Eine bittere Enttäuschung



Es war ein sonniges Wochenende. Wahrscheinlich sogar das letzte in diesem Jahr, denn so langsam ging der Sommer in den Herbst über. Viele Blätter hatten bereits eine bunte Farbe angenommen, doch die Strahlen der Sonne tauchten sie heute alle in ein goldenes Licht. An diesem Samstagmorgen wurde Harry erst spät von den Sonnenstrahlen geweckt. Auch Ron schlief noch tief und fest. Harry lag im Bett und überlegte, wozu er diesen Tag wohl nutzen sollte. Vielleicht, dachte er, sollte ich mit Ron und Hermine Hagrid besuchen und ihm von den letzten Ereignissen erzählen. Die letzten Ereignisse... plötzlich fühlte Harry sich unwohl. Ihm fielen die Stunden bei Snape ein und der fragwürdige Hass dessen auf Siney. Plötzlich hörte Harry ein verschlafenes Gähnen von dem bett, in dem Ron schlief. Er schien aufgewacht zu sein. Endlich, dachte Harry, denn er konnte es kaum erwarten raus zu kommen und den Tag zu genießen. "Ron...", sagte Harry behutsam. "Hmm...", erwiderte Ron schläfrig. "Bist du wach?" "Nein..." "Los, wach schon auf! Wir könnten Hagrid besuchen!", schlug Harry vor. "Hmm...", erwiderte Ron nur, und ein paar Sekunden später ertönte ein lautes Schnarchen. Vielleicht ist Hermine ja wach, dachte Harry, zog sich etwas über und machte sich auf den Weg in den Gryffindor Gemeinschaftsraum. Dort saßen zwar ein paar Schüler, Hermine war nicht dabei. Harry entdeckte Siney, die auf einem Sessel saß und einen großen Wälzer auf dem Schoß liegen hatte. "Guten Morgen!", rief Harry ihr zu. "Morgen.", gab Siney knapp zurück. Harry stellte sich vor Siney und bückte sich, um unter ihr aufgeschlagenes Buch sehen zu können. Er las: Das große Buch der Flüche und Gegenflüche auf der Vorderseite. "Wozu liest du das?", fragte Harry. "Snape!", erwiderte Siney, "Danke übrigens, dass du mich gestern sozusagen gerettet hast!" "Kein Thema! Hauptsache er versucht es nicht noch mal... Aber du scheinst davon auszugehen, oder?" Harry deutete auf das Buch. "Man kann nie wissen.", antwortete Siney und schrieb sich etwas auf ein Stück Pergament. Harry kam sich auch hier überflüssig vor, verabschiedete sich von Siney, und ging herüber zum Portrait der fetten Dame. Dort drehte er sich noch mal um und rief Siney zu: "Du weißt nicht zufällig wo Hermine steckt?" "Sie meinte, sie müsse irgendwas mit Lupin und Snape bereden... Die Arme!", sagte sie. Harry zog eine Grimasse und kletterte durch das Portraitloch. Als Harry ein paar Schritte gegangen war, traf er den, mit dem er jetzt am allerweinigsten reden wollte:

