Chapter 3

Schweißgebadet wachte Harry aus seinem Traum auf. Es herrschte Dichter Nebel in seinen Gedanken. Nur langsam kam er wieder richtig zu sich.

Das erste, woran er dachte war seine Mutter.

Sie hatte wieder zu ihm gesprochen. Und er hatte wieder nicht auf ihre Worte gehört. Er hatte den Klang ihrer Stimme vernommen(*), aber nicht auf ihre Worte geachtet.

Er war so glücklich gewesen. In diesem Rausch. Und es war real gewesen. Wie das Mal davor.

Er tastete nach seinem Wecker, bis ihm einfiel, dass er den gar nicht aufgestellt hatte und er eh nicht funktionieren würde. Inmitten all dieser Magie.

/Magie/, dieses Wort schien ihm falsch.

Es stimmte nicht.

/Magie... /

Die Stimme meldete sich zurück.

/Na, zweifelst du jetzt schon an der Realität?/, lachte sie hämisch. 

Harry zog die Beine an den Körper und sah aus dem Fenster auf die leere Straße vor dem Haus. Er kam sich so verloren vor. Alleingelassen mit seinen Problemen. Ein verlorenes Kind. Ohne Mutter. Ohne Vater.

Nein! Er hatte Eltern! Sie waren doch da gewesen.

Gerade eben.

Die Erlebnisse hafteten wie schon die vorherigen als so real in seinen Gedanken.

Aber hatte die Stimme Recht?

Oder hatte er doch Eltern?

Oder waren das nur Träume?

Oder gab es vielleicht wirklich so eine Art zweite Realität?

Aber welche war denn dann die richtige?

Die Stimme in seinem Kopf lachte spöttisch.

+ZW+

Der nächste Morgen verlief zunächst normal. Harry aß wortlos zwei Brötchen und trank eine Menge schwarzen Tee. Er dachte viel nach.

Über den Vorabend. Über diese „Träume".

Für ihn waren das mehr als Träume. Sie schienen das einzig wichtige und Richtige zu sein. Alles andere verlor immer mehr an Wichtigkeit.

Aber das bemerkte nur die Stimme in seinem Kopf. Und die wurde immer schwächer. Harry achtete nicht mehr auf sie.

Was war an diesen Träumen eigentlich schlimm? Er war doch schön, seine Eltern zu sehen. Nein, er hatte absolut nichts gegen diese Träume.

Aber dieser würde ein ganz normaler Sonntag werden, beschloss Harry. Ohne eigenartige Anfälle. Ohne Halluzinationen. Keine Tagträume oder zweite Realitäten. Er wollte keine Schwäche zeigen.

Hermine hatte schon genug Sorgen.

+

Hermine hatte ihr Vorsprechen sausen lassen. Und sie hatte auch nicht vor, den Sonntag mit büffeln oder ähnlichem zu verbringen.  Sie und Harry hatten beschlossen, einen Morgenspaziergang zu machen. Sie hatte sich fest vorgenommen, mit ihm über den Vorfall in der Winkelgasse zu sprechen.

+

Harry nahm einen letzten Schluck aus seiner Tasse und stand vom Tisch auf. Da fiel sein Blick auf das Fenster.

Ein kleiner, grauer, hüpfender, flauschiger Ball weckte sein Interesse. Hermine, die vom Tagespropheten aufgesehen hatte, als Harry aufgestanden war, folgte seinem Blick.

„PIG!", schrieen beide fast gleichzeitig; Harry stürmte zum Fenster und riss es auf.

Die kleine Eule wurde von einem Luftzug hereingeweht, flog eine Weile im Zickzack in der Küche herum und fiepte aufgeregt, bis Harry schließlich die Geduld verlor, ihn kurzerhand aus der Luft fischte und ihm das Pergament vom Bein nahm. Krummbein war in die Küche geflitzt, auf den Küchentisch gesprungen und beschnüffelte nun gründlich die kleine Eule, die es sich auf dem Rand von Hermines Milchtasse bequem gemacht hatte. Pig schien der Kater nicht im geringsten zu stören. Glücklich zwitscherte er vor sich hin, als hätte er etwas Wichtiges zu erzählen und nahm nur ab und zu einen Schluck Milch.

Harry riss den zusammengefalteten Brief so ungeduldig auf, dass er einriss. „Pass doch auf!", Hermine sprang von ihrem Stuhl auf und stellte sich neben ihn, um den Brief mitlesen zu können. 

+Z/SW+

Er hatte die ganze Nacht nicht schlafen können. Irgendwie schämte er sich dafür. Er schämte sich, dass Potter der Grund gewesen war.

Potter war keinesfalls Hauptdarsteller in wilden Träumen.

Nein, soweit würde es noch kommen!

Angewidert von dem Gedanken schob er den Teller von sich, den der Hauself ihm gerade hingestellt hatte.

Nein, es war, weil Harry Potter immer noch jedermanns Liebling war. Und dabei hatte er doch alles unternommen, um das zu verhindern. Um dafür zu sorgen, dass es keinen Harry Potter mehr gab, der der Liebling von irgendjemandem sein KONNTE.

+

Der Braten auf seinem Teller verlor zunehmend an Reiz für ihn. Ihm verging bei diesen Gedanken allmählich der Appetit.

+

Nun ja, wirklich etwas unternommen hatte er ja nicht. Er hatte mehr oder weniger unternehmen LASSEN. Er hatte toleriert, was andere getan hatten, um Potter beiseite zu schaffen.

Das waren die Gründe, die der Richter damals aufgezählt hatte. Damals, kurz nach dem Sturz des Lord. Als alle wieder in Feierlaune waren. Und ach so großzügig.

Er verabscheute sie. Er verabscheute sie für ihre Naivität, für ihren Leichtsinn, für ihre Trotteligkeit, dafür, dass sie trotz allem eigentlich Recht gehabt hatten.

Aber wie sie dasaßen, noch halb betrunken von der Feier am Vortag, und über ihn urteilten. Wie sie ihn triumphierend ansahen.

Mit diesem Blick, in dem man lesen konnte: Na? Haben doch wir Recht behalten, ne? Haste das doch erkannt und bist gerade rechzeitig noch zu uns rübergewechselt, he?

Diese Überheblichkeit. Es konnte einem übel werden.

Ihre Großzügigkeit.

Jaa, nur deswegen war er noch am Leben. Nur deswegen saß er nicht in Askaban. Und wegen seiner kleinen, für die Muggelfreunde unwichtigen Heldentat.

Er ballte die Fäuste. Manchmal glaubte er, es wäre wirklich besser gewesen, Selbstmord zu begehen. Besser auf jeden Fall, als in Schande zu Leben. Sein Vater hatte nicht im Schande leben wollen.

Er war mit dem dunklen Lord gefallen.

Er hatte für einen Glauben gelebt. Und er war dafür gestorben.

Er wünschte, er könnte an etwas glauben. Er wünschte, er hätte für etwas sterben können.

Aber er hatte die eine Seite verraten und verabscheute die andere.

Er musste in einer Welt leben, die ihm verhasst war.

Und diese Welt verehrte wieder Potter.

Genau das, was er nicht gewollt hatte. Potter. Potter das Schwein. Potter stinkt. Er lachte hämisch.

Liebling aller Menschen.

Und was war mit ihm? Waren seine Taten nichts wert?

War seine „kleine Heldentat" nichts wert?

War es nichts wert, dass er seinen Vater und seine Familie verraten hatte?

Aber er wollte gar nicht verehrt werden. Nicht von diesem naiven, dummen Volk. Von diesen verdammten Muggelfreunden ...

