Als die Sonne unterging erwachte im Kerker des Schlosses Graf von Krolock. Eine weitere endlos lange Nacht lag vor ihm. Vorsichtig tastete er nach dem Puls seiner Gefährtin. Schwach. Nur noch ein einziges Mal würde er von ihr trinken können, obwohl er sehr sparsam gewesen war. Bei seiner Berührung erwachte die junge Frau. Schwach griff sie nach seinem Arm und hielt sich fest. "Ich friere! Bitte, halte mich!" bat sie leise. Vorsichtig nahm der Vampir sie in den Arm. Sein Körper war kalt, seine Umarmung würde die menschliche Frau nicht wärmen. Er spürte, wie sie zitterte. "Ssssh, hab' keine Angst, Sternkind! Ich bin bei dir." Mit einer Hand strich er ihr über das Haar. Dann senkte er seinen Mund entschlossen auf die Spuren, die sein Biß auf ihrem Hals hinterlassen hatte. Sarah wußte, was sie erwartete und leistete keine Gegenwehr, als er die alten Wunden zum dritten Mal öffnete. Ihr Blut gab ihm Kraft. Dankbar trank er Schluck um Schluck der Leben spendenden Flüssigkeit, nahm ihre Stärke in sich auf. Dieses Mal war sein Kuss sanft und er konnte spüren, wie sich die Frau in seinen Armen in die Dunkelheit seines Geistes fallen ließ. Ihr Vertrauen ließ sie ihm bereitwillig folgen. Sanft umfing er ihr Bewußtsein und trug sie mit sich, ließ sie an seinem Entzücken teilhaben. Auf einmal schlug sie ihre Augen auf. Der Graf konnte ihren Blick deutlich spüren, löste seinen Mund von der Wunde und erwiderte ihren Blick. Trotz der Dunkelheit war er sicher, dass sie in seine Augen sah. "Halte mich!" flüsterte sie kraftlos "Laß' mich nicht alleine ins Dunkel gehen." "Still, Sternkind!" antwortete er leise und fuhr mit einem Finger über ihre Lippen. "Ich werde dich nicht ins Dunkel gehen lassen, ich brauche dein Licht hier. Du wirst mir leuchten." Er hielt ihren Blick, bis Sarah langsam die Augen schloß. Dann nahm er ihren Kopf fest in beide Hände. Ein kurzer Schmerz, als er spürte, wie seine scharfen Zähne die Haut seiner Zunge durchbohrten. Er beugte sich über die sterbende Frau und gab ihr den blutigen Kuss des ewigen Lebens.
Professor Abronsius erwachte. Er streckte sich gähnend und kratzte sich nachdenklich am Kopf. Was wohl diese neue Nacht bringen würde? Alfred fiel im auf einmal siedend heiß ein. Er musste mit dem jungen Mann sprechen, bevor Herbert ihn aufsuchte. Hoffentlich hatte sein Assistent Erfolg gehabt. Vorsichtig schlich er die Treppe hinauf. Er konnte Koukul in der Küche rumoren hören, wo der bucklige Diener eine Mahlzeit für zwei zubereitete. "Also lebt er. Ein Glück!" frohlockte Abronsius und huschte ungesehen die Treppe hinauf, die zu dem Studierzimmer des Grafen führte. Dort angekommen presste er sein Ohr an die Holztür. Deutlich konnte er gleichmäßige Atemzüge hören. Leise klopfte er an. "Alfred!" Keine Reaktion aus dem Inneren des Raumes. "Dieser Lümmel hat einen gesunden Schlaf. Na los, wach auf!" rief er ein wenig lauter. Von jenseits der Tür konnte er hören, wie Stoff über Stoff schabte, als sich jemand aufsetzte. "Na, das wird aber Zeit, Junge! Wie lange soll ich hier denn noch herumstehen?" brummte der Professor. Er hörte, wie sich Schritte der Tür näherten, dann würde ein Schlüssel ins Schloß geschoben und gedreht. Die Tür wurde geöffnet und der Wissenschaftler sah sich seinem Assistenten von Angesicht zu Angesicht gegenüber. "Junge, was ist mit dir? Du siehst schrecklich aus. Was hat dir dieser Kerl denn angetan?" fragte Abronsius erschrocken. "Alles in Ordnung, Herr Professor, wirklich!" erwiderte Alfred müde. "Ich habe nur nicht viel geschlafen! Diese Träume... Es wird Zeit, dass wir hier entkommen." Er schien sich vor Müdigkeit kaum auf den Füßen halten zu können. Bisher hatte der Professor nur das schlechte Erscheinungsbild seines Schülers wahrgenommen. Doch auf einmal meldeten sich andere Sinne. Ihm würde schmerzlich bewußt, dass Alfred ein Mensch war. Ein Mensch mit einem Herzschlag, der gleichmäßig in seinen Ohren dröhnte... Ein Mensch, in dessen Adern warmes, köstliches Blut floß... Ein Mensch dessen Leben ihn nähren konnte. Unbewußt machte er einen Schritt auf den jungen Mann zu. Als dieser mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen vor ihm zurückwich, würde ihm klar, was er gerade im Begriff war zu tun.
Alfred wollte seinen Augen nicht trauen. Das Gesicht seines Lehrers verzerrte sich und als dieser den Mund öffnete, zeigten sich gefährlich glänzende Fänge. Erschrocken wich er zurück. Er sah sich im Zimmer nach einer Waffe um, mit der er sich den Vampir vom Leib halten konnte. Weder Herbert, noch die dunkle Bedrohlichkeit des Grafen hatte ihn mit einer solchen Panik erfüllt. Sein Vorbild, der Mann, dem er mit seinem Leben vertraut hatte! Wie hatte das geschehen können? Seine tastenden Finger fanden im Durcheinander des Schreibtisches eine schwere Glasflasche mit einer klaren Flüssigkeit im Inneren. Keine tödlich Waffe, wenn man einem Vampir gegenübertrat, aber das Gefühl des schweren Gegenstands gab ihm Sicherheit. "Wie...?" fragte er ungläubig, obwohl er nicht mit einer Antwort rechnete. "Es tut mir leid, Junge!" erwiderte der Professor und wich ein paar Schritte zurück. "Es war nicht mein Wunsch, glaube mir. Aber ich werde dir nichts tun. Wir müssen uns gegenseitig helfen. Vertraue mir." Der Professor trat blitzschnell in den Raum, griff an Alfred vorbei und drückte dem verblüfften Mensch einen hölzernen Gegenstand in die Hand des er aus dem Durcheinander des Schreibtischs zog. "Und wenn du das nächste Mal einem Vampir gegenüber stehst, dann beweise, dass du etwas von mir gelernt hast!" sagte er, als er die Hand seines Assistenten um den geschnitzten Brieföffner schloß. Diese Geste überzeugte Alfred mehr als alles andere. "Professor!" Freudig und erleichtert schloß er den älteren Mann in die Arme, um dann beschämt einen Schritt zurück zu treten und betreten auf seine Schuhe zu sehen. "Jetzt ist's aber gut. Was ist denn das für ein Benehmen." tadelte der Professor halbherzig, aber sein Lächeln strafte seine strengen Worte Lügen. Verlegen versuchte der Professor seine Freude zu verbergen. "Also hast du die Schlüssel tatsächlich. Wie hast du das gemacht?" Alfred versuchte das Thema zu wechseln "Hauptsache, wir haben sie. Kommen Sie, lassen sie uns hier verschwinden. Wir holen Sarah und dann..." Der Professor unterbrach ihn. "Nicht so wichtig, wie? Ob das wichtig ist, entscheide immer noch ich. Und Sarah... nun mein Junge, ich glaube unsere Flucht wird nicht so einfach sein, wie du dir das vorstellst. Wir müssen da nämlich noch ein paar weitere Faktoren berücksichtigen." "Richtig", fiel Alfred ein. "Sie können ja jetzt nur noch bei Nacht reisen. Aber keine Angst, Sarah und ich werden sie trotzdem Mitnehmen. Ich glaube, was die vampirische Natur anbelangt, müssen wir uns intensiv mit den bisher bekannten Fakten auseinander setzen." Alfred ging mit langen Schritten auf die Tür zu, um sein Gefängnis zu verlassen, als er hörte, wie sich die Tür des gegenüber liegenden Raumes öffnete. Schritte kamen über den Flur auf das Studierzimmer zu. Der Professor hatte es ebenfalls bemerkt und sah sich verzweifelt nach einem Versteck um. Die Schritte hielten vor der Tür inne. Einen Moment lang war alles still. Dann kehrte die Person in das gegenüber liegende Zimmer zurück. Alfred drückte dem Professor entschlossen die Schlüssel in die Hand und schob ihn aus der Tür, während er ihm zu flüsterte: "Gehen Sie, holen sie mich später wieder hier heraus. Er darf die Schlüssel nicht bei mir finden, wenn er sie vermißt!" Dann verschwand er wieder im Studierzimmer des Grafen. Abronsius schloß ab und verließ mit übermenschlicher Geschwindigkeit den Flur.