50 Malfoy! Er stolzierte den gang entlang, offenbar war er ebenfalls auf dem Weg nach draußen. Harry tat so, als würde er ihn nicht sehen, was so gut wie unmöglich war, denn Malfoys Gorillaartigen Freunde Crabbe und Goyle stampften neben ihm entlang. Doch Harry hatte Glück, denn Malfoy, Crabbe und Goyle schienen ihn nicht entdeckt zu haben. Sie unterhielten sich, und Harry fing ihre Worte auf: "Aber ich verstehe nicht, was du willst! Sie ist eine Gryffindor und genauso altklug, wie die verdammte Granger!", brüllte Crabbe zu Malfoy gewandt. "Ach, Crabbe, du hast doch gar keine Ahnung!", schnarrte Malfoy. "Sie ist doch eindeutig reinblütig! Was sucht sie dann in Gryffindor?" Plötzlich meldete sich noch jemand zu Wort. Es war Pansy Parkinson, die von Goyle verdeckt wurde. "Du findest diese Zicke doch nicht etwa nett?", fragte sie. "Sie hat so etwas mysteriöses an sich. Das gefällt mir!", sagte Malfoy und prustete los. Nach ein paar Sekunden taten Crabbe, Goyle und Pansy es ihm gleich, und lachend gingen sie durch das Eingangstor nach draußen. Harry sah ihnen nach, blieb aber in der Eingangshalle stehen, um dort auf Hermine zu warten. Er guckte auf die Uhr. Inzwischen war der Vormittag schon fast vorbei. Plötzlich kam Ron die Stufen zur Eingangshalle hinuntergeeilt. Er schien ganz außer Atem zu sein. "Oh, da hab ich ja noch mal Glück gehabt! Ich dachte du wärst schon bei Hagrid.", keuchte er. "Na, auch ma ausgeschlafen?", erwiderte Harry grinsend. "Muss ja auch mal sein. Wo ist denn Hermine?", sagte Ron "Bei Snape und Lupin...", sagte Harry. "Weiß auch nicht, was sie da macht." "Das hört sich irgendwie nicht gut an...", sagte Ron und hatte einen besorgten Gehsichtsausdruck aufgesetzt. Nachdem die Harry und Ron zehn Minuten in der Eingangshalle gestanden, und auf Hermine gewartet hatten, kam diese endlich zu ihnen gelaufen. "Wo warst du denn?", fragte Harry und tat so, als wüsste er nichts. "Bei Professor Lupin und Professor Snape!", antwortete Hermine. "Und was wollten die von dir?", fragte Harry. "Sie wollten nur wissen, ob ich etwas auffallendes in der Nocturngasse gesehen habe. Aber ich hab ihnen gesagt, dass ich mich an nichts erinnern kann." "Schon seltsam...", meinte Ron. "Erst entführt dich jemand, und dann belegen sie dich mit einem Gedächtniszauber und lassen dich einfach gehen..." "Darüber bin ich mehr als froh!", sagte Hermine. "Und warum steht ihr hier wie bestellt und nicht abgeholt?" "Wir haben auf dich gewartet.", sagte Harry. "und jetzt wollten wir Hagrid besuchen. Kommst du mit?" "Ja klar!", sagte Hermine begeistert. Und so liefen Harry, Ron und Hermine über die grüne Wiese herüber zu Hagrids kleiner Hütte am Rande des verbotenen Waldes. Sie konnten den riesenhaften Hagrid schon von weitem erkennen, wie er mit Fang, seinem Saurüden auf einer Bank vor seiner Hütte saß und sich von der Sonne anstrahlen ließ. "Na, Hagrid! Genießt du auch das schöne Wetter?", rief Hermine zu ihm herüber. Fang bellte aufgeregt beim Anblick von Harry, Ron und Hermine. "Oh, hallo! Endlich lasst ihr Rasselbande euch ma blicken!", brüllte er fröhlich zurück.

