Chapter 10
Er musste es endlich in Angriff nehmen. Fast hatte er die ganze Sache über all die Ereignisse vergessen.
Jetzt stand er bei „Oilily's" und betrachtete zig Käfige und die darin lärmenden Eulen.
Es war keine weiße dabei.
Und wenn es so gewesen wäre: die Farbe war ihm sowieso egal.
Langsam ging er auf und ab, warf nur hin und wieder Blicke auf die Eulen. Seine Gedanken waren abgeschweift. Sie kreisten um ihn. Seinen Paten. Sirius.
Verärgert trat er gegen einen nahestehenden Weidenkorb, der bis zum Rand mit toten Mäusen gefüllt war. Der Ladenbesitzer, der gerade ein paar Eulen fütterte, blickte erschrocken auf.
Wie sollte er ihn erreichen? Und er musste ihn erreichen. Irgendwie zu ihm gelangen.
Sirius war ein wichtiger Schritt.
Harry hob den Kopf.
„Ich nehm' die da!"
Der Ladenbesitze eilte, seinen Kunden zu bedienen und sah Harry ängstlich hinterher, als dieser den Laden verließ.
„Dieser Kunde war mir aber alles andere als geheuer!", immer noch misstrauische Blicke aus dem Ladenfenster werfend, streichelte er den großen schwarzen Kater, der auf seinem Arm saß.
„Aber er hat Geld dagelassen...", zufrieden strich der Verkäufer über die Kassenschublade. „Und dafür, dass er so lange gesucht hat, hat er wenigstens eine gute Wahl getroffen. Das war unsere beste Eule, nich?", zufrieden vor sich hinsummend machte er sich weiter an die Eulenfütterung.
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Er wusste, dass er bedrohlich wirkte.
So musste Malfoy sich fühlen.
Mein Gott, wie kam er denn auf Malfoy? Harry beschleunigte seine Schritte. Die Eule war ruhig in ihrem Korb.
Sie war groß und braun, und zwei rote Augen leuchteten einem entgegen, wenn man sie ansah.
Harry war nur froh, dass sie keinen Lärm machte, und so nicht alle Aufmerksamkeit der Winkelgasse auf ihn lenkte.
Während er Gringotts ansteuerte, dachte er nach.
Diese Eule musste Sirius finden. Und das schnell. Und er bräuchte einen Vorwand. Einen Vorwand, ihn hierher zu locken. Nach London, zu ihm, Harry.
Ginny. Ginny fiel ihm ein.
Jaah, das war eine Idee! In seinem Kopf reifte ein Plan.
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Die Kobolde sahen grimmig drein wie immer.
Harry drückte einem den Korb mit der Eule in die Hand. Der Kobold verlangte zwei Sickel.
/Alles wird teurer.../, Harry zog missmutig zwei Sickel aus dem Umhang und gab sie dem Kobold. Der verschwand daraufhin samt Geld und Eulenkorb durch eine Tür, hinter es ohrenbetäubend lärmte.
Harry wartete, bis die Tür zugefallen war und wandte sich dann zu den Geldschaltern.
„Harry?", wie jedes Mal, wenn in der Öffentlichkeit sein Name fiel, zuckte er zusammen.
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/So hatte er noch nie geguckt. So grimmig. Als hegte er Mordgedanken. Er schien genervt und irgendwie auch müde. Jedenfalls schien er keine große Lust zu haben, mit irgendjemandem zu reden...Und erst Recht nicht mit mir.../
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Es war Fred. Nur Fred. Fred allein. Natürlich.
Harrys Magen zog sich zusammen. Das war die letzte Person auf dieser Welt, die er sehen wollte. Das war genau das, was er nicht gebrauchen konnte.
Es kostete ihn viel Mühe und Selbstbeherrschung, die Bilder und Gefühle zu verdrängen, die in ihm aufkamen.
Diese große Traurigkeit.
Aber am schlimmsten war etwas anderes. Das Mitgefühl.
Es war verboten, er musste es loswerden. Es stand im Weg. Es band ihn an seine Freunde. An diese Welt...
Einen kurzen Moment wurde es schwarz- er rang mit sich, kämpfte gegen die Ohnmacht. Sie war so unglaublich stark. Er hatte sich so sicher gefühlt- und jetzt?
War es doch nicht so einfach?
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/Es war offensichtlich, dass ich ihn an George und damit an all die schrecklichen Geschehnisse erinnerte. Vor allem, da die große Narbe am Hals kaum zu übersehen war. Sie zeugte von meiner Verzweiflung. Über seinen Tod. Über den Wunsch, ihm zu folgen.
Harry war dazwischengekommen.
Ich weiß nicht, ob ich ihm danken, oder ihn hassen soll.
Aber an dem Tag schien er mir irgendwie krank. Vielleicht brauchte er meine Hilfe?
Er hatte für einen kurzen Moment die Augen geschlossen und schwankte gefährlich- aber dann war es schon wieder vorbei. Und er sah mich mit dem gleichen mörderischen Blick wie zuvor an.
Was hatte ich ihm bloß getan?
Was hatte diese Welt ihm getan?/
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Es wurde nur eine kurze Unterhaltung. Über den Job, über das Wetter, ein bisschen Politik. Harry war knapp angebunden und Fred versuchte sein bestes, die Stimmung zu erhalten.
„Na dann! Vielleicht sehen wir uns irgendwann mal wieder!", Fred lächelte unsicher, winkte kurz, drehte sich um und verschwand durch Gringotts' großes Hauptportal.
Harry sah ihm mit gemischte Gefühlen hinterher. Jetzt war die Bedrohung entgültig verschwunden.
Aber er war sich seiner Kühlheit bewusst. Er wusste, dass er schrecklich aussehen musste. Der Verkäufer, die Leute auf der Strasse, Fred. Sie alle hatten ihn mit diesem mitleidigen Blick angesehen. Das musste sich ändern.
Er durfte nicht auffallen. Jede ungewöhnliche Kleinigkeit konnte am Ende noch den Verdacht und damit Schwierigkeiten auf ihn lenken.
Harry legte dem Kobold hinter dem Glas des Schalters den großen, eisernen Schlüssel hin.
Während er hinunterfuhr, tausende Meter unter die Erde, reifte der Plan weiter in seinem Kopf. Sirius musste kommen. Er musste.