Herbert trat aus seinem Zimmer. Angenehme Träume hatten seinen Schlaf versüßt und er sah der anbrechenden Nacht hoffnungsvoll entgegen. Gutgelaunt ging er über den Flur, um Alfred einen Besuch abzustatten. Der Vampir griff in seine Tasche, um den Schlüssel hervor zu suchen, der die Tür zum Nebenzimmer öffnete. Nichts! Ungläubig tastete er alle Taschen seiner Kleidung ab. Immer noch nichts. Herbert schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. Natürlich. Gestern hatte er ja andere Sachen getragen. Er drehte sich um und betrat sein Zimmer erneut. Die Kleidungsstücke, die achtlos in eine Ecke des Raumes geworfen hatte, waren verschwunden. Er griff nach der Samtschnur und läutete nach Koukul. Der Diener erschien schnell. "Koukul, meine Kleidung! Was hast du damit gemacht?"
Koukul traute seinen Ohren nicht. Noch nie war es für einen Bewohner des Schlosses von Bedeutung gewesen, was mit ihrer Kleidung geschah, solange sie frisch gereinigt nach einer gewissen Weile wieder im Schrank ihres Besitzers auftauchte. Verständnislos sah er des Vampir an. Dieser reagierte ungehalten. "Du dummer ... Bauer! Was hast du mit den Schlüsseln gemacht?" Jetzt verstand Koukul die Aufregung. Allerdings war er sich sicher, dass er keinen Schlüssel in einer der Taschen gefunden hatte. Undeutlich versuchte er dies zu erklären. Innerlich verfluchte er das Gestammel, das selbst in seinen Ohren unverständlich klang. Sein neuer Herr machte sich nicht die Mühe, längere Zeit den Erklärungsversuchen zu lauschen. Unsanft packte er ihn an den Haaren und befahl ihm, ihn zu den Kleidern zu führen. Wimmernd kam Koukul dem Befehl nach. Die Ungeduld des Vampirs kostete ihn einige Haarsträhnen, aber schließlich gelangten die beiden in die feuchte warme Hölle, welche die Waschküche des Schlosses darstellte. Koukul wies mit einer schwieligen Hand auf einen großen Berg Kleidung, den er am Nachmittag eingesammelt hatte und der darauf wartete, gewaschen zu werden. Herbert gab ihm einen Stoß und der Bucklige flog in hohem Bogen mit dem Gesicht voran in den Haufen schmutziger Wäsche. Eilig förderte er die gewünschten Kleidungsstücke zu Tage. Herbert riß sie ihm blitzschnell aus der Hand und durchsuchte die Taschen. Verärgert warf er sie dem Diener ins Gesicht, als er nicht fündig wurde. Koukul hob schützend einen Arm vor sein Gesicht und sah den aufgebrachten Vampir ängstlich an. Herbert warf ihm noch ein paar Schimpfworte an den Kopf und beruhigte sich dann langsam wieder.
Er konnte es kaum glauben. Sollte etwa... Alfred? Nein, das konnte nicht sein. Der junge Mann war viel zu verängstigt gewesen. Außerdem war Herbert der Ansicht, im Gesicht des unbeholfenen Menschen lesen zu können wie in einem Buch. Hinterlist? Sollte er betrogen worden sein? "Dieser falsche Mistkerl!" zischte Herbert ungläubig und verletzt. In seinem Zorn war er nicht zu bremsen. Er rannte die Treppen hinauf, immer dicht gefolgt von Koukul. Vor der Tür des Studierzimmers hielt er inne. Schwer atmend schloß der bucklige Diener zu ihm auf. "Deinen Schlüssel, Koukul!" forderte er und streckte die Hand aus. Koukul erzitterte. Er bedauerte den jungen Wissenschaftler, als er dem ungeduldigen Vampir seinen Schlüsselbund reichte. Herbert drehte den Schlüssel im Schloß und stieß die Tür schwungvoll auf. So schwungvoll, dass sie mit einem lauten Knall an die Wand des Zimmers stieß. Bei diesem Geräusch zuckte Alfred zusammen, der sich bis jetzt über die Manuskripte, die auf dem Schreibtische stapelten, gebeugt hatte. Als er das zornige Gesicht Herberts sah, der gefolgt von Koukul in das Zimmer stürmte, erblasste er. Der Sohn des Grafen verlor keine Zeit. Er riß Alfred am Kragen dessen Hemdes zu sich, so dass dieser den Boden unter den Fußen verlor und schleuderte ihm seine Anschuldigungen entgegen. "Gib' sie wieder her, Alfred! Wenn ich mit dir fertig bin, dann..." einen Moment lang versagte die Fantasie des Vampirs. Das gurgelnde Keuchen des Menschen ließ ihn wieder zu Besinnung kommen. Vorsichtig setzte er Alfred wieder ab und ließ zu, dass dieser den Kragen seines Hemdes lockerte. Alfred sank vorne über, stützte sich mit seinen Händen auf den Oberschenkeln ab und sog dankbar die Luft ein. Keuchend kam er wieder zu Atem. Herbert musterte ihn. " ... Was... was soll ich..." stammelte dieser. Herbert verlor die Geduld. Mit einer schwungvollen Bewegung fegte er die Oberfläche des Schreibtisches frei und wies Koukul an, das zu Boden flatternde Durcheinander zu durchsuchen. Dann leerte er auch noch die Schubladen aus. Glas zerbrach klirrend.
Alfred starrte fassungslos auf den wütenden Vampir. Die heftige Reaktion überraschte ihn. Als sich dessen Blick wieder ihm zuwandte, nachdem der Sohn des Grafen seine Wut an den leblosen Gegenständen ausgetobt hatte, zog Furcht Alfreds die Kehle zusammen. "Nein!" rief er und streckte abwehrend die Hand aus, als Herbert auf ihn zu kam. "Oh doch, Alfred, oh doch!" war die kalte Erwiderung. Alfred wich zurück, bis er die Wand in seinem Rücken fühlte. Doch Herbert kam unaufhaltsam auf ihn zu. "Jetzt wird sich zeigen, ob ich recht hatte!" Die Worte des Vampirs wurden fauchend zwischen den Zähnen hervor gestoßen. "Wo könntest du wohl den Schlüssel versteckt haben... mmmh?" Nachdenklich musterte er ihn. Ein gefährliches Lächeln verzog seine Mundwinkel, als er mit einer Hand die Gestalt des jungen Mannes fest an die Wand drückte und mit der anderen dessen Kleidung durchsuchte. Als Herberts Gesicht dicht vor seinem war, sah Alfred das Glitzern seiner Fänge. Der junge Wissenschaftler konnte kaum glauben, dass dies die gleiche Person war, die ihn in der letzten Nacht mit einem Augenzwinkern geküßt hatte. "Ich habe den Schlüssel wirklich nicht!" rief er verzweifelt. Und mit einer Spur von Wut fügte er hinzu "Wenn ich den verdammten Schlüssel hätte, dann wäre ich längst aus diesem verfluchten Schloß verschwunden!" Trotzig sah er in die Augen seines Gegners.