51 Harry, Ron und Hermine ließen sich im Gras nieder, wo Fang sie sabbernd und schwanzwedelnd begrüßte. Sie fühlten sich so richtig zufrieden mit der Welt. "Wollt ihr ein schönes Glas Kürbissaft, ihr drei? Hab eben welchen kalt gestellt. Ist doch jetzt genau das richtige, oder?", fragte Hagrid. "Jaah!", sagten Harry, Ron und Hermine gleichzeitig, worauf Hagrid in seine Hütte ging und mit vier Gläsern einkalten Kürbissaft wieder herauskam. Sie alle tranken ihr Glas fast in einem Hieb leer. "Wie geht's euch denn?", fragte Hagrid. "Könnte nicht besser sein!", erwiderte Harry. "Hab gehört, bald geht die Quidditch Saison wieder los! Haste denn schon ein Team, Harry?", wollte Hagrid wissen. "Nein, noch nicht, aber ich mache mich bald an die Arbeit!", sagte Harry. Ron warf Harry hoffnungsvolle Blicke zu. "Willst du auch mit in die Mannschaft, Ron?", fragte Harry. "Naja, Hermine ist Vertrauensschülerin, du bist Mannschaftskapitän, da könnte ich doch wenigstens Hausspieler sein, oder?", sagte Ron so, als hätte er monatelang für den Satz geübt. "Nun, ich denke darüber sollte sich reden lassen!", warf Hermine ein. "Wir können ja nachher ein bisschen spielen. Dann sehen wir mal, was du so drauf hast.", schlug Harry vor und zwinkerte Ron zu. "Ich gucke euch zu!", rief Hagrid begeistert. "Habe schon seit Ewigkeiten kein Quidditch mehr gesehen! Ihr gewinnt doch dieses Jahr!?" "Bei Harry als Mannschaftskapitän dürfte das doch kein Problem sein.", sagte Hermine und Harry lief rosa an. "Nun übertreibt mal nicht!", sagte er verlegen. "Und sonst? Wie läuft's in der Schule?", fragte Hagrid. "Alles prima! Wir haben gestern mit dem Apparieren begonnen!", sagte Hermine und bekam große Augen. "Hab' gehört, das soll nicht leicht sein!", meinte Hagrid. "Das stimmt. Man muss ziemlich viel beachten. Zum Beispiel, dass..." "Hermine, lass gut sein. Wir haben heute keine Schule!", sagte Ron. "Hast du schon von Snape und Siney gehört, Hagrid?", fragte Harry. "Ja, hab' ich! Also, dass sie einen Lehrer einfach so angreift! Da muss man ja schon richtig Angst haben! Am besten, ich lasse sie in Pflege magischer Geschöpfe in Ruhe!", sagte Hagrid. "Snape scheint sich die Geschichte wohl so hingebogen zu haben, dass er als Unschuldsengel dasteht. Dabei hat er doch Siney angegriffen!", sagte Harry aufgebracht. "Bist du dir da so sicher? Vielleicht waren es wirklich nur Funken...", sagte Hermine. "Nur, weil du sie nicht leiden kannst!", sagte Ron. "Also, ich wäre an ihrer Stelle auch misstrauisch! Und das solltet ihr auch sein!", riet Hagrid. "Siney ist schon in Ordnung!", sagte Harry und Ron nickte. "Aber ich hab' gehört, sie soll ganz schön was auf dem Kasten haben!", meinte Hagrid. Hermine warf ihm einen finsteren Blick zu und auch Ron und Harry

52 bedeuteten ihm mit Blicken dieses Thema lieber schnell zu beenden. Doch das war gar nicht so einfach, denn einen kurzen Moment später kam niemand geringeres als Siney auf die vier zugerannt. "Na, was macht ihr hier?", rief sie. "Ach, hallo Mr Hagrid!" Hagrid sagte nichts zu dieser seltsamen Anrede, sondern brachte nur ein "Tag" heraus. "Was haltet ihr von ner runde Quidditch?", fragte Siney. "Kannst du spielen?", fragte Harry. "Weiß nicht. Das können wir ja rausfinden. Also, was ist?", fragte Siney. "Von mir aus gerne!", rief Harry begeistert. "Aber wir haben nicht besonders lange Zeit. Gleich gibt es Mittagessen!" "Ein bisschen können wir noch!", rief Siney. "Kommt ihr?" "Ja klar!", riefen Harry und Ron. "Hermine, Hagrid?" "Wir... äh... bleiben lieber hier. Ich muss Hagrid noch wegen diesen Wolliwuschels fragen. Da hab' ich etwas noch nicht ganz verstanden...", sagte Hermine. "Unsere Hermine. Hat immer nur Schule im Kopf. Also los, lasst uns die Besen holen!", sagte Ron. Und so ließen Harry, Ron und Siney Hermine und Hagrid allein zurück und holten ihre Besen aus den Schlafsälen. Nach fünf Minuten trafen sie sich unten vor dem Eingangsportal wieder und Siney bestaunte als ersten Harrys nagelneuen Feuerblitz Primus, den er von Sirius zum Geburtstage geschenkt bekommen hatte. Sie konnte den Blick nur schwer von diesem Superbessen abwenden. Harry jedoch zeigte auf die Uhr. Sie hatten nicht mehr lange zeit und Harry hatte so einen Bärenhunger, dass er das Mittagessen nicht mal für eine Partie Quidditch verpassen wollte. Als die drei mit ihren Besen und zwei Bällen (normalen Fußbällen, die Harry sich von Seamus Finnigan ausgeliehen hatte) auf dem Quidditch Feld ankamen, konnte Harry es kaum mehr erwarten, sich vom Boden abzustoßen und in der warmen Luft zu fliegen. Mit seinem Feuerblitz Primus war Harry Ron und Siney natürlich weit überlegen, doch er wollte ihnen auch eine Chance lassen und nicht zu schnell fliegen. Die Besen von Ron und Siney waren nämlich nicht unbedingt die neuesten. Als sich die drei in die Lüfte erhoben hatten, konnte das Spiel auch sofort beginnen. Sie spielten alle miteinander, warfen sich die Bälle zu, schossen Tore und übten komplizierte Tricks, die Harry meist vormachte, aber auch Siney hatte einige Kunststücke drauf, fand Harry. Ron hingegen tat sich auf seinem Besen etwas schwer, was aber wohl daran lag, dass er sogar einst seinem älterem Bruder Charlie gehörte, und somit schon fast eine Antiquität war. Harry beobachtete Ron und Siney natürlich genau, denn er suchte für die Gryffindor Hausmannschaft noch einen Treiber und einen Jäger. Rons ältere Zwillingsbrüder Fred und George waren letztes Jahr noch Treiber gewesen, doch sie hatten ihre Schulzeit bereits hinter sich gebracht, und so musste Harry zwei neue auftreiben. Ron schien gar keine so schlechte Figur als Treiber zu machen, dachte sich Harry und Siney würde eine hervorragende Jägerin abgeben. Und plötzlich stürzte Siney auf den Boden zu. Harry konnte ihr kaum hinterher sehen, so schnell raste sie nach unten. Harry dachte, sie wollte Harry vielleicht von ihrem Talent überzeugen, doch als er genauer hinsah, bemerkte er, dass ihr etwas heruntergefallen war. Es war ihre Kette, und sie lag am Boden. Siney war nun fast da, doch sie musste bald bremsen. Doch zu spät. Sie schlug auf den Boden auf und stieß einen

