Celeborn hatte sicherlich mit allem gerechnet, doch nicht mit dem, was nun geschah... und er war auch zu kurz bei voller Besinnung, um zu verstehen, was passierte... denn vor den Augen des vollkommen überraschten Elben aus Gondolin sprang Haldir von Lorien wie eine Katze auf Celeborn zu, der ihnen den Rücken zugedreht hatte, und schlug ihn mit einem einzigen gezielten kraftvollen Schlag nieder.

"Los, komm! Rasch!" zischte der Hauptmann der Galadhrim und riss Glorfindel mit sich.

Nur Momente später befanden sich die beiden Elben auf Pferderücken und preschten davon. Glorfindel handelte instinktiv, indem er weder sprach noch versuchte, die Führung zu übernehmen, er folgte Haldir nur und verzögerte dadurch nichts. Wo auch immer Haldir hinritt, es würde gut sein, denn es brachte ihn fort von hier, aus der Reichweite des Fürsten von Lothlorien, dessen Geist vollkommen verdunkelt schien.

Sie ritten ohne Unterlass, und ohne jegliche Pause. Die Pferde ließen keinerlei Anzeichen der Erschöpfung erkennen, doch als die Sonne zum ersten Mal unterging, seit ihrer Flucht aus Lothlorien, machte Haldir Halt.

"Lass uns rasten, Glorfindel", sagte er, und stieg von seinem Ross herab.

Glorfindel tat es ihm gleich und sie ließen sich im Schutze eines großen Baumes nieder. Da sie keinerlei Vorräte besaßen, konnten sie sich nicht stärken und beider Elben Mägen knurrten unüberhörbar.

"Haldir... zwar ahne ich, wohin dich dein Weg treibt, doch sage mir... was führst du im Schilde...? Und davon abgesehen vermag ich zwar lange Zeit ohne Nahrung zu überstehen, doch ein wenig frischen Wassers wäre durchaus das, was mein Herz begehrt..." Glorfindels Augen bohrten sich fragend in die des Galadhrims.

"Du wirst bis morgen warten müssen, Glorfindel. Wir haben keine Zeit. Celeborn wird uns auf den Fersen sein, sobald er wieder bei klarem Bewusstsein ist. Denkst du, er lässt uns einfach ziehen? Wir müssen Rohan erreichen, bevor er uns erreicht!"

Glorfindel starrte in den Nachthimmel, der sich über ihnen blauschwarz zusammenzog. Sterne blitzten auf, erleuchteten ihre Gesichter, gaben ihnen einen weißen Silberschimmer. Sein Blick fiel auf Haldirs Züge. Der Elb war schön. Aber so jung... Glorfindel seufzte still und nicht hörbar. Irrungen junger Elben... Herzangelegenheiten, die in späteren Jahren besser nicht mehr aufgerührt werden... und doch... seine Gedanken schweiften weiter zu Thranduil, dem Vater von Legolas, dem der Elb, dessen Gesicht er nun betrachtete, nachjagte... irgendwie schien alles wie ein einziger unauflöslicher Knoten. Seit der Zerstörung des Ringes, so sollte man meinen, wäre Frieden eingekehrt in Mittelerde... doch die Wahrheit war: Der gemeinsame Feind hatte sie alle geeint... nach der Zerstörung dieses Feindes würden sie wieder gegeneinander aufstehen... Elb gegen Mensch, Zwerg gegen Elb, und auch Elb gegen Elb...

Haldir rückte unmerklich näher zu Glorfindel, der ohne nachzudenken und ohne jegliche Bedenken den Arm um den jungen Elben legte, der sich sofort an seine Seite lehnte, den Kopf an seine Schulter bettete und nach wenigen Augenblicken eingeschlafen war.

Jahrtausende zogen vorbei an Glorfindels innerem Auge.

Was würde die Zukunft bringen?