Der Braten flog durch den Saal und klatschte gegen die Wand.  Hauselfen rannten sofort herbei, um Ordnung zu schaffen.

Er fasste sich schnell wieder.

Nein, er würde das mit Würde durchstehen. Er würde sich nichts anmerken lassen. Er würde der Kühle und Überlegene von früher sein.

Er stand auf, um zu gehen. Er würde ihn so bald wie möglich treffen.

/Je schneller es vorbei ist, desto besser!/, dachte er missmutig und ging.

Die Hauselfen sahen ihrem Meister kopfschüttelnd nach, besannen sich dann aber wieder auf ihre Aufgabe und machten sich daran, den Fußboden wieder sauber zu bekommen.

+ZW+

Er würde nicht viel Gepäck brauchen. Und wenn die Hauselfen unbedingt soviel einpacken mussten ... - er grinste gemein - ... dann sollten sie es auch schleppen.

Er starrte ins Feuer und erinnerte sich wieder an den Grund seiner Reise.

Die schlechte Laune kam zurück.

+Z/SW+

Harry kam nicht weit im Brief.

Ihm wurde schwindlig.

Er musste sich setzen.

/Nein! Nicht schon wieder!/, schrie die Stimme.

Eine zweite wurde laut. /Doch, darauf hoffen wir doch immer! Die ganze Zeit, jede Sekunde, jeden Augenblick ... auf ein Wiedersehen!/, in Harrys Ohren rauschte es. Er sank auf seinen Stuhl zurück und presste die Hände gegen die Schläfen.

Aber er kämpfte nur halbherzig gegen die Schmerzen an.

Bald würde er wieder da sein. Bald würden sie vorüber sein. Und sie zu ertragen hätte sich gelohnt.

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„Harry!"

Er wurde gerufen.

„Harry!"

Jetzt wusste er, was sie immer sagte. Seine Mutter rief seinen Namen. Immer wieder. Sie war auch froh, ihn zu sehen, so froh wie er war, sie zu sehen.

/Alles wird gut/, wisperte es in seinem Kopf.

/Was für ein Schwachsinn!/, motze die andere Stimme.

Aber Harry hörte sie kaum noch. Sie war unwichtig. Sie hatte keine Ahnung. Sie war dumm, diese Stimme.

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Hermine schrak zusammen. Harry stöhnte leise, hielt sich den Kopf, sank auf seinen Stuhl.

Der Brief fiel zu Boden.

„Harry, Harry, alles in Ordnung?", natürlich war nichts in Ordnung. Was für eine dumme Frage.

Er schien aber noch ansprechbar.

„Ist okay, ist okay!", murmelte er schlaff und legte den Kopf auf den Tisch. „Mir ist nur schwindlig, geht gleich wieder besser...", nuschelte er.

Hermines Gedanken rasten.

Wirklich nur ein Schwindelanfall?

Harry hob den Kopf und vergrub das Gesicht in den Händen. Er schien keine Schmerzen zu haben.

Nur Schwindelgefühle.

„Harry, was ist los?", ihre Stimme klang höher als gewollt. Doch Harry schien nicht mehr anwesend zu sein. Er reagierte nicht. Er murmelte nur hin und wieder Unverständliches.

Hermine packte ihn bei den Schultern und versuchte ihn wach zu rüttelten. Sie bekam Panik. Das war doch nicht normal!

Hermine schrie ihn an.

Er schien aufzuwachen.

Sie schrie weiter.

„Ist ja gut...", nuschelte Harry.

Hermine schrie.

„Ist ja gut!", Harry öffnete müde die Augen.

Hermine schrie.

„Ist ja gut!!!", brüllte er.

Sie hatte Angst.

Harry war wieder wach. Und wie wach er war.

 Er starrte sie fast mordlustig an. In seinen Augen stand der blanke Zorn. Und der verschwand nicht- er blieb. Er sprang auf und packte sie unsanft an den Schultern.  Er brüllte wieder, so laut, dass sie sich die Ohren zuhielt.

WAS IST?", schrie er. Hermine schossen Tränen in die Augen. Er packte nur noch fester zu.

WAS ZU TEUFEL WILLST DU?!?", schrie er wütend.

Aber nicht wütend darüber, dass sie ihn so unsanft geweckt hatte.

Nein, anscheinend wütend darüber, dass sie ihn geweckt hatte.

Hermine hatte Angst.

Ja, sie hatte Angst. Angst vor ihrem besten Freund.

Das war wie ein Alptraum.

Ein wahrgewordener Alptraum.

+SW+

Er schritt mit hoch erhobenem Kopf in die Eingangshalle. Man konnte ihn weder übersehen noch überhören.

Und er wusste das. Er war sich der Wirkung seines Auftretens bewusst.

Der verängstigte Ausdruck auf dem Gesicht des Portiers belustigte ihn. Jaa, das war seine Welt. Die Welt in der er das Sagen hatte und alle anderen in Erfurcht schwiegen.

Er wusste, dass er seinem Vater verdammt ähnlich sah.

Der Portier zitterte.

Das war das einzige, das er an dieser Gemeinschaft von Muggelfreunden schätzte. Den Respekt, den sie vor ihm hatten. Die Angst. Ja, manchmal war es auch Angst.

Todesangst?

Er lächelte zufrieden. Bestimmt.

Was sagten sie nicht alle? „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm!"

Er lächelte wieder. Hatte es doch durchaus auch seine guten Seiten, Lucius Malfoy zu Vater zu haben. Gehabt zu haben.

„Gu- guten Morgen, Mr Ma- Malfoy!", der Portier stotterte doch tatsächlich!

Draco grinste belustigt.

+SW+

Er hatte sich wieder gefasst. Aber er hatte lange gebraucht.

Jetzt hatte er sich ins Gästezimmer eingeschlossen.

Hermine weinte nicht mehr. Sie saß nur da und starrte den Fußboden an.

Harry war krank. Nicht geisteskrank, nein. Aber er verschwieg etwas. Etwas, das sie vielleicht weiterbringen würde. Etwas, das Aufschluss über sein merkwürdiges Verhalten geben würde. Damit sie herausfinden könnten, wie man es heilt. Damit er sich änderte. Damit so etwas nicht öfter passierte.

Die Tränen kamen wieder.

„Hermine?", sie schrak zusammen.

Harry kam ins Zimmer, nahm Krummbein von seinem Stuhl, setzte sich auf den Stuhl und Krummbein auf seinen Schoß. Er sah müde aus.

„Du siehst müde aus!", sagte sie, und versuchte ein Lächeln zustande zu bringen. Die Tränen machten den Versuch zunichte. „Bin ich auch", seine Stimme klang heiser. „Ich, ... ich muss dir etwas sagen...", fing er an, wurde aber von Pig unterbrochen, der nach langem Schweigen wieder zu lärmen anfing.

Krummbein jagte ihn kurzerhand ins Wohnzimmer.

„Das glaube ich auch", Hermine wischte sich die Tränen aus den Augen. „Du musst eine Menge erzählen."

/So, jetzt erzählen wir ihr alles, und sie wird dir hoffentlich klar machen, was hier FALSCH ist!/, die Stimme klang von fern, doch sie war noch da. /DU bist falsch!/, meldete sich die zweite Stimme, /Dieses Mädchen wird dir viel erzählen. Das was du hören willst. Das was du dir einbildest. Sie will dich hier haben. Sie will, dass du in diesem Traum bleibst. Sie will nicht, dass du zu deiner Mutter zurückkehrst.../, bei diesem Gedanken musste Harry schlucken. Er sah auf. Hermine sah ihn erwartungsvoll an. Er konnte sehen, dass sie geweint hatte. Er sollte ihr die Geschichte von vorn erzählen und die Stimmen erst einmal vergessen.