53 Schmerzensschrei aus. "Siney, alles in Ordnung?", rief Harry ihr von oben zu und flog langsam nach unten. "Ja, ich glaube schon. Aber mein Bein. Es tut weh...", sagte sie keuchend. "Ich bringe dich am besten zu Madam Pomfrey in den Krankenflügel!", schlug Ron vor. "W-wo ist meine Kette?", fragte Siney jedoch nur? "Hier liegt sie!", sagte Harry und hob sie auf. Es war ein komisches Gefühl. "Danke!", sagte Siney lächelnd. "Die Kette bedeutet mir sehr viel, weißt du. Ich habe sie von meiner Mutter geschenkt bekommen." "Oh, verstehe.", sagte Harry. Er konnte es gut nachvollziehen was für einen Wert diese kette für Siney haben musste. Er wäre auch froh über jede Kleinigkeit, die er von seiner Mutter oder seinem Vater besäße. Der Tarnumhang seines Vaters zum Beispiel hatte eine große Bedeutung für Harry. "Los, ich bringe dich ins Schloss.", sagte Ron und half Siney aufzustehen. "Danke, das ist lieb von dir!", sagte Siney. "Ist doch kein Problem!", erwiderte Ron und legte einen Arm um Siney, damit sie besser laufen konnte. Die beiden gingen hoch zum Schloss. "Ich hole Hermine. Wir treffen uns dann beim Mittagessen!", rief Harry ihnen hinterher. Harry eilte schnell herüber zu Hagrids Hütte, wo Hermine immer noch saß und sich mit Hagrid unterhielt. "Faszinierende Geschöpfe sind das!", hörte Harry Hagrid sagen. "Ja, ich kann es kaum erwarten bis wir darüber sprechen!", erwiderte Hermine voller Vorfreude. "Hermine!", rief Harry ihr zu. "Es tut mir ja leid euch stören zu müssen, aber wir sollte hoch in die Große Halle gehen. Es gibt gleich Mittagessen." "Ja, ich komme schon! Auf Wiedersehen, Hagrid!", rief Hermine Hagrid noch zu während sie zu Harry herüberlief. "Und, wie lief euer Spiel?", wollte Hermine wissen. "Naja, Siney hat sich zwar bei einem Sturzflug verletzt, aber... ich würde sagen, wir haben zwei neue Teammitglieder!", sagte Harry begeistert. "Ich muss heute unbedingt noch mit Professor McGonagall sprechen und ihr meine Entscheidung mitteilen." "Da wird Ron sich aber freuen! Du kannst ja nach dem Essen zu Professor McGonagall gehen. Ich sollte Ron sowieso noch mit einer Hausaufgaben helfen.", meinte Hermine. "Gut, das mache ich. Ich hoffe wir können so bald wie möglich mit dem Training anfangen. Oh, ich hab' Quidditch ganz schön vermisst, weißt du?", sagte Harry. "Ich hätte auch mal wieder Lust die Slytherins gegen euch verlieren zu sehen!", sagte Hermine. Inzwischen waren die beiden in der Eingangshalle angekommen, wo sie auf Ron trafen. "Und, wie geht es ihr?", fragte Harry. "Madam Pomfrey kümmert sich um sie. Sie sollte heute Nachmittag wieder fit sein!", antwortete Ron. "Das freut mich. Dann können wir ja noch ein bisschen Quidditch spielen! Aber erst,

