Disclaimer: Alle Figuren, die aus dem "Herrn der Ringe" bekannt sind, sind ausnahmslos Eigentum von J.R.R. Tolkien.

So, es hat lange gedauert, aber jetzt geht es weiter... Es geht jetzt auch ein wenig ruhiger an, aber dafür wird es im nächsten Kapitel dann richtig abgehen... wenn ich mich ranhalte, gibt's das vielleicht noch vor dem WE.

Also, dann enjoy!

**Lady-of-Gondor**: Es ist immer wieder ein Genuß und eine Freude, Deine reviews zu lesen! Und sie sind der beste Ansporn für weitere spannende Kapitelchen, die Dir den Start in den Tag versüßen! *g*

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So nah und doch so fern

Noch lange, nachdem Arwen den Raum verlassen hatte, lag Taina reglos auf ihrer Decke und starrte gegen die Wand. Sie hatte den Kampf gegen ihre Tränen längst verloren, und die salzige Flüssigkeit bahnte sich ihren Weg unaufhaltsam über ihre Wangen. Dies war mit Abstand der schlimmste Tag in ihrem Leben. Die entwürdigende Behandlung durch den König hatte ausgereicht, sich wie ein Häufchen Elend zu fühlen, doch was danach passiert war, hatte ihr den Rest ihrer Hoffnung genommen. Der Legolas, der ihr da gegenübergestanden hatte, hatte nichts mehr mit dem gemein, in den sie sich verliebt hatte. Nichts war mehr übrig von der Wärme und Weisheit, die er auszustrahlen pflegte, dem Sanftmut und der manchmal kindlichen Naivität. Dieser Legolas war genauso kalt und herzlos wie die Wände, die sie hier umgaben.

Sie zog die Decke noch weiter über ihren Kopf und schloß die Augen, um nicht länger gegen das Grau der Steine blicken zu müssen. Wie konnte jemand hier aufwachsen, ohne verbittert und deprimiert zu werden? Legolas hatte es geschafft, und ein wichtiger Grund dafür war sicherlich gewesen, daß er sich scheinbar häufig woanders aufgehalten hatte, bei seinen Freunden. Und soweit sie wußte, war sein Verhältnis zu seinem Vater nie besonders gut gewesen, was sie jetzt nur allzu gut verstehen konnte. Der eisige Blick des Königs würde sie noch lange in ihren Träumen verfolgen, dessen war sie sicher.

Legolas. Der Klang seines Namens in ihrem Gehirn alleine reichte aus, um sie schmerzhaft zusammenzucken zu lassen. Warum hatte sie die Zeit, die sie mit ihm hatte, nicht mehr genießen können, anstatt sich mit Selbstzweifeln zu plagen? Warum hatte sie ihm, als er sie am nötigsten gebraucht hatte, nicht beistehen können? Warum war sie nicht zu ihm gegangen, als noch ein Funken seines eigenen Ich's in ihm war, und hatte ihn durch ihre Liebe unterstützt? Und warum konnte sie nichts mehr finden, woran sie neue Hoffnung knüpfen und ihrem Selbstmitleid ein Ende setzen konnte?! Zu sehr hatte sie sich auf den Barai verlassen, nachdem er ihr das eine Mal geholfen hatte. Der kleine grüne Stein, aus dem so viel Kraft hervorzugehen schien. Doch was nützte er ihr jetzt? Er war verloren, wahrscheinlich für immer.

Sie zog den Rest der zerrissenen Kette aus ihrer Tasche und betrachtete die schlaff herunterhängenden Glieder. Es war die Kette ihrer Mutter, und sie hatte sie sich eigentlich nur ausgeliehen, damit sie Arwen's Geschenk ehrenvoll um den Hals tragen konnte. Das Geschenk... Bilder des Tages, an dem Pippin ihr den Stein überreicht hatte, kamen ihr ins Gedächtnis. Barai bedeutete Glauben, Vertrauen. Und wenn man es braucht, spendet er Kraft, hatte Legolas gesagt. Genauso das brauchte sie jetzt, aber er war es gewesen, der ihr den Barai genommen hatte!

Was nahm das Schicksal doch für seltsame Wendungen. Wozu brauchte er den Stein? Hatte er sich nicht bei seinem einzigen Einsatz gegen das Böse in Legolas gewendet? Dann wäre es nur logisch, daß Legolas ihn mitnahm, um ihn zu vernichten. Schließlich würde der Stein sein dunkles Vorhaben sonst eher gefährden. Aber was, wenn es einen anderen Grund für ihn gegeben hatte, den Stein an sich zu nehmen? Einen, an den sie bis jetzt noch nicht gedacht hatte? Einen Grund wie... Glauben, Vertrauen, Kraft...?