Als er nicht fündig wurde, verrauchte Herberts Wut. "Solch' schlimme Worte aus so einem entzückenden Mund!" Lächelnd lockerte er seinen Griff. "Das ist aber nicht gerade fein. Dagegen muss man ja dringend etwas unternehmen. Mit diesem Benehmen kann ich mich mit dir ja nirgendwo blicken lassen. Ts ts ts..." Alfred hatte natürlich recht. Wie hatte er nur so dumm sein können. Beschämt sah er sich in dem verwüsteten Raum um. "Mir scheint, wir müssen an Deiner Unterbringung etwas ändern. Koukul?" Der auf dem Boden herum kriechende Diener sah auf. "Du kannst das später alles in Ordnung bringen und den Raum noch einmal gründlich durchsuchen. Richte Alfred erst einmal ein neues Zimmer her." Gehorsam erhob sich Koukul auf seine Füße und verließ schwankend das Zimmer. Herbert machte sich Vorwürfe. Wie hatte er Alfred verdächtigen können? Beinahe hätte er den jungen Mann in seiner Wut getötet. Das durfte nicht noch einmal geschehen. Besorgt musterte er das Gesicht des geliebten Wesens (...freies Zitat für Liebhaber des Films... g). In den Augen des Menschen konnte er deutlich Furcht erkennen. Sein Toben hatte das sich langsam zwischen ihnen entwickelnde Vertrauen wieder zerstört. "Es tut mir leid, Alfred!" entschuldigte er sich unsicher. Wie lange war es her, dass er sich für etwas hatte entschuldigen müssen? "Ich war nur so... aufgebracht. Natürlich hast du den Schlüssel nicht genommen. Wir beide haben uns doch gestern so gut verstanden." Unsicher und etwas verlegen schaute er zur Seite. Er hoffte sehr, sich in dem jungen Wissenschaftler nicht getäuscht zu haben.
Alfred konnte es kaum glauben. Der Herr des Schlosses hatte sich entschuldigt! Zum ersten Mal bemerkte er Unsicherheit in dessen Betragen. Es war ein merkwürdiges Gefühl, da er ja wußte, dass Herberts Anschuldigungen berechtigt gewesen waren. Auf einmal hatte er ein furchtbar schlechtes Gewissen. "Das macht nichts, wirklich!" beeilte er sich dem verlegenen Vampir zu versichern. "Ich meine, nicht dass ich es toll finde, beinahe erwürgt zu werde... oder so. Ich... Du hast... ich meine Sie... Sie haben mir wirklich Angst gemacht, aber immerhin sind sie ja auch ein ... Vampir..." Alfreds Worte wurden immer leiser. Herbert sah zu ihm auf. "Deshalb muss ich mich aber doch nicht wie ein rasender Irrer benehmen." antwortete er. "Und außerdem kennen wir uns jetzt schon eine ganze Weile, du kannst mich ruhig mit meinem Vornamen ansprechen." Alfred starrte ungläubig. Herbert wirkte plötzlich verletzlich, obwohl er Augenblicke zuvor noch getobt hatte. "Komm Alfred!" forderte er ihn auf "Wir wollen sehen, wie weit Koukul ist." Mit diesen Worten zog er ihn hinter sich aus dem Zimmer und schritt den Flur ein Stück hinunter. Vor eine geschnitzten Holztür hielt er an. "Schau es dir an!" forderte er ihn verschwörerisch auf "Ich hoffe es gefällt dir!" Alfred öffnete vorsichtig einen schweren Flügel der Doppeltür.
Professor Abronsius eilte in den Keller des Schlosses. Den Schlüssel hielt er fest in seiner Hand. Es war an der Zeit, seinen Herrn zu befreien. Seinen Herrn?! Erschrocken hielt er inne, als er sich bei diesem Gedanken ertappte. Wie konnte er irgend jemanden als seinen Herrn betrachten... und dann ausgerechnet den Grafen? Er machte sich eine geistige Notiz, die Macht, die ein Erzeuger über seine Geschöpfe hatte, nicht zu unterschätzen und einen Weg zu finden, dieser Kontrolle zu entgehen. Langsam setzte er seinen Weg grübelnd fort. Diese Abhängigkeit schmeckte ihm nicht im geringsten und angestrengt hielt er das Bedürfnis im Zaum, seine Schritte wieder zu beschleunigen. In der vergangenen Nacht hatte er die Führung seines Meisters... Meisters?!.. noch nicht zu spüren bekommen, aber je näher er der Zelle kam, desto stärker wurde das Gefühl, kontrolliert zu werden. Wut stieg in ihm auf. Er würde auf seine Unabhängigkeit bestehen, wenn er dem alten Vampir gegenüber trat!
Von Krolock konnte das Nahen des Professors spüren. Ungeduldig rief er ihn zu sich. Der Geist des jungen Vampirs bot dem Erfahreneren kaum Widerstand. Geistesabwesend strich er mit einer Hand über das Haar seiner jüngsten Geliebten, die zu seinen Füßen kauerte und versuchte, die Zelle, die sie umgab mit ihren neuen Sinnen zu erforschen. Erst vor wenigen Augenblicken hatte sie zum ersten Mal ihre Augen geöffnet, um die Welt jenseits des Todes zu erblicken. Er spürte einen schwachen Widerstand, als Abronsius sein Tempo verlangsamte und gegen seinen mentalen Ruf ankämpfte. Der Graf erkannte, dass sein Kind seine Herrschaft nicht bedingungslos akzeptieren würde. Er bewunderte die Entschlossenheit und lockerte seinen geistigen Griff ein wenig. Die Erziehung dieses Kindes würde eine Herausforderung darstellen! Abronsius näherte sich weiterhin dem Kerker des Grafen. Mit einer hochgezogenen Braue beschloß der Vampir, sich zu merken, dass der Wissenschaftler freiwillig einiges tun würde, dem er sich unter Zwang verweigerte. "Starrköpfig!" murmelte er. Sarah sah zu ihm auf. "Nicht du, Sternkind!" erklärte er seine Worte. "Kannst du spüren, dass sich ein Verwandter nähert?" fragte er sie. "Spüren?" war die erstaunte Antwort. "Lausche in dich hinein, kannst du hören, wie dein Blut von seiner Nähe singt?" Angestrengt runzelte Sarah die Stirn. "Professor?!" entfuhr es ihr überrascht. "Sehr gut, Kind." lobte von Krolock. Dann hörte er, wie ein Schlüssel ins Schloß gesteckt wurde und sich knirschend drehte. Er wandte sich der aufschwingenden Tür zu.
Abronsius öffnete immer noch trotzig die Tür. In der kahlen Zelle konnte er die Gestalt des Grafen undeutlich erkennen. Zu dessen Füßen kauerte eine weitere, das weiße Gesicht neugierig zu ihm gewandt. Mit einer einladenden Geste winkte der Vampir den Professor zu sich heran. "Hast du den Schlüssel? Gib' ihn mir." befahl er. Abronsius ertappte sich dabei, wie er den Schlüsselbund in die ausgestreckte Hand von Krolocks legen wollte. Entschlossen zog er die Hand wieder zurück. "Es ist gut möglich, dass ich den Richtigen habe, Eure Exzellenz!" antwortete er statt dessen. Zufrieden beobachte er die Reaktion auf seine Worte. Er konnte die Verblüffung seines Gegenübers beinahe körperlich spüren, gefolgt von einer Welle der Macht. "Fordere mich nicht heraus! Ich bin bis jetzt nachsichtig gewesen!" donnerte der Graf. Der Professor fühlte sich eingeschüchtert, war aber noch nicht bereit, kampflos das Feld zu räumen. "Ich lasse mich nicht herum kommandieren. Ich respektiere Eure Erfahrung und euer Alter, Exzellenz, aber der Tod sollte meiner Meinung nach niemanden von der Höflichkeit entbinden. Also, wenn Ihr Eure Frage noch einmal formulieren möchtet...?" Geduckt wartete er auf die Reaktion, die seinen respektlosen Worten folgen musste. Die Antwort würde schmerzhaft sein, aber er hatte sein Bestes gegeben und für seine Freiheit gekämpft.