54 wenn ich bei der McGonagall war.", sagte Harry grinsend. "Was willst du denn bei der?", fragte Ron interessiert, doch Harry erwiderte nur: "Das ist eine Überraschung!" "Jetzt lasst uns endlich was essen gehen! Ich sterbe gleich vor Hunger!", warf Hermine ein und so machten sich Harry, Ron und Hermine auf den weg in die Große Halle, wo das Mittagessen bereits auf dem Tisch stand. Es gab Schweinebraten mit Kartoffeln, Maiskolben und Salat. Harry lief das Wasser im Munde zusammen. Das Essen in Hogwarts war immer unglaublich gut! Sie mampften genüsslich ihre Teller leer, und taten sich jeweils sogar noch ein zweites und ein drittes mal auf. Für den köstlichen Nachtisch (Eistorte mit heißen Himbeeren) hatten sie keinen Platz mehr. "Oh, das war gut!", stieß Ron hervor, nachdem er seine Gabel auf seinen leeren Teller hatte fallen lassen. "Ich könnte keinen Bissen mehr essen!" Plötzlich erhob sich Harry vom Tisch. "Wo willst du hin?", fragte Ron. "Hab' ich dir doch gesagt, zu Professor McGonagall!", sagte Harry. "Ach ja. Bin schon gespannt was das für eine Überraschung sein soll...", sagte Ron neugierig. "Wirst du schon sehen!", sagte Harry und ging herüber zum Lehrertisch. Auch die Lehrer schienen mehr als satt zu sein. "Professor McGonagall, kann ich sie bitte mal kurz sprechen?", sagte Harry. "Oh, Mr Potter, das trifft sich gut. Ich muss ihnen nämlich auch noch etwas mitteilen!", sagte Professor McGonagall mit einem äußerst seltsamen Blick. "Folgen sie mir doch bitte in mein Büro!" Sie stand auf und ging Harry voran hinaus aus der Großen Halle. Harry folgte ihr und Rons und Hermines Blicke folgten den beiden. Sie gingen eine ganze Weile durch das verlassenen Schloss, da alle Schüler entweder draußen oder beim Mittagessen waren. Vor einer Tür mit der Aufschrift: Minerva McGonagall, Hauslehrerin von Gryffindor machte sie halt. Professor McGonagall öffnete die Tür und bat Harry hinein. "Setz dich bitte.", sagte sie ruhig. "Es geht um das neue Quidditch Team! Ich habe zwei neue Spieler! Sie sind wirklich gut. Es sind...", sprudelte es auf Harry heraus. "Mr Potter, hören sie mir bitte einen Moment zu!", sagte Professor McGonagall streng, doch mit einem traurigen Blick. "Aber lassen sie mich doch sagen, dass es Ron..." "Mr Potter! Bitte...", began Professor McGonagall. "Es ist wichtig!" "Aber ich glaube sie stimmen mir zu, dass meine Neuigkeiten wichtiger sind, denn..." "Es wird kein Quidditch geben..." "Was haben sie da gerade gesagt?", fragte Harry völlig durcheinander. "Ich sagte, es wird kein Quidditch geben...", sagte Professor McGonagall und sah unheimlich traurig aus. "Tut mir leid, Harry!" "Aber... aber warum?" "Es ist zu gefährlich! Vierzehn Leute auf fliegenden Besen sind ein leichtes Angriffsziel! Es sind harte Zeiten, Mr Potter! Davon bekommen sie und ihre Mitschüler hier in der Schule wenig mit, aber es geschehen furchtbare Dinge! Das

