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Nach Sonnenuntergang setzte sich Alfred in dem unbequemen hölzernen Sarg auf. Ihm tat der Rücken weh und ein Splitter hatte sich durch den Stoff seiner Kleidung in seine Schulter gebohrt. Mit wehleidig verzogenem Gesicht versuchte er das kleine Stück Holz zu entfernen, doch so sehr er sich bemühte, er konnte es nicht erreichen. "Man sollte doch erwarten, dass Vampir Särge besitzen, in denen sie sich nicht im Schlaf pfählen." jammerte er. "Chagall?" fragend sah er sich um. Doch der Wirt war bereits aufgestanden und hatte seinen Sarg verlassen. "Magda?" Alfred klopfte vorsichtig an den Deckel der geschlossenen Holzkiste, die ebenfalls in dem Raum stand. Nichts. Das war natürlich wieder einmal typisch. Niemand interessierte sich für ihn und seine Probleme. Immer hieß es nur - Alfred tu dies -, - Alfred, tu das -, - Alfred, kannst du mal...- Siedend heiß fiel ihm dann Herbert ein. Wenn er nur wüßte, was er falsch gemacht hatte. Er musste dringend mit jemanden sprechen. Ohne auf das unangenehme Brennen in seiner Schulter zu achten, machte er sich auf die Suche nach den Bewohnern des Schlosses. Der Erste, dem er über den Weg lief, war Graf von Krolock. Doch dieser rauschte an im vorbei, als sei er Luft. Auch als Alfred ihm einige Schritte folgte und ihn ansprach, reagierte er nicht. "Exzellenz?" er hielt inne. Was hatte er nur verbrochen? Bestimmt konnte Sarah ihm weiterhelfen. Doch die rothaarige Tochter des Wirtes warf ihm nur ein "Wie konntest du so unsensibel sein! Der arme Herbert ist total aufgelöst!" an den Kopf ehe auch sie ihn stehen ließ. Scheinbar wußte jeder im Schloß mit seiner Ausnahme Bescheid. Selbst Koukuls Gebrumm wirkte unwirscher als sonst, als Alfred ihm vor die Füße stolperte. "Es hilft nichts." sagte er sich "Ich werde Herbert suchen und ihn selbst fragen müssen.".

Herbert irrte ziellos durch die Gänge seines Heimatschlosses. Er war verzweifelt. Er hatte so ein gutes Gefühl gehabt, was Alfred und ihre Beziehung betraf. Selbst die Zuneigung des jungen Mannes zu der schönen Tochter des Wirtes hatte ihr Zusammensein nicht getrübt. Er brauchte dringend Ablenkung. Ohne wirklich Hunger zu verspüren, beschloß er auf die Jagd zu gehen. "Am besten ein unschuldiger Jüngling..." dachte er sich, als er seinen Mantel überwarf und aus dem Schloßtor trat. Es hielt die Nase in den Wind, nahm einen tiefen Zug. Die Winterluft war beinahe schmerzhaft kalt. Es würde bald wieder schneien. In der Ferne heulte ein Rudel Wölfe, die sich in diesem kargen Winter besonders dicht an die bewohnten Höfe und Dörfer getrauten. Mit langen Schritten hielt der liebeskranke Vampir auf den nächsten Ort zu.

Chagall war auf der Hut. Er hatte beschlossen, sein Glück nicht zu sehr strapazieren, und dem Grafen besser nicht unter die Augen zu treten. Leider hieß das auch, dass er seine Tochter in dessen Obhut lassen musste, denn der Vampir wich nicht von ihrer Seite. Verärgert beobachtete Chagall die beiden aus seinem Versteck heraus, als Sarah am Arm des Grafen an ihm vorüber ging. Die beiden führten eine angeregte Unterhaltung. Sarah lächelte ihren Verehrer strahlend an. "Dieser alte Süßholzraspler! Augen wie Sterne... und Feuer im Haar... Schämt er sich denn überhaupt nicht, er könnte ja ihr Vater sein." schimpfte Chagall. Aber sein Wohlergehen war ihm dann doch wichtiger, als den Zorn des Grafen und seiner Tochter zu riskieren. Die beiden Vampire steckten verschwörerisch die Köpfe zusammen. Sarah gelang es ganz unschuldig, einen Träger ihres Kleides von ihrer Schulter rutschen zu lassen. Kokett lächelnd wies sie auf die Tür zu einem der Salons. Der Graf nutzte die gute Gelegenheit, ihr einen Kuss auf die weiße Schulter zu drücken, ehe er sie an sich zog und die beiden küssend in dem Raum verschwanden. Chagall kochte. Aber sein Überlebensinstinkt warnte ihn davor, einzugreifen. "Wenn ich jetzt dazwischen gehe," sagte er sich "bin ich mir nicht einmal sicher, wer von den beiden mich in der Morgensonne rösten ließe..." Doch seine Neugierde ließ ihm keine Ruhe. Er pirschte sich an die Tür an und drückte ein Ohr gegen das dicke Holz.