Ruckartig setzte sie sich auf. War das ein Zeichen? Hatte Legolas ihr zeigen wollen, daß er noch nicht ganz besiegt worden war, und daß sie nicht aufhören sollte, an ihn zu glauben?
Ihre Hand schloß sich fester um die silberne Kette. Vielleicht brauchte er den Stein auch noch zu einem anderen Zweck: Um selbst die Kraft zu finden, gegen das Böse anzukämpfen.
Sie schloß die Augen, und sofort liefen ihr erneut die Tränen über die Wangen, diesmal waren es jedoch Tränen der Hoffnung. Oh, wenn sie doch nur recht haben könnte! Wenn es wirklich so wäre, dann hatte vielleicht irgendwo hinter der kalten Fassade des Elben doch noch ein Funken von Legolas überlebt. Ein Funken, der ausreichte, um sich vielleicht im entscheidenden Moment gegen das Böse zu stellen.

Sie preßte die Hand mit der Kette gegen ihre Brust und rief sich das Bild von Legolas vor Augen. Seine ebenmäßigen Gesichtszüge, seine eisblauen, hypnotischen Augen, die blonden, langen Haare. Nein,' schwor sie ihm, ich werde dich nicht aufgeben, Legolas. Ich werde kämpfen und hier ausharren, auch wenn dein Vater mich noch so sehr verachtet. Ich weiß, daß du dasselbe tust, also werde auch ich jedes Leid ertragen, bis zu dem Tag, an dem das Dunkle in dir besiegt ist.'

***

Es erschien Aragorn wie Stunden, seit Arwen den Raum verlassen hatte, und noch immer wartete er auf ihre Rückkehr. Er hätte sie nie gehen lassen dürfen! Nicht in dem Zustand, in dem sie sich befand, aber vor allem nicht zu Legolas! Er war zu allem bereit, und er würde vor nichts zurückschrecken, um seine Pläne zu verwirklichen. Und auch Arwen wäre in dieser Situation nicht in der Lage, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen.

Abermals durchschritt Aragorn den Raum. Er hatte ihr angesehen, daß sie die Begegnung fürchtete, doch er wußte auch, daß sie für sich selbst Gewißheit haben mußte. Und auch er benötigte Gewißheit darüber, wie es um ihre Gefühle für Legolas stand. Zwar hatte er den Eindruck, daß sie sich, seit sie Thranduil's Hallen betreten hatten, nicht mehr ganz so sonderbar benommen hatte, doch er war sich nicht sicher, ob sein Bann den Einfluß, der bereits auf ihr lastete, abhalten konnte.
Nun, zumindest gab es hier keine Mücken, stellte er erleichtert fest. Das würde erklären, warum scheinbar keiner der Waldelben betroffen war. Dann schien der Feind also im Augenblick nur in Form von Legolas anwesend zu sein.

Bangend sah er zur Tür. Was würde ihn erwarten, wenn sie sich wieder öffnete und Arwen eintrat? Würde er sie verloren haben, an die dunkle Macht und an Legolas, oder hatte sie gegen ihn standhalten können? Er hoffte inständig, daß ihre Liebe stark genug war, um diese Zerreißprobe zu bestehen, denn sonst wäre ihm auch das letzte genommen, worauf er sich noch verlassen konnte.

Als sich nach einer weiteren endlos scheinenden Zeit die Tür langsam wieder öffnete, wollte er aufspringen und ihr entgegen gehen, doch seine Beine verweigerten den Dienst. Er blieb wie angewurzelt stehen und starrte auf den Spalt, in dem langsam, aber bedächtig die Gestalt von Arwen erschien.
Sie wirkte gefaßt, und doch spürte er, daß es all ihrer Beherrschung bedarf, um diese Fassade aufrecht zu erhalten.
begann er, doch als sie ihn ansah, verstummte er.
Sie hatte geweint. Er konnte es deutlich sehen, und es wühlte ihn innerlich auf, daß Legolas sie so weit gebracht hatte. Aber er verspürte auch eine seltsame Erleichterung darüber.
Schließlich ging er doch zu ihr und führte sie zu dem kleinen Tisch, wo sie sich langsam auf einen der Stühle sinken ließ.
Wie geht es dir? fragte er leise, um die Hobbits nicht zu wecken, die mittlerweile tief und fest schliefen.
Sie verzog den Mund zu einem gequälten Lächeln und sah ihn an. Ich lebe noch. sagte sie lakonisch. Aber ich habe jetzt Gewißheit. Sie sah ihm tief in die Augen, und Aragorn sah zum ersten Mal seit langem wieder die Zuversicht in ihnen, die er schon schmerzlich vermißt hatte. Der Zauber wirkt in diesen Mauern nicht. erklärte sie. Meine Gefühle sind nicht länger entzweit, und mein Herz weiß wieder, zu wem es gehört.
Sie lächelte ihn an, und Aragorn konnte die Last spüren, die ihre Worte von seinen Schultern nahmen. Er ergriff ihre Hand und führte sie zum Mund.
Oh Arwen, ich hätte nie an dir zweifeln dürfen. raunte er, bevor er ihre Finger mit seinen Lippen liebkoste und neben ihr niederkniete. Verzeih mir, daß ich dir nicht mehr Vertrauen geschenkt habe.
Sie hob die Hand und strich sanft durch sein dunkles Haar. Dich trifft keine Schuld, Elessar. flüsterte sie. Ich war diejenige, die zweifelte. Doch jetzt kann uns nichts mehr trennen. Sie beugte sich zu ihm vor und küßte ihn zärtlich auf die Stirn. Ich liebe dich.