55 Zaubereiministerium hat beschlossen, dass das Quidditch spielen bis auf weiteres strengstens untersagt ist! Einer unserer Nationalspieler hatte erst gestern einen tödlich Unfall aufgrund eines verhexten Besens!" Harry sagte nichts. Für ihn schien eine Welt zusammengebrochen zu sein. Kein Quidditch. Dabei hatte er sich darauf mehr als auf alles andere gefreut. Er war Mannschaftskapitän. Sein großer Traum! Und von einer Sekunde auf die nächste zerplatzt er. "Aber... können sie denn nichts...?", fragte Harry und er musste mit sich kämpfen nicht in Tränen auszubrechen. "Nein, Mr Potter. Wir müssen es so hinnehmen. Es ist zu gefährlich! Es tut mir leid! Ich kann mir gut vorstellen, wie sie sich jetzt fühlen müssen.", sagte Professor McGonagall. "Aber du möchtest doch als Teamkapitän deine Spieler nicht in Gefahr bringen, oder? Ich bin sicher wir hätten gewonnen, Harry! Du kannst stolz auf dich sein, es so weit gebracht zu haben! Dein Vater wäre es sicher gewesen! Und nun beweise Größe, indem du die Dinge so hinnimmst wie sie sind! Es ist das beste, glaub mir!" Sie hockte sich neben Harry und legte einen Arm und ihn. Stumme Tränen rannen Harry nun über das Gesicht. Quidditch bedeutete Harry so viel. Er fühlte sich seinem Vater so unglaublich nah, wenn er auf dem Feld war. Harrys Vater war in seiner Schulzeit ebenfalls Quidditch Spieler für Gryffindor gewesen. "Aber es gibt etwas anderes, worauf du dich freuen kannst! Sie dir mal den Aushang in der Eingangshalle an. Das wird dich sicher aufheitern!", sagte Professor McGonagall, doch Harry hatte das Gefühl ihn könnte jetzt gar nichts mehr aufheitern, nicht einmal, wenn Professor McGonagall ihn hier in ihrem Büro zum Schulsprecher ernennen würde. "Los, sieh es dir an! Außerdem warten deine Freunde auf dich! Und nun sei nicht mehr traurig. Nächstes Jahr holen wir uns den Pokal!", sagte Professor McGonagall und lächelte Harry zu. Kaum vernehmbar lächelte Harry zurück. Professor McGonagall ist schon in Ordnung, dachte er.

Unten in der Eingangshalle ging Harry herüber zum kleinen Glaskasten, indem wichtige Aushänge für die Schüler zu finden waren. Harry sah hinein und las:

Thaddäus' Fun Paradise Schon bald in Hogsmeade!

Thaddäus' Fun Paradise ist das Paradies in der Zaubererwelt! Besuchen sie die wunderbare Welt der Träume und sehen sie zu, wie sie in Erfüllung gehen! Am einunddreißigsten Oktober öffnet Thaddäus' Fun Paradise seine Pforten und ist für jeden offen, der den schönsten Tag seines Lebens verbringen möchte!

Darunter war ein kleiner Zettel geheftet, auf dem es hieß: Der erste Hogsmeade Besuch in diesem Jahr (ab der dritten Klasse) findet am einunddreißigsten Oktober zur Eröffnung des Thaddäus' Fun Paradise statt. Alle interessierten finden sich bitte um zehn Uhr in der großen Halle ein. Der Unterricht wird an diesem Tag nicht stattfinden!