ANMERKUNG: Tja, wer von uns armen Fans möchte jetzt nicht mit Chagall tauschen, denn wir sind ja alle mindestens genauso neugierig, auf das, was da jetzt in diesem Zimmer geschieht...

Alfred öffnete eine Tür nach der anderen auf der Suche nach Herbert. Doch der Sohn des Grafen ließ sich nicht blicken. Langsam begann er, sich Sorgen zu machen. "Was auch immer ich getan habe, ich werde mich auf jeden Fall entschuldigen und es wieder gut machen!" schwor er sich. Er hatte sich bereits bis zum Badezimmer des Schlosses vorgearbeitet. Leise konnte er hinter der Tür ein plätschern hören: Jemand füllte die Wanne mit Wasser. Hoffnungsvoll öffnete er ohne Anzuklopfen die Tür. Mit ärgerlich zusammengezogenen Brauen musterte Magda ihn. "Und was willst Du hier?" fuhr sie ihn an. "Gibt es in diesem Schloß denn keinen Ort, an dem man ein wenig Privatsphäre hat?" "Ent...Entschuldigung." stammelte Alfred verlegen und versuchte die Frau nicht anzustarren.. "Ich dachte du wärst vielleicht ... jemand anderes." Traurig wandte er sich wieder zum Gehen. "Hey, es tut mir leid, ich wollte dich nicht so anfahren. Wen suchst du denn?" fragte Magda ihn versöhnlich. "Du bist vermutlich die Einzige in diesem Schloß, die noch nicht weiß, dass Herbert nicht mehr mit mir spricht. Und ich habe keinen blassen Schimmer, was ich falsch gemacht habe." klagte Alfred ihr sein Leid.

Magda verdrehte die Augen. Was war nur an der Liebe dran, dass sie Männer dazu brachte, sich wie komplette Idioten aufzuführen? "Da kann ich dir leider auch nicht helfen." erwiderte sie etwas kurz angebunden und scheuchte Alfred aus dem Bad, bevor er bei ihr Trost suchen konnte. Sie hatte es satt, immer nur von anderen ausgenutzt zu werden. Als Alfred die Tür hinter sich wieder geschlossen hatte, stieg sie in die Wanne und schloß die Augen. Sie genoß den Luxus, ein Bad nehmen zu können und begann vor sich hin zu träumen. Ihre Gedanken wurden unterbrochen, als die Tür zum zweiten Mal geöffnet wurde. Ohne die Augen zu öffnen fuhr sie die beiden atemlosen Neuankömmlinge gereizt an: "Jetzt reicht es mir aber. Kann man denn hier nicht einmal ein Bad nehmen? Man sollte wirklich ein Schloß an diese Tür anbringen. Was bildet ihr euch eigentlich ein?" "Wir..." antwortete die tiefe Stimme des Grafen ihr sarkastisch "... dachten eigentlich, ein Bad nehmen zu können. Das wird man ja in seinem eigenen Anwesen noch dürfen?" Erschrocken öffnete Magda die Augen. Das konnte aber auch nur ihr passieren. Ausgerechnet der Herr des Schlosses stand vor ihr, die Tochter ihres ehemaligen Arbeitgebers mit rotem Kopf am Arm. Sarah schien das ganze außerordentlich peinlich zu sein. Magda wußte nicht, was sie tun sollte. Einerseits hatte man sie ein Leben lang Respekt vor dem Grafen gelehrt. Andererseits wollte sie, nachdem sie endlich aus dem Dienst des Wirtes befreit war, nicht einem neuen Herrn dienen müssen. Trotzig blieb sie in der Wanne sitzen. "Verzeiht Exzellenz. Das Bad wird gleich frei sein. Wenn ihr mich entschuldigen würdet?" Abwartend sah sie zu ihm auf. "Natürlich. Koukul wird das Bad für uns richten, wenn ihr fertig seid." antwortete der Graf förmlich, als er den bittenden Blick Sarahs bemerkte, die zu befürchten schien, dass er, genau wie ihr Vater, der blonden Magd den Vorzug geben würde. Dann verließen die beiden den Raum.

