Mal, seit sie ihn kennengelernt hatte, fühlte sie deutlich, daß er etwas vor ihr verbarg.

***

Sehr gut.' dachte sie zufrieden. Alles verlief genau nach Plan. Sie hob ihren Blick von dem Palantir und lehnte sich zurück. Ihr kleiner Besuch bei dem Elben zeigte bereits Wirkung. Nun würde es nicht mehr lange dauern, und er war nichts weiter als eine Puppe in ihren Händen. Er war ein wichtiger Faktor in ihren Plänen, der Sohn des Königs. Schließlich hatte er nicht nur einen großen Einfluß auf die Entscheidungen von Thranduil, sondern auch auf die der Menschen. Sie lächelte. Elben sind so leicht zu kontrollieren... vor allem, wenn sie ihre Gefühle verletzbar machen...
Und für Euch, Lady Arwen', frohlockte sie weiter, habe ich auch schon genau das Richtige...'