56 Harry machte große Augen. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Was mag das Thaddäus' Fun Paradise sein, fragte er sich. Ob es dort auch einen Quidditch Laden gab? Quidditch... Da war es wieder. Harry konnte sich nicht vorstellen, dass ein Ort so schön sein konnte ihn über diese Enttäuschung, die er gerade eben erlebt hatte hinwegzutrösten. Auch nicht das Thaddäus' Fun Paradise! Den Kopf wieder voller trauriger Gedanken ging er hoch in den Gemeinschaftsraum, wo er sich ganz allein auf einem Sessel niederließ und das Buch Quidditch im Wandel der Zeiten zur Hand nahm. Nachdem er ein paar Minuten gelesen hatte kam jemand durch das Portraitloch in den Gemeinschaftsraum gekrochen. Harry drehte sich um, und sah Siney, die nun nicht mehr humpelnd auf ihn zukam und sich auf einem Sessel neben Harry niederließ. "Was machst du denn ganz allein hier oben?", fragte sie. "Nichts.", erwiderte Harry lustlos. "Hermine und Ron sitzen unten in der Großen Halle und warten auf dich!", sagte Siney. "Aha.", sagte Harry. "Hey, was ist denn los mit dir?", fragte Siney und kam ein wenig näher. "Es ist nichts!", schrie Harry Siney auf einmal an. "Schön!", sagte Siney, drehte sich um und ging hoch in den Mädchenschlafsaal. Diese Reaktion erinnerte Harry sehr an Hermine... "Siney! Warte doch!", rief Harry ihr noch nach, doch sie war bereits die Treppe hoch verschwunden. Verdammt, dachte Harry, das hätte ich nicht machen sollen. Und so entschloss er sich Quidditch im Wandel der Zeiten wegzulegen und hinunter in die Große Halle zu gehen, wo Ron und Hermine auf ihn warteten. Auf seinem Weg kam er noch mal an dem Aushang vorbei, wo sich inzwischen bereits eine kleine Traube von Schülern gebildet hatte. Sie alle schienen vor Freude ganz außer sich zu sein. Auch einige Quidditch Spieler von Ravenclaw waren dabei. Sie würden sich mit Sicherheit nicht mehr so ausgelassen freuen, wenn sie wüssten, dass es dieses Jahr kein Quidditch gibt, dachte Harry. In der Großen halle angekommen winkten Ron und Hermine Harry zu sich her. Die beiden spielten Zauberschach, was Harry wunderte, denn Hermine denn Hermine hielt dieses Spiel für viel zu brutal, weil die Schachfiguren sich gegenseitig grausam zurichteten. Harry setzte sich neben Ron und sagte kein Wort. "Und, was wolltest du bei Professor McGonagall?", fragte Ron neugierig. "Ihr sagen, dass du und Siney im Quidditch Team seid!", erwiderte Harry voller gekünstelter Freude. "Was? Ehrlich? Danke, Harry!", rief Ron und bekam große Augen. "Aber sie sagte es wird dieses Jahr kein Quidditch geben!", sagte Harry. Es war volle Absicht von ihm gewesen, auch Ron so zu enttäuschen. Er kam sich sehr schlecht dabei vor, aber er konnte es nicht ertragen, dass andere sich heute über etwas freuten. "Was? Das ist doch nicht dein Ernst, oder?", fragte Ron. "Doch!", sagte Harry und kam sich immer schäbiger vor. Ron starrte ihn nur traurig und enttäuscht an, Hermine jedoch schien vor Wut fast zu platzen. "Na das hast du ja schön hinbekommen!", schrie sie Harry an. Dieser zuckte nur mit den Schultern. "Oh, wie kann man nur so fies sein!", schrie sie noch lauter. "Das ist echt das

57 allerletzte!" Doch Harry war es egal, was Hermine von ihm halten mochte. Es gab dieses Jahr kein Quidditch... Er war genauso enttäuscht worden. Er war Mannschaftskapitän! Sein großer Traum war in Erfüllung gegangen, und im nächsten Moment zerplatzt wie eine Seifenblase. Warum sollte es anderen nicht genauso gehen? "Komm, Ron!", sagte Hermine. "Wir gehen. Soll Harry sich doch alleine darüber freuen, was er gerade getan hat." Ron sagte kein Wort, erhob sich aber von seinem Stuhl und folgte ihr nach draußen. Hermine warf Harry noch einen wütenden Blick zu, bevor sie die Tür zur großen halle hinter sich schloss.



































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