ANMERKUNG: Nein, ihr habt euch nicht verlesen, ich kann mich nur nicht an Magdas Musical-Aussehen gewöhnen, wenn ich an sie denke sehe ich immer noch die namenlose Magd aus dem alten Film vor mir...und die ist nun mal blond.

Als Koukul mit frischen Handtüchern eintraf und das Wasser auszutauschen begann, war sie bereits dabei, ihr langes Haar auszukämmen. Der Bucklige musterte sie anerkennend. Dann hielt er ihr die Tür auf, als sie das Bad verließ.

Alfred war verzweifelt. Im ganzen Schloß hatte er keine Spur von Herbert entdeckt. Er beschloß, auch auf dem Friedhof nachzusehen, bevor er sein Unterfangen aufgab. Im Schnee bemerkte er die Fußspuren eines einzelnen Mannes, die vom Schloß wegführten. Er war sich sicher, endlich einen Hinweiß auf Herberts Aufenthaltsort entdeckt zu haben und folgte der Fährte ermutigt. Diese führte durch den dichten Wald zielstrebig auf das nächste Dorf zu. Als er sich den ersten Häusern näherte begann er vorsichtig, sich im Schatten der Gebäude verstecken.

Alfred entdeckte Herberts schwankende Gestalt schon von weitem. Der andere Vampir schritt mitten auf der Straße. Als er sich dem Sohn des Grafen näherte, erkannte er, dass Herberts Bewegungen unkoordiniert waren. Dieser erspähte ihn schließlich auch. Heftig winkte er ihm zu "A...al... fwed" lallte er erfreut. "Komm ssu mir..." Er öffnete die Arme und wartete. Besorgt musterte der Nachwuchswissenschaftler den offensichtlich betrunkenen Vampir. Als er keine Anstalten machte, sich diesem in die Arme zu werfen, schmollte dieser. "Du hass' mich garnich lieb... nieman' hat miss lieb" Mit Tränen in den Augen wandte er sich ab und begann sich von Alfred zu entfernen. "Natürlich habe ich dich lieb!" beeilte er sich, Herbert zu versichern. "Was glaubst du denn, warum ich hier bin? Ich habe dich vermißt." Der Sohn des Grafen strahlte. Mit einem Finger stieß er Alfred an. "Lieb hasse mich also?" Dann stieß er ein Kichern aus. Verschwörerisch beugte er sich zu Alfred vor, wobei er beinahe das Gleichgewicht verlor und sich gerade noch fing, indem er Alfred umarmte. Verdutzt kämpfte er sich wieder auf seine eigenen Füße. "Was'n los? Warum has' du die böse S'raße nich' fes'gehallen?" erkundigte er sich verwirrt. Oh je! Alfred sah sich hilflos um. Er musste den Vampir so schnell wie möglich ins Schloß zurück bringen, bevor ihm etwas zustieß. Er hakte sich bei Herbert ein. "Komm, wir gehen nach Hause." "Will nich'!" protestierte der betrunkene Vampir. "Lass uns sswei S... s...schönen durs'brennen. Das is' sooooooooooo romantisch." Mit strahlenden Augen sah er Alfred an. "Und wohin?" versuchte dieser Herbert abzulenken, während er den Vampir geschickt auf die Straße in Richtung des Schlosses führte. "Mmm..." überlegte der Sohn des Grafen laut. "Wohin... woll's'e denn mit S..s...sarah...*hicks* hin?" Alfred dachte fieberhaft nach. "Nach Venedig." antwortete er vorsichtig. Er wollte die Eifersucht des Vampirs nicht erregen. "Venedig!" Herbert klang schwärmerisch "Hach... das is' eine Schtadt für so Verliebte wie unssss sswei. Fährs' du mit mir auch nach Wenedisch?" "Klar!" versicherte er ihm. "Aber wir müssen doch erst noch was passendes zum Anziehen einpacken. Ich meine," versuchte er an die Logik des Betrunkenen zu apellieren (ANMERKUNG: Wer *das* mal versucht hat, wird jetzt nur grinsen) "Was sollen denn die Leute denken, wenn wir da nur mit den Kleidern ankommen, die wir jetzt tragen?" Doch Herbert ließ sich nicht beirren. Ernst versicherte er Alfred "Das is' mir ganss egal! Du brauchs' s...sowieso keine Kleider, du gefälls' mir auch so!" Alfred wurde rot. So langsam sollte er sich doch an die offene Art Herberts gewöhnt haben, doch die Bemerkungen des Vampirs überraschten ihn stets von neuem. Er versuchte es mit einer neuen Taktik. "Willst du etwa nicht gut für mich aussehen?" Mit traurigen Augen sah er Herbert an. "Och, nich' traurig sein." Herbert brach fast in Tränen aus "Natürli's mach i's mi's für di's gaaanz hübsch..." er kicherte "I's, Mi's, Dihihihihi's!" begann er laut zu singen während er von einem leicht genervten Alfred geführt wurde. Immer noch singend erreichten die Zwei schließlich kurz vor dem Morgengrauen das Schloß.