Ein helles Lachen ließ die beiden erstarren. Sarah hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund, als von Krolock sie mit strenger Miene musterte. Das widerspenstige Verhalten des Professors, der es wagte, den alten Vampir über höfliche bzw. unhöfliche Umgangsformen zu belehren hatte sie belustigt. Sie hatte nicht geglaubt, dass irgendein Wesen genug Mut besaß, sich dem Herrn des Schlosses entgegen zu stellen. Der junge Vampir "Ihr Bruder - ein merkwürdiger Gedanke" in der Gestalt des alten Mannes wurde ihr sympathisch. "Vergebt ihm!" bat sie den Grafen und griff nach seiner Hand. "Ihr schätzt ihn gerade wegen seiner Intelligenz und seines offenen Geistes, aber ein freier Geist läßt sich nicht einsperren... in keiner Weise und von niemanden. Wenn ihr einen Befehlsempfänger braucht, dann habt ihr ihn aus dem falschen Material geschaffen!"
Von Krolock sah erstaunt auf die junge Frau herab.
ANMERKUNG: Und nicht nur er, das klingt so überhaupt nicht nach Sarah... nicht dass ich sie nicht für intelligent halte, aber woher soll sie denn wissen, was der Graf von Abronsius hält, sie sieht die Beiden zum ersten Mal gemeinsam in einem Raum... (der Ballsaal ausgenommen, aber da hatte sie ja anderes im Kopf) und bisher hat sie sich vermutlich eher Gedanken gemacht, was der Graf wohl von ihr hält... Ausserdem würde sie das Ganze vermutlich nicht so hochtrabend formulieren...
Seine Verblüffung vergrößerte sich noch, als auch der Professor ein unterdrücktes Kichern ausstieß. "Nun Exzellenz, es scheint, ihr habt eure Kinder unterschätzt!" stieß dieser hervor, als sich die Anspannung löste. Erfreut horchte der ältere Vampir auf. Der Wissenschaftler hatte sich freiwillig als sein Kind bezeichnet. Ein gutes Zeichen. Wenn er bereit war, sich als Teil der Familie zu fühlen, so konnte der Graf gnädig sein und die Unverschämtheit vergessen. Allerdings nicht sofort. Die Disziplin musste aufrecht erhalten und Vergebung verdient werden. Blitzschnell machte er einen Schritt nach vorne und griff nach dem Professor. Der Druck seiner Hand auf dessen Schulter zwang den anderen Vampir in die Knie. Mit einem scharfen Fingernagel hinterließ er einen tiefen Kratzer auf der Wange des Jüngeren. Dann führte er den blutigen Finger an den Mund und leckte die daran haftende Flüssigkeit ab. "Meine Kreatur... Mein Blut... Mein Kind!" intonierte er. Die Wunde schloß sich in wenigen Sekunden wieder vollständig. Das alles war so schnell gegangen, dass Abronsius keine Zeit blieb zu reagieren. Fassungslos kniete er immer noch zu Füßen des Vampirs, als dieser sich bereits wieder Sarah zu wandte. "Lerne daraus!" wies von Krolock sie an "Der Preis für meinen Zorn ist immer zu bezahlen... die Früchte meines Wohlwollens..." bei diesen Worten zog er die junge Frau auf die Füße "sind eure Belohnung." Er zog sie an sich und gab ihr einen tiefen Kuss. Dann legte er einen Arm um ihre Hüfte und wandte sich wieder an Abronsius, der gerade wieder auf die Füße kam. "Der Schlüssel...?" fragte er. "Hier Exzellenz!" Seufzend drückte der Professor ihm den eisernen Schlüsselbund in die Hand.
Alfred sah neugierig in das Zimmer. Durch die Fensterscheiben fiel der Mond in den Raum. Eine Lampe leuchtete Koukul, der sich gerade damit abmühte das riesige Himmelbett neu zu beziehen. Ihr warmer Schein erleuchtete auch die dunklen Ecken. Das Bett dominierte den Raum. Es war alt und hölzerne Pfosten trugen den schweren Betthimmel. Auf einem Nachttisch stand eine Waschschüssel aus Porzellan. Daneben lag ein dem Aussehen nach bereits häufig gelesenes Buch. An einer Wand befand sich ein geschnitzter Kleiderschrank, zwei mit dunkelgrünem Samt bezogene Sessel und ein kleiner Tisch. Ein Spiegel hing zu Alfreds Erstaunen ebenfalls in dem Raum. Die Atmosphäre war nicht so bedrückend wie in dem Rest des riesigen Schlosses. Er hatte das Gefühl, einen Raum zu betreten, in dem er sich sicher fühlen konnte. Die Spuren der Vernachlässigung waren hier weniger ausgeprägt als in den anderen Räumen, die er bisher gesehen hatte. "Gefällt es dir?" fragte Herbert neben ihm. Alfred zuckte zusammen. Er hatte nicht bemerkt, dass der Vampir so dicht an ihn heran getreten war und ihn jetzt erwartungsvoll musterte. "Es... es ist wunderschön." antwortete er leise. Das war es tatsächlich. Das Zimmer strahlte eine Gemütlichkeit aus, die Alfred vermuten ließ, dass es seinem Besitzer auch nach vielen Jahren noch am Herzen lag. "Es freut mich, dass es dir gefällt, Alfred! Es ist... es war... mein Zimmer." Alfred glaubte für den Bruchteil einer Sekunde eine Mischung aus Traurigkeit und Verlangen in den Augen des Vampirs glänzen zu sehen. Doch der Augenblick war schnell vorüber. Bestimmte habe ich mir das nur eingebildet, sagte er sich, als er bei einem vorsichtig prüfenden Blick aus den Augenwinkeln heraus keine Spur mehr davon erkannte. "Danke!" antwortete er höflich. "Oh, gerne geschehen! Du wirst das Bett lieeeeben..." zwitscherte Herbert, wieder ganz sein altes verspieltes Selbst. Erschrocken fuhr Alfred herum. Die Stimmungsschwankungen des emotionalen Vampirs trafen ihn immer wieder unvorbereitet. Unsicher, wie er reagieren sollte, piepste er: "Eigentlich bin ich gar nicht müde." "Ich auch nicht, Schatz!" flirtete Herbert. Oh je oh je! Alfred wurde knallrot. Die Situation entglitt ihm immer mehr und mehr. "Warum muß so etwas auch ausgerechnet mir passieren?" fragte er sich. Eine vorlaute Stimme in seinem Inneren meldete sich zu Wort: Geh' einfach darauf ein! Was ist schon dabei! Du fragst dich schon lange, wie es wäre... wer soll davon erfahren... "Und wenn er sich die ganze Zeit nur über mich lustig gemacht hat, weil er weiß, wie peinlich mir das ist? Was ist wenn er Nein sagt? ... Was ist wenn er Ja sagt??" Alfred schüttelte den Kopf. Nein, dieses Risiko konnte er nicht eingehen.
Herbert beobachtete Alfred gespannt. Für einen Augenblick hatte er das Gefühl, der junge Mann war bereit seinem Werben nachzugeben. Herbert erinnerte sich an eine Nacht vor über zwei Jahrhunderten.
