6. Kapitel
Silmariel ließ ihren Blick über die Lichtung schweifen. Sie umrundete den Teich einmal, doch Galadriel schien nicht in der Nähe zu sein. Möglicherweise war sie längst wieder in die Stadt zurück gekehrt.
Ein leises Summen in unmittelbarer Nähe riss Silmariel aus ihren Überlegungen. Vor ihr flog ein orangefarbener Käfer auf und ab, stieß schließlich gegen ihren Arm und sank daraufhin in die Wiese.
Unglücklicherweise landete das Tier am Rücken. Sein erbärmliches Zappeln veranlasste sie dazu in die Knie zu gehen um ihn wieder auf die richtige Seite zu drehen.
Der Käfer verblieb nur kurz in ihrer Handfläche, bevor er davon flog. Doch ihre Aufmerksamkeit galt etwas ganz anderem.
Im Gras hatte sie einige Spuren entdeckt. Thalion hatte ihr einmal beigebracht, wie man aus ihnen erkennen konnte, was vorgefallen war. Und diese sagten ihr, dass hier jemand in der Wiese gelegen war.
Weitere Abdrücke führten sie direkt zum Wald. In der weichen Erde waren sie etwas besser zu erkennen. Wer sie hinterlassen hatte, musste in Eile gewesen sein. Silmariel beschloss ihnen zu folgen.
Sie war nicht lange unterwegs gewesen, als sie ein Stück vor sich zwischen den Büschen etwas Weißes erkannte. Sie bekam es mit der Angst zu tun. Was, wenn sie zu spät kam?
Zunächst zögerte Galadriel, die Wirkung des gwathsalab durfte man nicht unterschätzen. Doch die Bilder des Traumes hämmerten nach wie vor in ihrem Geist. Schließlich begann sie eines der dunkelgrünen Blätter langsam zu kauen. Es schmeckte bitter und brannte leicht auf der Zunge. Nachdem sie es hinunter geschluckt hatte, schloss sie die Augen und wartete darauf, dass die Wirkung eintrat. Die Minuten erschienen ihr wie eine Ewigkeit.
Hitze durchströmte ihren Körper. Auf ihrer Haut bildete sich ein dünner Schweißfilm. In ihrer Bauchhöhle krampfte sich etwas zusammen. Der Schmerz lähmte ihr Denken. Eine Hand krallte sie in die weiche Erde, während sie die andere fest gegen ihren Bauch drückte, um den Krämpfen entgegen zu wirken. Heißer Schmerz durchzuckte sie immer wieder und sie rang nach Luft. Fast glaubte sie zu spüren, wie das winzige Leben in ihr aufhörte zu existieren.
Schließlich wurde ihr schwarz vor Augen, und sie sank bewusstlos zu Boden. Nur ein kaum merkliches Heben und Senken ihres Brustkorbes ließ erkennen, dass sie noch am Leben war.
Schwarz. Tiefe Finsternis umgab Galadriel. Es war so dunkel, dass sie nicht einmal die Hand vor Augen sehen konnte, geschweige denn erkennen wo sie sich befand.
In einiger Entfernung erklang Celeborns Stimme ihren Namen rufend. Sie ging in die entsprechende Richtung, doch bereits nach wenigen Schritten schien er sich auf einmal hinter ihr zu befinden.
Also drehte sie sich um. Doch plötzlich kam die Stimme von rechts neben ihr. Dann von links. Sie wusste nicht welche Richtung sie einschlagen sollte.
Schließlich näherte sich die Stimme.
„Wo bist du?" fragte sie zaghaft.
Seine Antwort schien von überall her zu kommen. Aus jeder Richtung. Er schien sich direkt neben ihr zu befinden und doch unendlich weit weg.
Seine Rufe hallten von unsichtbaren Wänden wieder, sodass es den Eindruck hatte, dass sie aus unendlich vielen Mündern kamen.
Galadriels Hoffnung ihn zu finden schwand. Sie ließ sich auf den Boden sinken und presste die Hände auf die Ohren. Aber die Intensität mit der die Stimme, die inzwischen entfremdet klang, ihr Gehirn überflutete, ließ nicht nach.
Die Dunkelheit vor ihren Augen begann zu verschwimmen, schien sich ein wenig zu lichten.