Aber das war gar nicht so einfach.

+SW+

Das Zimmer war passabel. Draco schob die Vorhänge auseinander.

Draußen ging die Sonne unter, und die Straße vor seinem Fenster war nahezu leer. Er betrachtete eine Weile die Häuser, Geschäfte und Straßen.

Es klopfte an seiner Tür.

Verärgert öffnete er.

Als der Hauself in das Gesicht des wütenden und missgelaunten Gasts sah, bekam er ein wenig Angst. Doch er besann sie auf die Anweisung seines Meisters, und reichte Draco, nach einer tiefen Verbeugung, auf einem silbernen Tablett einen Brief.

„An Mr Malfoy!", piepste er.

Er bekam kein Dankeschön zu hören. Nur ein Türenknallen. Traurig drehte er sich um und verschwand die Treppe hinunter.

Draco betrachtete den Brief. Vom Ministerium.

„Mr Malfoy,

Sie werden sich morgen mit einem Vertreter der zuständigen Abteilung treffen.

15:00 Uhr in der Filibustersstreet.

Mr Potter ist über den Fall unterrichtet und weiß bescheid.

Sie werden sich in den nächsten Tagen mit ihm treffen, und den Fall bearbeiten.

Wir wünschen baldige Ergebnisse.

Die Adresse, bei der sich Mr Potter momentan aufhält:

Professor's Gasse 2, South Burrom

Auf gute Zusammenarbeit,

Mr Haddingfield, Ministerium für Magie und Zauberei."

Draco knüllte den Brief zusammen. /Jaa/, dachte er verbittert, /Ich wünsche auch baldige Ergebnisse. Ich hoffe nur, Potter macht gute Arbeit!/.

Er blieb die restliche Nacht wach und sah die Unterlagen durch, die man ihm im schon vorher gegeben hatte.

Er wollte sich nicht ewig mit einem alten Kauz herumschlagen, der Raubmorde beging und ähnliche Kleinigkeiten. Denn so einer war anscheinend die Person, zu der sie ermitteln sollten. Draco betrachtete das Phantombild. Im Gegensatz zu den meisten Bildern in seiner Welt bewegte es sich nicht. Es starrte ihn nur an.

Ein alter, gebückter Mann, auf einen Stock gestützt. Lange Haare, die ihm fettig ins Gesicht fielen.

Er würde ihn einfach umbringen, sagen, es sein Notwehr gewesen, und die Sache war gegessen.

Aber das Problem bestand darin, ihn zu fassen.

Draco wischte mit einer Armbewegung sämtliche Papiere vom Tisch und vergrub das Gesicht in den Händen.

Er war so müde. Er hatte ewig nicht geschlafen.

Ein Hauself wollte die Papiere aufsammeln und sortieren.

Er warf ihn aus dem Zimmer.

+SW+

„Hallo Hermine!

Ich hoffe dir geht es gut, und ich hoffe, du hast mich nicht vergessen.

Jetzt sitze ich hier, und weiß nicht, wie ich es dir schreiben soll. Ich weiß, ich habe mich ewig nicht mehr gemeldet, und es ist irgendwie egoistisch, jetzt mit so einer Bitte zu kommen, aber ... nun ja.

Ich werde die nächsten zwei Wochen in London zu tun haben. Ich wollte dich fragen, ob du vielleicht noch ein Zimmer oder vielleicht auch nur ein Sofa für mich hast. Ich mag keine Hotelzimmer.

Du weißt, was ich meine. Ich kann sie mir immer noch nicht leisten. Nicht für zwei Wochen.

Ich hoffe, du bist großzügig, und erlaubst mir, bei dir vorübergehend einzuziehen.

Ich würde mich riesig auf ein Wiedersehen freuen,

Ron.

PS: Vielleicht können wir ja auch Harry ausfindig machen, ich hab ewig nicht mehr von ihm gehört!"

+

Hermine saß auf ihrem Bett, den Brief in der Hand. Im Licht der Nachttischlampe warfen die Möbel im Zimmer bizarre Schatten an die Wände.

Sie zog die Beine näher an den Körper.

Harry hatte alles erzählt. Von dem Angriff. Von den Träumen. Von seiner zweiten Realität.

Was sollte sie tun?

Ihr erster Gedanke waren die Bücher gewesen. Sie hatte ihren gesamten Bestand durchsucht. Und nichts gefunden. Sie würde morgen in der Bibliothek weiter suchen.

+

In Hermines Zimmer wurde das Licht gelöscht.

Sie blieb noch lange wach. Sie hatte noch immer Angst.

+SW+

Er konnte nicht schlafen. Er konnte absolut nicht schlafen.

Draco suchte nach seinem Zauberstab. Er würde noch ein wenig spazieren gehen. Sich die Gegend ansehen.

Fluchend stolperte er durch sein Hotelzimmer. Endlich fand er ihn.

„Auf in den Kampf!", dachte er sarkastisch, als er in die dunkle Nacht vor dem Hotel trat.

+SW+

So etwas wie am Sonntagmorgen war nicht wieder passiert. Aber immer noch wurde Harry immer öfter ganz plötzlich schwindelig: er musste sich setzen und war für kurze Zeit nicht ansprechbar. Aber er wurde nicht mehr ohnmächtig. Und vor allem schrie er sie nicht mehr an.

Hermine hatte den Schock überwunden. Er war nicht leicht gewesen, Harrys vor Wut verzerrtes Gesicht zu vergessen, diesen irren Gesichtsausdruck, aber da sich diese Szenerie nicht wiederholt hatte, war die Sache relativ schnell gegessen.

Naja, natürlich nicht ganz. Sie saß nun seit ein paar Tagen nur noch in Bibliotheken und suchte Bücher, die weiterhelfen könnten. Sie war viel unterwegs. Und manchmal konnte sie auch allein losziehen. Dann blieb Ron bei Harry.

Ron war am Montagabend angekommen. Es war ein freudiges Wiedersehen gewesen.

Harry hatte über Rons Gesichtsausdruck lachen müssen, als der in der Tür stand: die Überraschung stand ihm wirklich ins Gesicht geschrieben. Ihm, groß, schlaksig, sommersprossig und rothaarig  wie früher. Nur älter. Natürlich.

Ron hatte viel von seiner Arbeit gesprochen, von seiner Wohnung in Irland, von dem Projekt, wegen dem er nun in London war. Sie hatten wieder über die Vorstellung gelacht, dass Ron eine Familie hätte. Ron hatte mitgelacht. „Wisst ihr", hatte er gesagt, „Ich glaube ich war damals in einer sehr, ähm, sagen wir emotional geprägten Situation", Hermine grinste angesichts der Wortwahl. „Ich sehnte mich nach Liebe...", Rons Gesicht nahm einen tragischen Ausdruck an, „Nach Geborgenheit,... eben nach Familie...", er seufze theatralisch. „Naja, jetzt hast du ja wieder uns!", meinte Harry und nahm seine Hand. „Danke, Freund!", Ron sah ihn übertrieben ernst an und brach dann in Gelächter aus. Sie lachten viel diesen Abend.

Von Harrys „Problemen" erfuhr Ron erst am nächsten Morgen. Er reagierte wie erwartet. „Ist nicht wahr, oder? Ich -... ich meine, das ist doch nicht normal? Das kann doch nicht einfach...", man hörte deutlich die Unsicherheit in seiner Stimme. Er holte tief Luft. „Ich meine, da kommt einer einfach so an und greift dich an, wenn... wenn du ihm den Rücken zuwendest? Das muss ja ein ganz fieser ... aber, aber meint ihr, dass das was mit diesen Träumen zu tun ha- ..."- „Das sind keine Träume!", fuhr Harry ihn an. Ron sah erschrocken auf. „T'schuldigung...", murmelte Harry und verdrückte sich vom Frühstückstisch.