ANMERKUNG: Ich habe keine Ahnung, wie alt Herbert sein soll. Weiß irgendwer da mehr als ich? Ich habe einfach mal angenommen, dass die Geschichte am Ende des 19. Jahrhunderts spielt, so etwas nach 1890 Dracula läßt grüßen. Sein Vater wurde nach eigener Aussage 1617 Vampir... also muß Herbert irgendwann vor dieser Zeit gezeugt / geboren sein. Wenn er der leiblich Sohn des Vampirs ist wovon ich ausgehe und er im Alter von ca. 20 - 30 Jahren starb, so muß er gut über 2 Jahrhunderte alt sein. Eine nähere Schätzung wage ich jetzt nicht. Das setzt natürlich voraus, dass Vampir keine Kinder auf dem "konventionellen Weg" zeugen können, denn dann wäre es schwierig zu sagen, wann Herbert geboren wurde ;-)
Sein Vater hatte ihn in diesem Bett zum Vampir gemacht. Herbert hatte die dunkle Gestalt nicht bemerkt, die sich im Licht des Mondes in sein Schlafgemach geschlichen hatte. Mit Tränen in den Augen hatte er auf dem Bett gelegen und geschmollt. Man hatte ihm verboten, sich weiter mit den Söhnen der jungen Edelleute zu treffen. Der Skandal erschütterte die adlige Gesellschaft und seine Gefährten hatten sich angewidert von ihm abgewandt. Die Scham brannte in ihn, als er sich erinnerte, wie ein Page, einige Jahre jünger als er selbst, ihn vor seinen Freunden bloß gestellt hatte, da Herbert hatte sich geweigert hatte, für sein Schweigen zu zahlen. Sein Vater war erbost gewesen. Der Name der Familie, der seit einigen Jahren in den Hütten der Bauern nur noch geflüstert wurde, war in den Schmutz gezogen worden. Nur eines hatte er in dieser Nacht nicht erwartet: Sein Vater hatte ihn nicht für seine Neigungen verurteilt, sondern für die Art und Weise, in der er seine Affären gehandhabt hatte. "Blut, unser Blut, ist kostbarer als Gold. Sein Schweigen hätte dich nichts kosten müssen!" fuhr der Graf den jungen Mann an, der mit gesenktem Kopf auf dem Rand des Bettes saß. "Der Tod eines Dieners hätte dir nicht geschadet... sein Leben hat dich ruiniert." Dann hatte sein Vater ihm ein paar schmerzhafte Lektionen erteilt. Nach einiger Zeit hatte Herbert ihn angefleht, ihn zu verschonen, mit Tränen in den Augen hatte er versichert, seine Lektion gelernt zu haben. Doch der Graf war unerbittlich gewesen. Jeder Knochen und Muskel seines Körpers hatte gebrannt, jede Bewegung war eine Qual gewesen, als sein Vater ihm danach in diesem Bett gezeigt hatte, was das Blut der Familie wirklich bedeutete und welche Lektionen die Zukunft für ihn bereit hielt. In der nächsten Nacht hatte Herbert das Blut des Pagen getrunken.
"Herbert!" Herbert zwinkerte erstaunt. Die Stimme Alfreds holte ihn in die Gegenwart zurück. Nachdenklich sah er von dem Bett zu Alfred. "Ja?" fragte er neugierig. "Ist alles in Ordnung?" erkundigte sich der Assistent des Professors. "Ich war nur ein wenig ... abgelenkt. Jetzt bin ich mit meinen Gedanken wieder ganz... bei dir." Herbert lächelte ihn an. Dann Griff er nach Alfreds Hand. "Warum hast du bloß solche Angst vor mir?" flüsterte und hauchte ihm einen zurückhaltenden Kuss auf die Handinnenfläche.
Alfred wurde rot. Er konnte dem Vampir nicht in die Augen sehen, doch die Wahrheit war, dass sein Herzschlag sich in diesem Moment nicht aus Furcht beschleunigt hatte. Er wehrte sich nicht, als Herbert ihn näher zu sich heran zog. Angespannt wartete er ab.
Erleichtert atmete Herbert auf. Er hatte heftige Gegenwehr des jungen Wissenschaftlers befürchtet. Es schien, sein ... Freund (fg)... gab den nutzlosen Widerstand gegen seine eigenen Fantasien auf und war bereit, auf sein Werben einzugehen. Um Alfred nicht zu verschrecken, nahm er sich vor, langsam und behutsam vorzugehen und den jungen Mann nicht zu überrumpeln. Als er ihn an sich zog, folgte dieser ohne Widerstand. Der Vampir nahm sich die Zeit, dem Menschen ein paar Strähnen des weichen und glänzenden Haars aus der Stirn zu streichen. Dann wickelte er sich eine der Locken um den Finger. "So weich..." flüsterte er. Er konnte spüren wie Alfred in seinen Armen den Atem anhielt, als er sich zu seinem Gesicht herabbeugte. Beinahe zögernd berührte er dessen Stirn mit seinen Lippen.
Alfred schloß die Augen. Er konnte nicht glauben, was er gerade tat - oder viel mehr geschehen ließ. Er kam sich vor, als sei er wieder in einem Traum gefangen. Die kühlen Lippen wanderten von seiner Stirn zu seinen Augenlidern. Unwillkürlich hielt er sich an Herbert fest, als dieser auch diese mit zärtlichen Küssen bedeckte. Wie konnte sich etwas so gut anfühlen? Er beschloß, sich der Führung des Vampirs anzuvertrauen. Enttäuscht zog er die Brauen zusammen als dieser sich wieder von ihm löste. Er öffnete die Augen und blinzelte in das warme Licht der Lampe. Herbert hatte sich Koukul zugewandt, der inzwischen das Bett fertig bezogen und die Waschschüssel mit klarem Wasser gefüllt hatte. Mit einem Wink bedeutete er ihm, den Raum zu verlassen. Alfred konnte kaum glauben, dass er die Gegenwart des Dieners komplett vergessen hatte. Koukul ließ die Lampe im Zimmer zurück, humpelte aus dem Raum und schloß die Tür leise hinter sich. "So, nur noch wir beide. Hast du Angst, so mit mir alleine?" fragte Herbert. "Ich weiß nicht genau... ein wenig." Alfred war unsicher, was er fühlte. "Brauchst du nicht. Ich werde nichts tun, was Du nicht auch willst" versprach Herbert ihm. "Vertraust du mir?" "Ich... ich weiß wirklich nicht... ich möchte gerne... aber ich will kein Vampir werden..." Alfred wandte sich ab. Er befürchtete, den Zorn des ungestümen Vampirs erregt zu haben. "Glaubst du wirklich, Dein Blut ist alles, was ich von dir will, Alfred?" erkundigte sich dieser ein wenig verletzt. "Glaub' mir, das hätte ich schon lange haben können. Ich möchte, dass du es mir freiwillig anbietest." Und leiser fügte er hinzu "Ich bin mir sicher, dass du das eines Tages tun wirst." Alfred war erleichtert. Er fühlte, wie sich eine große Last, die ihn zu Boden gedrückt hatte von seinen Schultern hob. Unwillkürlich machte er einen Schritt auf den Vampir zu, der immer noch abwartend vor ihm stand. Er verschränkte seine Arme in dessen Nacken und zog Herberts Kopf zu sich hinunter. Mit den Händen löste er das Band, das die Haare seines Liebhabers in einem Zopf zusammen hielt. Das Haar fiel locker um das Gesicht des Vampirs und im Schutz dieses blassen Vorhangs teilten die beiden einen feurigen Kuss.
ANMERKUNG: Und schon wieder ist es an der Zeit sich auszublenden... ich bin sicher es wird ein einmaliges Erlebnis für beide Seiten... und dabei sind Zuschauer sicher nicht besonders beliebt... Wir wollen doch, dass unser Alfi sich entspannen kann und das Ganze genießt... mit Publikum wäre er doch sicher viel zu nervös ;-)
Im Verließ des Schlosses streckte sich von Krolock ausgiebig. Er genoß das Gefühl der Freiheit, als die Kette sich mit einem lauten Klirren von seinem Fußgelenk löste und zu Boden fiel. Dies war der Augenblick, auf den er gewartet hatte. Er steckte den schweren Schlüsselbund in eine Tasche seiner durch den langen Aufenthalt in der Zelle verschmutzten Kleidung und verließ den Raum durch die geöffnete Tür. Sarah und Abronsius folgten ihm dicht auf den Fersen. Kühl schritt er durch den Keller. Vor einer Tür hielt er inne. Ein bösartiges Lächeln schlich über seine Züge, als er die Tür öffnete. Er betrat den Raum und griff nach einigen der eisernen Fesseln, die dort aufbewahrt wurden. Er reichte sie an seine Kinder weiter und setzte den unterbrochenen Weg aus den Tiefen der Gewölbe in die oberen Stockwerke des Schlosses fort. Im Erdgeschoß angekommen, donnerte er: "Koukul!" Der bucklige Diener huschte augenblicklich zu ihm. Von Krolock konnte sehen, wie ein paar Gestalten sich verstohlen in Richtung des Friedhofs verdrückten und blasse Gesichter aus dunklen Fensterhöhlen verschwanden. Doch dafür hatte er jetzt keine Zeit. "Wo ist er, Koukul?" Sein Zorn war eiskalt, das Glitzern in seinen Augen gefährlich. Er sah, wie sein Diener ein Schauern unterdrückte und dann die Führung übernahm.