Magda fühlte sich unwohl. Als sie schließlich zu ihrem grob gezimmerten Holzsarg zurückgekehrt war, hatte sie in seinem Inneren ein kleines, aus Flicken genähtes Kissen und ein gepreßtes Veilchen entdeckt. Noch nie hatte sie ein Geschenk von einem geheimen Verehrer erhalten. Argwöhnisch sah sie sich um, konnte jedoch niemanden entdecken. Die trockene Blume nahm sie vorsichtig an sich. Wer konnte der geheimnisvolle Fremde sein? Grübelnd legte sie sich in ihren Sarg und schloß den Deckel. Sie konnte Chagall hören, der einige Minuten später herein polterte und in seinen eigenen Sarg kletterte. Nein, von ihm konnte sie eine so romantische Geste nicht erwarten. Sie lauschte, während er vor sich hin schimpfte. Scheinbar hatte er keinen besonders angenehmen Tag damit verbracht, einerseits dem Grafen nicht unter die Augen zu treten, andererseits dabei aber immer seine Tochter zu überwachen. "Geschieht dir nur recht!" dachte sich Magda schadenfroh.

Alfred führte den schwankenden Herbert die Treppe zur Gruft hinunter. Er fragte sich immer noch, wie der Vampir in eine solche Verfassung geraten war. Aber in dieser Nacht würde er bestimmt keine vernünftige Antwort mehr erhalten. "...und eine Maschke... so rischtisch und mit vielen Federn..." erklärte Herbert ihm gerade. Der adlige Vampir hatte sich in den Kopf gesetzt, mit Alfred zum Karneval nach Venedig zu fahren. "Kriegst du!" versprach er ihm verzweifelt. "Aber jetzt ist Schlafenszeit!"

"Will aber lieber mit dir tanzen! Den ganzen Tag lang *hicks*!" erklärte Herbert trotzig. "Aber Tags scheint doch die Sonne!" Langsam verzweifelte Alfred. Doch seine Logik beeindruckte niemanden. "Isch pass' schon auf, dass die böse S..s...sonne meinem Alfwed nix tut!" versprach der Vampir überschwenglich.

"Herbert?" Noch nie war Alfred so erleichtert gewesen, die Stimme des Grafen zu hören. Der Schloßherr war gerade dabei, Sarah in seinen Sarg zu helfen. "Was hast du denn jetzt schon wieder angestellt?" Er sah den erschöpften Alfred, der verzweifelt versuchte, Herbert zu überreden, sich in seinen Sarg zu legen. Das geschah dem jungen Mann recht. Eine Nacht mit einem betrunkenen Vampir war eine angemessene Strafe. Und erst der nächste Abend... Schadenfreude zeigte sich in den Augen des Grafen. Aber jetzt musste sein Sohn vor den Strahlen der unbarmherzigen Sonne in Sicherheit gebracht werden. "Herbert!" Die Autorität in seiner Stimme ließ Herbert verstummen. "Geh zu Bett! Und du auch!" fuhr er Alfred an. "Wir sprechen uns morgen noch!" Gehorsam und ohne ein Wort des Protests stiegen die beiden Vampire in den Sarg. Von Krolock versicherte sich, dass der Deckel richtig geschlossen war, dann legte auch er sich zur Ruhe.