Es war nicht viel passiert, in diesen Träumen ... dieser zweiten Realität.

Doch, für Harry war es viel. Es war genug. Es war alles, was er wollte. Seine Mutter sehen. Sie sprechen hören. Zu ihr sprechen. Ja, er hatte sie gerufen. Aber er war jedes Mal wieder viel zu früh zurückgekehrt. Und schlechter Laune.

Er wusste, dass es ihm leid tun sollte, so abweisend gegenüber Hermine zu sein. Sie kümmerte sich um ihn. Sie machte sich Sorgen. Aber in seinem Kopf führten die Stimmen immer noch einen erbitterten Kampf. Und eine gewann immer mehr die Oberhand.

/Sie kümmert sich nur, dass du in ihrer Welt bleibst. Sie will dich nicht in die Realität lassen. Sie ist egoistisch. Sie tut das nur für sich. Sie will dir schaden. Du solltest nicht auf sie hören. Sie hat dein Mitleid nicht verdient.../, Harry hielt sich den Kopf.

Irgendwo hörte er die zweite Stimme schreien. Aber nur leise. Und sie wurde immer noch leiser. Tag für Tag, Stunde für Stunde, Minute für Minute. Sekunde um Sekunde.

Und die Stimmung zwischen Hermine und ihm wurde immer schlechter. /Eigentlich/, dachte Harry, /hält mich nichts mehr HIER. Warum kann ich nicht einfach zu Mum gehen und bei ihr bleiben?/

Und dann kam Ron.

Für kurze Zeit ging es Harry wieder gut. Dank Ron (und Pig) wurde es laut und fröhlicher in Hermines Wohnung. Harry kam oft in Hermines Wohnung. Einerseits, weil Hermine es so wollte. Andererseits machte Ron ihm wieder bewusst, wie sehr Harry doch noch an DIESER Welt hing. And der Welt und seinen Freunden. Er war hier glücklich.

Er wollte die gemeinsamen Frühstücke nicht missen, genauso wenig wie die Abende mit Tee und Keksen. Zwar kam er sich irgendwie alt vor, wenn er da auf dem Sofa saß, an seiner Teetasse nippte und von „früher" redete. Aber er konnte lachen. Seine Sorgen vergessen.

Außer diese Schwindelanfälle holten ihn ein. Sie wurden zwar seltener, nachdem Ron da war, und er viel zu lachen hatte. Aber das währte nicht lang.

Es wurde bald wieder schlimmer.

Als Ron zu tun hatte. Als er keine Zeit mehr hatte. Als Hermine alleine wegging. Als sie wieder arbeiten musste. Als seine Freunde fast nur noch schlechtgelaunt und müde am Frühstücks- und Abendbrottisch saßen. Und als der Stress kam. Die Arbeit.

Seine Arbeit hatte Harry über all die Geschehnisse ganz vergessen. Und am Samstagnachmittag sah er sich mit einer Ministeriumseule konfrontiert.

„Sehr geehrter Mr Potter!

Ihr Partner, der sie im Fall „WINNES" unterstützen wird, ist vor einigen Tagen angekommen und wurde über den Fall informiert, soweit wir das übernehmen konnten. Wir bitten sie, ihn über ihre bisherigen Erkenntnisse, Theorien und Ergebnisse zu informieren. Uns liegt die Lösung des Falls sehr am Herzen.

Deswegen haben wir ihnen einen Experten für die dunkle Seite zu Verfügung gestellt. Ich hoffe auf gute Zusammenarbeit und baldige Ergebnisse.

Mit vielen Grüßen,

Mr Gaggins, Vorsitzender des ersten Ordnungsrates des Ministeriums für Magie und Zauberei"

+

Und plötzlich wusste Harry ES. Auf einmal. Mit diesem Fall hatte er schon so lange zu tun. Und trotzdem war es ihm nicht aufgefallen. Es war, als hätte er geschlafen und wäre gerade erst wieder aufgewacht.

/Obwohl das ja öfter passiert ist, in letzter Zeit/, die Stimme war nun kaum mehr als ein Flüstern. Harry hörte nicht mehr auf sie.

Sie machte sich doch nur über ihn und seine Wünsche, Träume und Sehnsüchte lustig.

Sie war wirklich dumm, diese Stimme.

Als er den Namen las, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Ja, er erkannte diesen Namen und diese gebückte, gebrechlich wirkende Gestalt, die ihn trug. Dieses Krächzen klang ihm in den Ohren. Es wäre so leicht zu erkennen gewesen. Er hatte alle Akten und Unterlagen in seiner Wohnung. Alles über diesen Mann. Alles über seine Verbrechen. Einfach alles. Er konnte ihn fassen. Er konnte viel leichter herausbekommen, mit welchem Fluch er belegt worden war.

Aber: Es berührte ihn nicht. Er war nicht froh darüber. Er hatte keine Angst. Und er verspürte keinen Hass. Keinen Hass auf diesen Mann. Nein.

Das hätte er am Anfang vielleicht. Ganz am Anfang. Aber da war er dumm gewesen. Da wusste er noch nicht, was er diesem Mann zu verdanken hatte. Seine Mutter.

Im Schein der Straßenleuchten sah er auf die Zeiger der Uhr an der Wand, die alle drei auf „zu Hause" zeigten. Er sah auf das Geschirrtuch, das schon seit geraumer Zeit eigenmächtig das Geschirr abtrocknete. Er sah auf die winkenden Menschen auf den Fotos an der Wand. Und er sah auf den Zauberstab, der vor ihm auf dem Tisch lag.

Magie, Zauberer, Hexen, Zauberstäbe, Zaubersprüche, Zaubertränke, Zauberkraft, Zauberbücher, Zaubersport, ZauberWELT...

Das gab es nicht. Nein. Das KONNTE es nicht geben. Zu Recht war er damals skeptisch gewesen. Zu leicht hatte er sich überzeugen lassen.

Vor seinem Auge erschien das Gesicht von Onkel Vernon.

„Hör auf mit diesem Schwachsinn", sagte er. „DAS – GIBT – ES – NICHT! ICH – WILL – DAS – NICHT – MEHR – HÖREN!"

Harry wollte auch nichts mehr hören. Er wollte auch an nichts mehr denken. Sein Kopf schmerzte davon.

Das alles machte ihm Angst.

+SW+

Er hatte niemanden gefunden, mit dem er sich hätte schlagen können. Er hatte seine Wut an ein paar Mülleimern auslassen müssen.

Er hatte sich vorgestellt, sie wären Potter. Das war ihm nicht schwer gefallen.

Potter. - Das. - Schwein. Immer wieder trat er gegen die Tonne.

Irgendwie musste das raus.

Er hörte erst auf, als ein paar Muggel die Lichter in ihren Häusern anmachten und aus den Fenstern schrieen.

Aber da ging es ihm schon besser.

Zufrieden betrachtete er den angerichteten Schaden.

Jaah, so würde es Potter auch ergehen.

+

Als er wieder im Bett lag, dachte er an den kommenden Tag.

Er würde Potter treffen. Er würde mit ihm arbeiten müssen. Wer wusste schon, wie lange das dauern würde.

Es war nicht gut, wenn er daran dachte. Dann konnte er nicht einschlafen.

Er versuchte an etwas schönes zu denken.

Aber es gab nicht schönes.

Er seufzte.

Er würde wohl nie wieder schlafen können.