Sarah fühlte sich elend. Sie hatte gehofft, nach der erfolgreichen Flucht einige Zeit in der Gesellschaft des Grafen verbringen zu können. Sie brannte darauf, die neue Welt, die sich ihr darbot zu erfahren. Seit sie tot war, schien ihr die Nähe des Vampirs noch aufregender, als sie es in Erinnerung hatte. Sie konnte ihre Augen kaum von ihm lassen. Doch von Krolock ignorierte ihre langen Blicke und streifte unwirsch ihre Hand, die sie auf seinen Arm legte, ab. Unzufrieden folgte sie ihm. Als er ihr eine schwere eiserne Fessel in den Arm legte, begann sie, sich unwohl zu fühlen. Dieser rachsüchtige und gefährliche Mann begann ihr Angst zu machen, dennoch konnte sie sich seiner Anziehung nicht entziehen. Sie bemerkte, dass auch der Professor auf die Wut des älteren Vampirs reagierte. Auf seinem Gesicht zeigten sich ein sorgenvoller Ausdruck. Doch keiner der beiden wagte es, den Grafen anzusprechen. Hinter Koukul folgten sie ihrem Schöpfer eine Treppe nach der andern hinauf.
Herbert lag mit dem Kopf auf eine Hand gestützt neben Alfred in den weichen Kissen des Bettes. Nachdenklich musterte er die Gestalt seines Geliebten, als dieser die Augen aufschlug und seinen Blick erwiderte. "Was ist?" hörte er ihn leise fragen. Herbert streckte die Hand aus und umfasste Alfreds Kinn. Er zog dessen Gesicht zu sich heran und drückte ihm einen liebevollen Kuss auf dem Mund. Hungrige Lippen beantworteten seine Leidenschaft. "Du bist erstaunlich!" antwortete er schließlich. Er schloß Alfreds warmen Körper in seine Arme und dieser schmiegte fest an ihn. Auf der Haut des Menschen zeigten sich einige Kratzer, wo die Leidenschaft des Vampirs ihre Spuren hinterlassen hatte. Herbert erinnerte sich an den Geschmack der wenigen Blutstropfen, die er gekostet hatte. Er seufzte behaglich. Er war bereit zu warten, bis der junge Mann soweit war, auch den letzten Schritt mit ihm zu gehen.
Donnernd flog die Tür des Schlafzimmers auf. Erschrocken riß Alfred die Augen auf und er sah die dunkle Gestalt des Grafen in das Zimmer stürmen. Der Graf zögerte keine Sekunde. Er trat auf das Bett zu und riß die Laken beiseite. Alfred schrie erschrocken auf, als eine starke Hand sich um seinen Arm schloß und ihn zur Seite schleuderte. Der wütende Vampir beachtete ihn nicht weiter, als er sich seinem Sohn zuwandte, der ihn ungläubig anstarrte. Er verzichtete auf erklärende Worte sondern riß Herbert auf die Füße. Alfred sah, dass der Professor und Sarah den Raum hinter von Krolock betreten hatten. Eilig griff er nach einem Laken. "Sarah?!" überrascht und erleichtert überschlug sich seine Stimme. Die Situation, in der sie ihn vorgefunden hatte wurde ihm in diesem Moment deutlich. Doch die Vorgänge in dem Schlafzimmer forderten nun seine volle Aufmerksamkeit. Die Stimme von Krolocks hallte in dem kleinen Raum: "Du undankbarer Bastard! Ist das der Dank dafür, dass ich dir all' die Jahre ein Vater gewesen bin? Dir den Schutz meines Namens und die Macht meines Blutes gewährt habe?" Er schüttelte Herbert, der noch immer unfähig sich zu wehren in seinem Griff hing. Alfred sah, dass der hilflose Vampir sich die Lippe blutig gebissen hatte, als seine Zähne zusammenschlugen. Antworten konnte oder wollte er nicht. Aber der Graf erwartete auch keine erklärende Antwort. Er winkte Sarah und Abronsius zu sich heran, die zu Alfreds Erstaunen diesem Befehl folgten. Der Professor warf ihm einen entschuldigenden Blick zu, als sie die schweren Fesseln an den Händen und Füßen seines Liebhabers befestigten. Zufrieden betrachtete der Meistervampir seinen hilflosen Sohn. Er wandte sich an seine jüngsten Kinder: Ich bin zufrieden mit euch. Ihr könnt gehen. Dies ist eine Lektion, die nur für ihn..." dabei deutete er auf Herbert "bestimmt ist. Sein Blut" er nickte in Alfreds Richtung "...soll eure Belohnung für treue Dienste sein." Alfred erstarrte. Er konnte nicht glauben, was er gerade gehört hatte. Mit angstvoll aufgerissenen Augen starrte er seinen Lehrer und Sarah an. Sicher würde keiner der beiden in Erwägung ziehen... Doch dann erinnerte er sich an die erste Reaktion des Professors, als sie sich gegenüber gestanden hatten. Furchtsam schrie er auf, als die Augen seiner ehemaligen Gefährten sich auf ihn richteten.
Alfreds Schrei durchdrang Herberts Passivität. Er hob den Kopf und sah, wie die beiden Geschöpfe seines Vaters sich seinem Angebeteten näherten. Alfred wich zurück, doch Herbert wußte, dass er den beiden nicht entkommen konnte. Sie waren noch zu unerfahren, um genug Kontrolle über ihre Instinkte zu besitzen und sein Vater würde sie nicht aufhalten. "Bitte Vater, NEIN!" flehte er und sank vor ihm auf die Knie. Keine Reaktion "Vater! Ruf' sie zurück, verschone sein Leben!" Herberts Verzweiflung wuchs. Der Graf betrachtete Alfred nachdenklich. Herbert ahnte nichts Gutes, als die Augen des alten Vampirs zu schmalen Schlitzen zusammen zogen. "Bedeutet er dir so viel Herbert?" fragte er lauernd.
Von Krolock war erstaunt. Es war unmißverständlich, was in diesem Raum zwischen seinem Sohn und dem jungen Sterblichen vorgefallen war. Und dennoch war der Schüler des Professors noch immer am Leben. Sein Sohn war impulsiv, in der Hitze der Leidenschaft hatte nur selten ein Mensch eine Nacht in seinen Armen überlebt. Und auch diese wenigen waren nur knapp dem Tod entronnen. Alfred schien dem jüngeren Vampir mehr zu bedeuten, als der Graf erwartet hatte, denn außer ein paar oberflächlichen Kratzern war seine Haut unverletzt. Nachdenklich musterte er den Menschen, der immer weiter von seinen Kindern in eine Ecke getrieben wurde. Abronsius versuchte verzweifelt, seine Gier zu zügeln, und - wie von Krolock anerkennend feststellte- war möglicherweise bereits stark genug, sich zurückzuhalten. Doch seine jüngste Tochter hatte noch nicht vom Blut eines Menschen gekostet. Der Hunger brannte in ihren Augen und sie streckte eine Hand nach Alfred aus. "Vater!" Das Drängen in der Stimme Herberts klang immer verzweifelter. Sein Sohn litt... und ein Gedanke erwachte in des Grafen Kopf. Er wandte sich an seinen Sohn: "Wenn er dir wirklich etwas bedeutet, dann sag' mir, warum er noch lebt!" befahl er ihm.
Herbert fühlte wie sich eine dumpfe Taubheit in seinem Inneren ausbreitete. Was immer er seinem Vater antwortete, wäre ihr Untergang. Bestritt er, dass Alfred ihm teuer war, so würde sein Vater ihn seinen Kindern überlassen... bestätigte er dessen Vermutung, so war Alfreds Leben ein Pfand in der Hand des Vampirs. Mit Tränen in den Augen antwortete er leise: "Es war sein Wunsch... und ich habe ihn geachtet." Dann wandte er den Kopf ab und wartete auf die Reaktion.
