7. Kapitel



Langsam öffnete Galadriel ihre Augen. Die Benommenheit lastete schwer auf ihr und sie benötigte einen Moment um zu realisieren wo sie sich befand. Das war ihr Bett. Aber sie wusste nicht, wie sie hierher gelangt war. Das Letzte woran sie sich erinnerte, war unsäglicher Schmerz und der Geruch des Waldbodens.
Ihr Blick traf Celeborns, der am Bettrand saß und ihre Hand hielt. Er schenkte ihr ein ermunterndes Lächeln.
„melethril", begann er, „es ist gut zu sehen, dass du wohlauf bist."
Sie wollte ihm etwas antworten, fand jedoch nicht die richtigen Worte. Dies entging ihm natürlich nicht. Sorge zeigte sich nun in seinem Gesicht.
„Wie komme ich hierher?" brachte sie schließlich hervor.
„Zum Glück ist Silmariel so hartnäckig. Sie wollte mit dir sprechen und ist dir zum Teich gefolgt. Ein Stück im Wald fand sie dich schließlich. Du hattest das Bewusstsein verloren." Er griff nach etwas, das sich am Nachtkästchen befand, „Deine Hand hatte sich krampfhaft um diesen Zweig geschlossen."
Das gwathsalab.
„Warum hast du es genommen? Sein Gift zeigt normalerweise keine starke Wirkung auf uns Elben. Aber bei dir..."
„Nicht mein Körper war es, auf den das gwathsalab wirkte, sondern das Kind das ich trug."

Celeborns Miene offenbarte Überraschung. Diese Worte hatten ihn überrumpelt. An eine solche Antwort hatte er nicht im Entferntesten gedacht.
„Warum hast du mir nicht gesagt, dass du ein Kind erwartest?"
„Es war nicht deines."
Sie wandte sich von ihm ab. Tränen traten ihr in die Augen. Er legte seine Arme um sie, hielt sie fest, um ihr Trost zu spenden. Seine Umarmung half ihr wieder Fassung zu gewinnen. Sie wunderte sich, dass er in Anbetracht dessen, was sie ihm gerade gesagt hatte, so ruhig blieb.

Eine Weile schwiegen beide, bis Galadriel die Stille nicht mehr ertrug, und alles, was sie die letzten Tage so beharrlich versteckt gehalten hatte, aus ihr hervor zu brechen begann. Celeborn hörte ihren Worten aufmerksam zu. Während sie sprach, verzog er keine Miene.
Erst als sie bei dem Traum angelangt war, der sie dazu verleitet hatte, es ein für alle Mal mit dem gwathsalab zu beenden, zeigte sein Gesicht eine Mischung aus Ungläubigkeit und Entsetzen.
„Glaubst du wirklich, dass ich dazu fähig wäre so etwas zu tun?"
Sie schüttelte leicht den Kopf, „Nein, ich... ich hatte solche Angst dich zu verlieren." Ein trauriges Seufzen entkam ihr. „Und ich würde es verstehen, wenn du jetzt von mir enttäuscht bist."
„Das bin ich nicht", antwortete er, während seine Hand sanft über ihre Wange strich, und dann zu ihrem Ohr wanderte. „Ich kann dein Handeln nachvollziehen, auch wenn ich es nicht unbedingt begrüße. Und ich möchte, dass du weißt, dass ich dieses Kind genauso geliebt hätte, als ob es mein eigen Fleisch und Blut gewesen wäre."
„Meinst du das ernst?" Galadriel fand es sehr sonderbar, dass er nicht wütend geworden war, oder zumindest verletzt. Wenn er es wäre, so zeigte er es nicht.

Celeborn fing ihren Blick ein, bevor sie sich von ihm abwenden konnte. In ihren klaren blauen Augen konnte er sich jedes Mal verlieren, wenn er sie ansah. Doch den Ausdruck, der jetzt in ihnen lag, vermochte er nicht zu deuten.
„Zweifle nicht an meinen Worten, denn sie haben dich niemals betrogen."
Schuldgefühle drohten Galadriel zu überwältigen. „Aber ich dich. Wie kann ich das nur jemals wieder gut machen?"
„Das brauchst du nicht. Ich verzeihe dir. Denn dein Blick sagt mir, dass du es ehrlich meinst. Und wenn zwei Personen so viel teilen, wie wir, ist es wichtig dem anderen vergeben zu können."
Sie nickte, „Das mag sein. Aber kannst du mir je wieder vertrauen, nachdem ich dich so enttäuscht habe?"
„Ich sehe keinen Grund, warum ich das nicht sollte."

Galadriel verstand ihren Ehemann einfach nicht. Wie konnte er das alles einfach nur so gelassen hinnehmen? Fast wünschte sie sich, er wäre wütend geworden. Eine solche Reaktion hätte sie nicht dermaßen irritierend gefunden.
„Celeborn, melethron. Du hast mir, seit wir uns kennen, so vieles gegeben, doch ich habe dir nie etwas zurück gegeben."
Ein Lächeln fand den Weg in sein Gesicht. „Du irrst dich. Was ich von dir erhalten habe, war nicht weniger, als das größte Geschenk, das ich mir wünschen könnte. Deine Liebe."
„Manchmal ist das einfach nicht genug", erwiderte sie tonlos.
„Weißt du was ich dachte, als wir uns zum ersten Mal begegneten?"
Galadriel schüttelte den Kopf.
„Wie glücklich der Mann sich schätzen darf, dem du deine Liebe gibst. Und ich habe mir gewünscht, dieser sein zu können."

Seine Worte waren so ehrlich. In ihnen konnte sie erkennen, wie viel sie ihm bedeutete. Traurigkeit stieg wieder in ihr auf. Und sie fragte sich, ob sie ihn überhaupt verdient hatte.
„Ich...", begann sie, „ich habe den Schwur gebrochen, den wir uns damals gaben. Und das tut mir so leid."
„Nein, das hast du nicht. Solange du mich noch liebst, kannst du ihn nicht brechen." Er ergriff ihre Hand. „i lîn an uireb."
Galadriel sah abrupt auf, als sie das hörte. Diesen Schwur hatten sie sich geleistet, nachdem er um ihre Hand angehalten hatte.
„i lîn an uireb", wiederholte sie langsam, mit einem sachten, aber glücklichen Lächeln.



melethron = Geliebter
i lîn an uireb = Auf ewig der/die Deine