+SW+

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„Es wird immer besser. Er macht Fortschritte...", der Arzt lächelte Harry an. Es war ein warmes Lächeln. „Harry", sagte er eindringlich. „Du lebst jetzt schon fast zwölf Jahre in diesem Zustand. Deine Eltern machen sich Sorgen um dich. Sie haben schlaflose Nächte wegen dir. Sie wollen sich wieder bei sich haben. Sie wollen wieder eine glückliche Familie sein. Und sie wollen, dass du endlich wieder aus dieser Station kannst. Du wirst immer öfter wach in letzter Zeit. Du kannst mich hören. Du redest mit mir...", Harry nickte. Er konnte den Arzt hören. Er konnte seine Mutter hören. Er war so glücklich...

Aber sein Vater hatte nicht gesprochen. Noch kein Wort.

Und wieder wurde ihm schwindelig. Wieder rief seine Mutter verzweifelt nach ihm.

„Keine Angst, ich komme bald wieder...", flüsterte Harry.

Und da war sie auch schon verschwunden.

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Hermine, das macht mir tierisch Angst!", Harry saß am Küchentisch, mitten in der Nacht und sah Hermine verzweifelt an. Er hatte sie wecken müssen. Als er eben aufgewacht war, hatte er das dringliche Bedürfnis gehabt, mit jemandem zu reden. Er hatte Angst gehabt. Er wusste nicht warum das so plötzlich kam und vorher nicht gewesen war, aber diese Sachen machte ihm Angst.

Hermine gähnte und setzte sich neben Harry. „Okay", sagte sie und versuchte sich zu konzentrieren. „Also, nehmen wir jetzt einfach mal an, dieser alte Mann...also, er ... wollte dir etwas böses. Oder auch nicht. Jedenfalls hat er dir geschadet." Sie sah Harry ernst an. Der wich ihrem Blick aus. „Harry, so schön es sein mag, deine Mutter wiederzusehen – sie wird dadurch nicht lebendig!", ihr Blick erinnerte ihn an den des Arztes. Genau so eindringlich und beschwörend.

Jetzt kämpften zwei Fronten um seine Gunst. Jeder wollte ihn bei sich haben.

Aber wem sollte er glauben?

WEM?

„Harry! Diese Träume, äh, diese zweite Realität, die schränkt dich doch nur ein! Dauernd bist du abwesend. Du wirst unkonzentriert. Du wirst verletzlich. Angreifbar. Weißt du, was das für seinen Job bedeutet? Mal ganz abgesehen von deinem restlichen Leben? Für deine Freunde? Für Ron? Für mich?", sie sah traurig aus. „Vielleicht können wir dir irgendwie helfen. Aber du musst dir auch helfen lassen. Hast du verstanden?", Hermine sah ihn müde und verzweifelt an.

Harry dachte nach. Sollte er es ihr sagen? Das, was er über Winnes wusste? Sollte er von den Stimmen in seinem Kopf erzählen?

/NEIN!/, schrie die eine Stimme. Harry hielt sich den Kopf. Er würde das nicht mehr lange aushalten.

„Alles in Ordnung?", er hörte die Besorgnis in Hermines Stimme. Und diesen Unterton. Diesen genervten Unterton. Er wusste, dass der nicht gewollt war. Aber er verstand sie. Ihn würde es wahrscheinlich auch nerven, wenn sein bester Freund ständig...

„Keine Angst!", sagte er und hob den Kopf wieder. „Es ist kein ... kein – Anfall...". Er seufzte. „Es ist nur – ich muss dir etwas sagen. Schon wieder", er lächelte gequält. Irgendwie war ihm nicht wohl dabei, Hermine alles zu erzählen. Wenn er es allerdings nicht täte, würde es ihm wahrscheinlich auch nicht besser gehen.

Er musste sich einen Ruck geben.

Er MUSSTE.

+SW+

Draco hatte Bauchschmerzen.

Er wusste, dass war albern – aber seine Feindschaft mit Potter war schon immer dagewesen. Und sie war immer noch vorhanden.

Und sie würde das auch immer sein.

Genau wie der Hass nie verschwinden würde.

- Gott, er benahm sich wie ein Kind.

Das hier war sein Job. Nur sein Job. Nur ein Auftrag. Ein Auftrag, der bald erledigt sein würde. Dann würde er verschwinden. Und Potter nie wiedersehen müssen. Ihn nie wieder hassen müssen...

+SW+

Jetzt hatte er Hermine auch davon erzählt. Sie hatte ihn nur angesehen und nichts gesagt. Sie hatte nachgedacht.

Dann war sie aufgestanden und hatte die Unterlagen geholt, die Harry von Winnes hatte. Sie hatte sie alle gründlich durchgelesen. Harry hatte Kaffee getrunken.

Und während sie so dasaßen, Hermine, versunken in die Unterlagen, und Harry, der auf die braune Flüssigkeit in seiner Tasse starrte und die Ursachen und Gründe grübelte;

da fragte sich Harry, ob es nicht vielleicht am Kaffee lag.

„Ich hab's!", Hermine sprang auf.

Sie verschwand aus der Küche. Fünf Minuten später kam sie wieder zurück: angezogen und mit einem Schlüssel in der Hand.

„Pass auf!", sie schien ganz aufgeregt. „Ich bin kurz weg – kann die ganze Nacht dauern...", -Harry runzelte die Stirn-, „Du bleibst hier und rührst dich nicht von der Stelle!"

„Das wird aber eine harte Nacht!", murmelte Harry, als sie wieder aus der Tür war.

Hermine suchte wirklich fast die ganze Nacht.

+Z/SW+

„Immer wach bleiben ...".

Der alte Mann bückte sich zu Harry hinunter. Aus seinem Umhang zog er etwas, dass Harry sehr an den Giftzahn eines Basilisken erinnerte. Und die letzte Begegnung mit einem Basiliskenzahn war für ihn ziemlich schmerzvoll ausgefallen. Harry zuckte vor dem Mann zurück.

Ihm wurde schwindlig.

„... immer... wach ... bleiben...", aber Harry wusste, dass es zu spät war.

Er hatte den Zahn gespürt; er spürte den Schmerz, der sich in seinem Körper ausbreitete.

...Schließlich übermannte ihn die Ohnmacht und er sackte zu Seite weg....

+

Die alte, gebrechliche Gestalt war bei Harry angekommen. Sie hob seinen Kopf, zog seine Augenlider nach oben und betrachtete seine geweiteten Pupillen. „Gut, gut,...", krächzte sie zufrieden. „Das hätten wir also."

+Z/SW+

Sie suchte lange. Aber sie fand auch, was sie suchte.

Sie summte zufrieden vor sich hin, als sie die Tür aufschloss. Ja, sie war wirklich zufrieden mit sich. Jetzt würde alles gut werden.

Hermine legte die Bücher, die sie unterm Arm getragen hatte, vorsichtig auf einem Umzugskarton ab und öffnete vorsichtig die Küchentür.

Harry saß immer noch am Küchentisch; er war auf seinem Stuhl zusammengesunken, das Kinn auf der Brust und schien zu schlafen.

Hermine ahnte Schlimmeres. Aber sie wollte ihn nicht wecken. Sie würde es nicht riskieren, so etwas wie am Sonntag noch einmal zu erleben.

Sie setzte sich Harry gegenüber und beobachtete ihn.

Er schien etwas vor sich hinzumurmeln.

Das war gruselig. Wie sie dasaß und ihn beobachtete, wie er träumte. Oder auch nicht träumte.

Sie konnte das nicht beurteilen.

Aber – Hermine lächelte – sie wusste, was dagegen helfen würde.