Von Krolock reagierte schnell. Er griff nach Sarahs Schulter und hielt sie zurück, als sie gerade ihren Mund öffnete, um ihre Zähne in den Hals des zitternden Mannes zu schlagen. Mit einem verärgerten Zischen fuhr sie zu ihm herum. Sie drehte sich und kämpfte gegen seinen Griff, aber er hielt sie unerbittlich fest. Den Professor vor sich aus dem Raum schiebend, gab er ihr einen Kuss und versuchte sie mit einem kleinen Schluck seines eigenen Blutes zu vertrösteten und besänftigen. "Ruhig, Kind. Ich werde deinen Durst heute noch stillen. Du hast mein Wort." Die Frau in seinem Griff gab ihren Kampf nur langsam auf. Er warf Abronsius einen Blick zu und bedeutete ihm, auf die schmollende Vampirin zu achten. Der Professor machte den Versuch eine Bitte an den Grafen zu richten, brach aber ab, als er den strengen Blick des Vampirs bemerkte. Traurig legte er Sarah einen Arm um die Schulter und führte sie fort. Zufrieden sah der ältere Vampir dem Päarchen nach, als sie um eine Ecke des Ganges verschwanden. Dann wandte er sich um und betrat das Schlafzimmer wieder.
Alfred war erleichtert an der Wand zu Boden gesunken, als der Graf die beiden Vampire zurück gerufen hatte. Nachdem die drei den Raum verlassen hatten, kroch er auf Herbert zu. Der Vampir blinzelte die Tränen aus seinen Augen, als Alfred ihn vorsichtig mit einem Finger berührte. In diesem Moment betrat der Graf den Raum wieder. Alfred blieb, wo er war. "Tapfer, Alfred!" sprach der Vampir ihm seine Bewunderung aus. Dann zog er ihn von Herbert fort. "Du bevorzugst also das Licht des Tages?" erkundigte er sich höflich. Alfred traute seinen Ohren kaum. Wenn ihn der immer noch gefesselt auf dem Boden kniende Herbert und seine eigene Kleidung - sofern man das strategisch günstig gewickelte Laken überhaupt als Kleidung bezeichnen konnte - nicht an die Situation erinnert hätten, so hätte er den Mann, der eben das Schlafzimmer gestürmt hatte, nicht wieder erkannt. "Nun, junger Mann, willst du mir nicht antworten?" Alfred war vorsichtig. Ausweichend antwortete er: "Nun, Exzellenz, ich bin der Schüler meines Lehrers..." und nach einer kleinen Pause fügte er erklärend hinzu "...der Professor hat mich die Gefahren der Nacht gelehrt, warum sollte ich den Tag nicht vorziehen?" Er hoffte, dass diese Antwort zufriedenstellend war. "Du kennst also die Gefahren der Nacht? Was ist mit den ... Freuden?" Von Krolocks Frage überraschte Alfred. Verlegen wich er dem durchdringenden Blick aus. Der Graf lachte "Rote Ohren? Das habe ich erwartet... Nun, wenn sich der... Wissenshorizont erweitert," bei dieser Aussage warf er Alfred einen amüsierten Blick zu "Dann ist es möglicherweise an der Zeit, seinen Standpunkt zu überdenken." Alfreds Gedanken überschlugen sich. Die Richtung in die sich ihr Gespräch entwickelte, gefiel dem jungen Wissenschaftler überhaupt nicht. Angestrengt suchte er nach einem Ausweg aus seiner Notlage.
Herbert verfolgte das Gespräch der Beiden aufmerksam. Seine Verzweiflung wuchs, als er die Absicht seines Vaters erkannte. Er begann, gegen die Fesseln zu kämpfen, die seine Hände banden. Das erregt die Aufmerksamkeit der beiden anderen. Sein Vater legte einen Arm besitzergreifend um die Schulter Alfreds, der darauf hin ein sehr unglückliches Gesicht machte und Herbert mit den Augen um Verzeihung bat, sich jedoch nicht traute, den Arm abzustreifen. Herbert verdoppelte seine Anstrengung, als er den Ausdruck im Gesicht seines Vaters sah, doch gegen die eisernen Ketten hatte er selbst mit seiner überlegenen Stärke keine Chance.
Der Graf genoß die Verzweiflung seines Sohnes. Die Angst in dessen großen Augen um das Leben seines Geliebten war die Nahrung, sie seine Räche benötigte, wie sein Körper das Blut seiner Opfer. Er spürte, wie sein Sohn sich wieder seiner Herrschaft beugte. Der junge Mann an seiner Seite war vor Angst so angespannt, dass seine Muskeln fluchtbereit zitterten. Von Krolock kostete das Gefühl aus, wieder der unumstrittene Herr über das Schloß und seine Bewohner zu sein. Herbert würde den Preis für seine Rebellion bezahlen! Er beugte sich zu Herbert hinab, als der Assistent des Professors seinen ganzen Mut zusammen nahm und ihn ansprach. "Exzellenz, bitte... ich weiß, es ist nicht mein Recht, aber ich bitte Euch, verschont das Leben eures Sohnes." Überrascht sah der Vampir den Menschen an. Er hatte nicht vorgehabt, die Existenz seines Sohnes zu beenden. Der junge Mann selbst war das Ziel seiner Rache. Sein Tod würde Herbert tiefer verwunden als er es für möglich gehalten hatte. Großzügig erwiderte er: "Warum sollte ich ihn verschonen? Was bietet ihr mir, um den Durst meiner Rache zu stillen? Seid ihr bereit, seine Strafe zu ertragen?" Gespannt wartete er auf die Antwort des jungen Mannes. Alfred musste schlucken, ehe er antworten konnte. "Ich kann euch nichts bieten, dass ihr nicht bereits in eurer Hand habt!" antwortete er traurig.
"Nein!" Herbert warf sich mit aller Kraft gegen seine Fesseln, doch das Metall hielt stand. Sein Geliebter hatte gerade sein eigenes Todesurteil besiegelt. Er schrie vor Wut auf, doch seine ganze Anstrengung war vergebens. Von Krolock beugte sich vor, Griff nach seinem Kinn und zwang ihn, ihm in die Augen zu sehen. "Dies ist der Preis, den ich fordere. Du hast dir seinen Tod selbst zuzuschreiben!" Dann ließ er ihn wieder los und wandte sich Alfred zu. Herbert konnte seinen Blick nicht von den beiden Gestalten abwenden, als der Graf seine Zähne in Alfreds Hals senkte.
Alfred konnte sich nicht rühren. Er hörte die Worte, die der Graf an seinen Sohn richtete, wollte Herbert versichern, dass es nicht seine Schuld war. Doch er war wie gelähmt. Er versucht, sich darauf vorzubereiten, zu sterben, doch der Gedanke war so ungeheuerlich, dass sein Verstand sich weigerte ihn zu begreifen. Schneller als er es erwartet hatte, spürte er die Zähne des Vampirs an seinem Hals. Eine kühle Zunge suchte seinen Puls. Alfred konnte ein Aufstöhnen nicht unterdrücken, als der Biß seine Ader öffnete. Er spürte, wie warme Flüssigkeit an seinem Hals herunter lief. Die Arme des Grafen hielten ihn aufrecht, als seine Kraft nachließ und seine Welt sich auf das Pochen an seinem Hals reduzierte. Mit halb geschlossenen Augen hing er im Griff des Vampirs. Die Geräusche um ihn herum wurden immer leiser und unwichtiger, bis er nur noch das langsamer und unregelmäßiger werdende Pochen seines eigenen Herzens hören konnte. Ungläubig lauschte er dem Kampf seines Körpers. Er spürte, wie er zu Boden gelegt wurde. Der Vampir kniete über ihm. Mit der Zunge folgte er der roten Spur des Blutes, das von seiner Kehle über seine Brust gelaufen war. Alfred erschauerte. Das Gefühl berührte etwas in seinem Inneren, das er bisher ängstlich verborgen hatte.