Aragorn schloß die Augen, übermannt von den Gefühlen, die sich nach so langer Zeit wieder in ihm regten. Wieder spürte er ihre Lippen auf seiner Stirn, dann auf seiner Nase, und schließlich trafen sich ihre Lippen und verschmolzen zu einem langen, zärtlichen Kuß.

***

Wo bleiben sie?
Die Stimme des Königs klang ungeduldig durch die große Halle. Habt ihr ihnen nicht ausgerichtet, daß sie beim Essen meine Gäste sind?
Selbstverständlich, Hoheit. antwortete Ranodan, einer der Diener. Lady Arwen weiß Bescheid. Sie werden sicher gleich kommen.
Thranduil beäugte den Elb mismutig, dann ließ er seinen Blick über die Festtafel wandern, bis hin zu Legolas, der neben ihm auf einem der Holzstühle saß.
Nun, mein Sohn, erklärte er, dann bin ich gespannt, was so wichtig an diesem Abend ist. Es war schließlich dein Vorschlag, ein Festmahl für deine Freunde einzuberufen.
Legolas nickte zustimmend und betrachtete seinerseits die Köstlichkeiten, die sein Vater hatte heranschaffen lassen. Du wirst es bald erfahren. sagte er lächelnd. Und dann wirst du auch verstehen, warum ich glaube, daß es Zeit für uns wird, Mittelerde zu verlassen.
Fang nicht schon wieder damit an! brauste Thranduil auf. Seit du hierbist, willst du mir einreden, daß genau jetzt der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist. Wir sind seit Tausenden von Jahren hier, warum sollten wir ausgerechnet jetzt alles hier aufgeben? Er warf Legolas einen verständnislosen Blick zu.
Weil wir eben schon viel zu lange hierwaren, Vater. sagte Legolas ruhig. Wir werden nicht mehr gebraucht. Manwë hat uns solange verweilen lassen, bis die Zweitgeborenen die Herrschaft übernommen haben, und damit ist unser Ziel in Mittelerde erfüllt. Wir haben ihnen alles beigebracht, was sie wissen müssen. Was sie nun damit anfangen, sei ihnen überlassen.
Thranduil musterte seinen Sohn eindringlich. Noch nie zuvor hatte er es gewagt, seinem Vater gegenüber von Manwë oder den anderen Valar zu sprechen. Geschweige denn von der Zukunft der Elben in Mittelerde. Doch die Zeiten änderten sich, das mußte auch er nun einsehen. Und bis jetzt hatte Legolas mit allem Recht behalten, was er seit seiner Rückkehr gesagt hatte. Er hatte vorhergesagt, daß Aragorn von einer Bedrohung sprechen und sie mit ihm in Verbindung bringen würde. Er hatte von den Mücken gewußt, die scheinbar ganz Mirkwood heimsuchten, und er sagte, er würde beweisen, daß die Menschen nicht länger an der Freundschaft mit den Elben interessiert sind.

Der König war gespannt darauf, wie er den letzten Teil seiner Aussage beweisen wollte. Er glaubte ihm, doch das war noch kein Grund für ihn, seine Existenz hier aufzugeben und nach Valinor zu fahren. Die Menschen hatten ihn noch nie interessiert. Sie waren zu fehlerhaft, zu schwach, als daß er sich länger mit ihnen beschäftigen wollte. Einzig Aragorn hatte es geschafft, seine Aufmerksamkeit zu erwecken. Doch auch das hatte ihn sehr viel Zeit und Mühe gekostet.

Sie kommen. kündigte Ranodan in diesem Moment an.
Thranduil lehnte sich gegen die dicke Lehne seines hölzernen Throns und wartete.

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