+

Als Harry aus seiner Realität aufwachte, war es Morgen und die Sonne schien durch die Fenster. Jetzt war es Hermine, die schlief. Harry versuchte wenigstens einen der tausend Gedanken , die in seinem Kopf herumschwirrten, einzufangen.

Schließlich blieb er bei der Information hängen, dass er heute wieder anfangen würde zu arbeiten.

Aber wie Hermine schon gesagt hatte (und das war das Zweite, das ihm einfiel), er würde sich wahrscheinlich nicht konzentrieren können. Und am peinlichsten wäre es ja, wenn er plötzlich mitten in einem Gespräch umkippen würde.

Harry hatte Bauchschmerzen.

Er wusste, das war albern- aber er konnte nichts dagegen tun.

Er würde das schon irgendwie durchstehen. Er hatte immer alles irgendwie durchgestanden.

+SW+

Draco stand am Ende der Professor's Gasse, an eine Straßenlampe gelehnt, und beobachtete aufmerksam, was sich auf der Straße tat.

Es war relativ früh am Morgen, aber dieses Viertel schlief wohl nie.

Er sah einer Hexe hinterher, die versuchte, mit vier Kindern und einem riesigen Einkaufskorb zurecht zu kommen. Der Anblick war auch zu komisch.

Er würde seine neuen Schuhe verwetten, dass gleich etwas passieren würde...

Als wenn er hellsehen könnte... Er lachte leise und sah der Frau zu, wie sie die halbzermatschten Kartoffeln von der nassen Strasse sammelte.

Aber seine gute Laune hielt nicht lange.

Besser gesagt, genau bis zu dem Zeitpunkt, als Potter auftauchte.

+SW+

Er und Ron hatten Hermine in ihr Bett gebracht. Sie schlief tief und fest und bekam nicht mit, was um sie herum geschah.

Harry erzählte Ron vom Vorabend. „Mitten in der Nacht?", Ron klang vorwurfsvoll. „Nicht, dass es nicht wichtig ist, ...", meinte er auf Harrys leicht gekränkten Blick hin, „Aber du hast diese...diese – Versionen nun schon länger, und du hast das doch immer ganz cool weggesteckt, und – warum hast du plötzlich Angst?"

Ja, das fragte sich Harry auch. Er konnte nur mit den Schultern zu zucken.

„Was meinst du, was sie so tolles rausgefunden hat, dass es die ganze Nacht gedauert hat?", Harry schwieg. Er ahnte es. Aber er wollte seine Ahnung nicht mit Ron teilen. Ron stand vom Tisch auf. Er sah Harry bedauernd an. „Tut mir, leid, ich muss-...", er nahm einen letzten Schluck aus seiner Tasse. Harry nickte. „Ich auch", sagte er genervt. Er hatte keine Lust. Er würde nur wieder nachdenken müssen; über diesen Mann. Was er getan haben könnte; ob es richtig oder falsch gewesen war; ob diese Visionen, wie Ron sie nannte, ihm schadeten, oder... .

„Du auch wieder? Na dann!", Ron warf sich die Jacke über und machte Anstalten, den Raum zu verlassen. „Viel Spaß!", er winkte zum Abschied und war auch schon verschwunden.

Harry sah wieder aus dem Fenster.

Draußen schien hell die Sonne. Er sollte froh sein. Froh darüber, dass so schönes Wetter war; darüber, dass er so tolle Freunde hatte; darüber, dass er bald von diesen Versionen geheilt sein würde.

Aber konnte man das heilen nennen?

Harry trat näher ans Fenster.

Nicht zerstören? Vernichten? Niedermachen? Niederreißen?

+S/ZW+

Er würde ihn fertig machen. Kaputtmachen. Zerstören. Vernichten. Niedermachen. Niederreißen.

Es würde ihm nicht anders ergehen als den Mülltonnen.

Draco blieb, wo er war, und beobachtete Harry, der sich suchend auf der Straße umsah.

Es dauerte eine Weile, bis er Draco entdeckte.

Draco setzte seinen eisigsten Gesichtsausdruck auf. Aber er hatte keine Bauchschmerzen mehr.

Die Aussicht, Potter fertig zumachen war doch irgendwie verlockend.

+Z/SW+

Harry fühlte, wie er förmlich innerlich zerrissen wurde.

Die eine Seite wollte, dass er ging. Dass er sich keine Sorgen machte. Sie erzählte ihm von all den schönen Momenten, die er durch diese ... diese Träume erlebt hatte. Sie flüsterte ihm zu, wie schön es war, seine todgeglaubte Mutter zu sehen. Was er vermissen würde, könnte er sie nicht mehr sehen...

Die andere Seite schrie, sprang, brüllte; drängte ihn, Hermine aufzuwecken, sie um Hilfe zu bitten; sie zu fragen, wie sie ihm helfen konnte. Ob sie ihm helfen konnte.

+

Eine Weile stand er noch unschlüssig am Fenster.

Dann siegte die Faulheit.

Und mit ihr eine der Seiten, die um ihn kämpften.

/Lass das Mädchen doch schlafen!/, flüsterte sie beschwichtigend. /Wir werden das schon noch klären!/

Harry ging.

Er ignorierte das Geschrei der anderen Stimme.

+Z/SW+

Jetzt hatte er ihn also gesehen.

Draco blieb wo er war. Er würde ihm nicht auch noch nachlaufen.

+Z/SW+

Als Harry aus der Tür trat und sein Blick auf die in Sonnenlicht getauchte Straße und auf das rege Treiben auf ihr fiel, stellte er sich zum ersten mal die Frage, wer sein Partner wohl war. Er wusste nicht einmal einen Namen.

Wie er wohl aussehen würde? Er würde sich darauf verlassen müssen, dass sein Partner über ihn bescheid wusste und ihn erkennen würde.

Er kniff die Augen zusammen und starrte angestrengt die Straße hinunter.

...

Harry blinzelte.

Er musste sich irren...

Er sah noch einmal hin.

Was machte der den hier?

Der.

Draco Malfoy.

Harry kam ein aberwitziger Gedanke.

+

Jetzt sah er zu ihm hin.

Noch einmal.

Wahrscheinlich konnte er es nicht fassen.

Draco grinste. Das gefiel ihm. Potter verlor die Fassung.

Aber das war ja schon immer recht schnell gegangen.

Lässig schlenderte er die Straße entlang, Potter immer im Blick.

Er schien ihm ein bisschen durcheinander.

/Ja, ja, Potter!/, dachte er und grinste gehässig, /Wenn man sich mit den Falschen abgibt.../

+

Dieser aberwitzige Gedanke.

Er wollte nicht verschwinden.

/Das ist das Letzte, wes ich brauche!/, er stöhnte innerlich. Das konnte doch nicht wahr sein! Von allen ... ausgerechnet der!

Aber er gab die Hoffnung nicht auf, dass...

+

"Potter!",

mehr brauchte Draco nicht zu sagen, und schon zuckte Harry zusammen.

- Das würde ja eine vergnügliche Zusammenarbeit werden. Draco grinste in sich hinein. 

- Harry blendete die Sonne. Ihm war warm. So schrecklich warm.

- Potter sah so fertig aus. Als ob er gerade einen Kampf um Leben und Tod hinter sich gebracht hätte. Was bei ihm ja eigentlich sehr wahrscheinlich war.

- Das konnte diese Regierung ihm nicht antun! Er würde sich beschweren. Mit Malfoy zusammenarbeiten ... in seinem Zustand... mit diesen Problemen ... ihm würde schwindelig.

- Er sah krank aus. /So richtig krank. Ringe unter den Augen und all so was.../, Draco betrachtete seinen Gegenüber misstrauisch. „Hey Potter, verträgste' die Sonne nich?"