Über seinem Opfer kniend suchte von Krolock triumphierend den Blick seines Sohnes. Verzweiflung und Leere sahen ihm aus dessen Augen entgegen. Erschrocken hielt der ältere Vampir inne. Er hatte Herbert strafen wollen, nicht seinen Lebenswillen brechen. "Herbert?" sprach er ihn an. Der Blick des Gefesselten blieb leer. Der Graf fluchte innerlich. Ein leises Geräusch forderte seine Aufmerksamkeit. "Herbert..." Die Lider des jungen Mannes zu seinen Füßen schlossen sich langsam über die Augen. Das Schlagen des Herzens war schwach und unregelmäßig und der Atem ging nur noch flach. Eile war geboten. Ohne weiter nachzudenken öffnete von Krolock eine Ader an seinem Hals. Er presste den Mund des Sterbenden an die blutende Wunde und hielt ihn fest in seinen Armen. Schwach drehte der Mensch den Kopf zur Seite und versuchte sich zu verweigern. Unwirsch packte der Vampir ihn im Nacken und hielt den Kopf still. Das in den Mund strömende Blut zwang Alfred zu schlucken. Nachdem dieser einige Züge getrunken hatte und der Graf sicher war, dass die Menge ausreichend war, um die Verwandlung zu bewirken, löste er seinen Griff ein wenig.
Mit einem Keuchen befreite sich Alfred und vergrößerte die Distanz zwischen sich und dem Vampir. Er fühlte sich schwach, der Geschmack des Blutes in seinem Mund ließ ihm übel werden. Von Krolock fixierte ihn. Alfred konnte dem Blick in den Augen des Vampirs nicht ausweichen. "Sag ihm, dass es mir leid tut!" presste der Graf hervor, dann erhob er sich eilig, warf einen Schlüssel zu Boden und verließ beinahe fluchtartig den Raum. Alfred hatte keine Zeit, die Ungeheuerlichkeit der Worte des Vampirs zu erkennen. Er begann, die Kontrolle über seinen Körper zu verlieren. Mit einer letzten Anstrengung und unter Aufbietung all seiner Kräfte kroch er zu dem passiven Herbert, legte seinen Kopf in dessen Schoß und schloß die Augen.
Es dauerte eine ganze Weile, bis eine der beiden Gestalten sich endlich wieder regte. Es war Alfred, der - noch unsicher- sich aufsetzte und seine Umgebung staunend musterte. Der Schein des Mondlichts erhellte den Raum und ließ die blasse Schönheit seines Geliebten leuchten. Der Neugeborene starrte ihn fasziniert an. Als dieser den Kopf nicht hob und in keiner Weise reagierte, bekam Alfred Angst. Er rüttelte Herbert an den Schultern. Langsam hob dieser schließlich doch den Kopf und sah ihm traurig in die Augen ohne ein Wort zu sprechen. Alfred hätte am liebsten geweint. Er trauerte um den Mann, in den er sich gegen seinen Willen verliebt hatte, nicht um seine Sterblichkeit. Aufgeregt suchte er dann nach dem Schlüssel, den der Graf zu Boden geworfen hatte und öffnete damit die Fesseln des anderen Vampirs. Erleichtert warf er sich in dessen kraftlose Arme und lehnte seinen Kopf an dessen Schulter. Halbherzig legte Herbert seine Arme um ihn. "Was ist?" wiederholte Alfred die Frage, die er vor nicht allzu langer Zeit, aber unter vollkommen anderen Umständen schon einmal an den Vampir gerichtet hatte. Herbert zwang sich offensichtlich, ihm zu antworten "Es tut mir leid. Und ich verstehe, wenn du gehen möchtest. Was ich dir bieten kann..." Alfred unterbrach ihn: "Ich möchte nicht gehen... ich brauche dich... und das besonders jetzt! Laß' mich jetzt nicht alleine!" Herbert sah ihn an "Es ist meine Schuld." "So ein Unsinn. Du hast mich ja nicht getötet, im Gegenteil, nicht einmal gebissen hast du mich... auch wenn ich mir jetzt wünsche, du hättest es getan. Es wäre schön gewesen, wenn du derjenige... und es wäre früher oder später bestimmt passiert!" versuchte Alfred ihn zu trösten. Beschämt wandte Herbert sein Gesicht ab. Alfred umarmte ihn und ertappte sich dabei, wie er auf das Blut schielte, das auf der verletzten Lippe des Anderen getrocknet war. Einem Impuls folgend leckte er es ab. "Komm!" Er zog Herbert mit sich. "Laß mich seinen... Kuss... vergessen."
Die Erwähnung seines Vaters ließ Herbert ärgerlich die Brauen zusammen ziehen. Alfred hatte auf der Kante des Bettes Platz genommen und hielt eine Hand nach ihm ausgestreckt. Herbert betrachtete ihn, als ob er Alfred zum ersten Mal sähe. Trotz des nun in seinen Augen brennenden vampirischen Feuers hatte er sich einen Teil seines unschuldigen Wesens bewahrt. Wer konnte einer solchen Kreatur widerstehen? Zögernd trat Herbert auf ihn zu und ergriff seine Hand. Mit einem schelmischen Grinsen nutze Alfred die neu gewonnene Kraft und zog den überrumpelten Vampir zu sich auf das Bett, wo sie übereinander purzelten. Alfred drückte Herberts Gesicht an die verheilte Wunde, die ihm der Graf beigebracht hatte und an der noch ein wenig Blut klebte. Herbert zögerte nicht. Er leckte die Reste des Blutes ab und suchte dann die richtige Stelle. An dieser senkte er seine Zähne in das blasse Fleisch seines Geliebten, bestrebt, die Erinnerung an den ersten Biß auszulöschen und durch ein besonderes Erlebnis zu ersetzen. Alfred schloß die Augen und überließ sich ganz seinen kraftvollen Armen. "Komm, trink von meinem Blut!" ermunterte er Alfred und schloß verzückt die Augen, als er spürte, wie Alfred - ein wenig ungeschickt - die Zähne in seinem Hals vergrub.
ANMERKUNG: Abblende... Sagen wir einfach die beiden verstehen sich wirklich gut und haben eine Menge miteinander zu... bereden ggg. Diese Nacht wird jedenfalls keiner der beiden dieses Zimmer mehr verlassen... und als Autor habe ich mir die Freiheit genommen, das Fenster mit festen Fensterläden und dicken Vorhängen auszustatten, damit sie (ist das nicht niedlich) Arm in Arm einschlafen können...
ENDE
- oder ein Anfang? -
An Alle, diejenigen die Geduld hatten und bis jetzt durchgehalten haben: Vielen Dank, ich hoffe, ihr hattet ein wenig Spaß dabei! Für Anmerkungen und Reaktionen bin ich immer dankbar, aber seid so nett und formuliert sie ein wenig höflich... sonst muss ich in einer dunklen Nacht einen gewissen Vampir vorbei schicken, der euch eine kleine Lektion in guten Umgangsformen erteilt.
Vermutlich entspricht des Verhalten der Figuren nicht immer eurer persönlichen Vorstellung, aber glaubt mir, manchmal hat sich die Handlung in eine Richtung entwickelt, die mich selbst überrascht hat.
(Würdet ihr mir glauben, dass ich das Ganze am Anfang als Sarah-Graf Lovestory geplant hatte? Die Herbert-Alfred Nebenhandlung sollte für die notwendige Auflockerung sorgen... Überrascht? Ich habe beim Schreiben sehr schnell festgestellt, dass sich Sarah weigerte, sich so zu verhalten, wie das mir in den Kram passte, und von Krolock eine ausgesprochen dominante Persönlichkeit entwickelte... Danach lief das ganze eine Zeitlang unter dem Arbeitstitel "Two out of three ain't bad",ganz stilecht à la Steinman, weil ich Alfred als Mensch behalten wollte, außerdem mag ich die Lyrics, da sie meiner Vorstellung des Grafen sehr nahe kommen "I want you... I need you... but there ain't no way I'm ever goin' to love you... dont be sad... two out of three ain't bad..." ... aber schon wieder hat mir ein gewisser adliger Vampir einen Strich durch die Rechnung gemacht...)
Für alle Herbert Fans: ihn so niedergeschlagen zu sehen tut mir auch weh, aber ich bin sicher, dass er mit Alfreds Hilfe bald darüber hinweg kommen wird und zu seiner gewohnten Art zurück findet.
Wie auch immer, eigentlich hatte ich das Ganze zuerst mal in der Hoffnung geschrieben, dass sich noch mehr Leute trauen, etwas zu schreiben, nachdem einer mal den Anfang gemacht hat, da das Angebot sich ja leider in Grenzen hält. Dies ist mein erster Versuch gewesen und ich hoffe, er ist einigermaßen gelungen.