- Er sah Malfoy vor sich, hörte, dass er sprach. Aber nicht mehr, was er sprach. Harry wusste, er ahnte, was als nächstes kommen würde.

- Er würde doch nicht umkippen oder so? Mitten auf der Straße? Das wäre ja die totale Blamage! Draco betrachtete Harry weiterhin skeptisch. Der hatte nicht auf seine Ansprache reagiert. Er hatte nur die Augen geschlossen und schwankte schon gefährlich.

- Ihm wurde schwarz vor Augen. Die Schwindelgefühle kamen. - Und die Vorfreude. Auf das, was ihn erwartete. Es würde ihm dort besser gehen. – Kein Malfoy. Kein Stress. Ihm wäre nicht so heiß... aber noch spürte er die Sonne. Noch...

- Er klappte doch tatsächlich zusammen! Draco wich zurück, als Harry auf das Strassenpflaster knallte. Es reichte natürlich nicht, dass er überhaupt mit dieser Memme zusammenarbeiten musste – nein, jetzt machte sie ihm auch noch Schwierigkeiten. Und das in aller Öffentlichkeit. Draco packte Harry  unter den Armen und schleifte ihn erst einmal aus dem Weg. Er konnte neugierige Blicke nicht ausstehen.

+Z/SW+

Als Hermine aufwachte, lag sie in ihrem Bett.

Glücklich sah sie aus dem Fenster. Draußen schien die Sonne. Vögel zwitscherten. Man hörte Lärm von der Straße.

Krummbein sprang neben ihr aufs Bett.

Aus einem unerfindlichen Grund fühlte sie sich unbeschreiblich glücklich – als hätte sie...

...Harry!

Die Erinnerungen an den Vorabend brachen alle auf einmal über sie herein. Hektisch sah sie sich im Zimmer um.

Sie sprang auf, zog sich den Morgenmantel über und rannte in die Küche, Krummbein auf den Fersen.

Keine Spur von Harry. Wahrscheinlich war er schon zur Arbeit. Obwohl – vielleicht konnte sie ihn noch ...

Sie schrak hoch.

Jemand klopfte an die Tür.

Nein, er trat dagegen.

„Aufmachen! - Aufmachen verdammt!"

Hermine kannte die Stimme nicht. Argwöhnisch trat sie zur Tür.

„Wer ist da?", die Frage war eigentlich überflüssig. Hermine zog den Zauberstab aus der Manteltasche.

„vise!", murmelte sie, und die Haustür wurde vor ihren Augen durchsichtig.

Sie dankte Professor Flitwick im Geheimen und sah durch die Tür.

Fast hätte sie aufgeschrieen.

+S/ZW+

Draco versuchte verzweifelt, sich daran zu erinnern, aus welchem Haus Potter gekommen war.

/Also, er hat sich ja eigentlich keinen Schritt bewegt, das heißt.../, er sah an der Hausfassade hinter sich hoch.

Es war eines dieser alten Fachwerkhäuser; mit grünen Fensterläden und Blumenkästen vor den Fenstern.

/... er muss hier rausgekommen sein.../, Draco zog mit einer Hand die schwere Holztür auf und hielt mit der anderen immer noch Harry fest.

Passanten beobachteten die Aktion neugierig.

Draco fluchte.

Potter brachte immer nur Ärger. Egal welcher Art. Das hätte er wissen müssen.

Er suchte alle Haustüren ab, und fand schließlich eine, an der „Granger" stand. /Hat sie keinen Dummkopf gefunden, der sie heiratet.../, Draco grinste hämisch. Anscheinend war nicht einmal Potter so dämlich.

Irgendwie schaffte er es, ihn bis in den zweiten Stock zu hieven. Erst da fiel ihm ein, dass er ja seinen Zauberstanb bei sich hatte.

/Zweiundzwanzig Jahre als Zauberer, und du erledigst das hier wie ein Muggel!/, Draco trat verbittert gegen die Tür.

„Aufmachen!", brüllte er, „Aufmachen verdammt!"

+

Das war doch nicht Malfoy?

Was hatte der denn hier zu suchen?

Und dann fiel ihr Blick auf Harry.

„Aufmachen!", brüllte Malfoy wieder.

+

Dieses Weib schien ja taub zu sein.

Er schrie noch einmal.

Und was, wenn sie nicht da war?

Dann müsste er hier mit Potter rumhocken.

Oder die Tür aufbrechen.

/Und wieder Ärger mit dem Ministerium bekommen? Nein danke.../, Draco warf sich gegen die Tür.

„Ist ja gut!", klang es dumpf durch das Holz.

/Na endlich!/, Draco seufzte erleichtert.

+

Schnell hatte sie sich gefasst.

„Ist ja gut!", rief sie; sein Gebrülle ging langsam zu weit. Das klang, als hätte er Todesangst.

Schnell öffnete sie die Tür.

Harry, den Malfoy gegen die Tür gelehnt hatte, fiel ihr entgegen.

„Hilf mir ihn reintragen", meinte sie nur knapp und packte Harry unter den Armen.

Malfoy half, ohne ein Wort zu verlieren.

Sie legte ihn auf die Couch und Hermine deckte ihn zu.

„Ich glaube, ihm war eher warm als kalt, als er noch unter uns weilte...", Draco stockte als er Hermines giftigem Blick begegnete.

„Du!", sagte sie und Draco hörte die Abscheu in ihrer Stimme. „Du hältst den Mund!"

„Was denn?", Draco breitete entschuldigend die Arme aus, „Ich hab ihn von der Strasse mit Mühe hier rauf geschleppt, sogar bis auf sein Sofa...", er betrachtete Harry abschätzig, „Und man ist so undankbar?", er sah wieder Hermine an.

Hermine sagte nichts.

Sie drehte sich nach einem weiteren giftigen Blick um und verschwand in ihr Zimmer.

Sie würde sich sofort an diesen Trank machen. Sie sollte keine Sekunde mehr verlieren. Langsam wurde diese Sache wirklich gefährlich.

+

Draco blieb.

Er ging in die Küche und fand dort sogar eine Kaffeedose.

Wenig später saß er mit einer dampfenden Tasse am Fenster und sah auf die Strasse hinunter.

Er dachte nach.

Potter hatte ein Problem.

Anscheinend ein sehr großes.

Sonst wäre er nicht einfach so zusammengeklappt.

Sonst wäre dieses Weib nicht in ihr Zimmer verschwunden, um irgendeinen Trank zu brauen.

Denn sie braute einen Trank.

Er konnte das blaue Feuer riechen. Der Geruch drang durch die Zimmertür.

Er kannte den Geruch so gut.

Draco schloss die Augen.

Ein Kerker erschien vor seinem inneren Auge. Kalte Wände. Nasser Steinboden. Und ein kleines, blaues Feuer. Ein Feuer, dass er in der Hand trug...

Draco schreckte hoch.

Vor ihm stand Hermine.

„Was willst du?", fragte er schroff, verärgert darüber, dass sie ihn so überrascht hatte.

„Komm mit", sagte sie knapp und drehte sich um.

Er folgte ihr ins Wohnzimmer.

Sie drückte ihm einen Becher mit schwarzer Flüssigkeit in die Hand.

„Gibt ihm das, wenn er aufwacht!"

Draco starrte in den Becher.

„Er hat seit einiger Zeit so Halluzinationen, das da hilft dagegen", Hermine deutete auf den Becher, nahm ihre Jacke von einer Stuhllehne und zog sie sich über, „Ich muss noch weg!"

„Halt!", protestierte Draco, „Ich hatte keinesfalls vor, meinen Tag hier zu verbringen..."

„Du hättest eh den ganzen Tag mit ihm gearbeitet!", Hermines Ton duldete keinen Wiederspruch.

Und schon war sie verschwunden.

+

Eigentlich hätte er gehen sollen.

Jetzt saß er hier. Neben ihm lag Potter.

In der Hand hatte er einen Becher mit ... ja, mit was?

Draco starrte auf die trübe Flüssigkeit.

Sie stank nicht. Sie roch nach gar nichts.

Er stellte den Becher auf dem Boden ab.

Was machte er noch hier?

Er sollte abhauen. Sich über den nun arbeitsfreien Tag freuen. Sich freuen, dass es Potter schlecht ging.

Potter war ein Schwächling.

Voller Abscheu starrte Draco ihn an.

Die Brille lag neben ihm auf der Decke, lange schwarze Strähnen fielen ihm ins Gesicht.

Draco hasste ihn.

Diese Memme. Diesen Nichtsnutz. Berühmt für etwas, das jeder geschafft hätte.

Ja, jeder.

Hätte jeder so eine Mutter gehabt. Eine Mutter, wie Potter sie gehabt hatte.

Dracos Magen zog sich zusammen.

Er stand auf und ging zum Fenster.

Mittag war vorbei und es war noch sehr früh im Jahr. Draußen wurde es schon dunkel.

Seine Mutter hatte ihn nie geliebt.

Er konnte sich nicht an ein einziges schönes Wort, das von ihr gekommen wäre, erinnern. Sie hatte seinen Vater geliebt, ja. Aber nicht ihn. Ihn, Draco.

/Wahrscheinlich bin ich nur Zufallsprodukt.../, Draco ballte die Hände in den Taschen zu Fäusten.

/Jaah.

Und jetzt ist sie nicht mehr da.

Und fehlt mir trotz allem.

Aber ich war ihr egal.

Sie wollte ja mit Vater gehen, selber schuld.../

Draco schloss wieder die Augen.

Er sah wieder den Kerker. Wieder das Feuer.

Diesmal hörte er seine Mutter schreien.

Sie schrie nicht seinen Namen.

Sie schrie keine Worte.

Sie schrie den Schmerz heraus.

Einen Schmerz, der sich nicht in Worte fassen ließ.

Draco unterdrückte nur mit Mühe die Tränen.

+SW+

Hermine atmete tief ein. Die frische Luft tat gut.

Schnell besann sie sich aber wieder auf das, was ihr bevorstand.

Wo hatte er noch einmal gesagt, müsse er hin?

Wollte er sich nicht mit jemandem treffen?

Hermine dachte angestrengt nach.

Das Cafè in der Dingsbums-Valley.

So ein Mist. Sie verfluchte ihr Gedächtnis.

+SW+

Draco wurde unsanft aus seinen Gedanken gerissen.

Eine Leselampe wurde von ihrem Tisch gestoßen.

Er drehte sich abrupt um.

Harry war wach.

+

Er tastete nach seiner Brille. Er konnte sie aber nicht finden.

Er fluchte leise.

Harry ließ sich zurück in die Kissen fallen.

Er versuchte das Erlebte zu vergessen.

Und doch versuchte er sich zu erinnern.

Was war DAVOR geschehen?

Bevor er ohnmächtig geworden war, und...

Malfoy fiel ihm ein.

Sofort setzte er sich auf. Wo war er? Wo hatte Malfoy ihn hingebracht?

Seine Brille lag neben ihm auf der Decke.

+

„Na Potter?", Draco fühlte Hass.

Schlimmer als früher.

Schlimmer, als es je gewesen war.

„Wach?", er dachte an seine Mutter.  

Ihre Schreie hallten immer noch in seinem Kopf wieder.

~

Er sah Harry vor sich, fröhlich lachend.

Er hörte seinen Vater brüllen.

Seine Mutter, wie sie sich weinend den Kopf hielt.

Potter, der fröhlich mit Weasley und Granger über Hogwarts' Wiesen lief.

Wieder seine Mutter.

Sein Vater.

Potter.

Seine Mutter.

~

Langsam ging er auf Potter zu.

+

Er schien wütend. Aus irgendeinem Grund furchtbar wütend.

Harry setzte sich schnell die Brille auf.

„Na Potter? Wach?"

+Z/SW+

###

Er saß wieder dort. Das war alles so vertraut.

Und alles erinnerte ihn an seine Mutter.

Der Geruch, die weißen Wände.

Glücklich sah er sich um.

Ihm war nicht mehr heiß.

Er hatte keine Sorgen.

Er würde seine Mutter sehen.

Glücklich lauschte er auf die Schritte, die sich seiner Tür näherten.

+

„Harry!"

„Hi Mum!"

„Mein Junge!"

„Mrs Potter..."

„Hallo Mr!"

„Hallo Harry!"

Der Mann im weißen Kittel zog einen Stuhl an Harrys Bett heran und setzte sich.

Harry hielt die Hände seiner Mutter.

Sein Vater betrat den Raum als letztes.

Er schloss die Tür hinter sich.

Harry spürte, wie sein Lächeln erstarb.

Es wurde kalt im Raum.

Aus einem Harry unerklärlichen Grund verschwand das Glücksgefühl; so schnell wie es gekommen war.

Er drückte die Hand seiner Mutter fester.

Sie lächelte ihn an.

Jetzt war es nicht mehr ganz so kalt.

„Harry!"

Harry wandte den Kopf.

Der Mann im weißen Kittel sah ernst aus.

Ernster, als es Harry lieb gewesen wäre.

„Du hast uns immer öfter besucht in letzter Zeit! Ich und deine Eltern sind froh und erleichtert, dass du endlich doch aufgewacht bist! Aber obwohl du zu uns kommst, gehst du auch immer jedes Mal wieder zurück. Weißt du warum? Weißt du, warum du dich nicht lösen kannst, von dieser Traumwelt?"

Harry schüttelte den Kopf.

Er atmete. Er spürte sein Herz schlagen. Er sah seine Mutter. Ihr Lächeln. Was dieser Mann sagte, war richtig. Warum hatte er es nicht eingesehen?

Er dachte an Hermine. An Ron. An all die Zauberei.

„Du hast dich zum Helden gemacht, in deiner Welt..."

Voldemort.

Du-weißt-schon-wer.

Hatten nicht alle Angst vor ihm gehabt, nur er aus einem seltsamen Grund nicht? War es nicht seltsam, dass, während rechts und links von ihm alle fielen, er immer Glück hatte; immer davonkam?

War das Wunschdenken?

„Und du hast dir Freunde gemacht... Freunde, die dich unterstützen, dir beistehen, immer da waren. Und Freunde, die dich brauchen, festhalten ... festhalten in ihrer Welt..."

„Was soll ich tun?"

Verzweiflung.

Sie machte sich in ihm breit.

Er sollte hier sein. Bei Lily, bei James. Bei seinen Eltern. Er sollte ein normales Leben führen. Er sollte zur Schule gehen, arbeiten, eine Familie....

Er dachte an Ron.

Er hatte auch immer eine Familie gewollt...

„Es gibt sie nicht..."

Harry hörte den Mann reden.

Er schloss die Augen.

Verzweiflung.

Er schrie innerlich vor Verzweiflung.

Er schrie nach...

...nach was?

Er hatte niemanden.

Oder doch?

Aber wen?

Seine Mutter?

Den Mann im weißen Kittel?

Oder Ron?

Seine Welt begann wieder, sich zu drehen. Tausend Gedanken im Kopf, wehrte sich Harry nicht.

Als er aufwachte, vermisste er etwas.

Da war ein großes, schwarzes Loch in ihm.

Nein, kein Loch.

Nichts.

Da war einfach nichts...

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